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Die Gespenster – Dritter Teil – 44. Erzählung – Teil 7

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Vierundvierzigste Erzählung – Teil 7

                                                                   8.

Der Unbekannte, dessen Herr Prediger Sachse erwähnt, ist der zur Spukzeit zufällig durch die Gegend von Pretzen wandernde Handwerksbursche Petzold, ein denkender, in seinem Stand seltener, achtungswürdiger Mann. Er hörte überall in den Schenken von dem Wunder des Fischerschen Hauses reden, und wenn die Bauern in einem bedenklichen Ton von dem unergründlichen Ungetüm schwatzten, so schüttelte er bedenklich in einem anderen Sinn den Kopf dazu. Indessen wurde eine edle Wissbegierde in ihm rege. Er beschloss, nicht von dannen zu weichen, bis er entweder von seinem bisherigen Unglauben, in Betreff solcher körperlichen Äußerungen körperloser Wesen, durch die Erfahrung zu besseren Überzeugungen bekehrt worden sein oder den vermeintlichen Geist in seiner Blöße angeschaut haben würde. Da er, dem Ideengang der Protzenschen Gemeindeglieder gerade entgegen, von der Voraussetzung ausging, dass hier ein bloß menschlicher entdeckter Betrug obwalte. So verfügte er sich in der Absicht, Beobachtungen anzustellen, zum Fischerschen Haus und brachte den Tag über darin zu. Er hörte, dass sich Fischer eine Suppe bestellte. Als man diese, um sie zu kochen, zum Nachbarn tragen wollte, damit der Kobold sie nicht wieder umstoße, so erklärte er, man möchte sie nur im Fischerschen Haus an das Feuer setzen. Er wolle sie schon bewachen und stünde dafür, dass dem Topf mit der Suppe nichts Leides widerfahren solle.

Man gab ihm indessen einstimmig zur Antwort, das könne nichts helfen. Und so wurde nun die Suppe dennoch zum Nachbarn getragen.

Da nun während der ganzen Zeit seiner Anwesenheit alles ruhig geblieben war, fragte Fischer ihn, ob er als ein Fremder etwa den Geist bannen könne.

Petzold antwortete mitleidig lächelnd: »Das verstehe ich nun zwar nicht«, und fügte, wie man so zu sagen pflegt hinzu, »aber was gibt Er mir1, wenn ich Ihm dennoch offenbare, wie die Sache natürlich zugeht.

Hierauf entstand nun die Sage, als ob Petzold den Fischerschen Kobold bannen könne und wolle. Von der Ortsherrschaft kam daher gegen Abend der Befehl, es sollten sich alle fremden Leute aus dem Fischerschen Haus entfernen. Nicht lange danach hörte Petzold, der mit mehreren Einwohnern von Protzen folgsam das Haus geräumt hatte, dass der Kobold seinen Unfug schon wieder beginne. Er konnte dem Drang seiner Wissbegierde nicht ferner widerstehen, sondern verfügte sich mit einigen anderen eilig wieder dahin. Da indessen die Stube bereits voll neugieriger Menschen war, so sah er sich genötigt, mit drei Knechten aus dem Dorf vor dem Stubenfenster stehen zu bleiben.

»Als wir eine kurze Zeit hier gestanden hatten«, so lautet es in der gerichtlichen Aussage des Petzold vom 10. Februar, »so ging die alte Fischer mit einem Licht in der Hand, aus der Stube auf den Hausflur hinaus. Um sie zu beobachten, trat ich mit drei Knechten – ich glaube, aus dem Dorf, bloß die Neugierde und der Zufall hatten sie zu mir gesellt – zu der offenen Haustür und sah die alte Frau in die Küche gehen. Bei ihrer Rückkehr aus derselben versuchte sie, dem Anschein nach, ein mir unerkennbares Etwas mit dem Rock zu verbergen. Die Knechte machten ihr eine gleichgültige Bestellung an den Knecht des Hauswirts. Sie versprach, diese ausrichten zu wollen, und machte indessen die Haustür zu. Diese besteht aus einer Ober- und Untertür; zwischen beiden ist eine Ritze; einen kleinen Finger breit. Ich sah von nun an mit einem von den mir unbekannten Knechten durch diese Ritze, an welche die alte Fischer unstreitig nicht dachte, und machte dort folgende, entscheidend wichtige Entdeckung.

Die Fischer ging nochmals in die Küche, kehrte eben sobald aus derselben zurück und verbarg auch jetzt noch mithilfe des Rockes jenes Etwas, das sie mit der rechten Hand hielt. Das Licht trug sie in der linken.

Ich wurde nun ganz deutlich gewahr, dass sie selbst das, was sie bisher mit dem Rock verborgen hatte, gewaltsam von sich schleuderte, bei dem dadurch verursachten Geräusch laut ›Herr Jesus! Herr Jesus!‹ aufschrie und dann in die Stube hineinlaufen wollte. In diesem Augenblick kam der Herr Prediger eilig aus der Stube heraus. Zugleich erlosch das von der Fischer getragene Licht – ich glaube von dem raschen Öffnen der Stubentür. Wie man geschwind ein anderes brennendes Licht aus der Stube brachte, nahm die alte Frau jenen Durchschlag von der Erde auf und sagte: ›Da ist er!‹ (nämlich der polternde Durchschlag) Ich trat nun durch die indessen geöffnete Haustür ins Haus, packte den rechten Arm der alten Frau und sagte: ›Nein, hier! Meine Herren! Hier ist er, der polternde Teufel! Geben Sie sich keine Mühe, ihn anderswo zu suchen.‹

Ich erzählte auf der Stelle mit wenigen Worten, was ich durch die Türritze deutlich gesehen hatte.

Die alte Fischer war sehr überrascht; indessen nahm sie nach einer kurzen Bestürzung ihre Zuflucht zum Leugnen. ›Nein! Es ist nicht so. Ich bin es nicht gewesen!‹

Dies war es, was sie vorzubringen wusste.

Ich trat hierauf mit in die Stube und teilte froh meine Entdeckung allen Anwesenden mit; indessen niemand – Herr Prediger Sachse hatte sich bereits entfernt – glaubte mir. Niemand wollte von der vermeintlichen Teufelei ablassen.

Danach holte man mich, als ich im Krug war, noch einmal zum Fischerschen Haus, um meine Beobachtungen, ganz der Wahrheit gemäß, noch einmal aus meinem Munde zu hören. Ich genügte den Wünschen der Bauersleute und fügte zuletzt hinzu, indem ich auf die alte Fischer wies: ›Ja, ja, da sitzt der Teufel auf der Ofenbank und spinnt.‹

Die Fischer schwieg anfänglich dazu, sagte aber zuletzt: ›Ich weiß auch nicht, warum Er das nachsagt. Er hat hier den ganzen Tag gesessen, Er kann ja nun einmal gehen; und wenn Er nicht geht, so wird es Ihm nicht gut gehen.‹

Wegen dieser Drohung forderte ich alle Anwesende auf, mich, wenn ich unrecht getan hätte, festzusetzen. Im Krug, wohin ich nun zurückkehrte, sei ich zu finden. Da ich vermuten konnte, dass die Sache zur gerichtlichen Untersuchung kommen würde, so beschloss ich, diese abzuwarten, und nicht eher aus dem Dorf zu gehen. Es war mir empfindlich, fürchten zu müssen, dass mir, der ich doch meiner Beobachtung so gewiss bin, nach der Abreise vielleicht allerlei Unwahres nachgesagt werden könnte. Zwar haben mir nachher mehrere gesagt, ich solle nur machen, dass ich aus dem Dorfe käme, es könnte mir sonst nicht gut gehen. Ich habe mich aber dennoch nicht abhalten lassen, zu bleiben, um diese wahrhafte Aussage, wie hiermit geschehen, gerichtlich zu tun.

Der Deponent, heißt es in den Akten, war nach wiederholter Erklärung der Wichtigkeit des Eides und Verwarnung wider den Meineid, erbötig, diese seine umständliche Aussage eidlich zu erhärten. Es ist zu bemerken, dass er sie in Gegenwart der alten Witwe Fischer und mit außerordentlicher Besonnenheit tat und sich überhaupt als einen sehr vernünftigen und völlig leidenschaftslosen Mann zeigte. Auch konnte von der Witwe Fischer nicht der geringste Grund angegeben werden, warum der Mann etwas Nachteiliges wider sie aussagen sollte, da sie sich vorher einander gar nicht gekannt und sich einander nicht beleidigt hätten, er vielmehr im Fischerschen Haus freundlich aufgenommen und bewirtet worden war. All diese Umstände geben der Angabe eines Mannes, der so viel ruhige Vernunft, Besonnenheit und einen so richtigen Beobachtungsgeist zeigte, die höchste Wahrscheinlichkeit.

Show 1 footnote

  1. eine Frage, wie man sie unter Freunden und Bekannten, ja selbst von solchen Personen, die es sich zur Schande rechnen würden, sich jeden Liebesdienst bezahlen zu lassen, oft gehört. Indessen nahm die alte Fischer von diesen Worten den Hauptbeweis der Ungültigkeit des Petzoldschen Zeugnisses wider sie her, indem sie in diesen Worten einen Beweis des gröbsten Eigennutzes und der nachfolgenden Rache finden zu müssen vorgab.