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Blutrosen 19 – Spanische Rache

Blutrosen
Schauererzählungen
frei nach dem Französischen des Eugène Sue, Alexandre Dumas d. Ä, Honoré Balzac, Victor Hugo und andere
Verlags-Comptoir. Breslau. 1837
Druck von M. Friedländer in Breslau
Zweiter Teil

Spanische Rache

Am 4. Dezember 1808 hielten wir unseren Einzug in Madrid.

Es war ein schöner Tag für uns. Wir hatten einen schweren Feldzug beendet und konnten nun hoffen, die Ruhe zu genießen, deren wir nach monatelangem Kampf so sehr bedurften. Unser Glück vollkommen zu machen, sollte unser Regiment in Madrid Quartier erhalten. Immer habe ich eine besondere Vorliebe für Spanien gehabt. Im spanischen Charakter liegt etwas ganz Ausgezeichnetes, eine Ungezwungenheit im Sprechen und Handeln, ein angeborener Edelmut, ein Etwas, das an die Ritterzeit erinnert, und das man weder in Frankreich noch in einem anderen Land Europas wiederfindet. Von dem schönen Klima will ich gar nicht reden; ebenso wenig von den köstlichen Zitronenwäldern an der Küste, den Weinbergen, den so belebten Seestädten, den Altanen und maurischen Namen, und endlich den Frauen – diesen Gestalten von großem und schlankem Wuchse, deren schwarze Augen und blendend weiße Haut unter dem Schleier von schwarzen Blonden so verführerisch hervorleuchten.

Glaubt mir, Spanien ist ein schönes Land.

Doch ich beginne meine Erzählung:

Ich war zwar nicht mehr in der ersten Jugendfrische, doch meine Gestalt war kräftig und die Uniform stand mir gut. Die goldenen, erst vor Kurzem erworbenen Epauletts glänzten auf meinen Schultern und mein schwarzer Schnurrbart bildete eine schöne Wellenlinie auf meinem gebräunten männlichen Gesicht. So konnten mir mehrere Abenteuer in Madrid nicht ausbleiben.

Unter anderen hatte ich auf dem Prado ein junges schönes Frauenzimmer bemerkt, welches in Begleitung einer alten Duenna dort täglich spazieren ging. In ihrem Gesichte – wenn der Abendwind, den schwarzen Blondenschleier lüftend, mich dasselbe sehen ließ – lag die Würde und Majestät einer Königin. Die Stirn schön gewölbt, lange dunkle Braunen schienen das Feuer der großen und schwarzen Augen dämpfen zu wollen. Ihre Züge hatten eine sanfte Weichheit, mit einem Wort: Sie machte einen bezaubernden Eindruck auf mich.

Bald empfand ich für sie die heftige Leidenschaft eines jungen Mannes, der jedes Hindernis umstürzt, um zum Ziel zu gelangen, und welchem am Ende der Sieg gewiss ist. Ich folgte ihren Schritten auf dem Spaziergang und in der Kirche. Der Dienst war damals sehr leicht und ließ mir freie Zeit genug, sie meiner neuen Leidenschaft zu widmen.

Jedoch nie erlangte ich auch nur einen freundlichen Blick. So oft ich mich ihr näherte, wurde ich mit Härte zurückgewiesen. Oft war ich in Versuchung, einer so wenig versprechenden Liebe zu entsagen, und anderen, minder strengen Damen die Huldigungen darzubringen, welche sie so kalt oder vielmehr gar nicht annahm.

Aber meine Eigenliebe war gekränkt, und weil ich mich wirklich zu ihr hingezogen fühlte, konnte und wollte ich mich nicht von ihr losreißen, sondern suchte jedes Mal, wenn ich von ihr abgewiesen worden war, am nächsten Tag, verliebter als je, die schöne Grausame wieder auf.

Eines Abends, als ich vor ihrem Haus, wo ich sie kurz vorher hatte hineingehen sehen, auf und nieder ging, redete mich ein Herr in einem braunen Mantel an. Die Dunkelheit ließ mich seine Gesichtszüge nicht erkennen, doch sah ich unter dem breit gekrempten Hut ein Paar schwarze Augen hervorglänzen, zwei Sternen ähnlich, die durch eine zerrissene Wolke schimmern.

»Ihr tätet besser, Euren Weg fortzusetzen, als Señora Juana auf diese Weise zu verfolgen und dem Gerede der Leute auszusetzen«, sagte der Spanier, aber mit einer hellklingenden ungewissen Stimme, die mir für einen Mann etwas sonderbar vorkam, und deren Weichheit mit dem Sinn seiner Rede in großem Widerspruch stand.

Ich maß ihn fest und kalt vom Kopf bis zu den Füßen und setzte ruhig meinen Spaziergang unter dem Fenster der liebenswürdigen Juana fort.

»Habt Ihr mich verstanden?«, fügte er, mir nachgehend, hinzu, aufgebracht über meine ziemlich beleidigende Aufnahme seiner Anrede.

Nun hielt ich an, schüttelte ihn derb am Arm, den er unter dem Mantel verborgen hielt, und sagte kaltblütig: »Ach so, Kamerad! Seid Ihr etwa Eures Lebens überdrüssig? Sprecht!«

»Lächerlicher Geck!«, antwortete er, »Ihr wagt es, meiner Frau nachzustellen?«

»Eurer Frau? Ha, Glücklicher, Beneidenswerter!«, rief ich unwillkürlich. Bald aber fühlte ich, wie ein heftiger Zorn gegen den übermütigen Gatten in mir aufstieg. Ich machte mir Vorwürfe darüber, dass ich seine Beleidigung gleichsam durch einen Glückwunsch beantwortet hatte. Ich wünschte sehnlichst, er möge mich von Neuem beleidigen, um mich für meinen Schimpf und für sein Glück zu rächen. Kaum konnte ich daher meine Freude bezähmen, als ich ihn sagen hörte: »Hütet Euch, je wieder unter diesen Fenstern zu erscheinen und Juana auf ihren Spaziergängen zu folgen.

Vergesst nicht meine Worte, Capitano, vergesst sie nicht.«

»Bei Gott!«, rief ich mit fürchterlichem Lachen und drückte ihm stark den Arm, welchen ich mit beiden Händen erfasst hatte. »Du verbietest mir in dieser Straße zu erscheinen, Juana zu folgen? Du willst einem Franzosen Befehle vorschreiben?« Bei diesen Worten drückte ich noch stärke, und grub meine Finger tief in sein Fleisch.

»Jesus! Du tust mir weh«, rief er mit seiner hellen Stimme und riss heftig seinen Arm aus meinen Händen.

»Das ist ein gefährlicher Feind«, murmelte ich halblaut, »Kraft und Stimme einer Frau!«

»Einer Frau?«, rief er lebhaft, »ich werde dir das Gegenteil beweisen, verdammter Franzose!«

»Was verlangst du denn? Einen Zweikampf? Ich scheute mich ihn dir anzubieten. Du bist so zart, der Anblick des Blutes muss dir Herzweh verursachen.«

»Einen Zweikampf ja, einen Zweikampf auf Leben und Tod. Morgen. Im Prado, um 6 Uhr früh. Ich werde Degen und Pistolen mitbringen. Um 6 Uhr, hörst du, versäume es nicht. Zeugen sind nicht nötig bei einem Kampf auf Leben und Tod, nicht wahr, Caballero?«

»Sie würden nur unnütz sein«, antwortete ich.

»Also keine Zeugen. Lebt wohl, auf Wiedersehen.«

Bei diesen Worten verließ er mich. Die sonderbare Mischung von Schwäche und Kühnheit, die weibliche Stimme und der männliche Mut, die Furcht vor dem Schmerz und dann das Verlangen nach einem Kampf auf Leben und Tod – dies alles setzte mich in Erstaunen, meine Gedanken verwirrten sich, ich wusste nicht, was ich von dem Unbekannten halten sollte, und sehnte mich sehr nach der bestimmten Stunde, um zu sehen, wie dieses sonderbare Abenteuer enden würde.

Den nächsten Tag, noch vor der bestimmten Stunde, fand ich mich auf dem Prado ein, doch war ich nicht der Erste, man erwartete mich schon.

Der Tag brach eben an, der Platz war leer und einsam, nur das Wiehern und Stampfen zweier Pferde, vor einem nicht weit von uns haltenden Wagen, unterbrach die allgemeine Stille. Mein Gegner trug wie am vorigen Tage den braunen Mantel und breiten Hut. Ich war eben nicht traurig gestimmt, sondern voll Vertrauen auf meine Kräfte, als der Spanier mich aufforderte, mit ihm zum Wagen zu gehen und die Waffen zu holen. Ich folgte ihm.

Er stieg zuerst hinein, rief mich dann, um ihm bei der Öffnung eines Kastens zu helfen, den er allein nicht heben konnte. Ich stieg ebenfalls in den Wagen. Sogleich schloss der Spanier die Wagentür. Den Mantel und den Hut, der fast ganz sein Gesicht bedeckte, abwerfend, zeigte er mir – ratet?

»Juana?«, rief ich, mit fast an Wahnsinn grenzender Freude.

Sie warf sich an meine Brust, gab mir tausend zärtliche Namen, hielt mich lange umarmt und trieb unzählige verliebte Torheiten. Ich, der mich so im Flug in den Himmel versetzt sah, der von einem Kampf auf Leben und Tod zu den Liebkosungen einer Frau, zu den Küssen Juanas überging – Juanas, die ich anbetete, vor der ich mich gehasst wähnte – konnte diesem entzückendem Wechsel nicht widerstehen und war von meinem Glück ganz betäubt.

Juana gestand mir alles: Sie hatte mich geliebt, sobald sie mich sah, noch ehe ich sie bemerkt hatte. Und als ich ihr meine Liebe zu erkennen gab, da hatte sie nur in der Furcht, dass meine Liebe eine vorübergehende Laune sei, mühsam ihre Neigung bekämpft. Der Heftigkeit ihrer Leidenschaft endlich nachgebend, hatte sie als letzte Prüfung diesen Zweikampf veranstaltet.

Diesen ersten Tag brachten wir auf Juanas Landhaus zu, welches einige Meilen von Madrid am Ufer des Manzanares lag.

Juana war die Frau eines reichen Bankiers in Madrid.

Sie hatte einen echt spanischen Charakter. Zuweilen traurig, still und nachdenkend, als ob eine geheime Liebe sie verzehrte, starrte sie mich mit ihren großen, schwarzen Augen an und schien gleichsam trunken von meinem Anblick. Ihre langen, schmachtend gesenkten Augenwimpern, die Züge ihres samtweichen Gesichtes, die Unbeweglichkeit ihrer Rosenlippen und die Lieblichkeit ihres ganzen Wesens ließen sie mir wie die gelungene Statue einer schlafenden Venus oder wie eine Madonna Raphaels erscheinen. Dann erwachte sie plötzlich und scheinbar ohne Ursache aus ihrer langen Träumerei, sang und lachte laut auf, nannte mich bei allen Namen, die nur das Wörterbuch einer leidenschaftlich liebenden Frau enthalten kann, wurde wie ein liebenswürdiges Kind und trieb tausend reizende Torheiten.

»Aber«, sagte sie einst, indem sie mich starr ansah, gleichsam, als wollte sie mit ihren Augen den Grund meines Herzens erforschen, »wenn du jemals Juana um einer anderen willen verließest – Jesus! Jesus! welch ein Gedanke! – Nein, nein! Du wirst mich immer lieben, nicht wahr, carito mio? Du wirst mich immer lieben!«

So vergingen drei Monate. Ich sah Juana fast alle Tage, entweder auf ihrem Landhause, wohin wir zusammen in ihrem Wagen fuhren, oder in der Stadt, während ihr Gatte seinen Handelsgeschäften nachging. Der Dienst war nie so leicht gewesen. Wahrlich, es war eine schöne, herrliche Garnisonszeit im Jahre 1808 in Madrid.

Einst, an einem heißen Sommernachmittag in den Stunden, wo Juanas Gatte gewöhnlich die Börse besuchte, wir also seine plötzliche Rückkehr nicht zu fürchten hatten, ging ich zu ihr. Sie erwartete mich in ihrem Boudoir, einem kleinen Gemach, mit einem Sofa, hohen Spiegeln, einem mit spanischen Zigarren, Eiswasser und Marasquin bedeckten Tisch und einem Betstuhl, auf welchem Andachtsschriften lagen. Das Gemach wurde nur durch jenes notdürftige Helldunkel erleuchtet, welches den Gegenständen eine wollüstige Färbung verleiht und einen gewissen Anschein des Geheimnisses über uns breitet, der den Genuss verdoppelt.

Ich fand sie, in leicht hingegossener Stellung auf dem himmelblauen Ruhebett. Sie trug ein halb geöffnetes schwarzes Kleid, kein Tuch, keinen Schleier. Die üppigen Haare von der Farbe des glänzendsten Ebenholzes waren leicht aufgeknüpft, Schuhe von schwarzem Atlas und blendend weiße Strümpfe zeigten den schönsten Fuß. Und dann ihre sprechenden Augen, ihre echt spanische Leidenschaftlichkeit – nie hatte ich sie so reizend gesehen. Nicht lange war ich bei ihr, als wir auf dem Hof Geräusche hörten. Erschrocken stand sie auf und lief ans Fenster. Es war ihr Gatte; ihr Gatte, der sonst nie um diese Stunde kam.

»Wir sind verloren«, rief ich, für sie zitternd. »Dein Gatte wird kommen und du bist eine Beute seiner Eifersucht. Juana, Juana, was sollen wir tun?«

»In der Tat«, antwortete sie ruhig, »ich wüsste nicht, wo ich dich verbergen sollte, und er wird gleich hier sein.«

Ich wollte zum Fenster hinausspringen, das etwa 25 Fuß hoch war, aber sie warf sich mir in den Weg, zog mich in die Mitte des Zimmers zurück und rief halblaut:  »Jesus, mein Erlöser! Willst du denn dich und mich töten, du schöner Tor?«

»Wir müssen doch einen Entschluss fassen«, antwortete ich, »und das beste Mittel zu verhindern, dass er dich misshandelt, ist …«

Bei diesem Worte hatte ich meinen Degen gezogen, dessen Klinge, erst vor Kurzem geschliffen, in einem matten blauen Glanz strahlte. Als sie mich so entschlossen sah, das Blut ihres Gatten zu vergießen, trat sie vor Schreck ein paar Schritte zurück, dann näherte sie sich mir wieder, bat und beschwor mich, den Degen einzustecken. Ich gehorchte und übergab die Waffe ihren Händen.

Indessen dröhnten seine Schritte schon auf den Marmorfliesen der Vorhalle. Nun nahm sie einen kleinen Schlüssel, öffnete den Schrank des Betstuhles und holte zwei Mönchsandalen heraus – zwei unscheinbare Sandalen, setzte sie schnell vor die Türe des Boudoirs und verschloss diese eilig und mit so wenig Geräusch wie möglich. Ich sah ihr erstaunt und sprachlos zu.

»Jetzt sei ruhig«, sagte die schöne Frau lächelnd, setzte sich wieder auf das Ruhebett und lud mich ein, ihrem Beispiel zu folgen.

Ich konnte mich von meinem Erstaunen nicht erholen. Was ich sah, schien mir ein Traum, eine Täuschung. Der betrogene Gatte, die Mönchsandalen, Juanas Sicherheit und Kaltblütigkeit  – alles dies verwirrte mir den Kopf.

Doch da Juana durch ihre rasch aufeinanderfolgenden Zeichen mich immer zu sich rief und mir so zuversichtlich schien, nahm ich neben ihr Platz auf dem Sofa.

»Still!«, sagte sie nochmals, auf die anmutigste Weise den Zeigefinger auf den Mund legend, »wir müssen abwarten.«

Dies alles war in weniger als zwei Minuten geschehen: Bald kam der Gatte keuchend und ganz außer Atem. Der Anblick der Sandalen muss einen sonderbaren Eindruck auf ihn gemacht haben, denn wir hörten ihn vor dem Zimmer auf und nieder gehen und Worte vor sich hinmurmeln, die wir nicht verstehen konnten. Er muss ganz außer Fassung gewesen sein.

Juana brach zuerst das Schweigen: »Wer ist da? Esteban bist du es?

»Ich selbst, Señora, ich wünschte dich zu sehen, dich zu sprechen.«

»Lieber Esteban, mein Beichtvater ist bei mir, der ehrwürdige Pater Don Matteo de Lara. Heute Abend kannst du mich sehen und sprechen, wenn du willst. Lass uns allein, lebe wohl.«

»Aber, Juanita, nur eine Minute will ich dich sehen, dann kehre ich zur Börse zurück, wo ich längst sein sollte.«

»Mein Beichtvater ist bei mir, Senor.«

»Juanita, nur eine Minute, dann gehe ich wieder.«

»Esteban, du beleidigst die heiligen Sandalen des ehrwürdigen Paters Don Matteo de Lara. Bei San Jago.«

»Wenn du nicht öffnest, so breche ich die Tür auf!«, rief mit fürchterlicher Stimme der eifersüchtig gemachte Gatte.

Juana zitterte. Ich erwartete in der größten Beklemmung die Entwickelung dieses sonderbaren Auftrittes.

Juana fasste sich und sprach: »So komm! Komm! Kirchenschänder! Gottloser!

Entweihe das Asyl der Buße! Communero!«

Juanas Worte taten ihre Wirkung. Der Gatte besänftigte sich, und der Gedanke, dass die Börsenzeit verstreichen und er vorteilhafte Geschäfte versäumen würde, mochte außer der Furcht vor den Strafen der Kirche wohl noch ein Hauptgrund sein, dass er Juana um Verzeihung seines Misstrauens bat und uns allein ließ.

Dieses Abenteuer belustigte uns lange.

Meine Liebe zu Juana hatte sich gleichsam dem Mondwechsel nachgebildet, anfangs ohne Hoffnung, dann allmählich stärker werdend, hatte sie in den ersten Monaten meines Glückes ihren Zenit erreicht, nahm dann ab, verminderte sich und verlosch unmerklich.

Der Honigmonat war beseligend und ging rasch vorüber. Ich genoss alles, was die Liebe Hinreißendes darbieten kann. Ich sah das Herz einer wahrhaft leidenschaftlich liebenden Frau ohne Rückhalt mir geöffnet, ich sättigte mich an den Äußerungen ihrer aufrichtigen Liebe. Unglücklicherweise war Juana eifersüchtig, schrecklich eifersüchtig, eifersüchtig wie eine Spanierin. Sie quälte mich durch ihren Argwohn und ließ mir durch ihre alte Duenna überall nachspüren.

Eines Abends, als ich bei Juana, die mich mehr als sonst durch ihren Argwohn und ihre Drohungen gequält hatte, verließ, sah ich auf einer Altane in der Straße Ildefonso die kleine, lebhafte, reizende Leonora. Dieses frische liebliche Wesen war kaum siebzehn Jahre alt, hatte verführerisch schmachtende Züge, blaue Augen, ein allerliebstes Purpurmündchen und den weißroten italienischen Teint. Sie war die Freude, die Naivität selbst, und glich einem kostbaren künstlichen Spielwerk, das man mit lüsternen Augen betrachtet, aber nicht anzurühren wagt, aus Furcht, den sinnreichen Mechanismus zu verwirren. Von diesem Tag an war der Zauber Juanas gestört; der Wehmutsmonat kam, bitter und lang, dann folgte der Gallenmonat, gleich einem Stachel im Herzen, wo die Qual keinen Augenblick unterbrochen wird.

Meine Besuche bei Juana wurden minder häufig. Als Vorwand brauchte ich den Dienst in der Stadt, die Übungen des Bataillons, die Revuen des Regiments, schützte auch Krankheit vor. Ich ging entweder gar nicht zu ihr oder ein paar Stunden früher weg, um sie bei der reizenden Leonora zuzubringen, die ich mit der ganzen Leidenschaft einer neuen erwiderten Liebe anbetete.

So großes Glück konnte nicht von langer Dauer sein.

Juana war zu eifersüchtig und beobachtete mich zu genau, als dass ihr die Wahrheit hätte entgehen können.

Bald erfuhr sie alles, und eines Tages sagte sie zu mir: »Du liebst mich nicht mehr, Ambrosio!«

Ich kannte Juana. Diese Worte machten mich zittern.

Sie bemerkte es. Doch rechtfertigte ich mich, so gut ich konnte, und schwor, dass ich nur sie liebte, nur sie lieben würde. Ich wollte sie umarmen, sie stieß mich zurück. »Betrüger! Du liebst mich nicht mehr, du liebst eine andere. Unterbrich mich nicht, ich weiß alles. Täglich, wenn du von mir gehst, entschädigst du dich bei ihr für den Zwang, den du dir bei mir auferlegst. Du gehst zu ihr, noch warm und feucht von meinen Küssen. Betrüger!«

Ich wollte antworten, doch sie sprach: »Alles was du auch sagen könntest, wäre unnütz, ich habe dich gesehen. Jetzt ist alles zwischen uns vorbei. Du suchtest eine Gelegenheit, dich von mir loszumachen, von der elenden verächtlichen Frau, welche dich Undankbaren zu sehr liebte, sich deinen Liebkosungen hingab, die Ehre, Glauben und Familie opferte, und ––Gott wird mich dafür strafen – unter dem Herzen eine Frucht ihrer sündhaften Verbindungen trägt. Die Gelegenheit ist da; du bist frei, du kannst gehen, mich auf ewig verlassen. Du brauchst dich nicht mehr bei mir zu langweilen. Geh! Lebe wohl!«

Ich warf mich ihr zu Füßen, bedeckte sie mit Küssen, ich glaubte sogar, ich weinte. Ich beschwor sie, mir meinen Leichtsinn zu verzeihen, gelobte, nur sie zu lieben und Leonora zu hassen, zu fliehen.

»Bei deinem Seelenheil?«, fragte sie, mich aufhebend und leidenschaftlich an ihren Busen drückend.

»Ja! Möge des Himmels Blitz mich zerschmettern, wenn ich mein Wort breche!«

Ich hielt es acht Tage lang. Aber welche Marter, welche Qual stand ich aus! Leonora schrieb mir wohl zehnmal des Tages: »Wenn du nicht kommst, so töte ich mich oder ich suche dich auf bei der Revue; mitten unter deinen Soldaten, umgeben von deinen Offizieren stoße ich dir den Dolch, den du kennst, in das treulose Herz.  Ach komm, komm! Ich muss dich sehen, komm, Ambrosio!«

Die Wahl, die mir blieb, war schrecklich, denn auch Juana besaß einen Dolch. Sie hatte ihn mir oft gezeigt; sie verwahrte die funkelnde Klinge unter ihren Edelsteinen, goldenen Ketten, Ringen und Armbändern. Oft hatte sie, damit spielend, zu mir gesagt: »Siehst du diesen Dolch? Wenn du nicht mit ihm Bekanntschaft machen

willst, so hüte dich, mich zu täuschen, liebe keine andere Spanierin als Juana.«

Damals lachte ich über die Worte, denn ich lebte noch im Honigmonat meiner Liebe und bildete mir ein, ich würde nie aufhören, sie anzubeten.

Auf beiden Seiten also erwartete mich der Tod; ich musste wählen, und da meine Liebe zu Leonora, nachdem ich sie acht Tage nicht gesehen hatte, heftiger als je wieder erwachte, so gehorchte ich Leonora. Ich ging zu ihr, aber in der Nacht, verkleidet, und glaubte die Spione, welche ich in der Straße aufgestellt wähnte, sowohl durch meinen schwankenden Gang als auch durch eine abenteuerliche Verkleidung getäuscht zu haben.

Am anderen Morgen erhielt ich dieses Billett. Ich habe es sorgfältig aufgehoben als sprechendes Andenken an meine Jugend, es ist von der Zeit ganz vergilbt und sieht aus wie ein Blatt, das man aus einer Mönchschrift gerissen hat. Lest:

Tu has violado la juramento. Me vengare de ella y de ti. Evita siempre, si puedes! A tu implacable ennemiga Juana.

(Du hast deinen Eid gebrochen. Ich werde mich an ihr und an dir rächen. Vermeide immer, wenn du kannst, deine unversöhnliche Feindin Juana.)

Einige Tage darauf ging ich des Morgens zu Leonora.

Als ich in das Haus trat, hörte ich ein herzzerreißendes Geschrei. Ich erkannte ihre Stimme. Ich eilte zu ihrem Zimmer, riss die Tür auf und fand die Unglückliche, welche ich den Abend vorher schön und reizend verlassen hatte, auf dem Fußboden liegend, mit aufgelöstem Haar und schäumendem Mund, in den fürchterlichsten Krämpfen. Der Regimentsarzt war mein Freund, er wohnte in der Nähe. Ich eilte zu ihm – auf meine Bitte ging er mit mir, um zu sehen, ob Leonora noch zu retten sei.

Lange und aufmerksam betrachtete er sie, versuchte ihr einige Löffel Öl einzuflößen, doch kopfschüttelnd sprach er die Worte: »Sie ist verloren.«

In der Tat, das arme schöne Mädchen krümmte und wand sich in den grausigsten Zuckungen auf dem Fußboden. Ihre gläsernen Augen erkannten mich nicht mehr, und der Schmerz hatte ihr übernatürliche Kräfte verliehen, sodass wir der schrecklichen Verzerrungen ihrer Glieder nicht Herr werden konnten. Endlich, nach dreistündigem schrecklichem Todeskampf, starb sie – vergiftet!

Sie starb, so frisch, so liebenswürdig, so jung noch, starb, weil sie mich geliebt hatte. Ich schaudere noch jedes Mal, wenn dieser Gedanke sich mir aufdringt. Und da ich, der nur zu gut wusste, woher der Schlag kam, jeden Tag ein gleiches Los zu erwarten hatte, wenn nicht ein Dolch den Weg zu meinem Herzen fand, so erfuhr ich mit lebhafter Freude die neue Bestimmung meines Regiments. Bald verließen wir Madrid und gingen nach Portugal.

Drei Jahre später, im April 1811, befand ich mich in Portugal unter dem Armeekorps des General Reynier. Wir waren im Rückzug begriffen und wurden ohne Unterlass von den uns an Zahl weit überlegenen englischen Truppen beunruhigt. Unsere Soldaten, ohnehin durch den Zwist zwischen Ney und Massena entmutigt, hatten viel durch den Eigensinn und die falschen Manöver des Letzteren gelitten, dessen Operationen in jenem Feldzug wohl schwerlich entschuldigt werden können.

Zu diesem Zeitpunkt fand das Gefecht bei Sabugel statt. Das zweite Korps, zu welchem ich gehörte, lieferte es. Wir standen am rechten Ufer des kleinen, aber reißenden Flusses Coa.

Lord Wellington war an der Spitze einer Kolonne über Pege und Valmorisko gegen uns vorgerückt. Nachdem er zwei Tage dazu verwendet hatte, uns zu rekognoszieren und eine Stellung zu wählen, gab er endlich das Zeichen zum Angriff. General Reynier hatte seinen Plan vorausgesehen und vom Fürsten von Esslingen Verstärkung oder Vollmacht verlangt, sein schwaches Armeekorps nicht gegen den doppelt so starken Feind aufs Spiel zu setzen; allein er erhielt den Befehl, sich zu schlagen, und die Nachricht, dass es unmöglich wäre, ihn zu unterstützen. Die Schlacht wurde angenommen. Sie war hitzig und mörderisch. Ohne ein Versehen der feindlichen leichten Truppen, die anstatt sich ganz zu deployieren und uns zu umringen, sich mit unserer Flanke in ein Gefecht einließen, wären wir alle entweder niedergehauen oder in die Coa gedrängt worden. Ein herrlicher Angriff unserer Kavaliere, bei welchem ein Regiment Portugiesen gänzlich vernichtet wurde, und anderseits die unerschrockene Tapferkeit unserer Artillerie, rissen uns aus unserer bedrängten Stellung und bahnten uns den Weg zu einem ehrenvollen Rückzug.

Das Handgemenge dauerte lange, wir kämpften ohne Hoffnung zu siegen, bloß für unser Leben. Zuletzt, da der General keine Unterstützung erhielt und sah, dass durch längere Zögerung der Rückzug immer bedenklicher und schwieriger werden würde, ließ er endlich das Zeichen dazu geben und denselben in bester Ordnung vollziehen.

Wir nahmen den Weg nach Alfayates.

Nachdem wir einige Stunden marschiert waren, brach die Nacht herein. Wir waren noch weit entfernt von dem Ziel, welches wir erreichen mussten, wenn wir die Ration erhalten wollten, die wir alle so nötig brauchten, vorzüglich aber ich, denn ich war während des Kampfes verwundet worden und hatte viel Blut verloren. Meine Wunde, die mir anfangs nur leicht geschienen – ein Säbelhieb über den rechten Schenkel – war weit aufgeklafft und verursachte mir einen brennenden Schmerz.

Ich kenne keine Seelenpein, die mit der verglichen werden könnte, welche ich damals empfand. Der Tod schien mir gewiss und unvermeidlich; die kurze Zeit, die ich noch zu leben glaubte, dünkte mich nur ein verlängerter Todeskampf. Doch dieses Los war nicht mir allein beschieden, bei jedem Schritt sah ich unglückliche Krieger wanken, fallen, und auf der Straße liegen bleiben. Schwäche, Ermattung, oder Schmerz erlaubten ihnen nicht den Rückzug auszuhalten, der überdies im Geschwindschritt stattfand, weil man gern Alfayates so schnell wie möglich erreichen wollte.

Obwohl sie nicht mehr aufstehen konnten, versuchten sie es dennoch, ihren Kameraden zu folgen, denn sie wussten nur zu gut, welch ein qualvoller Tod sie erwartete; aber ihre Kräfte ließen sie im Stich, mutlos sanken sie zurück, nachdem sie vergebens ihre Freunde um Hilfe und Beistand angerufen hatten. Jeder war zu sehr mit der eigenen Erhaltung beschäftigt, um solchem Flehen sein Ohr zu leihen.

Das Schrecklichste im Krieg ist, nach meiner Meinung, nicht der Tod, den man erteilt oder empfängt, nicht der Anblick des Blutes, nicht die Klagen der Verwundeten oder das Röcheln der Sterbenden; nein, was das Herz zerreißt, was uns ganz an den Menschen verzweifeln lässt, ist die Gefühllosigkeit, die Kälte, mit der wir das, was uns das Teuerste auf Erden ist, einen Freund, selbst einen Bruder fallen sehen. Es ist der scheußliche Egoismus, der aus jedem Menschen ein abgeschlossenes Wesen macht, ohne Mitgefühl für seine Umgebung, ohne Widerhall im Herzen für die Bitte eines Waffengefährten, sei es sein Kamerad oder sein Vorgesetzter.

Unzählige Male habe ich dies an jenem Tag gesehen.

Wir hatten viel Verwundete – unglücklicherweise waren unsre Transportwagen vom Feinde genommen worden – und fast bei jedem Schritt ergaben sich einige unserer Leute fluchend in ihr Schicksal. Die Unglücklichen hatten geglaubt, die Etappe sei nicht mehr weit entfernt, sie hatten sich für stärker gehalten, als sie waren, und schmeichelten sich mit der Hoffnung, das Ziel noch zu erreichen. Doch die Schnelligkeit des Marsches und die Länge des Weges machten sie mutlos. Mit der letzten Kraftanstrengung schleppten sie sich auf die mit Bäumen bepflanzten Felder, welche die Heerstraße begrenzten, und erwarteten dort Hunger, Verstümmelung und einen qualvollen Tod.

Ich selbst sah mich gezwungen, diesen letzten verzweifelten Entschluss zu ergreifen, mich von meiner Kompagnie zu trennen und allein und ohne Verteidigungsmittel den grausamen Portugiesen in die Hände zu liefern, die wie Harpyien uns verfolgten, denen, die in ihre Hände fielen, Arm und Beine abhieben, und sie dann in einen Graben warfen, wo sie elend vor Hunger umkommen mussten, oder ihnen die Zunge ausrissen und den Kopf abschlugen. Wahrlich eine schöne Aussicht für mich!

Nachdem meine Kräfte gänzlich erschöpft waren und ich mehrere Soldaten beschworen und ihnen vergebens bedeutende Summen dafür geboten hatte, mich abwechselnd auf dem Rücken fortzutragen, sah ich die Unmöglichkeit, dem Korps weiter zu folgen. Ich blieb zurück, ging, so weit ich konnte, auf den Feldern vor und kam endlich an einen Bach. Dort wusch ich meine Wunde und schlief, von Müdigkeit und Schmerz übermannt, auf dem Rasen ein. Es war im Monat April; um diese Zeit sind in Portugal die Nächte schon mild, ich schlief fest und lange.

Die Sonne stand schon hoch, als ich durch das Rauschen der Blätter geweckt wurde. Ich öffnete die Augen, sah mich um und fand, dass ich in meinem halb bewusstlosen Vorwärtsschreiten mitten in einen Garten unter Orangenbäume geraten war. Ich stand auf. Der Schlaf hatte meine Kräfte gestärkt und den Schmerz in meinem Beine merklich gelindert. Aus Mangel an besserer Nahrung musste ich mit Apfelsinen vorlieb nehmen, die noch hin und wieder auf den Bäumen waren.

Die Ungewissheit über mein zukünftiges Schicksal abgerechnet, befand ich mich in einem ganz erträglichen Seelenzustand, zumal wenn ich an meine Niedergeschlagenheit und die Qualen des vorigen Tages dachte. Ich habe stets die Bemerkung gemacht, dass nichts das Herz so sehr erfreut als der Anblick der schönen frischen Natur, das grüne Laub der Bäume, das Rieseln des Wassers, das reine Blau des Himmels und die üppige Vegetation.

Unwillkürlich schwanden meine Besorgnisse und ich ging furchtlos durch die köstlichen Wiesen und Gärten.

Die Landschaft war ebenso schön wie einsam, denn so weit ich sehen konnte, war keine menschliche Gestalt zu erblicken. Auch nicht das geringste Geräusch, nur das Rauschen der Pappeln und Zypressen, verbunden mit dem Rieseln der Coa, die in ihrem felsigen Bett zu meiner Rechten floss, unterbrach die Stille.

Plötzlich stand ich, als ich um die Ecke einer Allee bog, vor einer Frau, welche allein spazieren ging, Blumen pflückte und halblaut ein spanisches Lied sang. Sie hatte mich noch nicht bemerkt.

Juana!

»Juana!«, rief ich, ein paar Schritte zurücktretend, erschreckt durch dieses unerwartete Begegnen, welches die Wirkung eines Todesurteils auf mich hervorbrachte.

Der Ton meiner Stimme weckte sie aus ihrer melancholischen Träumerei. Sie sah mich mit ihren Augen, mit ihren großen schwarzen Augen starr an, wie sie es oft in Madrid getan hatte. Dann flog, schnell wie der Blitz, ein Ausdruck der Rache, die Erinnerung eines alten Hasses über ihre Züge, welche aber bald, wieder meine Erwartung, den Ausdruck des Wohlwollens und der Güte annahmen.

»Alles sei vergessen, Franzesguito!«, sagte sie, näherte sich mir und umarmte mich mit einer Inbrunst wie in den ersten Tagen unserer Liebe.

Ich fragte, wie es käme, dass sie sich auf das Land, so weit von Madrid, begeben hätte. Sie erzählte mir einen Roman, dessen Unwahrheit ich bald nachher einsah, und den ich euch wohl nicht zu wiederholen brauche.

Das Schloss lag in der Nähe. Sie führte mich hin und versprach mir ihren Schutz gegen jeden, der es wagen würde, mich anzugreifen. Die unteren Säle des Hauses schienen öde. Wir stiegen eine Treppe hinauf und gingen durch eine Reihe ebenfalls einsamer, aber vollständig möblierter Zimmer. Juana war wieder lebendig, scherzhaft und launig geworden, wie sonst am Ufer des Manzanares. Sie erinnerte mich daran sowie auch an unser Duell, an die Sandalen und ihre Wirkung auf ihren leichtgläubigen Gatten. Ich hatte gern mit ihr über Leonoras Vergiftung gesprochen, doch ich war in ihrer Gewalt und wagte nicht, sie deshalb zur Rede zu stellen.

Wir durchliefen noch immer die Zimmer des Schlosses, welches, wie Juana mir sagte, ihr gehörte. Sie sprach und sang mit überlauter Stimme in den weiten Sälen, dass die Wände widerhallten, gleichsam als wollte sie dadurch andere Stimmen verbergen. Als wir das Ende eines langen Ganges erreicht hatten, glaubte ich ganz nahe bei mir verschiedene Töne, Männerstimmen und Gläserklang zu hören. Ich erriet die Schlinge, die man mir gelegt hatte, aber Juana, welche hinter mir ging, bemerkte es und stieß mich vorwärts. Die Tür ging auf, und ich befand mich allein, vierundzwanzig Offizieren vom Regiment der Königin gegenüber. Ich hatte nichts als meinen Degen und ein Pistole.

»Hier ist ein Franzose, Ihr Herren! Hier ist ein Franzose!«, rief Juana, die verräterische Frau. »Auf schnell! Ihr müsst ihn töten.«

Keiner stand auf, keiner antwortete.

»Voto a Dios! Seid Ihr denn alle so voll des Weines, dass Ihr mich nicht einmal hört! Ihr Herren, hier ist ein Franzose! Wer verlangt nach meiner Liebe? Den will ich glühend lieben, der diesen verfluchten Komunero von Franzosen tötet! Wer will von mir geliebt sein, Ihr Herren?«

Glücklicherweise für mich war das Mahl fast beendet und die vielen leeren Flaschen sowie der vom verschütteten Wein befleckte Tisch bezeugten die häufigen Toaste, welche man auf den Untergang der Franzosen ausgebracht hatte. Nur einer der Offiziere, ein Capitaine, wie ich mich erinnere, erhob sich nachlässig, zog seinen langen Degen und schwankte, unter dem ermutigenden Zuruf Juanas Bravo, Don Lopi, bravo bravissimo caballero! auf mich zu.

Nun war der Moment gekommen, ich durfte keinen Augenblick mehr verlieren – ich zog die Pistole aus dem Gürtel, worin ich sie verborgen hatte, nahm Don Lopi aufs Korn, und in derselben Sekunde, als er den Degen gegen mich zuckte, streckte ich ihn tot zu Juanas Füßen.

Sein schwerer Fall auf den Fußboden, der Knall der Pistole, Juanas Flüche, dies alles machte die Gesellschaft so verwirrt, dass ich den Augenblick benutzen konnte, um zu entfliehen. Schnell warf ich die Tür des Zimmers wieder zu und gebrauchte die Vorsicht, sie abzuschließen.

Ich eilte die Treppe hinab – auf dem Hof standen einige gesattelte Pferde. Ich wählte das, welches mir das leichtfüßigste schien, und sprengte in gestrecktem Karriere der Landstraße zu. Dort traf ich durch den glücklichsten aller Zufälle eine Abteilung Franzosen.

Ich verlangte eine Kompagnie, um das Schloss in Brand zu stecken und den Offizieren darin eine Lektion zu geben.

Das Schloss wurde von unseren Soldaten geplündert, die Offiziere, dreiundzwanzig an der Zahl, in den Hof geführt, wo sie nach den Gesetzen des Vernichtungskrieges, wozu uns die Spanier gezwungen hatten, sämtlich erschossen werden sollten. Juana war, auf meinen Befehl, verschont und frei gelassen worden und verschwunden.

Das blutige Schauspiel näherte sich seinem Ende. Die Offiziere standen im Hintergrund des Hofes in einer Reihe geordnet. Die meisten unter ihnen wankend, ihrer Sinne nicht mächtig, wussten nicht einmal, in welcher Lage sie sich befanden. Ihnen gegenüber harrten unsere Soldaten, begierig, die Verstümmelung und den Tod ihrer Kameraden zu rächen, deren entstellte Leichen sie auf der Landstraße gefunden hatten, mit Ungeduld auf das Kommando.

Nur ein Wort fehlte noch, und alles war vorbei!

Endlich sprach ich es aus. Die Spanier fielen entseelt zu Boden. Auch ich fiel, von einer Kugel verwundet, die mir durch den linken Arm gegangen war. Woher kam der Schuss?

Eine Minute darauf, während ich noch den Urheber meiner Wunde zu entdecken versuchte, stürzte aus dem oberen Stockwerk eine Frau auf die weißen Quadern des Hofes und hauchte zu meinen Füßen ihren Geist aus. In der Hand hielt sie ein englisches Gewehr, dessen Rohr noch rauchte.

Es war Juana.