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Gold Band 3 – Kapitel 7.3

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 3
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 7.3

Graf Beckdorf führte indessen seinen neu gefun­denen Freund in jenes Tal hinauf, wo Fischer, trotz den indianischen Unruhen und dem ganzen wilden und wüsten Treiben um ihn her, ruhig an seiner Maschine sitzen geblieben war und fortgearbeitet hatte. Allerdings interessierte ihn der Streit, den die Indianer mit den Amerikanern hatten, aber doch nicht genug seine Arbeit deshalb zu versäumen. Seine Dienste als Dolmetscher wurden überdies im Paradies nicht mehr in Anspruch genommen, denn der jetzige Alkalde sprach so gut und besser Spanisch und Französisch wie er selber, so konnte er es getrost die beiden Parteien ausmachen lassen, ohne sich selber weiter zu bemühen.

Mit einiger Ungeduld hatte er aber die Rück­kehr Beckdorfs erwartet und ließ sich nun, ohne je­doch sein Schaukeln zu unterbrechen, die Vorgänge im Paradies bis in die kleinsten Details hinein erzählen. Nur als ihm Beckdorf von dem Zug gegen die Indianer berichtete, lachte er und meinte, sie könnten ebenso gut ihren eigenen Schatten fangen wollen. Dass sie dem falschen Spieler aber die Ohren abgeschnitten, dafür hätte er sie jetzt noch einmal so lieb wie vorher.

Die beiden jungen Leute plauderten nun zusammen, und Lanzot half dabei seinem Freund die Erde ausgraben und zu der Maschine tragen, sein erster Anfang in der edlen Kunst des Goldgrabens, in dessen Geheimnisse er zugleich eingeweiht werden sollte.

Da sie übrigens, nach alle dem Vorgegangenen, am Abend ein reges und interessantes Leben im Lager erwarten durften, beschlossen sowohl Fischer als auch Beckdorf, keinen neuen Platz mehr anzufangen, sondern Feierabend zu machen, so wie sie diesen, der sich ziemlich ergiebig zeigte, ausgewaschen hätten.

Die Verabredung war dabei, dass sie sich abends wieder in des Elsässers Zelt finden wollten. Fischer ging dann geradeswegs nach Hause, während Beckdorf, mit Lanzots Arm in dem seinen, noch einen Spaziergang längs des oberen Teils der Flat machte, um erst an der anderen Seite des roten Bodens wieder das Paradies zu betreten.

Lanzot hatte indessen alles erzählen müssen, was ihm begegnet war, und was ihn nach Kalifornien getrieben habe. Beckdorf gab ihm nun humoristische Skizzen ihres Minenlebens und der wunderlichen Charaktere, mit denen sie hier Umgang hatten.

»Ein wunderliches Land bleibt es immer«, sagte da Lanzot, »und ich werde im Leben nicht bereuen, es gerade in dieser seiner ersten Zeit gesehen zu haben. Später muss sich das natürlich alles ausgleichen, und die jetzigen scharfen Umrisse seiner Charaktere, seiner ganzen Charakteristik werden sich jedenfalls in dem von anderen Staaten herübergebrachten Allgewöhnlichen verwischen. Nun aber haben wir noch das urtümliche Kalifornien da, wie es ein glücklicher Fund gewissermaßen aus der Erde heraufbeschworen hat. Nimm zum Beispiel einmal ein ganzes Land von Männern – wer hätte das früher für möglich gehalten, und doch existiert es hier vor unseren Augen.«

»Halt, da nehme ich unser Paradies in Schutz«, rief aber Beckdorf, »denn darin zeichnet es sich, sehr zu seinem Vorteil, vor fast allen den übrigen Minenstädten aus. Außer ein paar gewöhnlichen, aber höchst anständigen Backwoodfrauen, die mit ihren Männern über die Felsengebirge gekommen sind, haben wir auch noch ein paar wirkliche Damen hier, und zwar nicht etwa bloß aufgeputzte Grisetten.«

»In der Tat?«, fragte Lanzot. Hätte ihn Beckdorf in dem Augenblick angesehen, würde er sich vielleicht die Mühe der Erklärung haben er sparen können. »Ah ja, jetzt erinnere ich mich, Mr. Hetson, ein Amerikaner, hat seine junge Frau mit in die Minen gebracht.«

»Und eine ganz allerliebste Spanierin ist in ihrer Begleitung«, sagte Beckdorf. »Auch diese gehört keinesfalls den Exemplaren der spanischen Rasse, denen wir hier nur zu häufig begegnen, sondern den besseren Ständen an, und soll außerdem wunderbar schön die Violine spielen. Vor ein paar Minuten ging sie dort drüben mit ihrem Vater in das Zelt jenes alten Amerikaners, dessen Frau krank darniederliegt.«

»Wo?«, rief Lanzot rasch, »ich habe niemanden gesehen.«

»Weil du immer zur Stadt hinüberguckst. Wenn wir uns übrigens hier ein wenig aufhalten, können wir sie zurückkommen sehen. Soviel ich weiß, bringt sie der alten kranken Frau da drüben manchmal irgendeine Stärkung.«

»Du sagst, sie spielt Violine?«

»Sie soll Violine spielen – gehört habe ich sie noch nicht.«

»Dann ist es vielleicht dieselbe, die ich in San Francisco gekannt habe, und ihr Vater heißt Señor Ronez.«

»Ganz recht«, versicherte Beckdorf, in seiner ahnungslosen Gutmütigkeit die Bestätigung einer Sache gebend, die Lanzot viel besser wusste als er selber. »Aber wahrhaftig, da kommen sie. Bieg hier links ab, Emil. Der Fußpfad bringt uns ihnen gerade in den Weg.«

Manuela hatte, wie Beckdorf ganz richtig vermutete, nur der dort ganz in der Nähe wohnenden kranken Frau eines Amerikaners einige Erfrischungen gebracht. In der Furcht vor dem Spieler aber musste sie ihr Vater begleiten, während sie sich dort nur eben solange aufhielt, als unumgänglich notwendig war, die Sachen zu überliefern und ihren Auftrag auszurichten.

Auf dem Heimweg nun nach den etwa zweihundert Schritt entfernten Zelten der Stadt, schaute sie nicht von ihrem Weg auf und schritt rasch und ängstlich an des Vaters Seite hin. Die beiden nahenden Männer hatte sie dabei jedenfalls gehört, aber sie wagte nicht zu ihnen aufzuschauen. Auch Don Alonso achtete ihrer nicht, bis ein freundliches Hallo Señor ihn rasch emporsehen machte.

Kaum hatte er jedoch den alten Freund erkannt, als er auch stehen blieb und ihm die Hand entgegenstreckend rief: »Don Emilio – welcher guter Stern führt Sie wieder in unsere Nähe?«

»Don Emilio?« flüsterte Manuela leise vor sich hin. Hohes Rot färbte ihre Wangen, aber unfreundlich durfte sie mit dem Mann, der sich ihrer in San Francisco so teilnehmend und uneigennützig angenommen hatte, nicht sein. Lächelnd ihm die Hand entgegenstreckend, bot sie ihm ebenfalls ein herzliches Willkommen.

Und wie viel hatten sich die Leute nun zu sagen, von denen Lanzot vorher nur wie von einer flüchtigen Bekanntschaft gesprochen hatte. Wie rot waren die beiden geworden, und was für einen seelenvollen Blick hatte das Mädchen, als sie zu ihm aufschaute.

Das einzige Böse für Beckdorf blieb, dass er, einige alltägliche Worte abgerechnet, kein Spanisch verstand und bei der ganzen Verhandlung dadurch eine eben nicht besonders geistreiche Rolle spielte. Aber Lanzot hatte ganz vergessen, dass er existiere, denn seine Blicke hingen an den Lippen Manuelas, die ihm von der Gefangenschaft des Engländers, von dem unwürdigen Verdacht, unter dem er leide, und von dem Interesse erzählte, das Mrs. Hetson an dem alten Freund ihrer Familie nahm.

Aber was konnte er, als vollkommen Fremder hier, darin tun?

»Alles«, sagte Manuela, »wenn er sich selber mit dem Gefangenen besprach, der keinen Freund sonst in dem ganzen Städtchen hatte. So viel sie gehört hatte, brauchte er Zeugen. Niemand wollte sie herbeischaffen, während am kommenden Tag schon die furchtbare Jury zusammentreten sollte. Er konnte da helfen – hatte er ihnen doch so oft geholfen«, setzte sie mit ihrem gar so lieben Lächeln hinzu. Lanzot war in dem Augenblick entschlossen, für sie zu reiten, wohin sie ihn eben schicken wolle.

Aber ihre nächsten Worte bannten ihn auch wieder an die Stelle, denn sie sprach von Siftly, wie er hierher gekommen war, ihren Vater wieder im Spiel betrogen habe und nun gewaltsam sie zum Spielen zwingen wolle. Sie hoffte nun nur noch auf des Alkalden Schutz. Wenn der sie schutzlos ließ, war sie verloren.

»Doch nicht so ganz, Manuela«, sagte da Lanzot mit herzlichem Ton. »Zuerst wollen wir jetzt einmal den Gefangenen besuchen, und sehen, was sich für den armen Teufel tun lässt, und dann …«

»Rettet ihn und ich will Euch ewig dankbar sein«, bat da die Jungfrau. Ihres Vaters Arm ergreifend, eilte sie mit ihm der eigenen Wohnung zu.

So süß und lieb die letzten Worte aber auch klangen, hatten sie in Lanzots Brust doch einen bösen Stachel zurückgelassen. Was war der Fremde ihr, dass sie so wichtigen Anteil an ihm nahm, selbst ihre ganze frühere Schüchternheit zu vergessen und ihn zu bitten, dass er für jenen handele. Nur einer konnte ihm hierüber Auskunft geben: Doktor Rascher. Und den zu finden, blieb deshalb das Nötigste.

Beckdorf, der noch keine Ahnung von der Gefangennahme des Engländers hatte, wollte eben Lanzot mit seiner genauen Bekanntschaft der jungen Dame necken, über die er vorher so kalt und fremd getan hatte. Mit wenigen Worten erzählte ihm dieser aber nun von den Vorgängen des Nachmittags sowie von dem Interesse, das die Hetson’sche Familie – von Manuela sagte er nichts – an dem Gefangenen nahm, und fand den Freund augenblicklich bereit, ihn zu unterstützen. Übrigens dunkelte es schon, und wenn sie am Abend noch Schritte in der Sache tun wollten, wurde es höchste Zeit.