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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der wegen seiner kurzweiligen Possen merkwürdige Schlesische Rübezahl 01

Der wegen seiner kurzweiligen Possen merkwürdige
Schlesische Rübezahl
Oder der schalkhafte Berggeist
Von Oskar Ludwig Bernhard Wolff

Das Riesengebirge in Schlesien ist seit undenklichen Zeiten für den Aufenthalt eines Geistes bekannt, der den Namen Rübezahl trägt und als ein boshafter und neckischer Kobold beschrieben wird. Er soll sich in allerlei Gestalten zeigen und die Menschen, denen er begegnet, teils freundlich behandeln, teils in boshafter Weise necken und hänseln, besonders wenn man ihn mit dem Namen Rübezahl verspottet. Seine eigentliche Heimat ist der höchste Teil des Riesengebirges, doch kommt er zuweilen auch in die Niederungen der näheren Umgebung. Wie er aber zu dem seltsamen Namen Rübezahl gekommen ist, davon wird Folgendes erzählt:

Er soll sich nämlich einst in ein junges, schönes Edelfräulein verliebt, es mit Gewalt entführt und auf seine Burg hoch oben im Riesengebirge gebracht haben, wo er es eifersüchtig bewachte. Als nun das junge Fräulein so traurig war und fast verzweifeln wollte, weil es so ganz allein und ohne menschliche Gesellschaft war, da riss der Berggeist, um sie zu unterhalten, auf einem benachbarten Rübenacker Rüben aus und verwandelte sie in Menschen, immer neun an der Zahl, Edelfräulein, Pagen und Knechte, die ihr zu Diensten sein und ihr die Zeit vertreiben sollten. Aber sie lebten immer nur vierundzwanzig Stunden, dann fielen sie um und starben und lagen wieder als verwelkte Rüben da. Da hatte Rübezahl andere Rüben ausgerissen und mit ihnen dasselbe gemacht und das Spiel viele Tage hintereinander fortgesetzt.

Das Edelfräulein aber war darüber sehr unglücklich gewesen und hatte sich eine List einfallen lassen, um sich zu befreien, und so kam es zu Folgendem.

Die schöne und vornehme Jungfrau hatte nämlich Rübezahl aufgetragen, die Rüben auf dem Felde zu zählen, um zu wissen, wie lange sie noch reichten, aber er solle sich bloß nicht verzählen, sonst würde sie ihm die Liebesgunst, die sie ihm bisher versagt habe, nicht gewähren. Rübezahl hatte nun gezählt, vom frühen Morgen an, und wenn er fertig war, immer wieder von Neuem bis zum späten Abend, um keine Rübe zu übersehen. Das hatte die Jungfrau getan und war inzwischen entkommen und glücklich wieder auf ihres Vaters Burg zurückgekehrt. Als nun Rübezahl am Abend müde vom Zählen nach Hause kam, war die listige Jungfrau entkommen und vor ihm in Sicherheit, und er erkannte zornig, dass er betrogen worden war.

Das Gerücht verbreitete sich unter den Leuten, die ihm den Namen Rübezahl gaben, worüber er aber jedes Mal zürnte, wenn er es hörte, und sich bitter an dem rächte, der ihn so nannte.

Von ihm werden auch folgende anmutige Geschichten erzählt.

 

Wie Rübezahl zum Esel wurde

Einst wanderte ein Glaser mit einem schweren Bündel Glas über die Berge. Müde von der Hitze des Tages und der schweren Last suchte er einen Platz zum Ausruhen; da verwandelte sich Rübezahl, der unsichtbar den Wanderer beobachtete und seine Sehnsucht nach einem Ruheplatz bemerkte, plötzlich in einen großen Steinblock. Der müde Glaser eilte freudig auf ihn zu und setzte sich ruhig mit seiner Last darauf; aber kaum hatte er aufgeatmet und frei Atem geschöpft, als der Block schnell verschwand, er unsanft zu Boden fiel und sein Glas in tausend Scherben zersprang. Mit Mühe raffte sich der unglückliche Glaser wieder auf, sah sich nach seinem Platz um, aber der war verschwunden. Trostlos blickte er auf die verstreuten Scherben, raufte sich die Haare und brach in lautes Weinen aus. Als er so weinend und schluchzend weiterging, sah er einen anderen Reisenden auf sich zukommen. Dieser sprach ihn freundlich an und fragte ihn, was ihm zugestoßen sei und warum er so weine.

»Ach«, sagte der Glaser, »ich habe das Unglück gehabt, mein ganzes Glas zu zerbrechen, nun bin ich ein armer, unglücklicher Mensch.«

Rübezahl, den sein Zustand kränkte und der den Streich, den er ihm gespielt hatte, wiedergutmachen wollte, gab sich ihm zu erkennen, tröstete ihn und versprach, ihm den Schaden reichlich zu vergüten.

»Ich will mich nun«, sprach er, »in einen Esel verwandeln, du steigst auf meinen Rücken und reitest in das nächste Dorf zum Müller, bietest mich für zehn Taler zum Verkauf an, und wenn du das Geld erhalten hast, machst du dich davon und kümmerst dich um nichts mehr.«

Kaum hatte er das gesagt, als ein stattlicher Esel vor ihm stand. Der Glaser setzte sich fröhlich auf und ritt getrost zur Mühle. Dort bot er dem Müller den Esel für zehn Taler an. Nach einigem Hin und Her zahlte ihm der Müller neun Taler, mit denen der Glaser zufrieden davonritt. Nun ließ der Müller den Esel von seinem Knecht in den Stall bringen.

Als ihm aber der Knecht, wie den anderen Eseln auch, Heu in die Krippe legte, schüttelte dieser den Kopf und sprach ganz vernehmlich: »Ich fresse kein Heu, ich muss Braten und Kuchen haben.«

Vor Schreck eilte der Knecht zu seinem Herrn, um ihm von diesem Wunder zu berichten, und als der Müller in aller Eile in den Stall lief, um den sprechenden Esel zu sehen, war dieser verschwunden und der Müller um sein Geld betrogen.