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Sagen der mittleren Werra 66

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Von dem gespenstigen Kloster und seinem Schatz an der Walper

An der Wallfahrt nennen es viele heute noch statt »an der alten Kapelle«, »an der alten Kirche« und behaupten steif und fest, es habe dort vor Zeiten ein Kloster gestanden, welches im Dreißigjährigen Krieg zerstört worden sei und alle sieben Jahre am Tag seines Untergangs in der Mitternachtsstunde wieder sichtbar werde. Denen aber, die es erblickten, wurde es gruselig zumute, als die Fenster wie im Mondlicht glitzerten und die gespenstigen Nonnen einen Umgang hielten. Manche wollen auch dabei das Klosterglöckchen haben läuten hören.

Den Klosterschatz aber, so wird erzählt, sollen die Nonnen, noch ehe der rohe Haufen dort eingedrungen sei, an einem sicheren Ort vergraben haben.

Ein Mädchen von Steinbach, das dort oben im Heumachen und auf einem der Haufen eingeschlafen war, hat beim Erwachen den Schatz noch gesehen. Es waren kostbare Teller, Schüsseln und Kannen von Silber und Gold, die von einer Nonne mit einem Schlüsselbund bewacht wurden. Da aber das Mädchen einen Schreckensschrei ausstieß, verschwand die Nonne und mit ihr der Schatz.

Von der weißen Jungfer und den Schatzgräbern auf der Wallfahrt

Der alte, Kohlvaltines von Steinbach nahm einmal einige Männer aus seinem Ort beiseite, was aber freilich schon lange her ist, und vertraute ihnen, dass ihm die weiße Jungfer droben an der Wallfahrt begegnet sei und ihm mitgeteilt habe, dass sie dort einen großen Schatz bewachen müsse, und dass sie erlöst wäre, sobald er gehoben sei. Wenn er ein steinreicher Mann werden wolle, so möge er mit noch einigen anderen in der Johannisnacht mit der Wünschelrute zu ihr hinaufgehen und in der Nähe des alten Steinhaufens die Rute schlagen lassen. Dort würden sie den Schatz heben und sie erlösen können; möchten aber dabei ja kein Wort laut werden lassen. Und da Kohlvaltines mit den Männern den Schatz zu teilen versprach, so machten sie sich in der Johannisnacht mit dem Nötigen versehen dorthin auf den Weg, ließen die Rute schlagen und begannen mit dem ersten Glockenschlag der Mitternachtsstunde an der gefundenen Stelle zu graben. Dabei wurden sie beim Laternenschein bald da, bald dort die weiße Jungfer gewahr, wie sie ihnen freundlich zuwinkte und sie so zur Arbeit aufmunterte. So stießen sie denn bald auch auf den Deckel eines eisernen Kessels. Als den einer abhob, glitzerte ihnen das blanke Gold entgegen. Die Männer waren außer sich vor Freude und fassten nun den Henkel des Kessels, um ihn aus der Grube zu heben. Das war aber nicht so leicht getan, denn der Kessel war schwer. Und da es ihnen das erste Mal nicht gelang, so vergaß sich einer und rief: »Nun aber tüchtig gehoben!«

Und das war bös, denn der Kessel versank unter ihren Händen mit argem Gepolter in die Tiefe. Da standen nun die Steinbacher und schauten bestürzt dem entschwundenen Glück nach. Die weiße Jungfer aber wimmerte und jammerte, dass sie nun nie erlöst werden könne und verschwand vor den Augen der Erschrockenen.

In diesem Augenblick aber gingen auch die Laternen aus, von allen Seiten regnete es Ohrfeigen, und so kamen sie nach langem Umherirren endlich wieder in Steinbach an und erkrankten infolge des gehabten Schreckens. Der aber, der dort das Wort gesprochen hatte, musste bald darauf ins Gras beißen. Die Jungfer wurde seit jener Johannisnacht nicht wieder gesehen.