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Der Detektiv – Die entführte Gräfin – Teil 5

Walter Kabel
Der Detektiv
Band 21
Kriminalerzählungen, Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1920
Die entführte Gräfin

Teil 5

Ein kräftiges Pochen an die tief nachgedunkelte Eichentür zwang die Gräfin zum Schweigen.

Die drei Erpresser schauten sich unruhig an. Dann wanderten ihre Blicke scheu zu Harst hin. Der verstand, sagte leise: »Ich habe nichts verraten. Von mir aus kann Ihnen nichts Unangenehmes drohen. So öffnen Sie doch, Herr Graf.«

Graf Söderholm schob den schweren, kunstvoll verzierten Riegel auf.

Und nun kam die zweite Überraschung, nun begann die Tragödie!

Es war der Chauffeur Bendisen, ein bartloser, älterer Mann. Er sah so verstört, so bleich aus, dass die Gräfin angstvoll aufstöhnte.

»Um Gott, Hjalmar, was ist geschehen?«

Bendisen stierte uns ganz entgeistert an. Der Graf und der Maler hatten beim Anblick dieses ihres Verbündeten, dem das helle Entsetzen so deutlich anzusehen war, die Farbe gewechselt.

Harst war es, der dann zu Bendisen sagte: »Ich bin der Liebhaberdetektiv Harald Harst. Vor mir können Sie ohne Scheu sprechen. Ich stehe ganz aufseiten Ihrer Herrschaft.«

Bendisen leckte sich die trockenen Lippen. Dann brachte er mühsam hervor: »Herr … Herr Stripley liegt vor der Garage mit einer furchtbaren Kopfwunde. Ich hörte ein Geräusch auf dem Hof. Ich eilte hinab und … da sah ich einen Menschen in langen Sätzen davonstürmen. Dann bemerkte ich Herrn Stripley.«

Totenstille zunächst. Darauf der Graf: »Vor … vor der Garage, Bendisen? Und … lebt mein Schwiegervater noch?«

»Ja, dicht vor der Tür. Der eine Flügel steht halb offen. Ob er lebt? Ich habe ihn nicht angerührt.«

Die Gräfin weinte in sich hinein. Der Graf und Armin Hölger hatten einen langen Blick getauscht.

»Ich werde nach Herrn Stripley sehen«, meinte Harst. »Komm, Schraut. Das ist eine Arbeit für uns.«

Graf Söderholm trat vor. »Einen Moment noch, Herr Harst. Wir … wir haben nämlich in der Garage in einem leeren Benzinbehälter das Geld versteckt. Wir fürchteten stets hier bei uns eine Haussuchung, falls eben die Polizei doch unser Spiel durchschauen sollte.«

Harsts Kopf war hochgeruckt. Er schaute Bendisen an. Dem troff jetzt der Schweiß von der Stirn. Seine Hände falteten sich unwillkürlich. Er streckte sie gegen den Grafen wie flehend aus, stammelte: »Ja … das Geld ist weg. Aber bei meiner Seele Seligkeit: Ich habe es nicht genommen! Als ich die Garagentür offen und Herrn Stripley davor blutend am Boden fand, hatte ich sofort den Argwohn …«

Harst nickte ihm zu. »Regen Sie sich nicht auf, Bendisen. Niemand wird Sie verdächtigen. Vorwärts! Führen Sie uns auf den Hof.«

Bendisen gehorchte.

Als wir ins Freie gelangten, hatten wir einen sternklaren Himmel über uns. Der abnehmende Mond stand schon recht tief. Wir eilten über eine hübsche Hängebrücke über den Wallgraben den Wirtschaftsgebäuden zu.

»Holen Sie eine Laterne«, sagte Harst zu Bendisen.

Wir standen vor Adam Stripleys Leiche. Dass er tot war, bewies schon ein flüchtiger Blick in das starre Gesicht.

Bendisen ging in seine Wohnung hinauf. »Ich habe nur ein paar Sekunden allein sein wollen«, flüsterte Harst, kniete neben dem Toten nieder und untersuchte dessen Taschen. Ich beugte mich tief herab. Stripley lag auf dem Rücken; neben ihm sein weicher Filzhut. Auf der Stirn, halb noch unter dem grauen Haar, war eine blutige Stelle von Handgröße fast zu erkennen. Das Blut war an der linken Schläfe herabgeflossen. Die Augen waren weit aufgerissen.

Harst beleuchtete nun einen Brief mit seiner Taschenlampe.

»Schraut, ich habe das Richtige vermutet!« Er erhob sich. Da kam auch schon Bendisen mit einer großen Laterne. Wir begannen in dem von dem Sprühregen noch aufgeweichten Erdreich des Parkes nach Spuren zu suchen.

Der Mörder war zwischen Garage und Stall über den Zaun gesprungen. Die Eindrücke seiner Füße jenseits des Zaunes waren tief, aber so unscharf ausgeprägt, dass daraus nichts zu ersehen war.

Bendisen hatte sich uns angeschlossen. Harst schickte ihn nun ins Schloss zurück.

»Sie sind der Vertraute Ihres Herrn, Bendisen. Sagen Sie dem Grafen, dass er sofort die Polizei benachrichtigen muss. Es geht nicht anders. Uns, Schraut und mich, hat er herkommen lassen, damit wir nach den Entführern der Gräfin suchen sollten. Ihre Herrschaft braucht sich nicht zu ängstigen. Es wird nichts an die Öffentlichkeit dringen, was verborgen bleiben muss. Wir werden vielleicht noch Stunden draußen zu tun haben. Aber nachher finden wir uns im Schloss wieder ein. Die Hauptsache: Wir sind als Gäste des Grafen hier, Bendisen! Sie verstehen!«

Der Chauffeur schlich davon.

»Der arme Kerl!«, meinte Harst. »Er wird die Furcht nicht los, man konnte ihn für den Dieb der Million halten. Und dabei war es doch Adam Stripley, der sie sich holte. So, nun wollen wir uns das Innere der Garage ansehen.«

»Und der Brief, den du jetzt in Deiner Tasche hast?«, fragte ich gespannt.

»Ist ein Lebenszeichen unseres alten Feindes Palperlon. Ich vermute das wenigstens mit ziemlicher Bestimmtheit. Doch davon später. Ah, … da liegt auch die Mordwaffe … ein großer eiserner Schraubenschlüssel. Fünf Schritt von der Leiche ab. Nicht anrühren, Schraut! Bedenke, dass die Polizei hier das Vorrecht hat.«

Wir betraten die Garage. Zwei Autos standen hier nebeneinander. Der Zementboden war tadellos sauber.

Harst ließ das Licht der Laterne überall hingleiten. In einer Ecke zeigte der helle Zement vier dunklere Flecke.

»Bleib stehen, Schraut. Die eine Ölkanne dort leckt offenbar. Und vielleicht war es Stripley, der mit der einen Fußspitze in die Lache hineintrat und dann das Öl in jenen vier Flecken weiter verteilte.«

Er untersuchte den Boden sehr genau.

»Hm – die beiden sind offenbar zusammen in der Garage gewesen«, meinte er dann. »Die Sache wird komplizierter. Jedenfalls ist dies ein sehr tragischer Abschluss der Entführungskomödie. Sehen wir zu, ob wir die Spur des Mörders irgendwo scharf ausgeprägt finden.«

»Du glaubst also wirklich, dass Palperlon hier …«

»Gewiss, gewiss! Ihm traue ich es sehr wohl zu, dass er die angebliche Entführung durchschaut hat und dann Stripley den Brief schickte. Aber in diesen Schlussfolgerungen muss ein Fehler stecken – irgendwo! Sie sind doch beide in der Garage gewesen! Sie und der Mörder müssen nach den Ölspuren sogar nebeneinander gestanden haben, als sie das Geld aus dem Benzinbehälter herausholten. Nein, da stimmt etwas nicht!«

»So lies doch den Brief!«, mahnte ich ungeduldig.

»Das brauche ich nicht. Den Inhalt kann ich mir auch so zusammenreimen. Mir genügte schon, dass Umschlag und Briefbogen ganz zerknittert und dann wieder glatt gestrichen waren. Stripley hat den Brief in seiner Wut zusammengeknüllt und sicher in die Ecke gefeuert. Ich habe den Briefbogen nur halb herausgezogen, sah nur die Unterschrift und die letzten Worte. Die besagten genug. Übergenug!«

»Und lauteten? So rede doch! Ich höre deinem Ton an, dass …«

»… ja, mein Alter, dass James Palperlon diesmal als Harald Harst sich bei Stripley eingeführt hat.«

»Als Harald Harst?!« Ich war so verdutzt, dass ich stehen blieb.

»Komm nur weiter. Es ist so. Die Unterschrift lautete Ihr sehr ergebener Harald Harst. Und die letzten Worte: … gerade mir wohl Vertrauen schenken können. Palperlon als Harst – das ist doch noch nicht da gewesen! Der Mann versteht sein Geschäft – leider! Der würde als Detektiv vielleicht mehr leisten als ich.«

Die Fährte war nur schwer zu verfolgen. Für uns besonders schwer, da Harst sich hütete, etwa vorhandene Eindrücke zu verwischen. Er hielt sich stets abseits der Spur in Rücksicht auf die Offiziellen.

Der Mörder war zumeist am Rand der Wege auf dem Rasen entlanggeeilt. Wo dies nicht möglich war, hatte er die Füße nur mit der Spitze aufgesetzt, sodass ein vollständiger Eindruck der Schuhe nirgends zu finden war. Schließlich gelangten wir an die südliche Parkmauer unweit des großen, schmiedeeisernen Tores. Die Mauer war oben zementiert, und in den Zement waren lange Glassplitter eingedrückt. Dort, wo der Mörder sie überklettert hatte, saß Harst mehrere Minuten auf der Mauerkrone.

»Er hat die Glasspitzen sämtlich mit einem Stein weggeschlagen, hat sich also Zeit gelassen bei seiner Flucht. Oder das Wahrscheinlichere! Er hat die Stelle vorher vorbereitet.«

Ich hielt die Laterne, und Harst flüsterte mir diese Sätze zu.

»Ah, das Letztere trifft zu!«, ertönte seine Stimme etwas lauter. »Hier steckt noch eine halb aufgeweichte Papierkugel, mit der er eine der Spitzen umwickelt haben dürfte, um … Schnell, reich mir mal die Laterne!«

Ich tat es.

»Blutspuren. Er muss sich die Hand verletzt haben, Schraut. Hier … eine der Glasscherben … sie lag mit der blutigen Seite nach unten. Zwei Fingerabdrücke sind zu erkennen. Schraut, es ist Palperlon gewesen! Dieses blutige Glasstück ist seine Visitenkarte: der rechte Mittelfinger und an der Spitze die tiefe Narbe! Du besinnst dich auf den Kofferbeschlag, an dem ich diesen Fingerabdruck fand! Also tatsächlich unser Palperlon!«

Harst war mit einem Satz neben mir. In der Linken hielt er den Ballen Papier, den er auf der Mauerkrone gefunden hatte. »Leuchte mal!«, meinte er. »Es ist Zeitungspapier. Ich werde die Schichten vorsichtig ablösen. Man kann nie wissen! Wenn Palperlon die Blätter sich gekauft hatte und sie in der Tasche trug, dann … Nein, hier will ich diese Arbeit doch nicht erledigen. Das muss neben einem heißen Ofen oder dergleichen geschehen. Kehren wir ins Schloss zurück.«

Wir fanden das Ehepaar Söderholm und den Maler im neuen Flügel im sogenannten Empfangssalon vor. Die Gräfin hatte rotgeweinte Augen.

»Das ist die Strafe für die Entführungskomödie, Herr Harst!«, klagte sie. »Nun muss ja alles aufgedeckt werden!«

Harst hatte viel zu trösten und zu beruhigen. Schließlich war die Gräfin dann einverstanden, ein Schlafpulver zu nehmen und sich niederzulegen. Als wir nun mit Söderholm und Hölger allein waren, gab Harst den Herren nochmals genaue Verhaltungsmaßregeln gegenüber der Polizei.

»Am besten ist, Sie lassen mich mit den Beamten sprechen. Mein Name wird wohl genügen, es uns zu erleichtern, den Mörder als ein Mitglied der Erpresserbande hinzustellen. Über diesen Mörder möchte ich Ihnen, nur Ihnen, Folgendes erklären: Als Bendisen uns den Fund der Leiche meldete, als er auch zugab, dass die Million aus der Garage gestohlen sei, da habe ich sofort an einen Mann gedacht, dessen Name Ihnen, meine Herren, durch die Zeitungsberichte über meine indischen Abenteuer vielleicht nicht fremd sein dürfte: James Palperlon! An ihn dachte ich, weil mir bekannt war, dass er sich seit einiger Zeit hier in Kopenhagen aufhielt, weil er meines Erachtens genauso wie ich diese Entführung zu durchschauen imstande war und weil er aus der Kenntnis der tatsächlichen Vorgänge fraglos in seiner Weise Nutzen gezogen hätte. Deshalb war auch mein Erstes, die Leiche Stripleys nach Schriftstücken zu durchsuchen. Ich vermutete, Palperlon könnte Herrn Stripley brieflich das mitgeteilt haben, was er von dieser Entführung hielt, und von ihm ein Schweigegeld verlangt haben. Es war dies eine Vermutung, nichts weiter. Und ich fand diesen Brief. Ich werde ihn vorlesen.

Sehr geehrter Herr Stripley! Das Geheimnis, das mit dem Verschwinden Ihrer Tochter zusammenhängt, reizte mich. Ich habe es enthüllt. Genauso wie Sie! Ja, Herr Stripley, als ich Sie in der Nacht nach der Deponierung der Million im Park umherschleichen sah, als Sie dann Ihrem Schwiegersohn folgten, der gegen ein Uhr morgens mit Bendisen, dem Chauffeur, in der Garage verschwand, da wusste ich Bescheid. Geben Sie nur zu, dass Sie die Million nun in der Garage versteckt glauben! Ich glaube dasselbe! Wenn es Ihnen recht ist, suchen wir dort gemeinsam. Wir wollen uns um halb 12 im Park an der Fontäne treffen. Ich denke, dass Sie gerade mir wohl Vertrauen schenken können. Ihr sehr ergebener Harald Harst.

Harst steckte den Brief wieder zu sich. »Ich räume ein: Dieser Inhalt überrascht mich doch!«, meinte er. »Sie sehen, Herr Graf, Sie haben Ihren Schwiegervater unterschätzt. Er hat die Komödie durchschaut. Dass er trotzdem weiter den Ahnungslosen spielte, dürfte deswegen geschehen sein, um gegen Sie, der ihm als Schwiegersohn nie lieb war, mehr noch, den er insgeheim gehasst haben mag, zu einem vernichtenden Schlag auszuholen. Vielleicht wollte er seine Tochter enterben, vielleicht Ihre Ehe irgendwie auseinanderbringen. Die Blicke mit denen Stripley Sie heimlich ansah, wenn Sie so zärtlich mit Ihrer Gattin taten, sagten mir, dem bescheidenen Jan Maat sehr viel. Palperlon aber, der sich Stripley als Harald Harst näherte, wird Ihren Schwiegervater in seiner Art lediglich dazu haben ausnutzen wollen, die Garage, die er überwacht glaubte, in aller Ruhe und in Gegenwart eines Mannes durchsuchen zu können, der ihn bei einer Überraschung gegen jede Ungelegenheit geschützt hätte. Es liegt hier also ein Bubenstück Palperlons vor, das seinen bisherigen Schandtaten durchaus gleichwertig ist. Dass ich hier in Kopenhagen bin, weiß er fraglos nicht. Sonst wäre er noch vorsichtiger gewesen. Der Verlauf der Tragödie in der Garage lässt sich mit wenigen Sätzen wiedergeben. Stripley fällt auf den vertrauenerweckenden Namen Harst ohne Weiteres herein, stellt sich pünktlich bei der Fontäne ein, beide durchsuchen die Garage, wo ich die Spuren zweier Männer fand, finden auch schließlich das Versteck der Million, verlassen die Garage und draußen schlägt Palperlon dann den Ahnungslosen nieder, flieht mit dem Geld vor dem plötzlich auftauchenden Bendisen, nimmt den vorbereiteten Weg über die Parkmauer, hinterlässt hier aber eine ganz unzweideutige Visitenkarte in Gestalt eines blutigen Fingerabdrucks auf einem Glasstück und außerdem noch … dieses nasse Knäuel Zeitungspapier, das ich mir nun sofort über einem heißen Ofen näher ansehen möchte. Haben Sie vielleicht im Badezimmer einen elektrischen Ofen, Herr Graf? Ja, dann führen Sie mich bitte hin. Ich muss die obersten Zeitungsschichten immer erst ein wenig trocknen lassen, bevor ich sie loslöse, sonst behalte ich nur Fetzen in den Händen.«

Harst und der Graf entfernten sich. Sehr bald trafen dann Kriminalinspektor Barkeröd und zwei Beamte aus Kopenhagen im Dienstauto ein. Als ich den Herren gerade den Mord klarlegte und den Weg beschrieb, den der unbekannte (uns so gut bekannte!) Täter genommen, erschien Harst. Der Inspektor war zu ihm äußerst liebenswürdig. Harst zeigte ihm ein Stück Zeitung, auf deren Rand eine Wäscherechnung mit Bleistift notiert war: 3 Hemd. 1,80, 2 Oberh. 2,00 und so weiter. Darüber stand ein Name: Monkefeld. Olfersgade 17. Nach einigen erklärenden Bemerkungen Harsts fuhren wir mit dem Dienstauto in Begleitung eines der Kriminalbeamten nach Kopenhagen, weckten die Inhaberin der Wasch- und Plättanstalt Frau Monkefeld, die sehr bald feststellte, dass diese Wäsche ihr von einer Frau Torstensen aus derselben Straße gebracht und auch von ihr wieder vor acht Tagen abgeholt war. Die Torstensen vermiete möbliert und habe zumeist Herren bei sich wohnen, gab die Plättfrau Bescheid.

Daraufhin wurde das Haus der Torstensen in aller Stille von der Polizei umstellt.

Ich begriff Harst nicht. Als wir einen Augenblick allein waren fragte ich denn auch:

»Hast du dir auch klar gemacht, dass, wenn wir Palperlon wirklich jetzt fassen, der Graf, die Gräfin und ihre Mitwisser unfehlbar durch Palperlon verraten werden?«

»Lieber Alter«, erwiderte er und drückte meinen Arm. »Ich weiß eben, dass wir ihn nicht fangen werden. Ich will nur der Polizei beweisen, dass dieser Unbekannte, der bei der Torstensen wohnte – wohnte, nicht wohnt, der Mörder ist. Dann wird sie sich mit allem Eifer auf diese Fährte stürzen und die wahren Erpresser nicht durch allerlei Nachforschungen behelligen!«

Als wir dann die Torstensen herausgeklingelt hatten, da kam die letzte Überraschung dieser Nacht.

»Ach, diese Wäscherechnung!«, meinte die Torstensen. »Ja, die war für den Herrn Macdonald Busley, einen Kaufmann. Aber der Herr hat nur zehn Tage bei mir gewohnt. Dann starb er an einem Schlagfluss. Ich hatte viele Scherereien damit. Er besaß keinerlei Papiere. Eine Depesche nach London an seine dortige Wirtin, kam als unbestellbar zurück. Zum Glück hatte er jedoch genügend Geld in seinem Koffer, gegen 120 Pfund Sterling. Er ist gestern beerdigt worden. Nur ich und meine Köchin folgten dem Sarg. Niemand hat sich um den armen Menschen gekümmert. Es war auch nicht herauszubekommen, was für Geschäfte er hier zu erledigen hatte.«

Die sofortige Nachprüfung dieser Angaben ergab deren volle Richtigkeit.

Die Polizei witterte hier ein neues Verbrechen. Aber ihre Bemühungen blieben ergebnislos.

Ich will an dieser Stelle nicht näher auf diesen Kaufmann Macdonald Busley eingehen. Ich tue es in der nächsten Erzählung Das Armband der Lady Melville.

Dass Graf Söderholm, dessen Frau nun Erbin des großen Vermögens ihres Vaters war, schon einen Monat später nach Südamerika auswanderte und dort eine große Viehhazienda erwarb, dass er von seinem neuen Wohnsitz dann mit Harsts Zustimmung der Polizei in Kopenhagen den wahren Sachverhalt über die Entführung seiner Gattin mitteilte und gleichzeitig 100.000 Kronen für die Armen stiftete, wird der Leser vielleicht aus deutschen Zeitungen damals erfahren haben, die hierüber eingehend berichteten.

Hätte der Graf diese öffentliche Beichte nicht abgelegt, würde ich wohl nie dieses Abenteuer hier haben einreihen dürfen. Die Polizei erfuhr so, dass Adam Stripleys Mörder der berüchtigte James Palperlon war. Aber Palperlon war längst anderswo. Und wir – auch.