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Aus dem Wigwam – Die Nationallegende der Tschassa-Muskogeestämme

Karl Knortz
Aus dem Wigwam
Uralte und neue Märchen und Sagen der nordamerikanischen Indianer
Otto Spamer Verlag. Leipzig.1880

Die Nationallegende der Tschassa-Muskogeestämme

u alter Zeit öffnete sich einst die Erde im Westen, woselbst sie ihren Mund hatte. Die Kussitah kamen aus dieser Öffnung hervor und ließen sich dicht dabei nieder. Aber die Erde wurde böse und aß die meisten ihrer Kinder auf. Die Kussitah zogen daher weiter westlich. Einige derselben kehrten jedoch später zurück und ließen sich wieder an ihrem alten Platz nieder. Der größte Teil aber blieb in der Fremde, weil sie dies für das Beste hielten.

Aber ihre Kinder wurden trotzdem von der Erde verschlungen, sodass sie gegen den Aufgang der Sonne zogen. Sie kamen an einen schlammigen, dicken Fluss, schlugen dort ihre Zelte auf und blieben über Nacht.

Am anderen Morgen zogen sie weiter und kamen nach einer Tagesreise an einen roten, blutigen Fluss. Dort blieben sie zwei Jahre wohnen und aßen Fische. Aber die Quellen waren zu seicht, sodass es ihnen auf die Dauer nicht gefiel. Sie zogen gegen das Ende dieses blutigen Flusses und hörten einen Lärm wie den des Donners. Sie gingen näher, um nach der Ursache zu forschen. Zuerst bemerkten sie roten Rauch und dann einen Berg, welcher donnerte. Von dem Berg ertönte es wie Gesang. Sie gingen noch näher und sahen ein großes Feuer, dessen Lodern jene Töne hervorbrachte. Sie nannten diesen Berg König der Berge. Er donnert noch heute und die Menschen fürchten sich vor demselben.

Hier fanden sie ein Volk von drei verschiedenen Nationen. Sie hoben sich etwas vom Feuer des Berges auf und lernten den Gebrauch der Kräuter und viele andere nützliche Dinge.

Aus dem Osten näherte sich ihnen ein weißes Feuer, dass sie jedoch nicht brauchten.

Das Feuer, das aus Walhalla kam, brauchten sie ebenfalls nicht.

Endlich kam ein Feuer aus dem Norden, dass rot und gelb war. Dies vermischten sie mit dem Feuer, das sie vom Berg mitgenommen hatten. Dies ist das Feuer, das sie noch heute brauchen. Es singt zuweilen.

Auf dem Berg stand eine Stange, die sich stets hin und her bewegte und lärmte. Niemand wusste, wie dieselbe zur Ruhe zu bringen sei. Endlich nahmen sie ein mutterloses Kind, schlugen es gegen die Stange und töteten es. Dann nahmen sie die Stange mit und hatten sie stets bei sich, wenn sie in den Krieg zogen. Sie war einem hölzernen Tomahawk, wie sie ihn jetzt gebrauchen, gleich und von demselben Holz. Auch fanden sie dort vier Kräuter oder Wurzeln, erstens Pasah, die Klapperschlangenwurzel; zweitens Mikowedmotschah, die Rotwurzel; drittens Sowatschko, welche dem wilden Fenchel ähnlich ist, und viertens Eschalaputschki, den kleinen Tabak.

Diese Kräuter, besonders das erste und dritte, betrachten sie als ihre besten Arzneimittel und reinigen sich damit zur Zeit der Maisernte.

Bei diesem Fest, welches regelmäßig jedes Jahr abgehalten wird, opfern sie von den ersten Früchten.

Seitdem ihnen die Eigenschaften dieser Kräuter bekannt sind, zünden sich ihre Frauen zuweilen ein besonderes Feuer an und bleiben oft 3 – 7 Tage zum Zweck der Reinigung dabei. Wenn sie dies vernachlässigten, so würden die Kräuter kraftlos und die Frauen ungesund werden.

Zu dieser Zeit erhob sich ein hartnäckiger Streit, wer der Älteste sei und herrschen solle.

Sie waren vier Nationen und einigten sich zuletzt dahin, vier Stangen aufzurichten und sie mit Ton rot zu färben. Dieser Ton ist ursprünglich gelb, wird aber durch Einwirkung des Feuers rot. Dann wollten sie in den Krieg ziehen. Welche Nation ihre Stange zuerst mit den Skalpe der Feinde behangen habe, sollte als die älteste erklärt werden.

Die Kussitah hatten ihre Stange zuerst voll, die Skalpe hingen so dicht, dass man die Stange selbst nicht sehen konnte. Diese Nation wurde daher als die älteste betrachtet.

Die Chickasaw waren die nächsten, die ihre Stange bedeckten. Dann kamen die Atilama. Die Obikaw aber füllten ihre Stange nicht höher als bis zum Knie reichend.

Zu dieser Zeit erschien daselbst ein großer Vogel von blauer Farbe und mit langem Schwanz. Er war schneller als ein Adler und erschien jeden Tag und fraß die Leute auf. Da machten sie ein Bildnis in Gestalt einer Frau und stellten es hin, sodass es der Vogel sehen konnte. Das Tier kam kurz danach und trug es fort, brachte es jedoch nach einiger Zeit wieder zurück. Sie ließen die Frau allein und warteten, bis sie niederkommen würde. Nach geraumer Zeit gebar die Frau eine rote Ratte, und die Leute glaubten, der Vogel sei ihr Vater.

Darauf beratschlagten sie mit der Ratte, wie ihr Vater umzubringen sei. Der Vogel hatte Bogen und Pfeile. Die Ratte nagte die Bogensehne durch, sodass er sich nicht verteidigen konnte. Die Leute töteten ihn danach und nannten ihn König der Vögel. Sie glauben, der Adler sei ebenfalls ein großer König, und tragen seine Federn, wenn sie in den Krieg ziehen oder Frieden machen. Die roten bedeuten Krieg und die weißen Frieden. Wenn sich ein Feind mit weißen Federn und weißem Mund nähert und wie ein Adler schreit, wagen sie es nicht, ihn zu töten.

Danach verließen sie ihr Lager und kamen an einen weißen Fußpfad. Alles, selbst das Gras, war weiß. Sie sahen die Leute deutlich, die dort gewesen waren. Sie kreuzten den Pfad und schliefen nahe dabei. Späterhin gingen sie zurück, um zu sehen, was für ein Pfad dies eigentlich wäre und was für Leute dort gewohnt hätten, und glaubten, es sei besser für sie, wenn sie diesem Weg folgten. Sie taten so und kamen an die Bucht Kalassihutschi, die felsig war und rauchte.

Sie zogen weiter gegen Sonnenaufgang und kamen zu einem Volk und einer Stadt, die Kusah hieß. Dort blieben sie vier Jahre. Die Kusah beklagten sich, dass sie von einem wilden Tier, das in einem Felsen wohne, verfolgt würden. Sie nannten es Menschenfresser oder Löwe.

Die Kussitah sagten, dass sie das Tier töten wollten. Sie gruben ein großes Loch und legten ein Netz darüber, das aus der Rinde eines Walnussbaumes gemacht war. Dann legten sie eine Masse Zweige kreuzweise auf die Erde, sodass ihnen der Löwe nicht folgen konnte. Danach gingen sie hin, wo der Löwe lag, und warfen eine Rassel in seine Höhle. Der Löwe sprang in großer Wut auf und verfolgte sie durch die Zweige. Da dachten sie, es sei besser, einer stürbe, als dass sie alle umkämen, nahmen ein mutterloses Kind und warfen es vor den Löwen, als er an die Grube kam. Der Löwe sprang darauf los und fiel in die Grube. Sie zogen das Netz darüber und töteten ihn mit brennendem Fichtenholz. Seine Knochen aber haben sie bis auf den heutigen Tag aufbewahrt. Auf der einen Seite sind sie rot und auf der anderen blau. Der Löwe kam gewöhnlich jeden siebenten Tag und fraß die Leute. Sie blieben daher noch sieben Tage dort. Wenn sie in den Krieg ziehen, so fasten sie zur Erinnerung an ihn sechs Tage und ziehen am siebenten aus. Wenn sie seine Knochen mitnehmen, so sind sie siegreich.

Nach vier Jahren verließen sie die Kusah und kamen an einen Fluss, den sie Kalassihutschi nannten. Dort blieben sie zwei Jahre. Da sie kein Korn hatten, so aßen sie Wurzeln und Fische und machten sich Bogen. Ihre Pfeilspitzen machten sie aus Biberzähnen und Feuersteinen. Anstatt der Messer gebrauchten sie gespaltene Stöcke.

Dann verließen sie diesen Ort und kamen an eine Bucht, Wattulahakahutschi genannt, was Schreibucht heißt, da es dort eine große Anzahl lärmender Kraniche gab. Dort schliefen sie eine Nacht.

Am nächsten Tag kamen sie an einen Fluss, den sie Afuhsa-Fiskah nannten.

Am folgenden Tag überschritten sie ihn und kamen an einen hohen Berg, wo die Leute wohnten, von denen sie glaubten, dass sie den weißen Pfad gemacht hätten. Sie machten sich daher weiße Pfeile und schossen sie ab, um zu sehen, ob es gute Leute seien. Aber diese Leute hoben die weißen Pfeile auf, spannten die Bogen und schossen sie zurück. Als sie diese ihrem Häuptling zeigten, sprach er, dies sei kein gutes Zeichen. Hätten sie die Pfeile weit genug geschossen, hätten sie getrost hingehen und Nahrung für ihre Kinder holen können, so aber sollten sie nicht gehen. Trotzdem gingen aber einige hin und fanden die Häuser verlassen. Sie sahen auch einen Pfad, der zum Fluss führte. Da sie am anderen Ufer keine Spur fanden, glaubten sie, die fremden Leute wären in den Fluss gegangen und würden nicht mehr zurückkommen.

An diesem Platz ist ein Berg, Moterell genannt, der tönt, als ob eine Trommel geschlagen würde. Sie glauben, jene Leute wohnten darin. Sie hören leises Getöne auf allen Seiten, wenn sie in den Krieg ziehen.

Sie gingen den Fluss entlang, bis sie an einen Wasserfall kamen, wo sie große Felsen sahen. Auf den Felsen lagen Bogen, und sie glaubten, die Leute, die den weißen Pfad gemacht hatten, wären dort gewesen.

Auf ihren Reisen haben sie immer zwei Späher, welche vorausgehen. Dieselben bestiegen einen hohen Berg und sahen eine Stadt. Sie schaffte weiße Pfeile hinein, aber die Leute schossen rote zurück.

Da wurden die Kussitah böse und beschlossen, die Stadt anzugreifen. Jeder sollte ein Haus haben, nachdem sie erobert sei.

Sie warfen Steine in den Fluss, gingen hinüber und nahmen die Stadt. Die Leute hatten flache Köpfe. Sie töteten sie alle bis auf zwei. Während sie diese verfolgten, fanden sie einen weißen Hund, den sie erschlugen. Sie verfolgten die zwei, kamen wieder an den weißen Pfad, sahen den Rauch einer Stadt und glaubten, dort müssten die Leute wohnen, die sie suchten. Dies ist der Platz, wo nun der Stamm der Polatschukola wohnt, aus dem Tomochichi stammte.

Die Kussitah blieben blutdürstig, aber die Polatschukola gaben ihnen zum Zeichen der Freundschaft ein schwarzes Getränk und sprachen: »Unsere Herzen sind weiß und die euren müssen auch weiß sein. Ihr müsst den blutigen Tomahawk niederlegen!«

Aber sie entschieden sich für den Tomahawk. Doch die Polatschukola erhielten ihn durch Überreden und vergruben ihn unter ihre Betten. Dann gaben ihnen die Polatschukola weiße Federn und wünschten, einen gemeinschaftlichen Häuptling zu haben. Seit jener Zeit wohnen sie immer beisammen. Einige ließen sich auf diesem, andere auf dem jenseitigen Ufer nieder. Die auf dieser Seite werden Kussitah, die auf der anderen Kanitah genannt, doch sind sie ein Volk und bewohnen die hauptsächlichsten Städte der oberen und unteren Creek. Die Kussitah aber können, wenn sie roten Rauch oder rotes Feuer sehen, ihre Herzen, welche auf der einen Seite rot und auf der anderen weiß sind, nicht vergessen. Sie wissen, dass der weiße Pfad der beste für sie war. Tomochichi, obwohl ein Fremder, hat ihnen doch nur Wohltaten erwiesen. Er reiste mit Oglethorpe zum großen König und lauschte seiner Unterhaltung. Er erzählte alles wieder, die Leute hörten es und glaubten daran.