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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 36

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman, Zweiter Band
XXXVI. Die Katastrophe

Der Adjutant Bellings traf den schwedischen General nicht mehr in Greifswald und folgte ihm deshalb nach Franzburg. Doch auch dieser Ort war von Stedingk schon wieder verlassen, und der Offizier eilte nach Stralsund.

Der General ließ den Adjutanten vor sich, nahm ihm das Schreiben ab und las es. Es geschah dies an dem Morgen des Tages, an welchem das Kriegsgericht über die beiden Gefangenen aburteilen sollte.

»Bleiben Sie bis zum Abend!«, antwortete der General einstweilen, »dann werde ich Ihnen ganz genauen Bescheid erteilen!«

Der Offizier blieb.

Es war ungefähr des Vormittags um neun Uhr, als sich das Kriegsgericht auf der Hauptwache am Alten Markt versammelte. Das Gerücht davon war in die Stadt gedrungen und eine Menge Volkes hatte sich versammelt.

Jacobson war der Erste, der vorgeführt wurde. Sein Verhör begann mit den üblichen Fragen nach den Personalien, die der Freischiffer der Wahrheit gemäß beantwortete. Er erklärte dabei, dass er zwar zu Gunsten des Königs von Preußen die Waffen in der letzten Zeit geführt habe, doch in keinem bestimm­ten Verhältnis zu demselben stehe, noch als ein Offizier seiner Armee zu betrachten sei.

Dagegen verweigerte er jede Auslassung auf die wider ihn vorgebrachten Beschuldigungen. Ebenso erklärte er sich nicht, dass er die ihm vorgeführten Leute seines Geschwaders kenne. Er wurde abgeführt und jene Leute einzeln vernommen. Als die Verhöre, bei denen die Seeleute mei­stens dem Beispiel ihres Kapitäns folgten, beendet waren, fand eine kurze Beratung statt, nach der das Urteil für alle acht Personen dieser Kategorie mit Nichtberücksichtigung ihrer sonstigen Verbrechen wegen Spionieren im Krieg gefangen werden sollten.

Nach Fällung dieses Urteils kam Wardows Sache zur Verhandlung. Auch sie kam bald zu Ende, da die Schuld desselben unzweifelhaft war und er kein einziges der ihm zur Last gelegten Vergehen leugnen konnte.

Dieselben sollten bestehen in Befreiung eines Landesverräters, Desertion und Führung der Waffen gegen das Vaterland und seinen rechtmäßi­gen König.

Für dieselben wurde der junge Mann zum Tode durch Erschießen verurteilt und sein sowie die übri­gen Urteile sofort nach der Fällung von dem Ober­general bestätigt. Den wieder vorgeführten Verurteilten wurde die Sentenz mit dem Bemerken publiziert, dass das­selbe am Nachmittag an ihnen vollstreckt werden solle.

Der preußische Offizier versuchte noch mündlich den General auf andere Gedanken zu bringen. Das einmal zusammengetretene Kriegsgericht urteilte auch noch den Fall mit Staelswerd ab, der kassiert, und aus der Armee verwiesen wurde. Ob dieses Urteil gerechtfertigt war, ist sehr zweifelhaft. Jacobson und Wardow erhielten, nachdem ihr Schicksal bekannt geworden war, verschiedene Besuche; Ersterer besonders von Personen, von denen man nie geglaubt hätte, dass sie zu seiner Bekanntschaft gehörten. Verschiedene Gesuche um seine Begnadigung würden jedoch von Stedingk streng zurück­gewiesen.

Auch die Baronin, die Frau von der Grieben und deren Töchter erschienen, um dem Mann Lebewohl zu sagen, der eigentlich den Anfang ihrer Leiden zum Teil heraufbeschworen hatte, der ihnen jedoch, be­sonders der älteren Tochter, so wert geworden war.

Jacobson erschien gefasst, den Frauen gegenüber sogar heiter, doch blitzte zu Zeiten ein verbissener Ingrimm durch, welcher jedenfalls daher rührte, dass er nun dennoch auf so schmachvolle Art und Weise seinem so gehassten Gegner unterliegen müsste. Auf seinen Wunsch wurde er einige Zeit mit Clara allein gelassen, nach Ablauf der Frist forderte er einen Notar und diktierte diesem ein Testament, nach dem er seine Schiffe und Waffen dem König von Preußen vermachte, seine in verschiedenen Banken deponierten Gelder jedoch demselben nur zur Hälfte überließ, während die andere Hälfte seiner Verlobten Clara von der Grieben bestimmt wurde. Zum Testamentsvollstrecker ernannte er deren Vater und gab das ausgefertigte Dokument an Clara.

Während dieser ganzen Zeit waren die Damen auch ab und zu an Wardow gekommen; dieser war weniger ruhig bei seinen trüben Aussichten. Er hatte kurze Zeit sein Leben so hoffnungsreich gesehen, dass es ihn schmerzte, schon so früh aus demselben zu scheiden.

Seine wenigen Habseligkeiten verteilte er an die Glieder der Griebenschen Familie und an seine Geschwister, um sie als Andenken zu bewahren. Eine Unterredung mit Jacobson wurde ihm gewährt, und als er erfuhr, wie derselbe für die Griebensche Familie gesorgt hatte, gab er sich etwas zufrieden.

Gegen drei Uhr des Nachmittags wurde den Besuchern endlich eröffnet, dass sie sich zu entfernen hätten. Um diese Zeit bereits war fast die ganze Bewohnerschaft auf den Plätzen und Straßen in der Hauptstadt versammelt, um nicht ein seltenes Schauspiel zu versäumen. Es war vier Uhr, als die Verurteilten aus dem Wachlokal auf die Straße traten. Die unter­gehende Sonne eines klaren schönen Wintertages übergoss alle mit einem rötlichen Schimmer. Von einer Eskorte in die Mitte genommen, setzte sich der Zug in Bewegung.

Doch machen wir es kurz. Am blauen Turm auf dem Frankenwall, demselben Gebäude, aus dessen Mauern er den alten Grieben befreit hatte, erwartete ein Jägerde­tachement den Deserteur.

Dieser, welcher beim Anblick des Turmes schmerzlich lächelte, wurde auf zehn Schritt Entfer­nung von jenem aufgestellt. Eine Reihe von Kom­mandos folgte, endlich krachten zwölf Schüsse und der tödlich Getroffene sank in die vor seinen Beinen befindliche Grube. Der lebenslustige von Wardow war nicht mehr.

Weiter ging der Zug zum Frankentor hinaus bis auf die Frankenwiese, wo ein langes Gerüst er­richtet war.

Achtmal verrichtete der Henker sein Werk lang­sam und bedächtig vor der stumm staunenden Zu­schauermenge. Als dem letzten Delinquenten der Strick um den Hals geworfen worden war, ertönte es vernehmbar mit einer Stimme die durch Übung des Kommandos fest und bestimmt geworden.

»Fluch über Schweden, das stets seine besten Männer mit Undank belohnt, es falle von seiner Höhe und werde Fremden zur Beute, es verschwinde als Reich aus der Zahl der Staaten oder existiere und vegetiere verachtet von anderen Völkern sich selbst zur Last!«

Jacobsons Stimme verhallte, sein Mund ver­stummte für immer, aber sein weissagender Fluch ging in Erfüllung. Das mächtige Schweden blieb bis heute nur noch ein Schatten von ehedem.

Die Menge zerstreute sich schaudernd, und mancher, der dieser Exekution schweigend zugesehen hatte, mochte sich wohl fragen, ob denn diese Leute wirklich einen sol­chen Tod verdient haben mochten.

Bei Nacht und Nebel sprengte der Adjutant Bellings davon, und die ihm von dem schwedischen General übergebene Antwort lautete:

Mein Herr Oberst

Ich habe keine Neigung den Krieg in einer Weise zu führen, wie es zwischen barbarischen Völ­kern früherer Zeiten Sitte, und wäre deshalb gerne bereit gewesen, mich Ihnen gefällig zu zeigen. Die Form und Fassung Ihres Schreibens sagt jedoch von vornherein, dass sie in dem vorliegenden Fall nicht darauf rechneten, und wirklich, ich wusste nicht, wie ich es hätte verantworten sollen, einem Spion und einem Deserteur auch nur die geringsten Rücksichten zu beweisen. Was hier weiter geschehen ist, wird Ihnen der Überbringer dieses, der davon Augenzeuge gewesen war, berichten. Was Sie später infolgedessen tun werden, müssen Sie wissen, ich begebe mich jedes Versuchs Ihre Handlungsweise zu beeinflussen; wir sind aber beide unserem Fürsten, unserem Volk der Zukunft und der Geschichte für unsere Handlungen verantwortlich. Ich habe die Ehre usw.

»Er hat recht!«, rief Belling mit dem Fuß aufstoßend. »Was ist denn geschehen?“

Der Offizier berichtete.

»Donnerwetter!”, rief Belling, »der arme Grieben; gehen Sie zu ihm, ich habe keine Lust dazu, und noch eins – setzen Sie in den Tagesbefehl für das Korps, dass in der nächsten Zeit kein schwedischer Offizier zum Gefangenen gemacht werde. Ich müsste sonst zum Mörder werden oder mich blamieren; hoffentlich wird bald ein Befehl vom König ein­treffen.

Dieser Befehl kam nach einigen Tagen an und lautete:

Mein lieber Belling!

Sein Erfolg freut mich, und ich danke Ihm, was seine weitere Meldungen betrifft, so denke ich, der Jacobson wird sich selbst zu salvieren wissen und wie er mir vorgekommen war, in solcher Lage nicht auf unsere Hilfe rechnen. Den Leutnant von Wardow anlangend, so tut er mir leid, da Er ihn als einen Offizier von merité schildert, doch er hätte sich nicht kriegen lassen müssen; solche übergegangene Offiziere sind künftig zu anderen Korps zu senden, um ihre Lage nicht so gefährlich zu machen. Wegen der Frauen, von denen Er mir früher Meldung getan hat, richte Er eine energische Forderung um Auslieferung an den feindlichen General, und wird derselbe nicht entsprochen, so verbrenne er den Schweden täglich ein Dorf. Den Oberstleutnant von Grieben kann Er nach Berlin senden, wo er sich später bei mir melden soll!

Belling überschickte das Original dieses Schreibens sofort an Stedingk, der die Damen sogleich mit einer Entschuldigung freigab, und in das preußische Hauptquartier schickte. An Belling schrieb er, dass er mit Frauen keinen Krieg führe, und der Beleidiger derselben bereits bestraft sei. Dieser Staelswerd nämlich ging nach Schweden zurück und verschwand dort vom Schauplatz, um sich in irgendeinen verborgenen Winkel zu verkriechen.

Das Wiedersehen Griebens und seiner Familie war kein freudiges. Er reiste in Begleitung der Letzteren nach Berlin, wurde später von Friedrich em­pfangen und überreichte dem König mit dem Testa­ment des Freischiffers sein Abschiedsgesuch. Friedrich nahm das Letztere an, lehnte jedoch die Erbschaft ab. Wo das bedeutende Vermögen des Freischiffers später geblieben war, kann nicht gesagt werden. Grieben sah sich genötigt, den der Tochter zugewendeten Anteil zu erheben, und zog sich dann mit Frau und Kindern zurück. Beide Eltern star­ben bald, und die Schwestern vertrauerten einsam ihr Leben. Die Todesart ihrer Verlobten hatten ihre Lebenslust erstickt und jede Freude am Leben getötet.

Kein Glied der Familie sah je die Heimat wieder.

In diese kehrte erst der alte Nehls lange nach dem Krieg zurück. In seiner Begleitung befand sich Swieten, der zwei Tage sein Gast war, um sich dann seinem Vaterland zuzuwenden. Zwei Dezennien später war der gefürchtete Freischiffer vergessen; sein Name und seine Taten gingen in dem Strudel der wichtigeren Ereignisse jener Zeit auf.

ENDE