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Hannikel – 16. Teil

Christian Friedrich Wittich
Hannikel
oder die Räuber- und Mörderbande, welche in Sulz am Neckar in Verhaft genommen und daselbst am 17. Juli 1787 justifiziert wurde
Verlag Jacob Friderich Heerbrandt, Tübingen, 1787

Kaum war die Untersuchung über Hannikel, Wenzels und Dulis Verbrechen zu Ende, so lief beim Oberamt in Sulz von der Markgräflichen Badischen Amtei Ettlingen und zugleich auch von Karlsruhe Nachricht ein, dass auch N o t t e l e mit Karl Weis, dem ältesten Sohn des Erzräubers, dem kleinen Buchowiz, in einem Wirtshaus während des Spiels aufgehoben und nicht nur in Haft, sondern Ersterer auch schon zum Geständnis gebracht worden sei, dass er an der schrecklichen Mordtat des Herzoglichen Grenadier-Pfisters Anteil habe.

Auf erstattete untertänigste Berichte und ausgestellte Reversalien wurde dann auch dieser Bösewicht mit seinen Kameraden nach Sulz ausgeliefert und am ersten Brachmonat dieses Jahres wirklich dahin gebracht.

Bei dem Verhör fand es sich, dass er eigentlich Andreas Heinrich heiße, von den Zigeunern aber Nottele genannt wurde.

Seine Mutter gebar ihn im Zuchthaus zu Pforzheim am 6. Juli 1763, also vor 24 Jahren.

Seinen Vater nannte man in der Zigeunersprache nur den Schwarzen – oder Steckenhannesle. Schon in seinem 9. Jahr wurde er ihm entrissen, denn er hatte das Unglück, am 13. Dezember 1772 zu Oberkirch aufgehängt zu werden. Seine Mutter Magdalena Rosenbergerin, auf zigeunerisch, Langlet, lebt noch und hält sich allem Vermuten nach gegenwärtig bei den Zigeunern Heidi und Metzelen auf.

Nottele erinnert sich nicht, seinen Vater in seinem ganzen Leben mehr als dreimal gesehen zu haben. Er lief meist mit seiner Mutter und ernährte sich als Kind in den Gegenden von Allerheiligen, Rexingen und Schwäbisch-Gmünd mit Betteln.

Nachher ließ er sich in gedachtem Rexingen, Thalen, Salzstetten, Pfrondorf und dem Ammerhof von den Bauern als Tagelöhner gebrauchen.

Vor 8 Jahren wurde er das erste Mal von Metzelen und Heidi zum Stehlen verleitet, und ihm von denselben zugemutet, mehrere Schafe aus dem Pferch zu Bondorf zu entwenden.

Sein Unternehmen glückte ihm, ohne ertappt zu werden. Von dieser Zeit an war Stehlen, das er größtenteils unter Hannikels Aufsicht und Anweisung trieb, sein einziges Gewerbe.

Vor 4 Jahren erwählte er sich eine gewisse Marianne von Weil der Stadt, Hannikels Dienstmagd, zu seiner ersten Konkubine, die er aber nach einer Jahresfrist wieder abdankte.

Er wurde danach mit der auch in Sulz verhafteten Theresia Ottenbacherin, des verstorbenen Korbmachers Johannes Ottenbachers oder Wilden-Manns Tochter, bekannt. Er zeugte ein Töchterlein mit ihr, das Margarethe hieß und vor einem Jahr um Ostern herum zu Waldstetten starb und begraben wurde.

Da er mit dieser Theresia wohl zufrieden war, so hätte er sie auch gerne länger beibehalten, allein, weil die Überrheiner Zigeuner, um nicht verraten zu werden, durchaus keinen deutschen Menschen leiden wollen. So gab er ihr an letzten Weihnachten bei Pirmasens den Abschied.

Zu einiger Schadloshaltung verband er sich vor sieben Wochen mit Tirana, des Zigeuner Lorchs Tochter, welche er mit sich über den Rhein herüber nahm.

Gleich bei seinem ersten Verhör in Sulz gab er die Versicherung von sich, dass er alles, was er getan habe oder von anderen wisse, ganz nach der reinen Wahrheit, ohne allen Hinterhalt angeben und dann gelassen erwarten und annehmen wolle, was die heilige Justiz über seine Verbrechen beschließen werde. -Er hielt auch sein Versprechen durchaus, machte aber doch die Inquisition dadurch äußerst beschwerlich, dass er, gehindert durch seine sehr stotternde Sprache, seine Sachen nur langsam vorbringen konnte und man oft eine halbe Viertelstunde warten musste, bis er nur das erste Wort herausgebracht hatte.

In Erzählung der Mordgeschichte des Grenadier-Cheval Pfisters stimmte er ganz mit seinen Kameraden überein. Er zog sich selbst dabei nicht aus der Schlinge, sondern bekannte vielmehr, dass er der Beherzteste und Mutigste beim Misshandeln gewesen sei und dem armen Toni wirklich den Fuß abgeschlagen habe.

Ein Beweis von der damaligen unbegreiflichen Unempfindlichkeit seines Herzens war dies, dass er gleich nach verübter Grausamkeit seine Kameraden fragte: »Brüder! Habe ich meine Sache nicht gut gemacht?« und dass er zu den Weibsleuten mit aufgeblasener Stimme sagte: »Ich habe dem Toni noch vollends den Rest gegeben!«

Inzwischen erwachte sein Gewissen doch nachher über der Erinnerung dieser schwarzen Tat und folterte ihn dermaßen, dass er etliche Mal Willens war, selbst nach Sulz zu gehen und sich als Tonis Mitmörder anzugeben.

Neunzehn beträchtliche Diebstähle wurden von ihm erhoben: Vor zwei Jahren wurde er gleich nach einem zu Buchelberg, Murrhardter Oberamt, verübten Diebstahl erwischt und zu Lorch eingesetzt, wo er nach einer empfangenen Züchtigung wieder entlassen wurde.

Bei seiner Entschuldigung, um die er wegen seines lasterhaften Lebens gefragt wurde, bekannte er, dass er selbst nicht wisse, wie es ihm mit dem Toni gegangen sei, da er zumal sein naher Vetter gewesen war und ihm in seinem ganzen Leben niemals nichts zu leide getan habe. Hannikels Aufforderung und Bedrohung, er solle nur zusehen, wenn er sich nicht gut halte, habe das meiste zu seinem sträflichen Verfahren gegen ihn beigetragen. Er habe ihm umso weniger aus den Händen gehen wollen, da er ihm seine Legart zur Frau versprochen habe. Er legte auch bei seinen verübten Diebstählen die Schuld auf Hannikels Verführung, auf die übrigen bösen Gesellschaften, in die er geraten war, auf seine schlechte Erziehung und Armut von Haus aus.

Nachdem nun das ganze sehr weitläufig und mühsame Inquisitionsgeschäft beendet und der Bericht höchster Orten vorgelegt wurde, so erging das gnädigste, sehr nachsichtsvolle Urteil dahin, dass Hannikel, Wenzel, Duli und Nottele um ihrer ungeheuren Verbrechen willen zum Strang, die übrigen Verhafteten aber teils zur Festungs-, teils zur Zuchthausstrafe verurteilt sein sollen.

Um nun dem geneigten Leser ein Ganzes zu liefern, so verspreche ich noch einen Bogen Supplement nachzuholen, in welchem dieser vier Verurteilten Vorbereitung zum Tode, ihr Betragen bei Anhörung des Urteils und ihr Verhalten an ihrem Todestag selbst nach allen Umständen wahrhaft geschildert werden soll.