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Der Welt-Detektiv Band 6

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Turnier- und Ritterbuch – Teil 5.3

Heinrich Döring
Turnier- und Ritterbuch
Verlag von E. F. Schmidt, Leipzig
Sitten und Gebräuche des Rittertums im Mittelalter

Fünftes Kapitel

3. Noch einige andere Unschuldsproben

Dem sogenannten Gericht des Heiligen Abendmahls war anfangs bloß die Geistlichkeit unterworfen, weil man glaubte, diese dürfe zu keinem Eid zugelassen werden. In der Folge aber unterzogen sich auch Laien dieser Probe. Zum Beweis dessen, was man behauptete, nahm man öffentlich das Heilige Abendmahl. Um aber der Sache noch größeren Nachdruck zu geben, fügte man die größten Schwüre und Eide hinzu und wünschte sich alles Unheil, dafern man Unwahrheit gesagt und so des Leibes und Blutes Christi gespottet hatte. Ohne durch einen päpstlichen Befehl verboten worden zu sein, kam diese Probe nach und nach ab als ein Missbrauch des Abendmahls. Nicht viel länger dauerte das Gericht des geweihten Brotes und Käses, Casibrodium genannt, eigentlich angelsächsischen Ursprungs, und daher auch Corsned geheißen, von dem Worte cor (beschwören) und sned (ein Schnitt oder Bissen.) Bei diesem Gottesurteil, dass von den Angelsachsen unter den Franken und von diesen unter den Deutschen sich verbreitete, nahm man ein Stück Brot und Käse, zusammen oder einzeln, worüber ein Geistlicher feierlich die Formel des Exorzismus sprach und welches dem gereicht wurde, der seine Unschuld beweisen sollte. Konnte er jenen Bissen leicht verschlucken, so war er gerechtfertigt, für schuldig erklärt aber wurde er, wenn Brot und Käse ihm im Hals stecken blieben.

Für eins der untrüglichsten Mittel, den Täter eines begangenen Mordes zu entdecken, wurde das Bahrrecht gehalten. Der Verdächtige musste die Wunde des Ermordeten berühren, der ganz entblößt auf einer Totenbahre lag. Wenn die Wunde zu bluten anfing oder der Leichnam sich bewegte, so wurde er für schuldig erkannt. Eine Unterart des Bahrrechts war das Scheingehen. Da nämlich die gewöhnliche Art des Bahrrechts nur so lange anwendbar war, wie der Körper aufbewahrt werden konnte, so sann man auf Mittel, auch längere Zeit sich des Bahrrechts zu bedienen. Des Ermordeten Hand wurde aufbewahrt, gedörrt und getrocknet oder wie es hieß, gebacken. Diese gebackene Hand wurde dem Angeklagten auf einen weißen Bogen Papier vorgelegt, und zeichnete, das heißt, blutete die Hand nicht, so war der Beklagte, unschuldig an dem Mord.

Das Bahrrecht und Scheingehen, oft missbraucht durch Priestertrug, der dem Schuldigen durch Taschen­spielereien oft Hilfe brachte und sie dem Unschuldigen entzog, erhielt sich am längsten unter allen Gottesurteilen. Die Hessische Landesordnung vom Jahr 1639 gebot ausdrücklich jene beiden Ordalien, und im Altenburgischen waren sie noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts üblich. Noch zu Ende desselben wurde zu Kollweiler in der Pfalz ein förmliches Bahrrecht gehalten. Die letzte Spur der Ordalien überhaupt, die nach Einführung des kanonischen Rechts durch den Reinigungseid völlig verdrängt wurden, zeigte sich im Jahr 1728 zu Szegedin in Ungarn, wo eine Wägung mehrerer Hexen vorgenommen und so ihre Schuld untersucht wurde. In mehreren außer­europäischen Staaten aber finden die Gottesurteile noch heutzutage statt, bei den Hindus fast alle, bei den Chinesen die Feuer- und Wasserprobe, bei den Tschuwessen und Ostiaken der geweihte Bissen usw.