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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Vierter Teil – 12. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Vierter Teil

Zwölfte Erzählung

Ein bannender Nachtgeist in der Kirche Greifenberg

Der im Jahr 1795 verstorbene Prediger des Städtchens Greifenberg in der Uckermark, Herr Wesenberg, hatte sich, einige Jahre vor seinem Tod, einmal mit der Vorbereitung zur Pre­digt des nächsten Sonntags sehr verspätet und studierte daher diesen Sonnabend, wider seine sonstige Gewohnheit, bis in die späte Nacht hinein. Eben weil dies bei ihm eine Ausnahme von der Regel war, hatte man ihm nicht gehörig mit Licht versehen. Alles um ihn her lag bereits im ersten tiefen Schlaf, als der Rest seines Lichtes nahe daran war, zu erlöschen; und doch musste er notwendig noch ein Stündchen aufbleiben und Erleuchtung für diese Zeit haben.

Ungern wollte er die seinen im Schlaf stören, ohne deren Beihilfe er im ganzen Haus nir­gends Licht zu finden wusste. Rasche Vorkehrung war nötig, wenn das Licht, das nun noch brannte, nicht erlöschen sollte. Rasch entschloss er sich daher, im Finsteren geschwind zu der ihm ganz nahen Kirche des Ortes zu eilen, um von daher den kleinen Rest eines für den Altar unbrauchbar gewordenen Wachslichts, welchen er dort irgendwo liegen ge­sehen zu haben sich erinnerte und woran er ohnehin rechtliche Ansprüche hätte, für diesen Notfall zu seinem Privatgebrauch herbeizuholen.

Dieser Entschluss war bald vollzogen; denn dem rechtlichen Mann, dessen Kopf von dem Gespensterwahn und von groben Vorurteilen nichts weiß, ist es gleich, ob er zu der manchem vielleicht grauenvollen Mitternachtsstunde oder am hellen Tag eine Kirche allein zu besuchen Veranlassung hat.

Nicht ohne Mühe und nach einigem Aufenthalt hatte der im Finsteren umherfühlende Predi­ger nun den erwähnten Wachslichtstummel endlich gefunden. Eilig wollte er sich nun entfernen, um nach der kleinen, durch das Suchen nach dem Wachs veranlassten Verzögerung am Altar, auf die er nicht gerechnet hatte, bei der Rückkehr in sein Studierzimmer, das Licht noch nicht erloschen zu finden. Aber wie sehr erstaunte er, als er sich in diesem Augenblick von einer unsichtbaren Kraft ergriffen und gleichsam gebannt sah.

Als ein Mann von ungewöhnlicher Leibesstärke gelang es ihm zwar, sich ihr gewaltsam zu entreißen und siegreich noch eben zur rechten Zeit das Flämmchen seines dem Erlöschen ganz nahen Lichtes aufzufangen; allein darüber hatte er nun versäumen müssen, die Natur des Nachtgeistes, der ihn so mächtig packte, näher kennen zu lernen.

Fest überzeugt, dass derselbe wenigstens kein übernatürliches Wesen sein könne, kümmerte ihn indessen der rätselhafte Vorfall zu wenig, als dass er nicht hätte ruhig fortstudieren sollen.

Habe ich doch, dachte er, die Kirchtür wohlbedächtig wie­der verschlossen; so eingesperrt, werde ich das gewiss ganz natürliche, bannende Wesen auch morgen früh noch vorfinden.

Wirklich betrog er sich in dieser Hoffnung im Geringsten nicht, denn als er des folgenden Tages die Gegend, wo jene unbekannte Kraft ihn festgehalten hatte, mit forschendem Auge ansah, bemerkte er sogleich einen Nagel hervorstehen, welche mit der Kleidung desjenigen, der von dieser Seite sich so, wie er, nach der Gegend des Wachslichtstummels über den Altar hinbog, notwendig in Streit geraten musste. Auch stimmte ein in dieser Nacht entstandener und nun erst entdeckte großer Riss in der häuslichen Piquesche, welche er in vergangener Nacht getragen hatte, mit dieser Deutung des bannenden Nachtgeistes auf das Vollkommene überein.