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Nick Carter – Band 12- Eine gestörte Hochzeit – Kapitel 9

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Eine gestörte Hochzeit
Ein Detektivroman

Auf Lannigans Fährte

Während Ida diese Unterredung mit Miss Rainforth hatte, waren Chick und Patsy nach Philadelphia abgereist.

Auf dem Weg zum Bahnhof waren sie gewahr geworden, dass auch Frau Ladew mit ihnen reiste. Sie befand sich allein, ohne jegliche Begleitung.

»Ich glaube nicht, dass es Zweck haben würde, ihr zu folgen«, hatte Chick gemeint. »Jedenfalls wird sie direkt nach Hause gehen. Jedoch könnte einer von uns zu erfahren versuchen, ob sie vielleicht doch Gemeinschaft mit der Gesellschaft hat, die wir suchen.«

Patsy hatte darauf geäußert, diese Arbeit würde er übernehmen, und sie hatten daraufhin besprochen, wo sie sich dann treffen könnten.

Als der Zug aber in die Station einfuhr, bemerkte Patsy, der aus dem Fenster sah, einen Mann, der den Zug zu erreichen versuchte, noch ehe derselbe ganz stillstand.

Es schien ihm, als ob dieser Mann Lannigan sei. Schnell gab er Chick einen Wink, und beide eilten nun zu dem Abteil zurück, in dem die Ladew Platz genommen hatte. Sie kamen gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Lannigan auf diese zueilte, ihr etwas ins Ohr flüsterte und dann wieder davonstürmte.

Er kam dicht an den beiden vorbei, ohne jedoch einen von ihnen zu erkennen.

Chick und Patsy behielten nun die Dame scharf im Auge.

Als der Zug zum Stillstand kam und Mrs. Ladew ausstieg, folgten sie ihr den Bahnsteig entlang, bis die Gitter erreicht waren, wo die Bekannten und Freunde der Ankommenden sich versammelt hatten.

Indem die Detektive sich nahe genug hinter ihr hielten, um alles, was sie unternahm, genau überwachen zu können, sahen sie einen Herrn sich durch die Menge drängen, als sie das Gitter passierte. Er trat auf sie zu, küsste sie herzlich und fragte besorgt und zärtlich: »Hattest du eine angenehme Fahrt?«

»Sehr angenehm, in der Tat, Tom«, antworte Mrs. Ladew. »Aber ich bin überrascht und erfreut, dass du heute Morgen so viel Zeit hast, mich abzuholen.«

»O«, sagte der Herr, den sie Tom genannt hatte, »ich hatte heute nicht so viel zu tun, und ich freue mich, dass du wieder zurück bist. Weißt du, ich war nicht sicher, ob nicht Ellison dich anstatt Miss Sanborn heiraten würde«, fügte er lachend hinzu.

»O, Tom«, sagte Mrs. Ladew betreten, »es ist etwas Schreckliches, ganz Schreckliches passiert! Ellison verschwand gleich nach der Hochzeitszeremonie, und die Gäste, die zum Empfang gekommen waren, mussten nach Hause gehen.«

In diesem Moment drängten sich Leute zwischen sie und die beiden, und Chick und Patsy konnten der Unterhaltung nicht mehr folgen. Aber sie gingen noch ein Stück hinter Mrs. Ladew und ihrem Begleiter her, bis sie die beiden einen Wagen besteigen und davonfahren sahen.

»Es hat keinen Zweck, ihnen noch weiter zu folgen«, meinte Chick, »denn dieser Herr ist sicherlich ihr Gatte, und die beiden werden direkt nach Hause fahren.«

»Und sie werden auch nichts mit den Leuten zu tun haben, die wir suchen«, fügte Patsy hinzu.

»Gewiss nicht«, erwiderte Chick.

Sie waren im Begriff davonzugehen, als sie Lannigan bemerkten, der dem Gefährt nachsah.

»Pst!«, machte Chick. »Da wäre ja Lannigan. Es ist klar, er hat Mrs. Ladew gewarnt, dass ihr Gatte sie erwartet. Wir müssen ihm nachfolgen.«

»Das freut mich ungemein«, versetzte Patsy. »Ich dachte schon, wir müssten ihn erst lange suchen.«

Sie traten hinter einen Pfeiler, um zu sehen, welche Richtung Lannigan wohl einschlagen würde.

Es schien, als erwarte er jemanden, denn er ging nicht eher weiter, als bis alle, die mit dem Zug ankamen, an ihm vorüber waren.

Kurze Zeit später kam ein Mann auf Lannigan zu und sprach mit ihm.

Lannigan, der ihn sehr freundlich zu begrüßen schien, legte ihm die Hand auf den Arm und sprach eindringlich auf ihn ein.

Was er ihm sagte, schien dem Mann nicht angenehm zu sein. Dann gingen sie aber ihres Weges, gefolgt von Chick und Patsy.

Sie kreuzten Filbert Street, wo sie wieder für einige Augenblicke stehen blieben. Dann sagte der Mann, indem er sich von Lannigan verabschiedete: »Wir konnten es nicht ändern, wir müssen eine andere und bessere Gelegenheit abwarten.«

Nun gingen die beiden in verschiedener Richtung auseinander. Lannigan nahm seinen Weg zum Rathaus, schien es sich aber anders zu überlegen und schlenderte die Straße hinauf.

Wenn er bemerkt hatte, dass er von zwei jungen Männern verfolgt wurde, so zeigte er das nicht, sondern ging im gleichen Tempo, ohne sich umzusehen.

Er setzte seinen Weg fort, bis er einen Biersaloon erreichte, welcher ein Lieblingsaufenthalt der Sportsleute war. Er ging hinein, als ob er hier bekannt sei. Chick und Patsy folgten ihm.

Lannigan überblickte das Zimmer und bemerkte zwei Personen, mit denen er ein Gespräch anknüpfte.

Die Gruppe war zu weit von Chick und Patsy entfernt, als dass sie etwas hätten hören können, was dort gesprochen wurde. Nach kurzer Zeit jedoch kamen die drei zur Bar und bestellten sich Getränke.

Die beiden Detektive hörten nur halb, was Lannigan nun sagte, wahrscheinlich eine längere Rede beschließend: »Sie werden heute Nacht mit ihm hier ankommen, und die Sache wird abgemacht werden. Wir sollten nun gehen.«

Sie tranken aus und verließen das Lokal, ohne von Chick und Patsy Notiz zu nehmen.

Als die beiden gingen, sagte Chick: »Lauf ihnen nach, Kleiner, und lass mich wissen, wo die Spur hinführt.«

Dann veränderten sie beide ein wenig ihr Äußeres. Trotzdem verloren sie die Spur nicht, denn die drei vor ihnen gingen sehr langsam.

Nachdem Lannigan mit seinen Begleitern noch einmal eingekehrt war, setzten sie ihren Weg weiter fort und blieben vor einem einzelnen Haus stehen. Dann gingen alle drei hinein.

»Hier wären wir ja«, sagte Patsy zu Chick, der mittlerweile seinen Kollegen wieder eingeholt hatte. »Was nun?«

»Ich wäre froh, wenn ich es wüsste«, brummte Chick melancholisch. »Ich möchte gern wissen, was das für ein Haus ist und was drinnen vorgeht.«

»Es sieht doch aus wie eines von den gewöhnlichen Häusern Philadelphias«, meinte Patsy.

»Wer wird nun diese Nacht hier herüberkommen?«

»Und was sollte sofort in Ordnung gebracht werden?«, fügte Patsy hinzu.

»Das wird nicht viel sein«, sagte Chick, »denn Lannigan schien gar nichts Besonderes vorzuhaben, als wir ankamen.«

»Nein«, antwortete Patsy, »wir haben jetzt weiter nichts zu tun, als Lannigan im Auge zu behalten.«

»Wir können kaum das Haus betreten«, versetzte Chick, »aber wenn wir es tun, könnten wir vielleicht etwas erfahren.«

Diese Unterhaltung hatte in einem Torweg auf der anderen Seite der Straße stattgefunden, wo die beiden sich versteckt hielten.

Da öffnete sich plötzlich die Tür des gegenüberliegenden Hauses, und Lannigan nebst seinen vorigen Begleitern sowie noch ein vierter Mann traten aus der Tür und gingen die Straße hinauf.

Die beiden Detektive folgten ihnen natürlich.

»Chick«, meinte Patsy, »hast du bemerkt, wie Lannigan sich umsah, als er die Straße betrat, als ob er fürchtete, es könnte ihn jemand bemerken?«

»Das habe ich wohl gesehen«, erwiderte Chick.

»Er argwöhnte, dass er verfolgt wird.«

»Vielleicht nicht von uns, sondern von irgendjemandem, der ihn nicht gehen sehen durfte.«

Der Weg der vier Männer führte nun in einen belebteren Stadtteil. Nun erreichten sie ein Eckhaus, in dem sich wieder ein Saloon befand.

Das Haus hatte eine eigentümliche Bauart. Zu den oberen Stockwerken führte eine Treppe direkt von der Straße aus. Dahinter stand noch ein zweites Gebäude, das in jedem Stockwerk durch eiserne Bücken mit dem Vorderhaus verbunden war.

Dieses zweite Gebäude war nicht so ausgebaut wie das andere, sodass zwischen dem Gebäude und der Querstraße noch einige Fuß Raum blieben.

Dieser Raum war durch eine hohe Mauer abgegrenzt, die den jungen Detektiven eher wie eine Hauswand vorkam als eine Umgrenzung. In der Mauer befanden sich große Doppeltüren, die aber geschlossen waren.

Der Vierte der Männer blieb an der Ecke stehen und schien die Aufmerksamkeit seiner drei Begleiter auf das Tor zu richten.

Lannigan, der einige Schritte weggegangen war, um sich die Türen ebenfalls anzusehen, kehrte zu den dreien zurück und bemerkte irgendetwas.

Dann traten alle vier in den Saloon ein.

»Chick«, sagte Patsy, »das ist der Ort, von dem Lannigan zu den anderen sprach.«

»Wir müssen sehen, was er für eine Bedeutung für sie hat«, versetzte der andere.

Sicher, dass sie nicht bemerkt worden waren, gingen sie um das Haus herum und unterzogen es einer genauen Prüfung.

Ein Mann kam auf die beiden zu und blieb bei ihnen stehen. Die zwei Detektive nahmen an, dass er hier nur zufällig mit ihnen zusammentraf.

»Wohnen Sie hier?«, fragte Patsy den Mann leichthin.

»Ja, schon mein ganzes Leben lang«, war die Antwort.

»Das ist ein komischer Platz da drüben«, meinte Patsy nach der Wirtschaft deutend.

»Sind Sie wohl von der Polizei?«, fragte der andere misstrauisch.

Chick drehte sich schnell um und sagte lachend: »Wie kommen Sie zu dieser Frage? Sehen wir denn so aus?«

»Das nicht gerade«, war die Antwort, »aber das könnte gerade der Grund sein, dass Sie solche sind.« Der Mann lachte und meinte dann: »Ich war selbst eine Zeitlang dabei, wurde aber fortgeschickt, weil mir ein Gefangener durch die Lappen ging. Es war nicht meine Schuld, und übrigens war ich erst einen Monat dabei, aber ich konnte keine Beweise für meine Unschuld bringen.«

»Wie kamen Sie aber dazu, uns für Geheime zu halten?«, entgegnete Patsy.

»Nur, weil Sie sich nach dem Haus erkundigten. Es ist kaum ein Monat vergangen, seit es gebaut ist, dass nicht die Polizei hier herumgeschnüffelt hätte.«

»Zweifelhaftes Lokal?«, fragte Patsy.

»Ganz recht«, antwortete der Mann, »es hat immer unter einem unbestimmten Verdacht gestanden. Den Erbauer und Eigentümer nennen sie Stumpy Herrick.«

»Ist er der Besitzer dieser Bierstube?«, fragte Chick.

»Nein!«, antwortete der Mann. »Er macht jetzt weiter nichts, als seine Renten einzuziehen. Der erste Besitzer war ein gewisser Fillingham. Er mietete es von Stumpy, und es dauerte nicht lange, da kamen die Geheimen und fanden in dem Gebäude eine vollständige Druckereieinrichtung für falsche Banknoten. Fillingham ging dann ab nach Sing Sing, und das Haus kam in die Hände eines Mannes mit Namen Locke. Ein oder zwei Jahre war alles ruhig, dann kam wieder die Polizei und fand, dass Locke sich auffälligerweise mehr in dem Hintergebäude beschäftigte als in seinem Bierschank. Sie verhalfen ihm ebenfalls zu einigen Jahren Sing Sing, und das Unternehmen ging wieder in andere Hände über. Die Sache ruhte zwei oder drei Jahre, dann ging der Rummel wieder von Neuem los. In dem Hinterhaus wurde ein Mann gefunden, der sich wegen eines Mordes dort versteckt hatte. Ich weiß nicht mehr, wer das Opfer war. Da kam es ans Licht, dass man einen Schlupfwinkel für Verbrecher entdeckt hatte. Das Geschäft kam herunter, und der Besitzer gab es dann auch auf. Seit dieser Zeit ist der Ort in Verruf gekommen, und mehrere Jahre blieb das Haus unbewohnt. Nun übernahm es der jetzige Besitzer, und da nichts weiter Unrechtes vorkam, geht es jetzt ganz gut. Aber ich traue den Leuten nicht, die hier verkehren.«

»Wie heißt der jetzige Besitzer?«, fragte Chick.

»Sein Name ist Dempsey. Mein Bruder sagte mir gestern, dass er vor einigen Jahren irgendwo eine Spielhölle besessen hat, jedoch weiß ich darüber nichts Genaues.«

»Das Haus hat eine merkwürdige Vergangenheit«, sagte Chick. »Ich werde es mir von innen einmal ansehen. Wollen Sie mit hinübergehen und ein Glas Wein mit uns trinken?«

»Das schlage ich niemandem ab«, antwortete der Gefragte.

Die drei gingen über die Straße und traten in das Haus ein. Es war nichts Besonderes oder Außerordentliches in dem Saloon zu bemerken. Nur war es nicht sauber darin, und der Fußboden war mit Sägespänen bedeckt. Im Hintergrund standen mehrere Tische, einer derselben nahe der Tür. An diesem Tisch saßen die vier Männer, die von Chick und Patsy verfolgt worden waren, und ein anderer, in Hemdsärmeln dasitzend, welcher der Wirt zu sein schien. Mit diesem Mann war Lannigan in eine anscheinend wichtige Unterhaltung vertieft.

»Der Mann in Hemdsärmeln«, erklärte der Fremde, welcher mit Chick und Patsy hereingekommen war, »ist Dempsey. Derjenige, der mit ihm spricht, soll ein Falschspieler sein. Sein Name ist mir unbekannt.«

Während die drei noch an der Bar standen, erhoben sich Lannigan und Dempsey von ihren Plätzen. Die anderen zurücklassend, gingen sie zu der Tür hinaus, dieselbe hinter sich schließend. Einige Minuten vergingen, da kam Lannigan zurück, verschwand aber sofort wieder.

Chick und Patsy wechselten einen schnellen Blick und versuchten dann unauffällig in den Hintergrund des Zimmers zu kommen.

Die Aufmerksamkeit des Bierausgebers wurde durch neu ankommende Gäste in Anspruch genommen, während Chick diese Gelegenheit nutzte und die Tür öffnete. Er sah, dass sie auf den kleinen Hof des Hintergebäudes hinausführte und ein Stall sich dort befand.

Er bemerkte auch eine Wendeltreppe, die vom Hof aus nach einem der eisernen Übergänge führte, die die beiden Häuser verbanden.

Er kam zurück und sagte zu Patsy: »Ich denke, wir werden uns dieses Hintergebäude noch etwas näher ansehen müssen, denn Lannigan ging mit seinen Kumpanen dahin.«

Ihr Begleiter hatte es gehört und sagte warnend: »Es ist nicht leicht, dort hineinzukommen.«

Diese Warnung gab den beiden zu denken, denn sie sagte ihnen, dass der Mann mehr von dem Haus wusste, als er ihnen sagen wollte. Sie beachteten indessen seine Worte nicht und gingen hinaus.

Sie waren kaum in den Hof hinausgetreten, als Dempsey und Lannigan mit den anderen auf dem Übergang zu ihren Häupten erschien. Zu gleicher Zeit öffnete sich eins der großen Tore, und ein Mann stand vor den beiden Detektiven, sie anfahrend: »Was zum Teufel haben Sie hier zu suchen?«

»Wir wollen uns hier nur einmal umsehen!«, sagte Patsy.

»Dann sehen Sie sich doch sonst wo um!«, gab der Mann grob zurück.

»Was gibt es, Tom?«, fragte Dempsey von dem Übergange herunter.

Anstelle des Gefragten rief Chick hinauf: »Er regt sich auf, dass wir uns hierher verirrt haben!«

»Nun«, fragte Dempsey, »was wollten Sie hier?«

»Nichts!«, war die Antwort. »Wir gingen nur durch die falsche Tür und werden uns sofort zurückverfügen.«

Von Patsy gefolgt, kehrte er in den Saloon zurück.

Chick flüsterte Patsy zu: »Kanntest du den Mann, der uns aufhielt?«

»Nein.«

»Es war Tom Driscoll, ein alter New Yorker Spitzbube. Er hat vor Kurzem erst eine längere Strafe verbüßt.«

Nun traten Dempsey und Lannigan wieder ein.

»Also heute Abend um zehn Uhr?«, fragte Dempsey.

»In einem geschlossenen Wagen«, war Lannigans Antwort.