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An der Indianergrenze – Band 1 – Kapitel 1

Friedrich Armand Strubberg
An der Indianergrenze
Band 1
Hannover, 1859
Kapitel 1

Der nächtliche Reiter. Das Lager der Lepan. Der Häuptling Wallingo. Die Indianerin. Der verschmähte Liebhaber. Die Beratung. Die Zusammenkunft. Der Abschied. Farnwald. Die Ansiedelung.

Der Mond stand hoch an dem mit funkelnden Sternen übersäten Himmel. Nur einzelne leichte durch­sichtige Wölkchen zogen perlenweiß wie Schwäne unter ihm hin und schienen von Zeit zu Zeit schmeichelnd an seinem hellglänzenden Antlitz vorüberzugleiten, ohne es zu wagen, dasselbe auch nur für Augenblicke zu bedecken und das beinahe taghelle Licht, welches er still und friedlich auf die südwestlichen Gebirgsgegenden Amerikas goss, zu trüben. Von seinem Silberlicht beschienen, lenkte ein Reiter sein schneeweißes Pferd durch das lose umherliegende Granitgeröll eines Tales, welches sich ostwärts zu einem der mächtigen westlichen Ströme Amerikas, die ihre Fluten dem Golf von Mexiko zuführen, hinwand. Der Reiter, obwohl in Gedanken versunken, schien dem ungeachtet seine Blicke und sein Gehör in größter Tätigkeit zu erhalten, denn er sah häufig um sich, hob oft die Hand über die Augen, um schärfer durch das Mondlicht in die Ferne spähen zu können, und hielt manchmal plötzlich den eiligen Schritt seines Rosses an, um irgendeinem fernen Ton zu lau­schen, der sein Gehör berührt hatte. Er war ein schlanker, kräftiger junger Mann, dessen Äußeres die Stellung in der menschlichen Gesellschaft verriet, welcher er nun angehörte. Er war ein Mann von der äußersten Frontier, von der Grenze der Zivilisation Nordamerikas, war in Hirschleder gekleidet, trug ein Paar Revolver in dem Gürtel um den Leib, ein langes Jagdmesser an der Seite und eine Doppel­büchse schaukelnd vor sich auf dem Sattel. Der lange schwarze Bart und der schwarze Filz, dessen breiter Rand sein Gesicht überschattete, gaben seiner Erscheinung fast etwas Finsteres. Im Widerspruch damit standen jedoch die Liebkosungen, die er seinem Pferd durch Klopfen und Streichen mit der Hand zukommen ließ, und die freundlichen Worte, die er einem ungewöhnlich großen gelben Hund, der vor ihm hinrannte und von Zeit zu Zeit zu ihm zurückkehrte, zurief. Der Namen dieses Reiters war Farnwald. »Hoho, war recht mein alter Kerl! Ist die Luft dort vor uns rein? Dahin, dahin, Joe!«, sagte er zu dem un­geheuren Bluthund, wenn derselbe vor dem Pferd in die Höhe sprang, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und winkte ihm dann mit der Hand vorwärts, worauf das schöne Tier wieder dahinsauste und bald in der Ferne vor dem Blick seines Herrn verschwand. Dann sprach der Reiter seinem Hengst wieder freundlich zu und ermunterte ihn in seinem Schritt, denn das viele lose Gestein, welches den Boden hier bedeckte, ließ keine größere Eile zu, so sehr Farnwald sie auch wohl von dem Tier gewünscht hätte. Zu beiden Seiten dieses steinigen Grundes zogen sich Striche dichten hohen Waldes im Tal entlang, aus deren dunklen Purpurmassen einzelne schlanke Palmen ihre riesenhaften Stämme hervorstreckten, über denen die fächerartigen Kronen in der leichten kühlen Nachtluft rauschten, während die Berge, zwischen welchen das Tal sich gebildet hatte, steil und schroff aufstiegen und deren glitzerndes Gestein im Mondlicht glänzte. Über eine kurze mit Gras überwachsene Strecke hin war das Pferd in Trab gefallen, als sein Reiter es plötzlich im Zügel zurückriss und in demselben Moment, seine Büchse über dessen Kopf erhebend, zu einer dunklen Gestalt hinblickte, die aus dem Wald von seiner linken Seite hervortrat. Das Pferd stand im Augenblick unbeweglich und Farnwald spähte starr mit verhaltenem Atem zu der Richtung hin, in welcher die Gestalt nun hinter großen Felsblöcken verschwunden war. Doch wenige Augenblicke später senkte er ruhig die Büchse, spannte sie ab und legte sie wieder vor sich auf den Sattel. Es war ein schwarzer Bär, der nun hinter dem Gestein hervortrat und zu dem hin der Hengst auf­merksam seine Ohren spitzte.

»Alter Bursche, mach, dass du fortkommst«, sagte Farnwald zu dem kaum vierzig Schritt vor ihm vor­überziehenden Bär, der sich erschrocken nach dem Reiter umwendete und dann in einem schwerfälligen Galopp eilig dem Wald gegenüber zu floh. Bald war es ein vorüberziehender Hirsch, bald ein davoneilender Büffel, bald der rasch auf der Erde schwebende schwarze Schatten eines über ihn hinflie­genden Uhus, der den Reiter für Augenblicke in seinem Ritt aufhielt, doch desto eiliger trieb er dann gleich wieder sein Pferd in westlicher Richtung vorwärts dem sehr engen Pass zu, in welchem sich das Tal zusammendrängte und wo die Felsen sich kahl und schroff nahe gegenüberstanden. Am Eingang dieses schmalen Durchgangs erwar­tete Joe, der Bluthund, seinen Herrn und sah, seine mächtige Rute hin und her schlagend, zu ihm auf, als wolle er sich neue Befehle von ihm holen.

»Hin, hin, mein Joe!«, rief Farnwald dem treuen Tier zu, indem er mit der Hand vorwärts winkte, dann einen seiner Revolver aus dem Gürtel zog, ihn spannte und, die Zügel seines Hengstes verkürzend, dem einige hundert Schritte vorangeeilten Hund im Galopp in den Engpass hinein folgte. Wohl eine halbe Meile lang wand sich die Schlucht durch die Felsen hin und her, bis sie sich plötzlich in ein unabsehbar weites Tal öffnete, hinter dem in nebliger Ferne die Gebirgszüge der Kordilleren sich wie schweres Gewölk in duftig verschwommenen Konturen zum Himmel auftürmten und ihre hell im Mond­licht glänzenden Eiskuppen über sich erhoben. Hier erwartete der Bluthund abermals seinen Herrn, der nun sein Pferd anhielt und aufmerksam durch das weite flache Tal vor sich hin spähend nach irgendeinem fernen Ton zu horchen schien. Doch eine Totenstille lag auf der weiten Landschaft, kein Laut ließ sich hören, selbst das Heulen jagender Wölfe nicht, welches während der Nächte in diesen Ländern nur selten verstummt. Nach einer Weile unbeweglichen Spähens und Lauschens steckte Farnwald den Revolver wieder in den Gürtel, winkte Joe seitwärts durch das üppige Gras zu einer hohen Baumgruppe hin, die sich in einiger Entfernung daraus erhob. Als ob der Hund diesen Weg schon oft gewandert sei, sprang er in lustigen Bogensätzen dem bezeichneten Wäldchen zu, in dessen dunklen Schatten er bald darauf verschwand, während sein Herr ihm langsam folgte. Auch dieser hatte das Gehölz bald erreicht, durch­ritt den silberhellen Bach, der sich vor demselben hin­schlängelte, stieg von dem Hengst und leitete ihn durch die dichten Massen von riesenhaften Aloe, Kakteen und anderen Stachelpflanzen, die dasselbe umgaben, in das Innere des Dickichts auf einen kleinen Grasplatz, wo er dem Pferd die Zügel auf dem Nacken zusammen­band und es, den Hals ihm klopfend, sich selbst über­ließ. Die Büchse hatte er an den silbergrauen Stamm einer Magnolie gestellt, auf welchem einzelne helle Flecken des Mondlichtes mit der Bewegung des rauschenden dunklen Laubes über ihm zitterten. Dann schritt er zurück durch die Öffnung zwischen den Stachel­pflanzen, die durch Menschenhand erzeugt war, wie links und rechts liegende abgehauene verwelkte Reste solcher Gewächse andeuteten, trat, dem Bach folgend, hinaus in das Mondlicht und sandte seine Blicke über die weite Grasfläche. Etwa drei Meilen weiter westlich, nahe an einem wild schäumenden kristallklaren Fluss, überdacht von uralten Platanen, Zypressen, Magnolien und Palmen, standen wohl fünfzig weiße, von Büffelleder verfertigte große Zelte in den Waldstreifen, der dessen Ufer bedeckte, hineingedrängt. Vor ihnen flackerten helle Feuer, die das Dunkel aus ihrer Umgebung verdrängten und das saftige frische Grün des Laubes sowie die wundervollen Blumen, die in mannigfachen Farben aus ihm hervorsahen, magisch beleuchteten.

Es war das Lager eines Stammes von Lepan­, eines der kriegerischsten wilden Völker, die diese paradiesisch schönen Länder, die bisher noch nicht von den Weißen bestrittenes Eigentum durchzogen. Nur östlich des Stromes, in dessen Nähe Farnwald wohnte, waren die weißen Ansiedler sehr einzeln selbst bis an dessen Ufer vorgedrungen, doch westlich war noch keine einzige Hütte von ihnen aufgeschlagen worden. Jäger wagten sich wohl in diese Gegenden, die sie als Feindesland betraten, denn die roten Urbewohner derselben verfolgten und hetzten sie als Vorläufer der Weißen, gleich wie wilde Raubtiere. Um die Feuer herum lagerten die braunen Gestalten vieler dieser Indianer, auf Tierhäuten ausgestreckt, andere saßen vor den Eingängen der Zelte und Kin­der rannten, sich jagend und spielend, hin und her. Während sich die Männer einer vollkommenen Ruhe hingegeben hatten, rauchten oder zuweilen eine wort­karge Unterhaltung untereinander führten, waren die bei Weitem zahlreicheren Frauen und Mädchen beinahe sämtlich noch tätig. Viele derselben beschäftigten sich mit dem Zubereiten von Tierhäuten, andere verfertigten aus gegerbten Fellen Anzüge für sich oder für die Männer, bemalten solche mit bunten grellen Farben oder verzierten sie mit blitzenden Steinen und Muscheln, während wieder andere Wildbret an Stöcken über Kohlen rösteten. Bei dem Feuer vor dem größten und auch am schönsten geschmückten Zelt, welches Wallingo, der Häuptling dieses Stammes, gehörte, lag dieser auf einer glänzend buntgefleckten Jaguarhaut ausgestreckt, und neben ihm im Kreis um die flackernden Flammen ruhten eine Menge alter Krieger, die großes Interesse an der nun begonnenen Unterhaltung zu nehmen schie­nen, welche von ihnen augenblicklich mit dem Häuptling gepflogen wurde. Nur wenige Schritte seitwärts von dieser Gruppe in dem Schatten einer dichtbelaubten roten Ulme stand ein Mädchen von siebzehn Jahren, beschäftigt, aus Lederstreifen, die an einem Ast über ihr gebunden waren, ein Lasso zu flechten. Es war Owaja, die Enkelin des Häuptlings und zugleich seine Pflegetochter, deren Vater, der Sohn Wallingos, schon vor Jahren bei einem Angriff, den die Lepan auf eine Nieder­lassung der Weißen gemacht hatten, von diesen erschossen worden war. Sanft, freundlich und liebenswürdig, wie sie war, wurde sie von Alt und Jung im Stamm geliebt, die Mädchen schlossen sich ihr herzlich an, denn sie war eine treue, hilfreiche Freundin und in deren fröhlichen Zusammenkünften das belebende Element. Die Frauen waren ihr alle liebevoll zugetan, weil sie es verstand, sich durch tausenderlei Aufmerksamkeiten und kleine Dienste ihnen stets angenehm zu machen. Die Männer hatten sie wegen ihrer munteren Laune und ihrer Scherze gern um sich und ihre ungewöhnliche Schönheit machte die Jünglinge sämtlich zu ihren Verehrern. Sie war schlank und edel gebaut; über einer vollen Büste und langem zartem Nacken trug sie ihren kleinen Zopf frei, graziös und keck, etwas im Widerspruch mit dem tief gefühlvollen Ausdruck ihrer großen dunklen Augen; ihre Bewegungen waren leicht, doch elegant, und ihre Füße und Hände zart, schön geformt und auf­fallend klein. Keine ihrer Gespielinnen wusste sich mit so vielem Geschmack zu kleiden, als Owaja. Ihr glän­zend schwarzes schlichtes Haar, auf einer Seite des Kopfes zusammengebunden, war stets über dem roten Lederband, welches es hielt, mit einer Quaste schöner Federn geschmückt, als jene aufweisen konnten. Es hing länger über ihre Hüften herab, als das eines anderen Mädchens und ihr kurzes Lederröckchen war reicher mit Franzen und bunten Farben verziert als eines ihrer Freundinnen. Die Perlen um ihren Nacken waren besser geordnet, die Spangen um ihre vollen zarten Arme saßen fester und die Mokassins, in denen ihre niedlichen Füßchen steckten, waren zierlicher geschnitten und reicher gestickt als die ihrer Gefährtinnen. Dabei war sie gewandter und flinker als jene, sodass sie bei deren Spielen stets den Preis davontrug. Ihren Pfeil sandte sie mit größerer Sicherheit zu einem fernen Ziel, als selbst die jungen Krieger es vermochten, und zu Pferde konnte es ihr niemand zuvortun. Sie war leidenschaftlich, ausgelassen fröhlich und leicht aufgeregt, und doch wieder zu Zeiten in sich versunken, still und suchte dann die Einsamkeit. Viele Jünglinge hatten ihr schon die Hochzeitsfackel vor den Eingang ihres Zeltes getragen, doch immer hatte sie deren Anträge freundlich und dankend abge­lehnt, obwohl der alte Häuptling oft den Wunsch gegen sie ausgesprochen hatte, dass sie sich verheiraten möge. Einer ihrer Anbeter war der junge Hargo, der sie fortwährend mit seiner Liebe bestürmte und trotz aller Einwendungen, aller abschlägigen Antworten seine Werbungen um ihre Hand immer wieder erneuert hatte. Doch er war Owaja im Grunde ihres Herzens zuwider, weil er gefühllos, grausam und roh war, drei Eigenschaften, die zu des Mädchens sanftem, gefühlvollem, hingebendem Gemüt durchaus nicht passten.

Um ihm nicht weh zu tun, hatte sie immer nur ihren Entschluss, unverheiratet zu bleiben, als Grund ihrer Weigerung, die seine zu werden, vorgeschützt. Doch immer wieder von Neuem bestürmt, erklärte sie ihm endlich, dass sie ihn nicht leiden könne und nun und nimmermehr seine Frau werden würde.

Hargo hielt sich nun fern von ihr, aber die Leiden­schaft, die in seiner Brust für sie lebte, wurde nur umso mehr angefacht. Es gesellte sich ein Groll, eine innere Verbissenheit hinzu, die sich gegen jeden jungen Mann Luft machte, der sich ihr näherte oder ein freundliches Wort mit ihr wechselte. Häufiger Zank und Streit waren die Folgen davon gewesen, sodass der alte Häuptling sich zuletzt ins Mittel gelegt und Hargo bei Strafe der Verbannung aus dem Stamm, Friede mit seinen Kameraden geboten hatte.

Hargo stand mit untergeschlagenen Armen an der anderen Seite des Feuers, um welches sich der Häupt­ling mit seinen alten Kriegern gelagert hatte, und hielt seine glühenden Blicke unbeweglich auf Owaja geheftet, die geschickt und flink an dem Lederstrick flechtend und mit einem unangenehmen Gefühl bemerkte, dass des verschmähten Liebhabers Blicke auf ihr ruhten, sorgsam aber dabei vermied, seinen Blicken zu begegnen.

Sie schien ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Unterhaltung an diesem Feuer zu richten, und absichtlich durch Geräuschlosigkeit und ihr Verweilen in dem Schatten des Baumes von ihrer Gegenwart so wenig Kunde wie möglich geben zu wollen.

»Ehe die Wälder im Norden zum zweiten Mal ab­sterben und Schnee ihre Prärien zum zweiten Mal bedeckt, werden die bleichen Gesichter den Strom hier überschreiten und die roten Kinder aus diesem Tal, dem Land unserer Väter, verjagen. Sie vermehren sich wie die Bienen der Wälder und ziehen wie diese unaufhaltsam vorwärts, um neue Zelte aufzuschlagen«, sagte der alte Häuptling mit ernster Stimme und sah mit zusammengezogenen Brauen vor sich in die Glut der Kohlen. »Und doch sind es nur wenige, die an der anderen Seite des Stromes wohnen. Warum weichen die roten Männer denn vor diesen wenigen zurück? Haben sie Weiberherzen in ihrer Brust oder sind die Spitzen ihrer Lanzen und Pfeile abgestumpft?«, antwortete ein alter Krieger.

»Die Lanzen und Pfeile der Lepan sind noch scharf, ihre Herzen sind noch stark und ihre Pferde noch die schnellsten, aber der Große Geist ist den Bleich­gesichtern holder und unsere Väter haben es gesagt, dass jene Fremdlinge die roten Kinder in die nackten Ge­birge treiben würden, damit sie dort mit dem Büffel verhungern sollten. Schon sind wir den Bergen nahe. Noch vor wenigen Jahren gingen die Pferde der Lepan ungestört in dem hohen Gras an der anderen Seite des Stromes und das schnellste unter ihnen konnte in drei Tagen nicht das erste Zelt der Weißen erreichen. Da kam der große Bär, der sich Farnwald nennt, von Osten her, baute sein Wigwam zwischen uns auf und umsonst ließen wir unsere Pfeile nach ihm fliegen, der Große Geist zerbrach sie, ehe sie ihn erreichten. Wer von den Lepan hat auf seinem besten Pferd den weißen Hengst des großen Bären jemals einholen können? Welcher Lepan vermochte den Kugeln dieses Bleichgesichts auszuweichen? Wie die Wandertauben kamen ihm seine weißen Brüder nach wenigen Jahren nachgefolgt, um sich in seiner Nähe niederzulassen, und die roten Kinder mussten über den Strom herüberziehen«, sagte Wallingo.

»Noch leben an diesem Strom hundert rote Männer für ein Bleichgesicht, warum dulden wir die Fremden in unserem Land? Warum rufen wir nicht unsere mächtigen Vettern, die Komantschen, zu Hilfe und erdrücken die bleiche Brut in ihren Wigwams? Steht es nicht in unserer Macht oder werden wir durch das Klopfen unserer feigen Herzen zurückgehalten?«, entgegnete ein anderer alter Krieger.

»Der Große Geist hat Farnwald, den Bären, in seinen Schutz genommen und ihm mehr Gewalt über die roten Kinder gegeben als allen anderen bleichen Männern. Und erschlügen wir auch die Fremdlinge alle, die an dem Strom wohnen, so würde er doch leben und in dieses Tal herüberziehen und bald würden ihm wieder Hunderte seiner Brüder nach­folgen. Seine Kugeln sind es nicht, welche die roten Männer zu fürchten haben. Es sind die geheimen Kräfte, die ihm der Große Geist gegeben hat, um uns damit aus unserer Väter Land zu vertreiben. Waren nicht der Komantschen Lanzen und Pfeile auch gegen ihn gerichtet? Haben nicht unsere Vettern, die Mescalero, gleichfalls nach seinem Herzen gesucht? Habe ich ihn nicht selbst auf meinem besten Ross mit Hunderten von euch verfolgt und ihn nicht an der Waldspitze mit seinem weißen Hengst vor mir durch die Luft davonfliegen sehen, sodass seines Pferdes Hufe den Boden nicht mehr drückten und die roten Männer seiner Fährte nicht weiter folgen konnten? Hat er doch die Mescalero und die Komantschen unter sich selbst in Streit gebracht und für sich Freundschaft in die Her­zen ihrer Häuptlinge gegossen, die ebenso wie wir nach seinem Blut gedürstet haben? Hat er nicht die Kranken der Komantschen und der Mescalero wieder gesund gemacht und ihnen die Kräfte wiedergegeben, den Büffel und den Bären zu jagen? Glaubt mir, es ist umsonst, unsere Bogen gegen ihn zu spannen. Sein Blick lähmt unseren Arm und seine Zunge erstickt den Hass in unsrer Brust!«, sagte der Häuptling, sich über die Kohlenglut kauernd.

Owaja waren die Lederstreifen aus der Hand ge­fallen, sie stand unbeweglich gegen den Stamm der Ulme gelehnt, hatte ihre Hand fest auf ihr Herz ge­presst und hielt ihre großen Augen, in denen sich die Glut des Feuers spiegelte, auf den Häuptling geheftet.

Dieser erhob sich schweigend von seinem Lager, nahm die Jaguarhaut auf seinen Arm und schritt in sein Zelt, während die Krieger wortlos das Feuer verließen, um ihre Nachtlager aufzusuchen.

Hargo allein war zurückgeblieben und blickte mit untergeschlagenen Armen zu Owaja hin, die nun ihre noch nicht beendete Arbeit von dem Ast losband und damit dem Häuptling in das Zelt folgte.

Bald darauf lag Ruhe und Schweigen über dem ganzen Lager, die Feuer glühten nur noch in Kohlen­haufen, ohne die tiefen Schatten, welche die dichten hohen Bäume auf die Zelte warfen, verdrängen zu können. Keine Bewegung war in ihrer düsteren Um­gebung mehr sichtbar als das Zittern des von der leicht säuselnden Nachtluft bewegten Laubes.

Da glitt geräuschlos wie der Hauch der Luft Owaja aus dem Zelt des Häuptlings hervor, huschte in das nahe Gebüsch und eilte leicht, wie die fliehende Antilope, durch dessen Dunkel hin, bis sie ungesehen und ungehört den Saum des Waldes erreichte, vor welchem ihres Stammes zahlreiche Herde von Pferden und Maultieren in der offenen Prärie im hohen Gras lag.

Um ihre zarte braune Schulter hing ein reich ver­zierter Köcher mit Bogen und Pfeilen und in ihrer Hand trug sie einen glänzend mit Muscheln und Steinen geschmückten Zaum.

Leichten Trittes eilte sie bei dem hellen Mondlicht zwischen den ruhenden Tieren, die vertraut zu ihr auf­blickten, hin, blieb dann stehen, sah sich im Kreis um und ließ nun einen Leisen Pfiff auf einer Muschel, die sie an einem Band um ihren Nacken trug, ertönen.

Kaum schallte der Laut über die Fläche, als in kurzer Entfernung ein Pferd aus dem Gras aufsprang, zu der Indianerin hineilte und ihr seinen kleinen gold­braunen Kopf zutraulich auf die Schulter legte.

Owaja schlang ihre Arme liebkosend um des schönen Tieres Hals, drückte es schmeichelnd gegen ihre Brust, legte ihm dann den Zaum an. Die Hand auf seinen glatten Rücken pressend, schwang sie sich leicht auf das­selbe hinauf.

Noch einen Blick warf sie zu dem dunklen Wald zurück, in welchem das Lager stand, gab dem Pferd die Zügel und fort sauste sie über das wogende Gras der Prärie, dass dessen schwere Tautropfen vor den Hufen des flüchtigen Tieres wie ein Brillantregen im Mondlicht glänzend weit um sie her spritzten.

Farnwald stand in Gedanken versunken an den Stamm einer Zypresse, die sich an dem Ufer des Baches erhob, gelehnt und schaute immer noch in derselben Richtung über die nebelige helle Fläche vor sich, als plötzlich wie ein elektrischer Funke ein ferner Ton sein Ohr berührte und er, eifrig lauschend und die Hand über die Augen erhebend, seine spähenden Blicke nach jener Richtung hin sandte.

Näher und näher kam der rauschende Ton, schneller und lauter pochte Farnwalds Herz, ein eilender Schat­ten wurde in der Ferne sichtbar: Es war ein flüchtiges Ross, über ihm wehte das lange Haar eines Mädchens. Es war Owaja, die Erwartete, die Ersehnte, die heiß­ Geliebte! Fort flog Farnwald über das Gras ihr ent­gegen. Sie warf sich vom Pferd, fiel ihm in die Arme und in überströmender Wonne schlugen ihre Herzen zusammen. Wieder und wieder drückte Farnwald das liebliche Mädchen an seine Brust, wieder schlang sie ihre zarten Arme um seinen Nacken und ihre Lippen brannten in innigen Küssen zusammengepresst, als woll­ten sie sich nimmer wieder trennen.

»Aber du bist lange ausgeblieben, himmlisches Mäd­chen«, sagte Farnwald in ihrer Sprache, die er durch einen befreundeten Indianer, der mehrere Jahre bei ihm gelebt, erlernt hatte, und strich die Wange der schönen Wilden. »Ich zweifelte schon, ob du kommen würdest.«

»Wallingo blieb solange auf, er sprach zu den Kriegern und sprach auch von dir, mein Geliebter«, antwortete Owaja, indem sie sich in Farnwalds Arm schmiegte und mit ihm, von ihrem Pferd gefolgt, der Baumgruppe zuschritt, unter deren Schutz jener seinen Hengst und seinen Hund zurückgelassen hatte.

»Nun, was sagte er denn von mir?«, fragte der glückliche junge Mann, als er sich bei seiner Büchse auf eine Baumwurzel setzte und die Geliebte in seinen Ar­men zu sich niederzog. »Ist er noch so böse auf mich?«

»Du weißt es, mein Teurer, dass dich die roten Kinder hassen, weil du ihnen ihr Land an der anderen Seite des Stromes genommen hast. Doch sie fürchten dich, weil dir der Große Geist mehr Kräfte gegeben hat als deinen Brüdern. Der Häuptling sagte, dass du den Arm der roten Männer lähmst und den Hass gegen dich in ihrer Brust erstickst. Hat er doch nicht unrecht, denn auch ich habe dich gehasst, und wie liebe ich dich jetzt!«, sagte Owaja und presste, Farnwald in ihre Arme drückend, ihre Granatblüten­lippen auf seinen Mund.

»O du süßer, du reizender Engel, ist deine Liebe zu mir doch nur der Widerschein der meinen zu dir, für die ich tausend Leben wagen würde.«

In wonnigem Schweigen versunken, hatten die Glück­lichen eine Zeit lang gesessen, als Owaja sagte: »Die alten Krieger rieten dem Häuptling, die Komantschen und die Mescalero aufzufordern, mit uns gemeinschaftliche Sache zu machen und über euch Weiße herzufallen, doch Wallingo sagte ihnen, dass viele von deren Häuptlingen deine Freunde geworden wären und dass es umsonst sein würde, etwas gegen dich zu unternehmen. Er fürchtete, dass du über den Strom herüberziehen und uns auch aus diesem Land verdrän­gen würdest. Nicht wahr, du tust es nicht, mein Geliebter, du leidest nicht, dass deine Brüder dieses Land betreten? Sieh, deine Owaja würde ihrem guten Großvater oder dich, ihr alles, verlassen müssen. Nicht wahr, du versprichst es mir, Farnwald?«

»Was du willst, verspreche ich dir, mein süßes Leben. Ich verlasse das Land, wo ich jetzt wohne, wenn du es willst. Ich ziehe mit dir, wenn es sein muss, fort in die Gebirge, wo weder die roten noch die weißen Männer unserer Liebe feindlich entgegentreten können, nur mit dir allein kann ich glücklich sein!“, sagte Farnwald liebkosend zu der Indianerin, als Joe seinen mächtigen Kopf zwischen ihnen durchdrängte und mit seinen schwarzen Augen zu seinem Herrn aufsah.

»Nein Joe, ich habe dich nicht vergessen, ehrliches, braves Tier, du hast mich durch deine Liebe, durch deine Treue immer geschützt, du sollst auch mein neues Glück bewachen und dafür unserer beider Liebe er­halten«, sagte Farnwald zu dem Hund, indem er dessen breiten Nacken klopfte, während Owaja seinen Kopf liebkosend an sich drückte und sagte: »Du böser, guter Joe, auch ich danke dir mein Leben, denn durch deinen mutigen Angriff auf den Jaguar, vor dem ich mich im verflossenen Herbst auf jenen Baum flüchtete, hieltest du ihn ab, mir zu fol­gen, bis deine Stimme deinen Herrn herbeigerufen und dann seine Kugel das grimmige Tier tot niederstreckte. Als du mich aber auf dem Baum bemerktest, kehrte dein Zorn sich gegen mich und gern hättest du mich zerrissen. Es hat mich seitdem viele gute Worte gekostet, bis du Freundschaft mit mir gemacht hast.«

Dann blickte die Indianerin zu Farn­wald und fuhr fort: »Wie habe ich damals gezittert und mich vor euch beiden gefürchtet und doch, wie schnell hatten deine milden Worte mir die Furcht benommen und wie gern stieg ich zu dir von dem Baum herab, um mein Herz, welches bald in Liebe zu dir entbrannte, deinen süßen Reden zu öffnen. Du hattest mich vor dem bösen Tier geschützt und mir mein Leben erhalten. Du warst der erste bleiche Mann, der jemals zu mir sprach, und hast meine Seele mit der deinen verbunden. Ach, mein Geliebter, immer kommt mir wieder der alte Zweifel, über den wir schon so oft auf diesem Platz geredet haben: Wie wird es dereinst mit unsern Seelen werden? Die deine kann mir nicht in die ewigen Jagdgründe meiner Väter folgen. Wird man die India­nerin in deinem Himmel zulassen?«

Bei diesen Worten hatte Owaja ihren Kopf gegen ihres Geliebten Brust sinken lassen und ihre Tränen fielen auf seine Hand.

»Doch, doch, teures Mädchen«, antwortete dieser, sie an sich drückend, »der Große Geist ist unser aller Vater und wir alle gehen in seinen Himmel ein. Vor ihm ist kein Unterschied zwischen seinen Kindern, weiß, rot oder schwarz, er liebt sie alle mit gleicher Liebe.«

»Meine Seele würde auch sterben, sollte sie wieder von der deinen losgerissen werden«, sagte das Mäd­chen mit weicher Stimme und schmiegte sich fester an den Geliebten.

Leise umwehte der gewürzige Duft der Nachtluft die Glücklichen, funkelnd und blitzend, wie fliegende Brillanten umschwirrten sie die leuchtenden Insekten und hoch sprangen die silbernen Forellen aus des Ba­ches glänzend gekräuselter Flut, doch die Liebenden hatten die Welt um sich vergessen. Sie waren in einen Traum von Seligkeit und Wonne versunken und dach­ten nicht daran, dass der Augenblick nahe war, der so unbegrenztes Glück stören und sie wieder trennen sollte.

Da zwitscherte ein Vogel leise über ihnen in dem dunklen Laub der Magnolie, erschrocken fuhren sie auf und blickten nach Osten nach des Himmels Rand, dessen bleicher Schein den nahenden Tag verkündete.

»O scheiden«, sagte Owaja, ihren Geliebten an ihr Herz drückend, »wann soll ich dich wiedersehen?«

»In der nächsten Nacht und, wenn du willst, in jeder Nacht, die das Jahr bringt; o könnte ich die Sonne in ihrem Lauf zurückhalten, damit es niemals Tag würde! Wie möchte ich eine Nacht anderswo verbringen als hier? Und sehe ich dich auch einmal nicht, so bleibt mir doch die Hoffnung, dich das nächste Mal an mein Herz zu drücken. Sei nur vorsichtig, Owaja, damit du keinen Verdacht in dem Lager er­regst. Unser Glück könnte sonst gestört werden.«

»Sei unbesorgt, die Liebe hat leise und leichte Tritte und ihre Flügel sind mächtig. Gedenke mein, mein Leben!«

»Auf Wiedersehen, meine süße Owaja«, sagte Tarn­wald, schloss die liebliche Wilde nochmals in seine Arme, hob sie dann auf ihr scharrendes Pferd. Mit ihrer kleinen Hand nach ihm zurückwinkend, flog sie auf dem flüchtigen Tier durch den Nebel, der nun wie ein weißer Schleier die Prärie bedeckte, worauf sie bald den Blicken ihres Geliebten entschwand.

Auch Farnwald hatte schnell sein Ross bestiegen, lenkte es zum Engpass zurück, sandte seinen treuen Wächter wieder voraus und durcheilte abermals mit gezogenem Revolver die Schlucht im Galopp.

Das erste Dämmerlicht des Morgens zitterte über die Erde, als er das Ufer des Flusses erreichte, um -seinen Hengst auf der wohlbekannten Furt in die rei­ßende Flut zu lenken. Doch das Wasser des breiten Stromes war seicht und befeuchtete kaum die wollene Decke, die über des Reiters Sattel lag. Bald hatte er das andere Ufer erreicht, dessen vierzig Fuß hohen Abhang auf dem uralten Büffelpfad erklommen und zog nun in einem raschen Passgang seiner Nieder­lassung zu, die nur wenige Meilen von dem Strom entfernt an einem Nebenfluss desselben gelegen war.

Farnwald, ein geborener Deutscher, hatte schon seit vielen Jahren seiner Heimat und seinen lieben in derselben Lebewohl gesagt, um sich in Amerika eine neue, seinem tatenlustigen, willenskräftigen Geist mehr zu­sagende zu gründen.

Vom Norden dieser neuen Welt hatte ihn sein Ge­schick unerwartet von Jahr zu Jahr weiter südwestlich geführt, durch Widerwärtigkeiten, Unglücksfälle und bittere Lebenserfahrungen ihn mehr und mehr mit der zivilisierten Welt zerfallen lassen und ihn zuletzt hinaus in diese fast noch unbekannte Wildnis getrieben, wo er, entfernt von den äußersten Grenzansiedelungen der Amerikaner in diesem paradiesischen Himmelsstrich, umgeben von tropischer Riesenvegetation, von ewig blumen­bedeckten, saftig grünen Prärien und im Angesicht der eisgekrönten sonnigen Häupter der Kordilleren, seinen einsamen Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Hier war er zwar vielfach von den wilden Indianerstämmen dieser Gegend hart bedrängt worden, die in ihm den Vorboten der weißen Menschenrasse erkannten, die sie lang­sam, doch unfehlbar immer weiter dem nackten Gestein der Anden zutrieb und ihnen von den üppigen Ländern, die sie von der Natur zu ihrer Heimat angewiesen erhalten hatten, ein Stück nach dem anderen raubte; doch hatte ihn immer eine unsichtbare schützende Hand behütet, und bei jeder Gelegenheit hatte die Zivilisation über die Rohheit den Sieg davongetragen.

Mehrere Jahre hindurch hatte Farnwald hier mit nur wenigen Kolonisten in einem verpalisadierten höl­zernen Fort gewohnt, hatte seine Lebensbedürfnisse mit Leichtigkeit aus einem kleinen Garten und Feld gezogen sowie solche in der Umgegend mit seiner, ihn zum Herrn dieses Landes erhebenden Büchse erworben und frei­gebig von der Natur köstliche Früchte, würzigen Honig, herrliche Fische und Schildkröten erhalten. Alle Sor­gen und Schicksale, die ihn auf seiner Wanderschaft durch das zivilisierte Amerika begleitet und im Verein mit Leidenschaften und Aufregungen aller Art in diese Einsamkeit getrieben hatten, waren hier von ihm ver­gessen. Statt ihrer hatte er jene Ruhe gefunden, welche dem Menschen zuteilwird, der sich den Ge­fahren und Widerwärtigkeiten, die ihn bedrohen, überlegen fühlt.

Der glückliche Erfolg seines Unternehmens hatte nicht verfehlt, die Aufmerksamkeit der Bewohner der östlichen Staaten auf die großen Vorzüge, die unver­gleichlichen Reize und Annehmlichkeiten dieser Länder zu lenken. Und ein reicher hochstehender Eigentümer und Redakteur einer der besten Zeitungen der Ver­einigten Staaten fühlte sich veranlasst, Farnwald in seiner Einsamkeit aufzusuchen, um durch eigene An­schauung ein richtiges Urteil über dessen neue Heimat zu gewinnen und die Vorzüge derselben in seinen Blät­tern vielseitig zu besprechen. Auswanderungslustige und Landspekulanten folgten bald dem Beispiel des Redakteurs, um von Farnwald Auskunft über die Ge­gend und was ihnen sonst wünschenswert erschien, zu erhalten. Im dritten Jahr seit dessen Niederlassung schlug der erste Nachbar eine Stunde entfernt von sei­ner Besitzung seine Hütte auf, und in dem darauf folgenden bezogen mehrere große und kleine Farmer die Umgegend, um welche Zeit Farnwald auch das Fort verließ und weiter unterhalb am Fluss seine jetzige schöne Wohnung mit netter Staketeneinzäunung und herrlichem Garten schuf.

Vor seinem Zug in die Wildnis hatte er in den Vereinigten Staaten Arzneiwissenschaft studiert, um bei vorkommenden Krankheitsfällen oder Verletzungen sich selbst helfen zu können. Unbedeutende Verwundungen aber abgerechnet, war er bisher noch nicht in die Notwendigkeit versetzt worden, zu seinen eigenen Gunsten von dieser seiner erlangten arzneiwissenschaftlichen Kenntnis Gebrauch zu machen. Oft hatte er aber in der letzten Zeit Gelegenheit gefunden, seinen Nachbarn sowie auch leidenden Indianern damit hilfreich zu werden. Namentlich hatten sich ihm einige kranke Häuptlinge der Komantschen anvertraut, denen er in kurzer Zeit ihre Gesundheit wider verschafft hatte. Die Kunde hiervon verbreitete sich rasch unter den Wilden. Sie sahen in Farnwald einen, vom Großen Geist höher Begabten und Bevorzugten. Sie legten ihm übernatürliche Kräfte bei und erklärten es sich nun durch diese, weshalb ihre Waffen niemals siegreich gegen ihn gewesen waren. Sie verließen die Gegend, in welcher er lebte, stellten ihre Jagden in den Bezirken ein, welche er durchstreifte, und kamen nur einzeln zu seiner Ansiedlung gezogen, um Freundschaft mit ihm zu machen oder um seine Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Als Farnwald seine Niederlassung erreicht hatte, erwartete ihn hier Addisson, ein hübscher schwarzer Knabe, vor der Einzäunung, welche das noch ganz neue Wohngebäude umgab, und führte den Hengst unter Liebkosungen hinter das Haus, um ihn dort von Sattel und Zeug zu befreien, während sein Herr unter den dichten, das Gebäude umstehenden Bäumen die breite Veranda des­selben erreichte und über sie in sein Wohnzimmer schritt, wo er sich der Waffen entledigte, Hut und Lederjacke ablegte und sich in einen großen Schaukelstuhl warf, um das Frühstück zu erwarten.

Eine schwerfällige alte Afrikanerin, Charity mit Namen, deckte den Tisch, trug die Speisen auf und bediente ihren Herrn, während Joe, der treue Gefährte, an dessen Seite saß, um hergebrachtermaßen seinen An­teil davon zu empfangen. Nach dem Frühstück ging Farnwald in den unweit des Hauses gelegenen schönen Garten, welchen ein alter deutscher Gärtner, namens Paulmann, ein Hannovera­ner, der vom Schicksal hierher verschlagen war, für ihn in den Stand gesetzt und bisher gepflegt hatte.

Der alte Mann empfing ihn, indem er seinen Stroh­hut vom Kopf nahm, mit einem freundlichen Gruß, zog seinen baumwollenen blauen Rock glatt, auf dessen Brustteil die Medaille von der Schlacht bei Waterloo hing, und reichte seinem Dienstherrn die Hand, an welcher ein Finger fehlte, den er in jener Schlacht durch eine Kugel der Franzosen verloren hatte.

»Nun Paulmann«, redete ihn Farnwald an, »was machen die Rosen?«

»Ei, Herr Farnwald, sehen Sie nur diese Büsche an, sie sind ja noch zweimal so hoch, als ich bin. Ich habe sie mit Stricken zusammenbinden müssen, damit sie die Wege frei lassen. Man sieht vor Blüten kaum noch die Blätter. Wenn so etwas in Deutschland zu sehen wäre, so würden die Leute weite Reisen deshalb machen. Und doch ist es jetzt Wintertag. Betrachten Sie nur diese Zentifolie, diese gelbe gefüllte Rose, diese Teerose, alles ist mit Blumen übersät. Die Erdbeeren dort haben schon Blüten und die Pfirsichbäume treiben Knospen. Dieses Frühjahr hoffe ich den Garten zu Ihrer Zufriedenheit im besten Stand zu haben.«

»Das ist jetzt schon der Fall, lieber Paulmann, er kann nicht schöner werden. Es fehlt Euch doch an nichts und die alte Charity sorgt doch gut für Euch? Wenn etwas nicht in Ordnung ist, müsst Ihr es mir sagen.«

»Ach nein, Herr Farnwald, wenn ich es nur bis an mein Ende so habe.«

»Das sollt Ihr, Paulmann, wenn Ihr mir nicht davonlauft.«

»Das hat gute Wege, wer einmal so vom Missge­schick in diesem wilden Land umhergeworfen ist, wie ich, der dankt seinem Gott, wenn er einen Ruheplatz gefunden hat«, sagte der alte Hannoveraner. Farn­wald wünschte ihm einen Guten Morgen und ging zum Feld, wo einige Männer beschäftigt waren, das Land zur Aussaat von Mais und Baumwolle vorzu­bereiten. Nachdem er dort seine Befehle gegeben hatte, eilte er zu seiner Wohnung zurück, sagte der alten Haushälterin, dass sie ihn nicht wecken möge, wenn nicht eine besondere Ursache dazu vorhanden wäre, und suchte dann sein Lager auf, um sich durch das Andenken an seine heißgeliebte, wilde Schöne in süße Träume wiegen zu lassen.