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Die Sternkammer – Band 1 – Kapitel 8

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 1
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Von Lupo Vulp, Kapitän Bludder, Clemens Lanyere und den anderen Söldnern des Sir Giles

Dicht hinter Sir Giles und ein wenig vor den übrigen Söldnern stand der Notar Lupo Vulp.

Lupo Vulp war der vertraute Ratgeber unserer beiden Erpresser, an welchen sie sich bei allen ihren boshaften Plänen wendeten. Er war es, der ihre Kontrakte und Vollmachten ausfertigte und ihren unrechtmäßigen Gewinn zu übertriebenen Zinsen unterbrachte. Lupo Vulp war in jeder Hinsicht seiner Beschützer würdig, denn er war ebenso ränkevoll und gewissenlos, wie sie, während er zu gleicher Zeit besser mit den gerichtlichen Ränken und Listen vertraut war, sodass er ihnen in jeder Verlegenheit Rat erteilen tonnte. Es war schwer, ein Gesicht zu finden, welches mehr List und Schurkerei zeigte als das des Lupo Vulp. Ein höhnisches Lächeln umschwebte seinen Mund, der mit zwei Reihen der schärfsten und weißesten Zähne versehen war. Seine Züge waren spitz, seine Augen klein und weit auseinander, von hellgrauer Farbe und mit aller Schlauheit eines Fuchses in ihren verstohlenen Blicken. Seine große Ähnlichkeit mit jenem listigen Tier hätte einen Physiognomiker auffallen müssen. Sein Kopf war gleich dem eines Fuchses gestaltet und sein Haar und Bart von rötlich gelber Farbe. Sein Benehmen war lauernd und argwöhnisch, als fürchte er einen Schlag von jeder Hand. Doch Lupo Vulp konnte bei Gelegenheit seine Zähne zeigen und zuschnappen. Er trug ein rötlich braunes, eng anliegendes Wams, gelbe Beinkleider und lange Strümpfe von derselben Farbe. Ein kurzer brauner Mantel und eine Mütze von Fuchsfell vollendeten sein Kostüm.

Der Anführer des Trupps war Kapitän Bludder, ein mächtiger Eisenfresser mit wildem Schnurrbart und feuerrotem Kinnbart, der wie ein Spaten geschnitten war. Er trug einen spitz zulaufenden Hut mit einer Agraffe, Jacke und Stiefeln von Büffelleder und einen Degen und einen kleinen Schild an seinem Gürtel. Außerdem hatte er dort ein Paar lange Pistolen stecken. Der Kapitän trank wie ein Fisch und prahlte und fluchte wie zwanzig Soldaten zugleich.

Der übrige Trupp bestand aus den Söldnern – rüstigen Kerlen mit Haken an den Enden ihrer Stäbe, um damit einen Flüchtling zu fangen oder ihn mit sich fortzuschleppen, wenn sie ihn gefangen hatten. Unter diesen waren auch einige mit Partisanen bewaffnet. Es herrschte keine Gleichförmigkeit der Ausrüstung unter dem Trupp, denn jeder bewaffnete sich, wie es ihm gefiel. Einige trugen alte lederne Jacken und Brustharnische, einige Wämser aus der Zeit der Elisabeth und weite Beinkleider, die schon manche vor ihnen getragen hatten, andere Schifferhosen, während die Ärmeren rostfarbige Röcke von Taffet oder anderem Seidenzeug, ehemals mit Samt oder Pelz besetzt, trugen, die aber nun zerlumpt und abgetragen waren.

Ihre Hüte und Mützen waren so verschieden wie ihre Kleidung – einige hoch, andere tellerförmig und noch andere mit breitem Rand und an der Seite aufgeschlagen. Überdies hatten alle ein sehr verschiedenes schurkenhaftes Ansehen – den wilden Blick des Banditen, den schlauen Ausdruck des Gauners und den gemeinen Blick des niedrigen Schuftes. Mehrere von ihnen verrieten durch die Brandmale auf ihren Gesichtern und durch den Verlust der Ohren, dass sie durch die Hände des Büttels gegangen waren.

Unter diesen war einer, dessen Gesicht furchtbarer entstellt war als das seiner Kameraden. Die Nase war aufgeschlitzt und dann wieder zusammengenäht, aber so ungeschickt, dass die getrennten Teile nur unvollkommen vereint waren und der Physiognomie einen verzerrten und abschreckenden Ausdruck verliehen. Clemens Lanyere, der Besitzer dieses grässlich verstümmelten Gesichts, der auch seiner Ohren beraubt und auf der Wange gebrandmarkt war, hatte Schande und Entehrung gelitten infolge der Freiheit, die er seiner Zunge in Hinsicht der Sternkammer gelassen hatte. Er war an jenem Gerichtshof von Sir Giles Mompesson als ein berüchtigter Krakeeler und Verleumder der Richter und der ersten Personen des Reiches verfolgt, als schuldig befunden und demzufolge verurteilt und bestraft worden. Der Gerichtshof zeigte wenig Milde gegen solche Übertreter; aber es war eine Sache der Gnade, dass seine laute Zunge nicht auch herausgerissen wurde, zu der Strafe, die er bereits erduldet hatte. Eine schwere Geldbuße und Gefangenschaft begleiteten die körperliche Strafe. So gänzlich zu Grunde gerichtet, entehrt und eine Zielscheibe des Spottes und Hohnes, wurde Clemens Lanyere, dessen Aussichten einst gut genug gewesen waren, als er noch angenehme Züge besessen hatte, versauert und übelwollend, erbittert gegen die Welt und geriet in Krieg mit der Gesellschaft. Er wurde Denunziant, suchte Klagen und Veranlassungen zur Verfolgung und brachte die Menschen in Verlegenheit, um einen Teil der Strafgelder zu erhalten. Seltsam genug, hängte er sich an Sir Giles Mompesson, der die Ursache all seines Unglücks gewesen war und wurde einer der tätigsten und nützlichsten seiner Anhänger. Man dachte, es könne nichts Gutes aus dieser Verbindung werden. Der Denunziant wartete nur seine Zeit ab, um sich gegen seinen Herrn zu empören, gegen den er natürlich eine geheime Rachsucht hegte. Aber wenn es so war, schien Sir Giles keine Furcht vor ihm zu hegen, indem er wahrscheinlich dachte, er könne ihn zu Grunde richten, wenn es ihm beliebe. So wurde wenigstens das Ereignis lange verzögert. Clemens Lanyere fuhr allem Anschein nach fort, seinem Herrn gut und eifrig zu dienen, und Sir Giles gab kein Zeichen des Misstrauens zu erkennen, sondern behandelte ihn vielmehr mit erhöhtem Vertrauen. Der Denunziant war schwarz gekleidet – Mantel, Hut, Wams und Beinkleider waren schwarz. Da sein Einkommen aus seinem niedrigen Geschäft größer war als das seiner Kameraden, so war auch seine Kleidung besser. In seinen Mantel gehüllt, sein verstümmeltes Gesicht mit der Maske bedeckt, die er gewöhnlich trug, hätte der Denunziant für einen Kavalier gelten können, so groß und wohlgebildet war seine Figur und so kühn sein Benehmen. Der gefährliche Dienst, worauf er sich eingelassen hatte, und welcher ihn der Beleidigung und Verspottung aussetzte, machte es nötig, dass er gut bewaffnet war. Dafür trug er immer Sorge.

Zwei oder drei von den Söldnern des Sir Giles müssen zur besonderen Beschreibung hinreichen und nur einige von den Übrigen wollen wir noch mit Namen erwähnen, wie der starrende Hugo, ein Kerl von unvergleichlicher Frechheit, Gib Cat und Cutting Dick, ausschweifende Kerle aus dem Hackbeil in Turnbull Street in der Nähe von Clerkenwell, der alte Tom Wootton, einst ein berüchtigter Herberger herrenloser Männer in seinem Haus an Smarts Quay, aber nun der Offiziant eines Sheriff. Auch müssen wir erwähnen, dass einige Klopffechter und Gauner aus dem Elsass unter dem Befehl des Kapitän Bludder dabei waren, der für ihr gutes Betragen verantwortlich geachtet wurde.

Dies war die Leibgarde des Sir Giles.

Wir müssen hier bemerken, dass der Vorhang vor dem erhöhten Tisch dichter zugezogen wurde, sodass die Gäste gänzlich verborgen waren. Aber ihre Wichtigkeit war an den Dienern in reichen Livreen zu erkennen, die vor dem Quertisch standen.

Tiefes Schweigen herrschte in der ganzen Versammlung.

Nachdem er, wie oben erwähnt, seinen Hut abgenommen und eine Verbeugung vor der Gesellschaft gemacht hatte, sprach Sir Giles folgendermaßen: »Ich bitte um Verzeihung, würdige Herren«, sagte er in deutlichem und entschlossenem Ton, »wegen dieses Eindringens und bedaure, das Mittel zu sein, Eure Festlichkeit zu stören. Ich kam völlig unvorbereitet hierher, eine solche Versammlung zu finden. Doch wenn ich auch gern eine passendere Gelegenheit zu meinem Besuch gewählt hätte und die schmerzliche Pflicht, die ich zu erfüllen habe, wenn ich dazu imstande wäre, auf eine andere Gelegenheit verschieben würde, so ist doch die Sache zu dringend und gestattet keine Verzögerung. Ihr werdet daher entschuldigen, wenn ich damit fortfahre, ohne auf Eure Gegenwart zu achten. Ich halte mich versichert, es wird keine Unterbrechung stattfinden, da ich mit der königlichen Vollmacht und Erlaubnis handle.«

»Wahrlich, Eure Handlungsweise bedarf der Erklärung«, rief Jocelyn Mounchensey in höhnischem Ton. »Wenn ich nicht hier in London gewesen wäre, würde ich nach Eurem Aussehen und dem Eurer Begleiter glauben, dass wir von einer Bande verzweifelter Straßenräuber überfallen worden sind und dass wir unsere Schwerter ziehen müssten, um unser Leben zu verteidigen und das Haus vor Plünderung zu schützen. Aber aus dem, was Ihr gesagt habt, schließe ich, dass Ihr der Sheriff seid, der mit seinen Begleitern kommt, um einen Haftbefehl zu vollziehen. So lästig auch die Gegenwart eines solchen Beamten, so ungelegen Euer Besuch und so unmanierlich Euer Benehmen sein mag, so dürfen wir uns Euch doch nicht widersetzen.«

Eine solche Beleidigung wurde selten an Sir Giles gerichtet. Der dadurch verursachte Zorn wurde durch das Gelächter und den Zuruf der Gesellschaft noch erhöht. Dennoch tat er sich Gewalt an und erwiderte in strengem und verächtlichem Ton: »Ich würde Euch auch nicht raten, mich zu belästigen, junger Mann. Das Versehen, welches Ihr hinsichtlich meiner gemacht habt, lässt sich bei Eurer offenbaren Unerfahrenheit verzeihen, da Ihr aus der bäuerlichen Gesellschaft Eurer Provinz zum ersten Mal unter gebildete Herren kommt. Von allen Gegenwärtigen seid Ihr wahrscheinlich die einzige Person, die nicht weiß, dass ich Sir Giles Mompesson bin. Aber es ist kaum wahrscheinlich, dass sie wissen, was ich zufällig weiß, dass der bäuerliche, unverschämte Mensch, welcher wagt, seine Zunge gegen mich zu erheben, der Sohn eines Delinquenten der Sternkammer ist.