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Der Welt-Detektiv Band 6

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Bisonjäger Teil 4

Das soziale Leben

Im ganzen Gebiet der Bisonjäger galt die Familie, d. h. ein Mann mit seiner Frau oder seinen Frauen und den aus dieser Verbindung hervorgegangenen Kindern, als kleinste soziale Gruppe. In einer Kultur, in der viele Männer auf der Jagd und in Kriegszügen ausfielen, war Vielweiberei keine Seltenheit.

Diese beschränkte sich allerdings meistens auf die wirtschaftlich besser gestellte Schicht, wogegen der gewöhnliche Mann sich mit einer Frau zufriedengab.

Die Ehe galt nicht als religiöse Einrichtung, eine Scheidung war daher jederzeit möglich.

Da die Frau jedoch eine wichtige wirtschaftliche Funktion im Familienverbund ausübte, war ihre Stellung gesicherter, als es gemeinhin den Anschein hatte.

Der Erwerb der Frau erfolgte bei den meisten Stämmen durch Kauf, doch konnte der Mann den Gegenwert des Kaufpreises auch abarbeiten.

Es war üblich, dass ein Witwer die Schwester seiner Frau heiratete, um die bestehende Verbindung mit ihrer Familie fortzusetzen, wogegen eine Witwe gewöhnlich den Bruder ihres Mannes ehelichte, gleichgültig, ob dieser bereits eine Frau hatte oder nicht.

Bei den Cheyenne und Arapaho zog das Paar nach der Ehe in das Lager der Frau, bei den Blackfoot in das des Mannes, bei den Crows hatte es die Wahl.

Jede Frau hatte bestimmte Pflichten.

Bei den Maisbauern bearbeiteten die Frauen die Gärten, wogegen die Männer das Land rodeten. Bei den Nomadenstämmen sammelten die Frauen Beeren, Wurzeln, Wildgemüse und Nüsse, kochten alle Mahlzeiten, waren für Feuerung und Wasser verantwortlich und errichteten die Tipis. Bei den mehr sesshaften Stämmen waren die Männer für das Heranschaffen der schweren Stämme für den Hausbau zuständig.

Die Herstellung von Werkzeugen, die Jagd und das Kriegsführen waren Männersache, wogegen das Gerben von Häuten, die Herstellung und Reparatur von Kleidung und Zelten, das Trocknen von Fleisch und dessen Zubereitung den Frauen vorbehalten war.

Das Verhältnis des einen Ehepartners zu den Verwandten des anderen war gleichfalls ganz genau geregelt.

Bei den Arapaho und Omaha spielte der Onkel eine wichtige Rolle. Der Mutterbruder lehrte den Neffen die Weisheiten des Stammes und die Vaterschwester übernahm die gleiche Pflicht bei ihrer Nichte. Der Vaterbruder bei den Omaha hatte das Recht, seine Nichte zu verheiraten und die vereinbarten Brautgeschenke in Empfang zu nehmen.

Bei den Crows waren der Vaterbruder und die Vaterschwester die Empfänger der Kriegsbeute des Neffen. Kein Crow-Krieger durfte direkt mit seiner Schwiegermutter sprechen, ja nicht einmal ihren Namen erwähnen. Bei den Arapaho war es der Frau verboten, ihren Schwiegervater anzusehen oder mit ihm zu reden.

Solche und ähnliche Beschränkungen sind von vielen Stämmen der Plains bekannt.

Dagegen herrschte zwischen Ehemann und Schwager ein sehr enges Verhältnis und zwischen Ehemann und Schwägerin kam es oft zu Neckereien oder sogar Zärtlichkeiten.

Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach indianischer Anschauung diese beiden beim Tod des Bruders fast automatisch Eheleute wurden.

Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Männern und Frauen war unter den Stämmen der Bisonjäger zu keiner Zeit ausgewogen, da viele Männer auf der Jagd oder im Krieg umkamen.

Durch den dadurch entstehenden Frauenüberschuss war die Vielweiberei weit verbreitet. Eine Gesellschaft von einigen hundert oder tausend Menschen, die stets mit einer möglichen Ausrottung rechnen musste, hatte gar keine andere Wahl.

Nur die Cheyenne waren, was die Sexualität und das Zusammenleben der Geschlechter betraf, ungewöhnlich streng und konservativ.

 

*

 

Wirtschaftliche Notwendigkeit zwang die Bisonjäger, die Wintermonate in kleinen Lagern zu verbringen. Meist bestanden die Bewohner nur aus engen Verwandten. Wichtige Feste konnten nur während der warmen Jahreszeit stattfinden, da der Stamm den Winter über zu weit verstreut lebte. Jeder dieser Stämme war in eine Anzahl Horden oder Clans unterteilt, deren Größe sehr unterschiedlich war, sich aber immer in wirtschaftlichen Grenzen hielt. Diese Horden entstanden in jener Zeit, als sich die Stammesverbände aufspalten mussten, da die Ernährung aller Angehörigen nicht mehr bewältigt werden konnte.

Die Horden besaßen bestimmte Namen und individuelle Jagdgebiete, obgleich die Abgrenzung meist fließend war. Die Namen erinnerten entweder an bestimmte Begebenheiten und gewisse markante Punkte in diesen Gebieten, oder sie stellten Spitznamen dar.

Die Mitgliedschaft zu einer solchen Horde war freiwillig, obgleich die Zugehörigkeit zu einer Familie den einzelnen – wenn auch indirekt – an die Horde band.

Unter den Crow gab es noch eine zweite Unterteilung in Berg-Crow und Fluss-Crow und jeder dieser beiden Teile galt als selbstständige Einheit.

Dennoch fühlten sich beide zu jeder Zeit als ein Stamm und ein Volk.

Innerhalb der Horden stellte die Familie die kleinste selbständige Gruppe dar. Mehrere Familien bildeten einen Clan. Die Zugehörigkeit zu einem Clan war absolut und nicht der Entscheidung des Einzelnen überlassen.

Die Zurechnung zu einem Clan folgte dem Prinzip der Zugehörigkeit aller Kinder eines Paares zu einem Clan, entweder dem der Mutter oder dem des Vaters.

Beim Verlassen der Horde oder im Falle der Heirat blieb die Clanzugehörigkeit unangetastet. Diese Clanorganisation trug sehr zum Zusammenhalt der einzelnen Horden innerhalb des Stammes bei. Jeder Clan war exogam, das heißt, die Mitglieder konnten sich nicht heiraten.

Neben diesen Horden und Clangruppierungen kannten einzelne Stämme auch noch verwandtschaftliche Verbände, die meist aus mehreren Clans gebildet wurden. Als weitere Einteilung existierten bei manchen Stämmen sogenannte Hälften, die mit großer Wahrscheinlichkeit in alten Zeiten exogam waren.

Diese Hälften trugen oft Namen, die einen Gegensatz andeuteten. Bei den Omaha waren das zum Beispiel Himmel und Erde, bei den Pawnee Sommer und Winter und bei den Osage Krieg und Frieden.

Eine vergleichbare Untersuchung der sozialen Organisation der Stämme zeigt, dass die südlichen Sioux-Stämme viele Parallelen zu Stämmen der östlichen Waldgebiete hatten, wogegen Ute, Schoschonen und Comanchen zum Plateau-Gebiet tendierten. Der Südosten und das nördliche Waldgebiet waren ebenfalls vertreten.

Daraus ergibt sich das gleiche Bild wie bei der sprachlichen Zugehörigkeit; die meisten Stämme sind das Ergebnis von Wanderbewegungen aus den umliegenden Gebieten.

 

*

 

Die Einteilung der sozialen Struktur erschöpft sich jedoch keineswegs nur auf Geburt und Abkunft, denn daneben gibt es bei fast allen Stämmen religiöse Bünde, deren Aktivitäten besonders während der Sommermonate von Bedeutung waren. Bei den meisten Stämmen waren die Männerbünde weitaus am häufigsten, doch existierten daneben, vor allem bei den Sesshaften unter den Stämmen, auch bedeutende Frauenbünde.

Bei den Pawnee gab es einen Bund der alten Jungfern und Witwen, dessen Mitglieder in abgerissenen Kleidern herumliefen und unter anderem die Marterung von Gefangenen zu ihren Privilegien zählten. Unter den Oglala-Sioux hatten sich besonders kunstfertige Frauen zu Zeltmacher-, Mokassinschneider- und Stickerzünften zusammengeschlossen.

Die Hidatsa, Gros Ventre, Arapaho und Blackfoot hatten Altersbünde, in denen Männer gleichen Alters zusammengefasst waren.

Die Mitgliedschaft wurde durch besondere Abzeichen kundgetan.

Jeder Bund hatte einen Namen und seine Zugehörigkeit brachte gewisse Pflichten mit.

Bei den Crow wurde in jedem Frühling ein Bund beauftragt, den Dienst der Lagerpolizei zu versehen. Eine Aufgabe, die bei den Mandan von einem einzigen Bund, den Schwarzmäulern, ausgeübt wurde.

Auch bei den Stämmen, bei denen die Altersbünde fehlten, gab es Männerbünde, die gewisse Aufgaben übernahmen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass diese Männerbünde den kriegerischen Geist der Bisonjäger wachhielten. In vielen Fällen hatten sie auch bestimmte religiöse Funktionen. Bei den Pawnee und Arapaho lag fast das gesamte religiöse Stammeserbe in den Händen dieser Bünde. Bei den Pawnee waren zehn Bünde mit dem Kult des heiligen Bündel verknüpft, übten eine wirksame Kontrolle über die kriegerischen und sozialen Feste aus und überwachten alle religiösen Handlungen.

Unter den Mitgliedern der Altersbünde wählte man die tapfersten Krieger zu Führern, die durch Abzeichen kenntlich gemacht wurden. Im Krieg fiel ihnen die Aufgabe zu, durch persönliches Beispiel die übrigen Krieger anzufeuern, weshalb die Weißen diese Bünde später hauptsächlich als Soldatenbünde bezeichneten.

Eine Bezeichnung, die so nicht richtig war, wenn man die Kultur und den Sozialstatus dieser Stämme kannte.

Aber welchen Weißen interessierte das damals schon?

Quellennachweis:

  • Bisonjäger, Kosmos-Bibliothek Band 223 von Dr. Gustav A. Konitzky, Franckh’sche Verlagshandlung Stuttgart 1959
  • Neu bearbeitet und in Szene gesetzt von G. Schulz, Ludwigsburg 2019