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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die wundersamen Märlein vom Berggeist Rübezahl – 19. Kapitel

Heinrich Döring
Die wundersamen Märlein vom Berggeist Rübezahl
Verlag C. F. Schmidt, Leipzig, ca. 1840

Neunzehntes Kapitel

Von einem Pfarrer wundersamen Leiden durch einen störrigen Esel

»Bleibt, o bleibt!«, rief Franz ihm nach. »Haltet es meiner trostlosen Stimmung zu gut, wenn ich Euch beleidigt und dadurch die Hilfe von mir gewiesen, die ich vielleicht von Euch zu erwarten habe. Sagt, o sagt mir, was ich tun soll!«

»Nun so hört und befolgt, was ich Euch rate«, sprach Rübezahl. »Der Pfarrer, der Euch so abgeneigt ist, hält sich, wie Ihr wisst, einen Esel, auf dem er dann und wann zum Dorf hinauszureiten pflegt, weil seinem Körper eine so heilsame Bewegung wohl nötig ist. Nun merkt Euch, was ich sage. Kehrt er wieder heim von seinem gewöhnlichen Spazierritt, so tretet ihm am Eingang des Dorfes, wie zufällig, in den Weg, zieht höflich die Mütze, schwenkt sie hin und her und haltet bescheiden an um Röschens Hand.«

Es schaute aber Franz, als Rübezahl so sprach, ihn verwundert und fragend an mit seinen offenen schwarzen Augen, die sich aber in demselben Augenblick merklich verfinsterten. »Hätte ich’s doch«, sprach er, »weder Eurem ehrlichen, gutmütigen Gesicht, noch Euren Jahren kaum zugetraut, dass Ihr so Euren Spott mit einem Unglücklichen treiben könntet. Das sind wahrlich eitel Narrenpossen, die Ihr mir da vorschlagt. Was sollen sie mir helfen, nachdem mein ernstliches Bitten und Flehen nichts gefruchtet hat? Da der Alte selbst nicht gerührt wurde durch seiner eigenen Tochter Tränen.«

Widerlich schallte abermals das bekannte Hohngelächter. »Was ihr für wunderliche Leute seid, ihr Verliebten!«, sprach der Berggeist. »Ihr seid zwar noch jung, mein lieber Freund, aber solltet Ihr denn wirklich noch nie gehört haben, dass oft durch einen Schwank erreicht wurde, was allem Ernst und aller Redlichkeit unmöglich war? Doch lasst es bleiben, wie Ihr wollt. gleichgültig sein. Morgen um diese Zeit trefft Ihr mich wieder hier. Ich will wünschen, dass auch in der Zeit ein besserer Rat gekommen ist. Lebt wohl!«

So sprechend, schritt der alte Köhler schnell weiter und verlor sich bald im Dickicht des Waldes.

Als nun Franz traurig den Pfad durchs Gebüsch einschlug und fortwanderte, dem Dorf zu, da gewahrte er den Pfarrer, der soeben heimkehrte von seinem gewöhnlichen Spazierritt. Da fiel ihm plötzlich ein, was ihm der alte Köhler geraten hatte, und er beschloss, es auszuführen, so wunderlich und abgeschmackt es ihm auch dünken mochte.

Versuchen kannst du es ja doch!, dachte er und eilte rasch voran ins Dorf, des Pfarrers Ankunft sehnsuchtsvoll erwartend.

Als derselbe ernst und bedächtig einhergeritten kam auf seinem Esel, und hinter ihm her die Arbeiter von dem Feld, da zog Franz, sich ihm nähernd, höflich seine Mütze. Sie zierlich in die Luft schwenkend, sprach er: »Wohlehrwürden, auf ein Wort!«

In dem nämlichen Augenblick aber spitzte der Esel die Ohren, erhob sein bekanntes widerliches Geschrei und tat dabei so gewaltige Sprünge, dass der Pfarrer erschrocken hin und her schwankte und sich kaum im Sattel halten vermochte.

»Ei du mein Herr Gott!«, ächzte er, »was beliebt Euch? Setzt doch Eure Mütze auf und schwenkt sie nicht so hin und her. Geht mir aus dem Weg! Seht Ihr denn nicht, dass mein Pferd sich scheut vor Eurer grünen Waidmannstracht?«

Aber wer nicht aus dem Weg ging, war Franz, der dunkel ahnte, was der alte Köhler mit seinem Rat gemeint, der ausdrücklich geäußert hatte, sich durch nichts irre machen zu lassen bei seiner Werbung, die er denn auch in bescheidenen Worten vorbrachte. So ungebärdig sich aber auch vorhin der Esel gezeigt hatte, et stand ruhig, solange Franz sprach.

Aber der Pfarrer wurde unmutig über den schon oft gehörten und ebenso oft zurückgewiesenen Freiersantrag und erwiderte in schnöden Worten, die gar nicht seinem Stand und seiner Würde angemessen waren: »Schert Euch zum Teufel! Habe ich es Euch nicht ein für alle Mal gesagt, dass daraus nichts werden kann?«

Da legte sich aber Franz wieder aufs Bitten und schwenkte dabei seine Mütze hin und her, wie es ihm der alte Köhler geheißen hatte. Der Esel aber machte abermals die wunderlichsten Sprünge und bäumte sich so gewaltig, dass der Pfarrer jeden Augenblick das Gleichgewicht zu verlieren und aus dem Sattel geworfen zu werden fürchtete. Da rief er in großer Herzensangst den Bauern zu, ihm doch zu helfen. Die aber stemmten die Arme in die Seite und fingen zu lachen an. Nach und nach aber liefen alle Dorfbewohner herbei. Als sie Franz so höflich bitten hörten, des Esels wundersame Sprünge sahen und zugleich ihres Seelenhirten verzweiflungsvolle Lage, da erhoben sie, untätig dem seltsamen Schauspiel zu-schauend, ein unmäßiges Gelächter.

So sehr sich auch der Pfarrer bemühte, sein widerspenstiges Leibross zur Ruhe zu bringen, es war vergebens. »Kommt in mein Haus«, rief er endlich in Verzweiflung, »da wollen wir die Sache weiter besprechen.«

Franz aber entgegnete:  »Mitnichten, Ew. Wohlehrwürden. Hier im Angesicht der Gemeine müsst Ihr es mir schwören bei Eurer geistlichen Würde, dass Ihr mir Euer Röschen geben wollt, wo nicht«. Und damit schwenkte er abermals die Mütze.

»Halt!«, schrie der Pfarrer, ängstlich auf seinen Esel blickend, der schon wieder unruhig zu werden begann. »Nehmt und heiratet sie. Ich schwöre es Euch, Ihr sollt sie bekommen und den verdammten Esel dazu.« Dieses Versprechen ließ sich der ungestüme Freier gefallen. Der Pfarrer ritt heim, auf dem Tier, das ihm so unsägliche Qual und Verwirrung bereitet hatte. Und ehe noch drei Wochen vergangen, waren Franz und Röschen ein glückliches Paar.