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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 27

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman, Zweiter Band
XXVII. Verdienter Lohn

Es war am Abend desselben Tages.

Wie gewöhnlich in Kriegszeiten diejenigen, welche am wenigsten leisten und mit dem Krieg zu tun haben, am meisten davon sprechen, so war es auch den guten Spießbürgern der Stadt und Festung Stralsund eigen, nach vollbrachtem Tageswerk in den Bierhäusern zu plaudern.

Diese aller Zeiten und Orten gleiche Erscheinung hat noch eine zweite Eigentümlichkeit, nämlich die, dass hierbei eine gewisse Klasse von öffentlichen Beamten, wenn sie den Ereignissen und den Beziehungen zu derselben auch noch so fern stehen, das große Wort führt.

Dies tat denn auch der damalige Gefängnisinspektor Kracht, in seiner Stammkneipe und er hatte wenigstens insofern ein Recht dazu, als er ehedem Soldat gewesen und Pulver gerochen hatte.

An diesem Abend nun ging es besonders lebhaft in der Gesellschaft zu, der er angehörte, weil man die näheren Details der den Schweden bei Anklam angehängten Schlappe heute erfahren hatte, wodurch natürlich alle echten schwedischen Patrioten aufs Höchste konsterniert waren!

Schwedische Patrioten! Leider muss dabei bemerkt werden, dass deutsche unter jener Fremdherrschaft auch hierbei am meisten diese Bezeichnung verdienten, denn die eigentlichen Schweden nahmen die Sache ziemlich ruhig hin und waren wie auch schon bemerkt worden, den Preußen gar nicht so besonders abgeneigt.

Die Affichen des Herrn Struck spielten hierbei wiederum eine Hauptrolle, denn in ihnen stand es schwarz auf weiß ganz genau, wie die Sache zugegangen war.

Irgendein Glied der Gesellschaft hatte den betreffenden Artikel vorgelesen und Herr Kracht begann zu erörtern, welche Versehen man gemacht und wie es hätte angefangen werden müssen, um die angreifenden Preußen zurückzuweisen.

»Mangel an Wachsamkeit«, meinte er dabei, »ist wohl viel schuld an der Sache, aber jedenfalls haben sich die Truppen nicht mit der Bravour geschlagen, die sie hätten entwickeln müssen, zumal sie ja eigentlich zum Teil nicht mit Soldaten, sondern mit Seeleuten, rohem undisziplinierten Volk zu tun hatten!«

»Pst!«, machte ein anderer, mit dem Kopf zu einem entfernten Tisch deutend, wo einige Leute des gedachten Standes saßen.

»Ach was!«, rief indessen der wackere Inspektor, »das Seevolk ist nicht wert, dass man es nennt. Ich kann es nun einmal nicht leiden und niemand wird mich hindern, das auszusprechen!«

»Holla!«, rief eine Stimme von dem anderen Tisch her, »was wisst Ihr von Seeleuten? Was wollt Ihr von Ihnen, wenn nicht etwa einige Hiebe?«

Die an jenem Tisch sitzenden Männer waren ebenfalls Angehörige der Stadt, Schiffer, Steuermänner und Bootsleute, zum Teil auch Stammgäste des Lokals, nur zwei oder drei unter ihnen waren bisher noch nicht in der Tabagie gesehen worden, doch sie schienen grade die Reden des Inspektors mit Gleichmut angehört zu haben.

Im Übrigen muss noch bemerkt werden, dass die Seeleute im Allgemeinen den Vorstand der Kustodie so hassten, wie er sie, weil hin und wieder jemand dieses stets unruhigen Völkchens in seinen Verwahrsam untergebracht wurde, bei welcher Gelegenheit er sich denn keineswegs bemühte, seinem Seemannshass Schranken zu sehen.

Der Sprecher der oben angeführten Worte war ein in der ganzen Stadt bekannter und zugleich geachteter Mann, der Kapitän oder wie es damals noch weniger anmaßend hieß, der Schiffer Steinhart.

Der Inspektor setzte auf seine Rede eine vollkommene Amtsmiene auf, blickte verächtlich zu dem Tisch hinüber, nahm die Pfeife aus dem Mund und sagte im wegwerfenden Ton: »Wenn doch nur gewisse Leute schweigen wollten, bis sie gefragt würden; man hält sich übrigens zu gut, mit jedem lange Erörterungen zu haben!«

»Dass Euch Gott verdamme!«, rief der Schiffer aufspringend, »glaubt dieser Gefangenwärter hier etwa unter seinen Züchtlingen zu sein? Herr, Ihr habt den ehrenwerten Stand, welchem ich und wir angehören, geschmäht und sollt Eure Worte zurücknehmen, oder so wahr ich lebe, ich stopfe sie Euch in den Hals hinein!«

Der Seemann war bei diesen Worten dem anderen Tisch näher getreten. Die meisten der um denselben sitzenden Personen rückten unbehaglich hin und her, da auch noch andere Glieder der Gesellschaft des Schiffers näher rückten. Nur die Fremden blieben auf ihren Plätzen.

»Ich nehme nichts zurück!«, rief dagegen der Inspektor, »ich habe überhaupt nichts mit Landesverrätern, Empörern und Schmugglern zu schaffen, und das sind alle Seeleute!«

Ein Wutschrei schallte durch das Zimmer, und ehe er noch daran dachte, fühlte sich Kracht an der Kehle gepackt; seine Gesellschafter zogen sich schleunigst zurück.

Nun erhoben sich auch die fremden Seeleute, drängten ihren Standesgenossen von dem Beleidiger ihres ganzen Standes zurück und begannen ihn dermaßen zu bearbeiten, dass er bald wie ein Stier brüllte. Ganz besonders schienen sie es auf das edle Antlitz des braven Mannes abgesehen zu haben.

Zwar machte der Wirt einen schwachen Versuch, dem zergugelten Mann beizuspringen, doch er wurde zurückgestoßen und als jener weidlich abgedroschen war, machten seine Peiniger das Maß dadurch voll, dass sie ihn schließlich zur Tür hinaus auf die Straße warfen.

Ob es Zufall oder absichtliche Veranstaltung war, dass sich hier gerade eine recht nette Anzahl der Leute aus dem Volk befand, mag dahingestellt bleiben. Genug, es war so, und die gespielte Szene gereichte demselben zum höchsten Gaudium, alle folgten unter lautem Jubel, als der geprügelte Beamte barhäuptig, und ein Stück seiner zertrümmerten Pfeife in der Hand, eilig zu seiner Wohnung rannte.

Er war dort allerdings geborgen, und sein untergebenes Dienstpersonal bedauerte ihn höflich; dennoch störte der Schließer noch abends spät die Damen, um ihnen zu melden, in welchen Zustand ihr Peiniger nach Hause gekommen war.

Für diesen war jedoch damit die Sache noch nicht zu Ende; sein Posten war ein städtischer, und er hing deshalb vom Magistrat und Rat ab. Bei diesem ging aber bereits am anderen Tag früh die Anzeige ein, dass sich Kracht im Wirtshaus betrunken, daselbst Streit angefangen und infolgedessen hinausgeworfen sei.

Man dachte damals in gewisser Hinsicht noch sehr streng über Beamtenehre und Beamtenpflichten.

Herr Kracht hatte bereits um die Nachmittagszeit zu seinem nicht geringen Schrecken seine Entlassung aus dem Dienst.

Wahrscheinlich beabsichtigte Jacobson, dessen Werk dies natürlich war, einen seiner Freunde in der Stadt als Nachfolger im Amt des abgesetzten Mannes zu sehen.