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Der Welt-Detektiv Band 6

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Nick Carter – Der Raubüberfall im Grand Central Depot – Kapitel 4

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Der Raubüberfall im Grand Central Depot
Ein Detektivroman

Eine folgenschwere Unterredung

Mr. Hoate wollte begütigend dazwischenreden, doch mit rascher Handbewegung schnitt ihm Nick Carter das Wort ab, indem er selbst fortfuhr: »Ich bin noch nicht ganz zu Ende, verehrter Herr. Indem ich meinen begangenen Fehler einsehe, bin ich auch schon dabei, ihn ungeschehen zu machen.«

»Wenn das nur möglich ist!«, versetzte der Anwalt seufzend. »Ist Bristol wirklich der Schurke, für den auch ich ihn halte – dass er der schlaueste Fuchs ist, das weiß ich schon lange –, dann hat er seine Maßregeln auch so gut getroffen, dass ihm niemand etwas nachweisen kann – und auf Verdächtigungen reagiert er nicht, dazu ist er viel zu abgebrüht.« Der Anwalt erhob sich. »Mit anderen Worten«, fuhr er fort, »ich fürchte, die Dokumente haben schon nicht mehr existiert, als Bristol Chicago verließ, um die Reise hierher nach New York anzutreten. Er kam nur zu dem Zweck hierher, um das Verschwinden der Dokumente erklärlich und zugleich glaubhaft zu machen – und beides wäre ihm sicherlich gelungen, wäre ich durch mein Misstrauen nicht bewogen worden, Sie, Freund Carter, um die Überwachung des Ankommenden zu ersuchen … Darum war Bristol am verwichenden Abend auch so kratzbürstig, als er davon erfuhr.«

»Das mag alles stimmen – nur das eine stimmt nicht«, unterbrach ihn Nick lächelnd.

Überrascht schaute Hoate ihn an. »Und was stimmt nicht?«, fragte er dann erwartungsvoll.

»Das will ich Ihnen sagen, Mr. Hoate«, erklärte Nick mit einem leichten Lächeln. »Die Dokumente sind keineswegs in Chicago vernichtet worden, Mr. Bristol hat sie vielmehr mit hierhergebracht, und sie befinden sich auch jetzt noch in seinem Besitz.«

»Ist das nicht etwas viel auf einmal behauptet?«, bemerkte der Anwalt, der sich vor Erstaunen wieder gesetzt hatte, skeptisch.

Statt einer Antwort griff Nick schweigend nach der Evening World und zeigte dem Anwalt das in den Anzeigenspalten blau angestrichene Inserat.

Erstaunt las Mr. Hoate, um dann verständnislos den Kopf zu schütteln.

»Was soll dies bedeuten?«, erkundigte er sich. »Der betreffenden Person, die dieses liebestolle Geschreibsel in die Zeitung hat setzen lassen, muss im Hirn eine Schraube locker geworden sein.«

»Bitte, hier ist noch ein morgen früh in der World erscheinendes Inserat. Nein, heute früh«, unterbrach sich der Detektiv lachend. »Es ist wahrhaftig schon zwei Uhr vorüber.« Er wendete sich an Patsy: »Lauf zu, mein Junge, du bekommst ganz sicher schon die erste Morgenblattausgabe mit dem Inserat darin.«

»Ich fahre nach Park Row«, erklärte Patsy diensteifrig. »Dort wird um halb drei Uhr mit der Ausgabe begonnen. Als ich ein kleiner Junge war und allein für mich sorgen musste, habe ich mich allnächtlich um die ersten Nummern gebalgt und sie dann für fünf Cent statt für einen Cent weiterverkauft, die Stellungsuchenden rissen sich darum«, schloss er lachend und eilte aus dem Zimmer.

Mr. Hoate war inzwischen auch mit der Durchsicht des zweiten Inserates fertig geworden. »Es ist blödsinnig … Hortons Icecream und dort desgleichen«, brummte er. »Komisch, der Generalmanager von der bewussten Dampfergesellschaft heißt auch Horton.«

»Danke schön, Mr. Hoate«, rief Nick erfreut, und als der Anwalt ihn kopfschüttelnd ansah, setzte er lachend hinzu: »Gewiss, ich bin Ihnen Dank schuldig, denn Ihre Auskunft ist mir lieber als hundert Dollar … Das ist großartig. Horton ist Generalmanager der Dampfergesellschaft, dann ist der böse Papa, welcher die Mitgift nicht erhöhen will, natürlich der Präsident der Linie oder auch der Verwaltungsrat, was ja schließlich dasselbe ist.«

»Aber ich verstehe immer noch nicht!«, erklärte der nicht aus dem Kopfschütteln herauskommende Anwalt. »Was sollen nur all diese rätselhaften Andeutungen?«

»Die Sache ist ganz einfach und wird schnell von Ihnen verstanden werden«, erklärte Nick, indem er seinen Besucher wieder in die Sofaecke niederdrückte. »Bristol ist ein alter Fuchs, das wissen wir. Als solcher gibt er sich keine Blöße, das wissen wir gleichfalls … Eine solche aber wäre es, wollte er hier in New York persönliche Verhandlungen mit Personen pflegen, deren Beziehungen zu ihm ewiges Geheimnis bleiben sollen. Dies ist der Fall in der ihn mit der Dampfergesellschaft verbindenden lichtscheuen Interessengemeinschaft.«

»Das stimmt, aber …«

»Weiter!«, fuhr der Detektiv lächelnd fort, ohne die Unterbrechung zu beachten. »Bristol ist mit der Dampferlinie über den Judaslohn noch nicht einig geworden. Sie mögen lange gefeilscht haben, und darum verfolgte auch Bristol die Ihnen so unliebsam aufgefallene Verzögerungstaktik.«

»Das stimmt wiederum«, unterbrach ihn der Anwalt erregt. »Hätte ich nicht mit Abbruch der Unterhandlungen gedroht und den heutigen – will sagen, den gestrigen Tag als letzten für eine Einigung festgesetzt, so wäre Mr. Bristol jetzt noch nicht in New York.«

»Wann setzten Sie diesen Tag fest?«, fragte der Detektiv erwartungsvoll dazwischen.

»Vorgestern«, erwiderte der Anwalt. »Ich telegrafierte ihm, dass, wenn er nicht mit dem nächsten Nachtschnellzug hierherkommen und den Abschluss vollziehen würde, das Geschäft von uns abgelehnt sei. Darauf depeschierte er zurück, dass er sofort abreisen würde. Well, ich habe Sie darum sofort aufgesucht und Sie um Überwachung des unsicheren Kantonisten ersucht.«

»Nun, da haben wir es ja; Sie setzten ihm die Pistole auf die Brust«, meinte der Detektiv lächelnd. »So oder so, zu einem Entschluss musste der Fuchs unter allen Umständen kommen. Ich denke mir nun, dass er der Dampferlinie ein Ultimatum gestellt hat: Entweder zahlt sie die verlangte Summe oder die Freibriefe werden verkauft. Da nun Bristol sofort Antwort haben musste, diese aber nicht persönlich an sich herantreten lassen wollte, so kam er auf den Ausweg, sich der Annonce zu bedienen, und darum durchsuchte er am verflossenen Abend so unruhig die Inseratenspalten der hiesigen Blätter.«

»Sehr scharfsinnig geschlossen!«, bemerkte Hoate. »Sie dürften der Wirklichkeit ziemlich nahe kommen, Mr. Carter … Natürlich hat sich der Mann alsdann die Aktentasche auf alle Fälle stehlen lassen, um bis zum letzten Augenblick Handlungsfreiheit zu behalten. Zerschlug sich das niederträchtige Geschäft mit der Dampferlinie, so konnte er unter irgendwelchem Vorwand die gestohlenen Dokumente immer wieder aus der Versenkung auftauchen lassen … gewiss«, fuhr er erregt fort, indem er sich wieder aus der Sofaecke erhob und unwillkürlich seine gewohnte rednerische Haltung, wie er sie am Verteidigertisch zu zeigen pflegte, annahm. »Dieser abschlägige Bescheid in der World, denn ein solcher verbirgt sich augenscheinlich hinter den so geschmacklos gesetzten Liebesworten, mag ihn unangenehm berührt haben … Aus ihm scheint hervorzugehen, dass Bristol sich im Verkehr mit dem Generalmanager Horton unvorsichtiger benommen hat, als man ihm zutrauen sollte … Denn wie käme sonst die eigentümliche Drohung in das Inserat: Treibt dich dein Herz nicht bis morgen zu mir, nehme ich an, du verschmähst mich. Dann werde ich handeln … Allzu großer Eigennutz ist schädlich – das heißt doch mit anderen Worten: Lieferst du uns die Dokumente nicht zu dem von uns festgesetzten Preis aus, so verraten wir dich an die von dir geschädigten Parteien.«

»Das wird es wohl sein«, bemerkte Nick. »Wir müssen nun zusehen, uns hierüber Gewissheit zu verschaffen.«

»Aber wie und auf welche Weise?«, rief der sich ereifernde Anwalt händeringend. »Die Zeit drängt … Nach dem Wortlaut des Inserates zu schließen, wird Bristol sich morgen – will sagen heute, denn es ist schon drei Uhr morgens – schlüssig werden müssen.«

»Zweifellos!«, warf der Detektiv ein, indem er mechanisch nach der Frühausgabe der World langte, welche der eben zurückkehrende Patsy ihm überreichte. Er faltete die Seiten auseinander, und nach kurzem Suchen rief er: »Ja, hier ist das Inserat, genauso, wie du es aufgegeben hast, Chick; übrigens bin ich nun doch der Meinung, dass die Annonce für Mr. Bristol und keineswegs für den Generalmanager Horton bestimmt ist … Dieser hat keinesfalls mit dem fingierten Brieftaschenraub etwas zu tun. Das war und bleibt Bristols Privatangelegenheit, und da er natürlich mit seinem Werkzeug nicht in direkter Berührung, schon aus Sicherheitsgründen, zu kommen wünschte, so mag er diesen Staples angewiesen haben, ihm nötigenfalls Nachricht auf dem Zeitungswege unter der Überschrift Hortons Icecream zu geben.«

»Dann dürfte mein geschätzter Kollege dem Notschrei seines Helfershelfers kaum entsprechen«, bemerkte Mr. Hoate sarkastisch. »Er weiß ja, dass sich in der Ledertasche nur wertloser Plunder befindet.«

»Fehlgeschossen, Mr. Hoate«, widersprach Nick lachend, »Bristol weiß dies, aber wir dürfen es nicht wissen, soviel steht fest, denn solche Wissenschaft dürfte ihn teuer zu stehen kommen; sie wäre gleichbedeutend mit seiner Entlarvung.«

»Das glaube ich auch«, stimmte Chick zu, der inzwischen als aufmerksamer Zuhörer schweigend und rauchend dagesessen hatte. »Ich bin fest überzeugt, dass dieser Mr. Bristol über dem Lesen des Inserates den Appetit auf sein Frühstück verlieren und sich wohl oder übel entschließen wird, seinen Helfershelfer aufzusuchen – der Mann ist übrigens auch aus Chicago«, wendete er sich erläuternd an den Anwalt, »und ich nehme an, dass er von Bristol direkt hierher geschickt wurde, um in geeigneter Weise den Aktentaschenraub zu inszenieren, doch halt!«, unterbrach er sich. »Da kommt wieder ein anderes Bedenken!« Er trat an den Meister heran. »Sieh, Nick«, bemerkte er, »wenn dieser Mr. Bristol den Raub der Aktentasche selbst angeordnet hat, warum ließ er sich dann im Zug überwachen?«

»Ich verstehe nicht«, erklärte der Anwalt.

»Well, mein Vetter Chick hat recht, das ist ein sehr dunkler Punkt«, erläuterte der Detektiv. »Wie ich Ihnen bereits mitteilte, Mr. Hoate, hörte ich im Grand Central Depot die Unterredung zweier Männer, die sich nachher als Staples und Bill Conlin entpuppten. Dieser Letztere trat auf Staples zu und erklärte ihm, dass alle Mann auf Posten seien. Als er dann bezweifelte, ob ihr Mann – also Mr. Bristol – im Zug sein werde, erklärte Staples: Ja, dies sei der Fall, denn von Albany aus habe ein gewisser Hank telegrafiert, dass der Erwartete sich wirklich im Schnellzug befinde.«

»Nun, das kann, so ungewöhnlich es auch sein mag, dennoch auf Veranlassung meines geschätzten Kollegen geschehen sein«, warf der Anwalt achselzuckend ein.

»Schwerlich, Mr. Hoate«, widersprach der Detektiv. »Solche lichtscheuen Geschäfte macht man in großer Heimlichkeit ab und zieht sie nicht an das breite Tageslicht. Mir erschien es bereits seltsam genug, dass für den Ledertaschenraub ein derartiger Menschenapparat aufgeboten wurde – well, das legte ich der Ungeschicklichkeit dieses Staples zur Last … Aber dass Mr. Bristol mit sich jemanden hat fahren lassen, der höchstwahrscheinlich bei der Ankunft hier ebenfalls Zeuge von dem Aktentaschenraub werden musste, das glaube ich nicht.« Er wendete sich an den Anwalt. »Auf Ihre direkte oder indirekte Veranlassung hin wurde Mr. Bristol im Zug nicht bewacht?«, erkundigte er sich.

»Das würde ich Ihnen doch sagen, Freund Carter«, wehrte der Anwalt ab. »Wie wäre ich dazu gekommen? Ich ließ ihn auch hier nur überwachen, um in Erfahrung zu bringen, ob er etwa unterwegs noch mit dritten Personen sich besprach … An die Möglichkeit eines Mappenraubes dachte ich nicht.«

»Die Gegenpartei, mit welcher Bristol ebenfalls unterhandelte, kann von seinem Kommen auch keine Kenntnis erhalten und ihn zu überwachen beschlossen haben?«

»Das wäre widersinnig, Mr. Carter«, wehrte der Anwalt ab. »Einmal könnte nur Bristol selbst die Herrschaften von seiner Abfahrt in Kenntnis gesetzt haben. Nun vergessen Sie aber nicht, dass mein telegrafisches Ultimatum ihn frühestens sechs Stunden vor seiner Abfahrt von Chicago erreichte. Erst dann hätte er an die Gegenpartei telegrafieren und seine Reise melden können. Wie in aller Welt hätte die Gesellschaft in solch kurzer Frist von New York aus einen Mann zur Überwachung anwerben können … noch dazu einen solchen, der Depeschen mit dem Bristolʼschen Helfershelfer hier in New York wechselt.«

»Well, die Gesellschaft hätte sich ja schon lange einen derartigen Aufpasser bestellen können«, wendete Nick Carter ein.

»Aber wozu und zu welchem Zweck?«, wollte der Anwalt wissen. »Die Gegenpartei wollte, ebenso wie wir, die Freibriefe in anständiger Weise kaufen, sie bedurfte so wenig wie wir eines Aufpassers und konnte gleich uns nicht einmal wissen, ob schließlich Mr. Bristol in Person oder durch einen Vertreter die Dokumente ausliefern würde. Nein, nein, entweder hat die Kapitalistenvereinigung in Chicago, dessen Vertreter Bristol ist, diesem nicht getraut und ihn überwachen lassen – was mir aber unwahrscheinlich erscheint, zumal der Wächter im Zug sich mit Bristols Mann hier telegrafisch verständigte –, oder aber die Dampferlinie steckt dahinter«, schloss er. »Sie hatten alle Veranlassung, Bristol schon seit Langem bewachen zu lassen, und da er ihr zweifellos seine Abreise meldete, konnte sie ihren Beauftragten unschwer mit Instruktionen versehen.«

Nick lachte. »Mr. Hoate, wir fahren immer im Kreis herum und kommen nicht weiter!«, erklärte er dann. »Was Sie da sagen, hört sich ganz vernünftig an und mag zur Not auch einleuchten … doch wo bleibt die von diesem Hank an Staples gerichtete Depesche? Wie käme ein Detektiv der Dampferlinie dazu, dem mit dem Raub der Aktentasche Beauftragten Meldung von der Anwesenheit des Erwarteten im Zug zu machen? Das ist doch erst recht widersinnig … Gerade die Dampferlinie durfte von dem geplanten Raube nichts erfahren … oder doch?«

»Ich gebe das Raten auf«, erklärte Mr. Hoate mit einem schweren Seufzer. »Traurig, aber wahr: Die Dokumente sind verschwunden, und das ist ein harter Schlag.«

Nick Carter gab nicht gleich eine Antwort, sondern dachte angestrengt nach, indem er seiner Gewohnheit folgte und mit auf dem Rücken zusammengelegten Händen ruhelos das Zimmer durchwanderte.

»Well«, entschied er schließlich, »unsere Aussichten sind nicht gerade hoffnungsreiche, jedoch noch lange keine verzweifelten … Wir müssen eben handeln … Einer meiner besten Mitarbeiter ist bereits mit Mr. Bristols Überwachung beauftragt«, wendete er sich erläuternd an den Anwalt. »Mein erster Gehilfe hier wird diesem Staples seine liebevolle Fürsorge widmen, und Patsy … Well, eine Ahnung sagt mir, dass dieser Staples vorläufig die wichtigste Person ist, von der aus sich die Fäden zu den anderen Beteiligten hinziehen. Aus diesem Grund werde ich lieber selbst Chick bei der Überwachung behilflich sein und mich auf der Straße halten, während Chick leicht Zutritt zu dem mit verstauchtem Fuß daniederliegenden Staples erhalten kann. Du aber, lieber Patsy«, wendete sich der Detektiv an seinen Jüngsten, »wirst gut daran tun, Generalmanager Horton von der bewussten Dampferlinie zu beschatten. Ich habe von dem Herrn noch nie gehört und muss es darum deinem Scharfsinn überlassen, wie und auf welche Weise du dich an ihn heranmachst … Von Wichtigkeit ist es entschieden, dass er alle seine Bewegungen den ganzen kommenden Tag hindurch keinen Moment aus den Augen verloren werden … Da Ida nichts mit der Sache zu tun haben wird, so mag sie als Fernsprecherzentrale im Haus hier dienen … Wir werden uns durch ihre Vermittlung in kurzen Zeitabständen immer wieder wechselseitig verständigen und auf dem Laufenden halten.«

»Aber was gedenken Sie zu unternehmen, Mr. Carter?«, erkundigte sich der Anwalt.

Der Detektiv lachte belustigt. »Verehrter Herr, das weiß selbst ich noch nicht«, entgegnete er. »Was geschieht und zum Ereignis wird, das hängt nämlich nicht sowohl von mir als auch von den anderen Herrschaften ab … Diese schreiten voran, und wir folgen nach, natürlich immer mit dem Vorsatz, die erstbeste günstige Gelegenheit zur Entlarvung der Schuldigen zu ergreifen.«

»Well, Sie haben die Welt schon so oft durch ihre Meisterleistungen erstaunt, dass ich auch in unserem Fall nicht verzweifeln will, so hoffnungslos die Sache an sich auch liegt«, sagte Mr. Hoate, sich verabschiedend. »Das in Ihre Tüchtigkeit gesetzte rückhaltlose Vertrauen ist aber so ziemlich der einzige Lichtstrahl – das gestehe ich offen.«

»Well, ich werde Sie auf dem Laufenden halten«, erklärte Nick, indem er seinem Besucher das Geleit bis zur Haustür gab.

Als er dann zurückkehrte, erschien seine Miene umdüstert. »Wir müssen sofort ins Geschäft«, erklärte er. »Du, Patsy, wirst dich zu Ten Itchi zum Waldorf Astoria-Hotel begeben und ihn von allen getroffenen Anordnungen in Kenntnis setzen; übrigens noch eins, Chick«, wendete er sich an seinen Gehilfen. »Als ich auf dem Zentralbahnhof die Verfolgung dieses Staples aufnahm, wo befandest du dich da eigentlich? Ich hatte dir doch gesagt, du möchtest den Mann in den grauen Bartkoteletten aufs Korn nehmen.«

»Tat ich auch, zumal ich ihn doch in großer Hast den Perron hinuntereilen sah …«

»Nun, das tat Staples auch.«

»Gewiss, nicht, die beiden kamen gleichzeitig an dem Anwalt vorüber, und in demselben Augenblick geschah der Raub … Ich gestehe offen, ich konnte nicht einmal sehen, wer von den beiden die Tasche eigentlich nahm«, erwiderte Chick.

»Das ging so gedankenschnell und unmerklich, dass auch ich es nur erraten konnte«, bemerkte der Meister. »Eigentlich veranlasste mich die kühne Flucht dieses Staples, mich auf dessen Fährte mit der instinktiven Witterung eines Jagdhundes zu setzen … Aber was wurde aus dem als Graubart verkleideten Conlin?«

»Darüber wollte ich schon mit dir sprechen«, entgegnete Chick. »Wie Patsy hörte, soll es Conlin wirklich gewesen sein, der als Graubart verkleidet war … Doch ich glaube es nicht, denn der von mir aufs Korn Genommene rannte wohl im selben Moment wie Staples an dem Anwalt aus Chicago vorüber, doch nur bis zum anderen Ende des Pullmanwagens … Da begrüßte er einen aussteigenden Passagier, und die beiden blieben stehen und sahen sich die von Mr. Bristol vollführte Verzweiflungsszene mit an.«

»Aha, er tobte und schrie wohl, eh?«

»Machte den ganzen Bahnhof rebellisch, sage ich dir … Well, du hattest mir anbefohlen, ihm nahe zu bleiben, das tat ich denn auch. Er war bald getröstet und begab sich zu einem Wagen, um zu dem Waldorf Astoria-Hotel zu fahren … Well, Chick, der Graubart und dessen mit dem gleichen Zug angekommener Bekannter waren mir, offen gestanden, interessanter als unser Mann, dem ja die Tasche ohnehin schon gestohlen war … Ich ließ ihn deshalb zu dem nicht allzu weit entfernten Hotel ruhig fahren und folgte unmerklich den zu Fuß den Bahnhof Verlassenden. Zu meinem freudigen Erstaunen gewahrte ich, dass meine Leute gleichfalls das Waldorf Astoria-Hotel aufsuchten … Ja, ich entdeckte sogar noch Mr. Bristol in der Lobby, wie er gerade mit aufgeregten Mienen Mr. Hoate, welchen er scheu beiseite gezogen hatte, das unerhörte Vorkommnis berichtete.«

»Aber das ist ja höchst wichtig, Chick, was du mir da sagst!«, rief der Meister erregt aus. »Ich verstehe nicht, wie du damit so lange warten konntest!«

»Well, wir blieben so ziemlich beschäftigt bisher, oder nicht?«, gab Chick lächelnd zurück. »Jedenfalls fand ich nicht früher Zeit, Nick.«

»Schon gut!«, brummte dieser, der bereits den eigenen Gedanken wieder nachhing. »Wir müssen wissen, wer dieser Fremde ist … Vielleicht gar Hank, der Absender der Depesche von Albany aus – und ebenso müssen wir herausbekommen, wer der Mann mit den grauen falschen Bartkoteletten war. Conlin konnte dies nach deinen Wahrnehmungen nicht gewesen sein, denn den traf ich ja an der First Avenue und der 42th Street … Ich will dir was sagen, das ändert unsere Pläne!«, setzte der Detektiv hinzu. »Ich sehe immer mehr, dass die Bande von der 42th Street lediglich Mittel zum Zweck war und wir ganz andere Personen beobachten müssen … Geh du zum Waldorf Astoria-Hotel und sieh zu, was du über die beiden und deren Bewegungen herausbekommen kannst; was mich betrifft, so werde ich Staples allein aufs Korn nehmen … und nun an die Arbeit!«, brach er ab. »Es ist selbstverständlich, dass uns niemand erkennen darf; im Übrigen bleibt alles beim Alten!«