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Der Schwur – Dritter Teil – Kapitel 3.1

Der-SchwurDer Schwur
Historischer Roman aus dem mexikanischen Unabhängigkeitskrieg

Dritter Teil
Der See Ostuta

Kapitel 3.1
Die Flüchtlinge

Als der Oberst erwachte, fühlte er eine dumpfe Mattigkeit in den Gliedern, dass er erstaunte, in einer solchen Stellung länger als eine halbe Stunde geschlafen zu haben. Er fieberte heftig, vom Baum herabzusteigen, um sich durch Bewegung zu ertüchtigen. Beim Anblick der beiden Individuen, die auf seinen Schlupfwinkel zuschritten, hielt er es für ratsamer, ein wenig zu warten und fürs Erste leise die Knoten seines Gürtels, der ihn festhielt, zu lösen, ohne das verdächtige Benehmen der beiden Ankömmlinge aus den Augen zu lassen.

Diese schlichen, ohne auch nur die Gegenwart eines lebenden Wesens in so großer Nähe zu ahnen, dennoch behutsam vorwärts, blickten bald zur Rechten, bald zur Linken, als ob sie gehofft oder gefürchtet hätten, ein noch unsichtbares Detail zu entdecken. Ihr Aufzug war ziemlich wunderlich und besonders sehr wenig geeignet, um durch die Büsche zu schleichen, denn er bestand einfach aus Unterhose und Hemd.

Diese leichte Kleidung schien ganz durchnässt zu sein, obgleich die Nacht sehr trocken gewesen war, und jeder von ihnen trug ein ziemlich großes Paket in der Hand.

Diese Leute, dachte der Oberst, suchen entweder jemanden oder fürchten, gesucht zu werden. Was aber von beiden?

Er horchte und spähte noch aufmerksamer.

Ebenso wie an diesem Ort das dichte Laubwerk der Bäume Don Rafael günstig schien, um sich zu verbergen, so war es auch diesen beiden Männern zu behagen, und sie machten dort gleichfalls halt.

»Bleiben wir hier«, nahm der eine das Wort, »so lange, bis wir uns umgezogen haben.«

»Ich bin zufrieden, wir müssen uns beeilen«, entgegnete der andere. »Wir müssen bereits ein tüchtiges Stück der Straße nach Huajapam hinter uns haben.«

Beide setzten sich unter die Zeder, die dem Obersten zum Unterschlupf diente, und fingen schweigend und ohne zögern an, ihre durchnässte Kleidung abzulegen und andere, die sich in den Paketen befand, welche sie unter dem Arm trugen, anzuziehen.

»Also das da ist es, das seine Last Gold wert ist?«, fragte der eine und zeigte bei diesen Worten auf ein anderes Päckchen, das sein Gefährte sorgsam in der Tasche seiner Jacke verbarg.

»Ja. Du wirst sehen, dass du es nicht zu bedauern brauchst, eingewilligt zu haben, mir zu folgen und den Vorteil, den uns dies abwerfen wird, mit mir zu teilen. Die Hauptsache bleibt immer, wie wir uns hier herauswickeln können, denn man wird sich bald auf unsere Verfolgung machen.«

»Das ist gewiss, man wird uns nicht finden, und wenn wir auf die Vorposten derjenigen meiner Kameraden stoßen sollten, welche die Hazienda del Valle blockieren, so werden sie noch nicht von meiner Flucht unterrichtet sein und ich werde ihnen weiß machen, dass ich den Auftrag habe, dich zu begleiten, um mit dir den Betrag des Lösegelds für einen Gefangenen zu erheben.«

»Und wenn man uns zum Lager zurückführt?«, entgegnete der andere.

»So werden wir dort gehängt. Aber ein wenig früher, ein wenig später, was tut es, ist das nicht die Bestimmung des Menschen?«, antwortete philosophisch Juan el Zapote, denn es war dies der Ex-Wächter des Boten Don Marianos und seiner Tochter, jetzt sein Gefährte auf der Flucht. »Ich fühle mich tüchtig genug, dich herauszuziehen, mein lieber Kamerad.«

»Alle Teufel«, sagte Don Rafael nachdenklich zu sich, »der Schurke da, der denkt, dass es das Schicksal aller Menschen sei, früher oder später einmal gehängt zu werden, scheint seiner Sache so gewiss zu sein, dass es ihn nicht viel kosten würde, auch mich glücklich an den Galgen zu bringen.«

Der Oberst ergriff, noch mit diesem Gedanken beschäftigt, eine der Lianen, die ihn zum Klettern auf den Stamm der Zeder gedient hatte, und sprang mit dem Risiko, einen Teil seiner Kleidung in den Zweigen des Baumes zu lassen, mit einem Satz vor die beiden verblüfften Abenteurer.

Unversehens befand sich nun Don Rafael dem Boten gegenüber, der einen Auftrag so zarter Natur an ihn von Gertrudis hatte, dass er gewiss alles für die Kenntnisnahme desselben hingegeben hätte. Leider aber kannten sie einander nicht.

»Pst! Fürchtet nichts, ich biete Euch meinen Schutz an«, sagte der Oberst mit stolzer Ungezwungenheit, »und vor allem nieder mit den Waffen!«

El Zapote hatte bereits seinen langen Dolch gezückt, den er auf jeden Fall in Bereitschaft hielt, um ihn dem ersten Besten mit seiner, einem Mann wie ihm, der nur die herrliche Aussicht auf Strick oder Galgen hat, eigentümlichen Gleichgültigkeit zwischen die Rippen zu stoßen. Don Rafael hatte sich gleich seiner Faust versichert und presste sie mit genügender Kraft, um ihm zu zeigen, dass er ein ebenso fürchterlicher Feind als auch ein mächtiger Beschützer sein könne.

»Wer seid Ihr?«, riefen die beiden Gefährten wie aus einem Mund.

»Ah, das ist sehr indiskret«, erwiderte Don Rafael. »Ich bin ein Mann, der von einem Baum springt. Beweis dafür ist, dass mein Hut sich noch auf demselben befindet.«

Und ohne die Hand Juans loszulassen, langte der Oberst, sich auf die Fußspitzen stellend, seinen Filzhut mit der Spitze seines langen Degens von dem Zweig herab, an dem er hing.

»Ihr flieht vor den Leuten Arroyos, ich auch, und das ist alles, was wir zu wissen nötig haben«, fuhr er dann fort. »Nun seid Ihr zwar zu zweit, ich bin allein, wenn Ihr nicht gemeinschaftliche Sache mit mir machen wollt, steche ich Euch nieder. Tut nun, was Euch beliebt.«

»Zum Teufel! Was für einen tüchtigen Handelsmann Ihr abgegeben hättet mit diesem Klimpergeld in Geschäftssachen!« entgegnete el Zapote, dem diese freie, ohne alle Winkelzüge angebotene Verbindung gefiel. »Was soll ich für Euch tun?«

»Ihr sollt mich mit Eurem Kumpan hier für Euren Kameraden ausgeben, der wie Ihr den Auftrag hat, den Betrag des Lösegeldes für einen Gefangenen zu erheben, was ja auch in etwa wahr ist, da Ihr beide den Ertrag eines …«

»Eines sehr einfachen Auftrages«, unterbrach ihn Juan el Zapote, »und wenn Ihr wüsstet …«

»Ich hege keineswegs die Absicht, auch meinen Teil zu beanspruchen«, fügte Don Rafael lächelnd hinzu. »Es liegt mir wenig daran, zu wissen …«

»Ihr sollt es gegen Euren Willen wissen, zum Teufel!«, unterbrach ihn Juan, von einer unwiderstehlichen Neigung zur Offenherzigkeit hingerissen. »Unter Freunden, denn wir werden es von jetzt an, ist rücksichtslose Offenheit notwendig.«

»So lasst hören«, sagte der Oberst.

»Nun«, antwortete der wahrheitsliebende el Zapote, »es ist ein ordnungsmäßiger Letzter Wille eines unermesslich reichen Onkels zugunsten eines Neffen, der sich enterbt glaubte, und das wir jetzt dem genannten Verwandten überbringen wollen. Ihr könnt Euch den Verdienst denken, das die Botschaft einbringen wird.«

»Ist das Testament auch nicht falsch?«, fragte der Oberst, durch das verdächtige Aussehen Zapotes misstrauisch gemacht.

»Wir können nicht schreiben«, erwiderte dieser offenherzig. »Wenn Ihr folgen wollt, so machen wir uns alle drei so schnell wie möglich von hier fort. Wir haben schon zu viel Zeit verloren.«

»Und mein Pferd«, warf der Oberst ein, »was machen wir mit dem?«

»Ah, Ihr habt ein Pferd! Nun, lasst das nur. Es würde Euch nur hinderlich sein.«

»Besonders wenn es ein Pferd ist, wie ich eins kenne«, fügte der Verkünder hinzu, indem er auf den Roncador anspielte, »das ich Gelegenheit hatte, in den Ställen Don Marianos zu Oajaca zu sehen. Dieses Teufelsvieh, denkt Euch …«

Plötzlich erschallten zu gleicher Zeit vom Ufer des Flusses, von der Straße, die nach Huajapam führt, und von zwei entgegengesetzten Seiten des Waldes Rufe, die den Boten in dem Augenblick unterbrachen, als er Don Rafael die Sonderbarkeit seines eigenen Pferdes erzählen wollte und so ohne Zweifel den Weg angebahnt hätte, der endlich zur völligen Erkennung zwischen dem Obersten und ihm führen musste.

»Teufel!«, sagte el Zapote, »die Sache wird ernster, als ich dachte.«

Die Rufe, welche die Luft erfüllten, drückten die Zuversicht und den Eifer derjenigen aus, die in der Verfolgung begriffen waren, sowie auch den unumstößlichen Entschluss, keinen Pardon zu geben.

Juan starrte einige Sekunden lang den royalistischen Offizier, der den Hut eines freiwilligen Partisanen, die Jacke eines Truppen-Soldaten und die Hose eines Reiterei-Offiziers trug, voller Erstaunen an.

»Ihr seid ein Mann, der von einem Baum herabgesprungen ist, das kann ich nicht leugnen«, nahm er das Wort. »Wenn es kein anderer ist, als Ihr selbst, so befindet sich hier im Wald ein Royalist, den man auf das Äußerste verfolgt.«

»Ich leugne meinerseits nicht, dass ich der Sache des Königs diene«, antwortete Don Rafael einfach.

»Diese Rufe, deren Bedeutung ich kenne, sagen, dass man sich tot oder lebendig eines Royalisten bemächtigen soll, der sich in irgendeinem Teil des Waldes verborgen hat«, fuhr el Zapote fort. »Haben die, welche Euch verfolgen, Euch schon einmal gesehen?«

»Ich tötete gestern zwei von ihnen fast unter ihren Augen.«

»Dann habe ich keine Hoffnung, Euch mit durchzubringen wie meinen Gevatter hier, der ein gewöhnlicher Gefangener und weder Royalist noch Rebell ist.«

»Wenigstens ist es zweifelhaft.«

«Es ist ganz unmöglich und ich kann Euch nur eine Sache für gewiss versprechen, Euch nämlich nicht zu verraten in dem Fall, wenn wir, mein Gefährte und ich, durchkommen und uns aus dieser fatalen Lage ziehen, und dann noch zu versuchen, Eure Verfolger von Eurer Spur abzulenken, denn ich fange an, dieses Banditenleben satt zu bekommen. Aber unter einer Bedingung.«

»Und die wäre?«, fragte der Oberst.

»Die, uns jetzt zu erlauben, unsere Kameradschaft aufzuheben. Ich kann Euch nicht mehr retten, Ihr seht es selbst ein. Ihr würdet uns nur mit Euch zugrunde richten, ohne dass Ihr den geringsten Vorteil davon hättet, oder uns verhindern, dem die Botschaft zu überbringen, der darauf Ansprüche hat. Andererseits ist Eure Fügung seit diesem Zeitpunkt an die unsrige geknüpft und Euch inmitten der Gefahr ohne Eure Einwilligung verlassen, wäre eine Feigheit, für die ich von Euch Verzeihung erlangen möchte.«

Es lag in den Worten el Zapotes eine Art Offenherzigkeit, die den Obersten unwillkürlich einnahm.

»Darauf soll’s nicht ankommen, mein Freund«, sagte Don Rafael entschlossen. »Ich erlaube Euch, Euer Gelingen zu versuchen, so gut Ihr könnt, und ich wünsche sogar, dass Ihr mit Eurem Testament bis zu dem Neffen gelangen mögt«, fügte er lächelnd hinzu.

Dann sagte er in einem Anflug von Traurigkeit: »Ich habe, wie ich glaube, ebenso wenig Veranlassung, für mein Leben besorgt zu sein, wie Ihr. Ein wenig früher oder ein wenig später, was tut’s? Nun«, fuhr er mit einer plötzlichen Rückkehr seiner guten Laune fort, »ich halte eine große Portion darauf, nicht gehängt zu werden.«

»Danke für Eure Erlaubnis, Señor«, erwiderte Juan. »Bevor wir uns trennen, noch ein Wort: Wenn Ihr mir folgen wollt, so klettert wieder auf den Gipfel des Baumes. Niemand wird vermuten, dass Ihr da steckt.«

»Auf keinen Fall, dann würde ich dem von Kläffern verfolgten Jaguar gleichen, ohne mich verteidigen zu können, und ich will, wie die Indianer sagen, vor mir so viel Feinde wie möglich ins Jenseits schicken, um mir die Jagdgründe bahnen zu lassen.«

»Nun, wenn Ihr es noch besser machen wollt«, fuhr el Zapote fort, »geht zur Ostuta. Im Süden dieser Waldung sind an den Ufern des Flusses und in der Nähe der Furt so undurchdringliche Bambusdickichte, dass mein Kumpel und ich dort bis zum Jüngsten Gericht eine Zufluchtsstätte gefunden hätten, wenn uns nicht unsere Geschäftsangelegenheiten gezwungen, uns gleich auf den Weg zu machen. Wenn Ihr die erreichen könnt, seid Ihr gerettet.«

»Ah, das ist vorzuziehen«, sagte der Oberst, »obgleich ich es satthabe, mich nun schon drei Tage lang verbergen zu müssen. Lebt denn wohl! Gute Geschäfte!«

Juan und sein Gefährte schlugen, nachdem sie sich orientiert hatten, die Richtung ein, die sie auf einem ziemlich großen Umweg auf die Straße nach Huajapam führen musste, wo der Überbringer, ohne eine Ahnung zu haben, dass er sich von dem Obersten immer mehr entferne, ihn im royalistischen Lager mit der Einschließung Huajapams beschäftigt zu finden hoffte.

Einige Sekunden später hatte das dichte Gehölz sie den Blicken des Obersten entzogen.

»Meiner Treue, ich ärgere mich, ihn nicht nach seinem Namen gefragt zu haben«, sagte der Getreue Juans zu seinem Gefährten nach Verlauf einer Viertelstunde, in der sie schweigend ihren Weg fortgesetzt hatten. »Er würde uns auch kein Geheimnis aus seinem Stand gemacht haben, denn er schien mir ebenso freimütig wie tapfer zu sein. Seinem ganzen Wesen nach muss er trotz seiner Verkleidung irgendein Offizier der royalistischen Armee sein.«

»Bah«, entgegnete el Zapote, »der Name tut unter solchen Umständen nichts. Es ist ein verlorener Mann und wir hätten nichts davon, wenn wir seinen Namen wüssten.«

»Wer weiß?«

»Ich ärgere mich, dass wir ihm nicht haben nützlich sein können, das ist alles. Jetzt wollen wir an uns denken, das ist die Hauptsache, denn siehst du, mein braver Gaspar, wir sind noch nicht außer Gefahr.«

Die beiden Gefährten setzten ihren Weg fort, so vorsichtig wie möglich durch die Gebüsche schlüpfend, welche die Sonne, die nun schon höher am Himmelszelt heraufgestiegen war, mit ihrem glühenden Strahl zu bescheinen anfing.

So verrann eine halbe Stunde, ehe sie wieder die Stimmen derer hörten, die in der Waldung vorrückten und ziemlich dicht nebeneinander gingen. Bald erstarben die Rufe wieder.

Mitten in der Stille, die nun herrschte, hörte Juan deutlich das Knicken der Büsche und zwar in ganz geringer Entfernung vor sich, und indem er in dieser Richtung weiterging, bemerkte er einen Mann, welcher mit Wachsamkeit vorwärtsschritt, seinen Karabiner in der Hand, dann zehn Schritte von diesem zu seiner Rechten und zu seiner Linken zwei andere Männer in gleicher Linie, die mit derselben Vorsicht durch die Büsche schlichen.

Alle drei bildeten sich, so gut es gehen wollte, aus jedem Baum einen Wall. Einen von ihnen erkannte Juan.

»He, Perico!«, schrie dieser.

»Wer ruft mich?«, entgegnete der Mann.

»Ich, Juan el Zapote.

»Ah, und durch welchen Zufall?«, fragte Perico.

»Das will ich dir gleich sagen«, erwiderte el Zapote mit bewunderungswürdiger Unverschämtheit. »Erst musst du wissen, dass der Capitano …«

»Woher kommst du?«, fragte Perico.

»Aus dem Lager von der anderen Seite der Ostuta.«

»Der Hauptmann wusste also, dass wir einen Royalisten in diesem Wald verfolgten?«

»Wieso?«, fragte Juan.

»Denke dir, die ganze Nacht haben wir diesen Wald durchsucht, um den Schurken aufzufinden. Anfangs waren wir zehn, jetzt sind wir nur noch acht, Suarez und Pacheco sind getötet worden, jetzt sind wir aber, nach den Rufen zu urteilen, die uns geantwortet haben, wenigstens zwanzig.«

In diesem Moment gesellte sich zu den dreien, die Juan angetroffen hatte, noch ein Vierter. Ein glücklicher Zufall fügte es so, dass diese vier Männer gerade diejenigen waren, die Pepe Lobos beauftragt hatte, den der Straße nach Huajapam benachbarten Teil des Waldes abzusuchen, und die daher, weil sie nicht mit dem alten Refino in Berührung gekommen waren, gar nicht wussten, dass auch Juan als Fahnenflüchtiger verfolgt werde.

»Nun«, nahm dieser wieder das Wort, »da ich dir gesagt habe, warum wir uns hier befinden, als Abgesandte einer Gesandtschaft, die der Capitano mir und meinem Gevatter Don Gaspar aufgetragen hat, und da ich große Eile habe …«

»Der Teufel soll mich holen, wenn du mir etwas von deiner Mission gesagt hast!«, rief Perico.

»Zum Henker! Eine Botschaft so geheim, wie die meine! Vorwärts, auf Wiedersehen! Ich wiederhole es dir, ich habe es sehr eilig.«

»Bevor du weiter gehst«, bemerkte einer der drei Männer, »sage uns, ob Ihr jemandem im Wald begegnet seid.«

»Wem? Dem Royalisten, den Ihr verfolgt?«

»Gewiss, dem tollkühnen Obersten.«

»Ich habe keine Spur von einem zornigen Oberst gesehen«, antwortete Juan.

»Nun, zum Teufel, den Obersten Tres-Villas!«, schrie Perico. »Du spielst den Unwissenden. Hoffst du, ihn allein gefangen zu nehmen und dir die Prämie von fünfhundert Piastern allein zu verdienen?«

»Der Oberst Tres-Villas?«, rief der Bote Gaspar aus.

»Fünfhundert Piaster Prämie?«, fügte Juan hinzu, mit der Faust in die Haare fahrend, als ob er sich eine Handvoll davon ausreißen wollte.

»Nun ja, zum Teufel, ihn selbst!«, sagte Perico. »Ein langer Kerl mit schwarzem Schnurrbart und einem Filzhut von derselben Farbe. Er trägt Hosen mit goldenen Streifen und die Jacke eines Infanterie-Soldaten.«

»Der Euch zwei Mann getötet hat?«

»Vier, da Suarez und Pacheco nicht wieder zum Vorschein gekommen sind.«

Jetzt war kein Zweifel mehr, dass der Mann, den sie soeben verlassen hatten, ganz derselbe war, den sie suchten, um ihm die Botschaft Gertrudis’ zu überbringen. Juan tauschte mit seinem Gesellen einen Blick aus, in welchem sich der Schmerz seiner getäuschten Hoffnung ausdrückte.

Kurze Zeit strauchelte die erst von heute datierte Ehrlichkeit des gewesenen Banditen, die noch auf ziemlich schwachen Füßen stand, doch die stummen Bitten Gaspars und die Erinnerung an seinen abgelegten Eid der Treue trugen in seiner Seele den Sieg über seine getäuschte Habgier davon.

»Ich habe nichts gesehen«, sagte er kurz, »und Ihr lasst mich meine Zeit unnütz vertrödeln. Auf Wiedersehen!«

»Geleite dich Gott!«, sagte Perico.

Gaspar und Juan tauschten ein letztes Lebewohl mit den Gefährten Pericos aus und entfernten sich, zuerst, solange sie noch sichtbar waren, mit langsamen Schritten, dann, als sie sich allein sahen, liefen sie aus Leibeskräften.

Die Hauptsache war nun, sich erst in Sicherheit zu bringen, nachher blieb es ihnen überlassen, so lange sie wollten über eine solche Widerwärtigkeit zu lamentieren.

Als sie sich in dem Teile des Waldes, der an der anderen Seite der Straße liegt, in Sicherheit glaubten, warf sich Juan in das Moos einer Lichtung mit einem Ausdruck vollkommener Verzweiflung.

»Was sollen wir nun machen?«, stöhnte Gaspar kläglich.

Juan verharrte in einem Schweigen, wie es immer großen Gedanken vorausgeht, dann erhob er sich nach Verlauf einer Minute.

»Ein herrlicher Streich!«, rief er. »Ein seltener Streich! Eine lobenswerte Tat!«

»Bist du einer solchen fähig?«

»Wir sind beide ihrer fähig! Höre, Gevatter, ich bin denen bekannt, die die Hazienda del Valle blockieren, du denen, die sie verteidigen. Lass uns aufbrechen. Sind wir erst einmal da, gibst du mich für einen Diener deines Herrn Don Mariano aus.«

»Das ließe sich machen, lieber Vetter«, warf Gaspar treuherzig ein, »wenn du nicht ein so verteufeltes Gesicht …«

»Ich werde es verstellen, das ist meine Sache, du sollst es sehen. Ich fordere eine Belohnung von tausend Piastern, wenn es mir gelingt, den Obersten mit Gefahr meines Lebens aus der Klemme zu ziehen, in der er steckt. Wir nehmen fünfzig Mann mit uns, ich befreie den Oberst, wir empfangen die versprochene Belohnung und noch obendrein den Preis für die Botschaft. Was sagst du dazu? He?«

»Das wäre köstlich, wahrhaftig!«

»Ja, die Tugend, siehst du! Es gibt nichts Einträglicheres.«

»Bis dahin wird der Oberst entweder gefangen genommen oder getötet worden sein.«

»Vielleicht auch nicht. Und dann, wenn er wirklich hat dran glauben müssen, suchen wir den Capitano gefangen zu nehmen. Koste es, was es wolle, ich muss eine Prämie ergattern.«

»Vielleicht ist es dem Offizier gelungen, das Bambusdickicht am Ufer zu erreichen«, entgegnete Gaspar.

»In zwei Stunden können wir mit Verstärkung hierher zurück sein. Beeilen wir uns also die Hazienda zu erreichen.«

Durch diese Hoffnung angefeuert, fassten die beiden Abenteurer wieder Mut und eilten, so schnell ihre Füße sie tragen konnten, zu der Hazienda, die der Leutnant Veraegui bewachte.