Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Blume der Prärie – Job Jenkins, der Trapper

Gabriel Ferry
Die Blume der Prärie
oder die deutschen Kolonisten an den Ufern des Colorado
Grimme und Leipzig, Druck und Verlag des Verlags-Comptoirs, 1852

Erstes Kapitel
Job Jenkins, der Trapper

An der Grenze der unermesslichen Prärie, die sich in ununterbrochener Fläche von den Guadalupe Mountains bis zu den Kreuzfichten ausdehnen, auf der Höhe der üppigen Hügelreihen, die sich am westlichen Ufer des Colorado von der Mündung des Pecan an – die prachtvollste Terrasse der Welt – hinabziehen, war bereits im Beginn des vorigen Jahrzehnts, wo die Zivilisation nur noch wenige Außenposten bis an die einsamen Ufer des grünen Meeres der westlichen Prärien vorgeschoben hatte, eine Pflanzung von ziemlich bedeutender Ausdehnung entstanden.

Ein stattliches Wohnhaus mit breiter lustiger Veranda erhob sich im Schatten riesiger Pecanbäume und breitblättriger Sycamoren, blumige Terrassen, mit den duftigen Erzeugnissen jener üppigen Vegetation bedeckt, gingen zu dem Flussufer hinab, während zahlreiche Neger in den Baumwoll- und Tabakfeldern arbeiteten, die zu beiden Seiten des niederen Hügels, auf dessen Plateau sich die Gebäude der Pflanzung befanden, immer tiefer in den jungfräulichen Boden eindrangen.

Obgleich man sich nicht einfallen lassen darf, Mertens House mit einem unserer eleganten Landhäuser zu vergleichen, so bot das ganze doch den netten, behaglichen und geordneten Anblick, den man so selten bei amerikanischen Niederlassungen findet, die fast immer nur auf eine kurze Ausbeutung berechnet, den unbehaglichen Eindruck des unfertigen, nur für den Augenblick berechneten, hervorbringen.

Die hölzernen Wirtschaftsgebäude, welche die Rückseite des ebenfalls hölzernen Wohnhauses in einem weiten geschlossenen Viereck umgaben, die Barrieren vor den Viehställen, der Brunnen und das turmartige Hühnerhaus in der Mitte des Hofes, die Bäume vor der Hoftür des Hauses, der mit einem Lattenspalier eingefriedete und mit Buschwerk bewachsene Rasenplatz, welcher den unbenutzten Teil des Hofraumes einnahm und das feste Einfahrtstor, verliehen mit Ausnahme der starken, doppelten Fenz; welche das ganze festungsartig umgab der Niederlassung den eigentümlich behaglichen Charakter, der unsere heimatlichen Landgüter so vorteilhaft auszeichnet.

Tatsächlich war Herr Mertens oder Mr. Martens, wie er in der neuen Heimat sich fast lieber nennen hörte, einer der Ersten gewesen, welchen die Flut der deutschen Auswanderung aus dem fernen Germanien bis in das Herz der texanischen Urwelt hinaufgespült hatte. Chef eines bedeutenden Handelshauses in einer der Ostseestädte, hatte er den größten Teil eines beträchtlichen Vermögens aus den Schwankungen der verhängnisvollen Handelskrise gerettet, die gegen das Ende der dreißiger Jahre den Kredit so vieler Handlungshäuser in den deutschen Seestädten erschütterte und unzufrieden mit der forcierten Situation der europäischen Verhältnisse, deren dauernde Haltbarkeit dem scharf sichtigen Handelsherrn zweifelhaft vorkam, den festen Entschluss gefasst, seinem kräftigen und unruhigen Unternehmungsgeist in der neuen Welt ein sichereres und ergiebigeres Territorium zu suchen.

Bereits zweimal in Westindien hatte das Pflanzerleben in großartigerem Maßstab für die schöpferische Anlage, welche den Grundzug seines Charakters bildete, einen verführerischen Reiz. Die Verbindung der Produktion mit der Fabrikation und dem Handel, die verhältnismäßige Sicherheit der merkantilen Spekulation, der Reiz des in der modernen Zivilisation untergegangenen patriarchalischen Verhältnisses, das den Pflanzer zum kleinen König seiner Besitzungen macht, vielleicht noch ehrgeizigere Absichten an die Spitze einer großen deutschen Zivilisation zu treten, hatten sein Augenmerk auf die reichen und gesunden Distrikte von Texas gerichtet, welche damals zuerst die Aufmerksamkeit der Auswanderungslustigen anzogen.

Aber trotz aller Festigkeit und Energie seines Willens, trotz der schlagenden und überzeugenden Beredsamkeit, mit der er seine Kolonisationspläne entwickelte und die verführerischen Reize des Pflanzerlebens schilderte, hatte der ehrenwerte Chef des Handelshauses Mertens & Company doch lange und heftige Kämpfe mit einer Opposition zu bestehen, deren Hartnäckigkeit seiner hausherrlichen Autorität mit mundfertigem Geplänkel gegenübertrat.

Tatsächlich fühlte Madame Mertens durchaus keinen Behuf, wie sie sich ausdrückte, die Zivilisation in die Wildnis zu tragen und ihren viel beneideten Ehrenplatz an die Spitze einer ausgedehnten Familie und am Teetisch ihrer zahlreichen Freundinnen für das Linsengericht der einsamen Souveränität eines Pflanzerthrones aufzugeben. Eine so rührige und umsichtige Hausfrau, wie sie auch war, so fesselten sie doch tausend Bande und Bändchen zu innig an den gesellschaftlichen Komfort ihrer Vaterstadt. Die Wonne des Sichsehenlassens und Gesehenwerdens war zu verlockend für ihre Evanatur, als dass sie ohne den äußersten Widerstand sich hätte bereitfinden lassen sollen, das glänzend gebohnerte Podium einer ihr vollkommen zusagenden Sphäre mit dem blumigen Parkett und der wilden Szenerie der amerikanischen Urwelt zu vertauschen.

Die Ehe des unruhigen Herrn Mertens und seiner so wenig europamüden Gemahlin war mit zwei aufknospenden Töchtern gesegnet, deren Zukunft der lebenslustigen Dame der beste Schild zu sein schien, sich gegen die hartnäckigen Angriffe ihres unermüdlichen Eheherrn zu schützen.

»Und was soll aus unseren Töchtern werden, frage ich dich, Mertens?«, pflegte sie stets am Ende der langen und glänzenden Schilderungen ihres Mannes in jenem halb mitleidigen, halb spöttischen Ton zu antworten, der nicht selten die Stirnader des ruhigen und sich vollkommen selbstbeherrschenden Kaufmanns anschwellen machte.

»Altes Lied, das, Mathilde, die Mädchen …«

»Ja, die armen, unschuldigen Wesen. Wie willst du in der amerikanischen Wüste ihre Erziehung vollenden? Sollen sie freudlos in der Wildnis verblühen oder willst du sie etwa an einen menschenfressenden Indianerhäuptling vermählen?«

»Altes Lied das, Mathilde«, pflegte Herr Mertens zu antworten, während er ruhig die Asche seiner Zigarre auf die kostbaren Teppiche des Wohnzimmers seiner Ehegattin blies.

»Meine Teppiche, Mertens, meine Teppiche!«

»Benjamin wird uns begleiten und die jungen Puppen bis zu ihrem fünfzehnten Jahr in allem Wissenswerten unterrichten, während du selbst …«

»Ja Benjamin, der alte Pedant …! In die Welt müssen die Mädchen, in die Gesellschaft …«

»Tatarata! In Eure Tees und wer weiß was für Gesellschaften. Eine so nüchtern und langweilig wie die andere, werden sie die Weisheit Salomons – nimm es mir nicht übel, Mathilde – auch nicht mit Löffeln verspeisen.«

»Aber Tournüre, Mertens, Tournüre!«

»Ei was … sei vernünftig, Mathilde! Die beste Tournüre, die ein Mädchen sich erwerben kann, ist die Fähigkeit, ihrem Zukünftigen sein Haus angenehm und komfortabel zu machen, wie du mir das meine angenehm und komfortabel gemacht hast. So denke ich. Du selbst wirst ohne Mithilfe ästhetischer Tees und musikalischer Soirees Mittel in dir finden, deine Töchter zu deinen eigenen Tugenden zu erziehen.«

Madame Mertens, ihrem Gatten herzlich zugetan und, abgesehen von ihren kleinen gesellschaftlichen Vorurteilen, eine exemplarische Hausfrau und Mutter, konnte diese wohlangebrachte und ihrem eigenen Gewissen nach wohlverdiente Schmeichelei nie ohne ein Lächeln befriedigter Eigenliebe vernehmen. Vielleicht war diese Anerkennung ihrer hausfraulichen Tugenden der einzige und süßeste Balsam für den bitteren Schmerz, den ihr der Gedanke an die Trennung von ihrer geliebten Vaterstadt machte.«

»Übrigens, Mathilde«, pflegte ihr Gemahl dann lächelnd fortzufahren, »werden sich dort auch noch Männer für die Mädchen und Gesellschaft für uns beide finden, und was die Indianerhäuptlinge betrifft, so möchte ich die fast lieber als meine Schwiegersöhne sehen, als einige der langweiligen, abgeschmackten und abgestandenen jungen Greise, die du mit besonderer Vorliebe zu beehren scheinst.«

Während täglich ähnliche Szenen und Gespräche zwischen Herrn Mertens und seiner Hausehre stattfanden, während täglich die langjährigen Geschäftsfreunde des geachteten Kaufmanns ihre ganze Beredsamkeit aufboten, ihn von seinem abenteuerlichen Unternehmen abzubringen, betrieb dieser in Stille mit umsichtigem Eifer die Vorbereitungen zu einem Unternehmen, das auf weitverzweigte Geschäftsverbindungen, umfassende praktische Kenntnisse und bedeutende Mittel gestützt, sich himmelweit von den abenteuerlichen Auszügen spärlich bemittelter oder ganz mittelloser unerfahrener und unpraktischer Landsleute unterschied, die sich nur bücken zu dürfen vermeinen, um die reichen Schätze der westlichen Hemisphäre ohne Mühe in ihre leeren Taschen zu stecken.

Es ist eine traurige Wahrheit, dass Tausende und Abertausende unserer unglücklichen Landsleute, die hoffnungsreich ihre letzten Mittel oder ihr einziges und bestes Eigentum, ihre rüstige Kraft, über das Weltmeer tragen, kaum angekommen am Ziel ihrer unruhigen Träume von Glück und Reichtum im qualvollsten Elend vergehen. Der deutsche Mann des Arbeiter- und Mittelstandes, an die ewige Bevormundung einer Regierung gewöhnt, die trotz alles Regierens und trotz des Beispiels fast aller übrigen europäischen Nationen es dennoch nicht der Mühe wertgehalten hat, dem Ausstrom der Übervölkerung im Paradies ein sicheres und geschütztes Bett zu bereiten, findet unpraktisch, unerfahren und unselbstständig sich dort in einer anhaltlosen Freiheit, die der unentwickelte Instinkt der Zivilisation nicht zu benutzen versteht. Unsicher und unentschlossen, ängstlich und schüchtern wie ein entsprungenes Haustier irrt er in den Marken und feldhüterlosen Flächen umher, eine leichte Beute der betrügerischen Lungerer, die von der Plünderung der Auswanderer leben.

Ich habe sie gesehen in den Hafenstädten der Neuen Welt, die sich den Teufel um den neuen Zuwachs aus der alten Wiege der Zivilisation kümmerten, mit offenem Mund verwundert ins Angesicht schauen. Ich habe sie gesehen, mager und heruntergekommen von der kläglichen Schiffskost der Auswandererschiffe, ihr eben so mageres Bündel schnürend, um hinaus in ein unbekanntes Land einer Zukunft entgegenzuwandern, gegen welche die europäische Vergangenheit oft noch ein Elysium war. Ich habe sie gesehen, hilflos und verzweifelt familienweise auf dem neu erworbenen Boden knien, ihr tränenloses Gebet, das Gesicht zu der fernen Heimat gewendet, um Erlösung zum Himmel zu senden, während das Stöhnen der Sterbenden und Verschmachtenden sich in ihre verzweifelte Klage mischte.

Der Deutsche ist kolonisationsfähig wie irgendein Volksstamm, aber die Ansiedlung muss unter der Protektion einer Regierung geschehen, an deren fürsorgenden Schutz er gewöhnt ist, an deren Edikten er sich aufrechterhalten kann. Es fehlt ihm infolge seiner staatsbürgerlichen Erziehung die fertige Selbstständigkeit, die ausdauernde Energie des Willens, die unermüdlich ratbereite Tatkraft, welche die Freiheit ihrer Institutionen der amerikanischen Rasse anerzog.

Auch der Gelehrte, der Künstler, der Arzt, welche die geistigen Schätze der europäischen Kultur in den rastlosen Strudel der großen amerikanischen Städte tragen, gelangen nur mit seltenen glücklichen Ausnahmen zum Ziel ihrer Hoffnungen. Nur zu oft endet die hochstrebende Laufbahn der tüchtigsten Männer in den niedrigsten Regionen der Gesellschaft, deren letztes Asyl das Spital ist.

Der unbeschränkte und unermüdliche Scharlatanismus der Neuen Welt hat diese Treibhauspflanze der alten Zivilisation weit überwuchert.

Nur der Geschäftsmann, dem amerikanischen Genossen gleich an Umsicht, Kenntnissen und praktischer Erfahrung, im Besitz der allmächtigen Wünschelrute, die jede Kraft zur Verfügung des Eigentümers stellt, der Geschäftsmann, der die alte Heimat verlässt, nicht um mit kleinen Mitteln im Schlaraffenland eine erträglichere Existenz zu begründen, sondern um mit großen Mitteln nach den Schätzen eines jungfräulichen Bodens zu graben, darf mit Sicherheit auf die Verwirklichung der verführerischen Versprechung rechnen, die in zehn Jahren die Verzehnfachung der angelegten Summen verheißt.

Herr Mertens, genau mit den transatlantischen Zuständen und den Erfordernissen einer großartigen Zivilisation bekannt, suchte vor allem eine Anzahl derjenigen Handwerker für sich zu gewinnen, die unentbehrlich für ein größeres Unternehmen in den fernen Distrikten selbst mit Geld nicht zu erlangen sind.

Nur unter genauer Prüfung ihres Charakters, ihrer Fähigkeiten, ihrer Gesundheit, besonderes Gewicht auf Waffenfähigkeit und militärische Ausbildung legend, die künftigen Partner durch das festeste aller menschlichen Bande, das Band des eigenen Vorteils an sich fesselnd, brachte er nicht ohne Schwierigkeiten eine kleine, aber auserlesene Gesellschaft zusammen, gleich geeignet zum gedeihlichen Schaffen als zum kräftigen Schutz des Erschaffenen.

Neben ihn an die Spitze des Unternehmens trat sein Bruder, der Hauptmann Mertens. Ingenieuroffizier in preußischen Diensten, ledig und unabhängig, mutig, entschlossen, fest und umsichtig, einer jener zähen und unverwüstlichen Charaktere, die sich von keiner Schwierigkeit zurückschrecken lassen, war er vollkommen geeignet, den merkantilen und industriellen Geist seines Bruders in einer anderen Richtung hin zu ergänzen und zu unterstützen.

Nachdem alle Vorbereitungen beendet, der letzte Widerstand der seufzenden Madame Mertens durch eheherrliche Autorität und zärtliche Anhänglichkeit beseitigt, die Furcht der Mädchen vor Indianern, Jaguare und Legionen von Schlangen und Alligatoren beschwichtigt und die letzte und furchtbarste Katastrophe der Abschiedstränen vorüber waren, schiffte sich der zukünftige Pflanzerpatriarch mit seiner ganzen Gesellschaft auf dem Dampfboot Philadelphia nach New Orleans ein.

In den eleganten und komfortablen Räumen eines Dampfschiffes in wenigen Tagen zur Neuen Welt hinüberzuschwimmen, lässt den Boden des Landes der Zukunft mit ganz anderen Gefühlen betreten, als nach der langen Höllenfahrt eines Auswandererschiffes. Ich glaube, dass die Behauptung nicht ganz unbegründet ist, welche einen Teil des künftigen Missgeschicks der Auswanderer von der tiefen geistigen und körperlichen Depression abhängig macht, mit der sie gewöhnlich die pestilenzialischen Räume dieser leider so schlecht beaufsichtigten Transportschiffe verlassen. Unsere väterlichen deutschen Regierungen scheinen die Auswanderer als ketzerische Abtrünnige von der alten überweisen Zivilisation zu betrachten, um deren Schicksal man sich nicht weiter zu bekümmern braucht. Mögen sie untergehen die perfiden Deserteure, welche die Wohltaten der christlich-germanischen Institutionen zu würdigen unfähig sind!

Nachdem Herr Mertens nach einer kurzen und glücklichen Fahrt und nach einem noch viel kürzeren Aufenthalt in New Orleans seine Familie im engeren und weiteren Sinn durch die Vermittelung eines gefälligen Geschäftsfreundes in dem aufblühenden Galveston so komfortabel wie möglich untergebracht, alle erhaltbaren Erkundigungen eingezogen, die notwendigen Pferde angekauft und einen ihm als zuverlässig empfohlenen Führer gefunden hatte, beschloss er, sich nach einigen Ruhetagen mit dem Hauptmann und drei seiner Kolonisten auf den Weg zu machen, um wie der israelitische Prophet das reiche Land der Verheißung zu suchen.

Es war an einem prachtvollen Märzmorgen, als Master Mertens, wie wir ihn nach der Ankunft in einem Land nennen wollen, wo unsere deutsche Nationalität so schnell vor der kosmopolitischen Macht des Englischen schwindet, mit seinem Gefolge die Küste von Indian Point bestieg, wo der Führer und die Pferde bereits seiner harrten.

Dieser Führer, eine unendlich wichtigere Person in einem Land, wo die bequeme Einrichtung der Wegweiser aus Mangel an Wegen bis heute noch nicht eingeführt ist, als der heimatliche Leser in seiner angenehmen Gewöhnung an Kirschbaum- und Pappelchausseen sich zu denken vermag, war der erste Gegenstand, der die besondere Aufmerksamkeit der beiden Brüder in Anspruch nahm.

Mr. Job Jenkins oder Job der Trapper oder auch schlechtweg Mr. Job war eine jener eigentümlichen Figuren, wie sie nur die Neue Welt an der äußersten Grenze der Zivilisation aufzuweisen hat. Fliehend vor dem Geräusch der vorwärtsdringenden Kultur flüchten sie ihr einsames Leben in die erhabene Wildnis des Urwalds oder der wogenden Prärien, stets bereit, weiter zu fliehen, wenn der erste Axthieb der Zivilisierer an den Wänden ihres rohen Blockhauses widerhallt. Was treibt sie hinaus in die menschenleere Wildnis, fern vom geselligen Umgang mit ihresgleichen? Fliehen sie den chaotischen Strudel der Zivilisation, aus dessen Tiefen der schmutzige Schaum der Gemeinheit und des Verbrechens hervorbringt? Ist es die Monomanie der Jagd, der Abenteuer und der wilden Gefahren der Wüste oder der unwiderstehliche Reiz der Majestät der Natur, das erhabene Gefühl der bedürfnislosen Selbstgenügsamkeit, das sie dem Kultus der Waldreligion und ihrem rauen und gefahrvollen Einsiedlertum gewinnt?

Mr. Job war ein kostbares Exemplar dieser seltsamen Rasse. Seine rauen, aber strengen und ehrlichen Züge, seine grauen, offenen und intelligenten Augen, seine gerade und feste Haltung nahmen im Verein mit seiner einfachen, aber sorgfältigen und reinlichen Kleidung und jenem unbeschreiblichen, unwillkürlich Vertrauen einflößenden Etwas, beim ersten Anblick für ihn ein.

Er stand zur Seite eines jener prachtvollen mexikanischen Pferde, in welchen sich die maurische Rasse in wunderbarer Kraft und Schönheit fortgepflanzt hat. Von glänzendem Schwarz mit breiter Brust, starken und breit angesetzten Beinen, gerader Kruppe und wunderbar schönen Kopf- und Halsformen, mit dem ganzen Luxus eines Indianerhäuptlings geschirrt, schaute es mit dem feurigen und intelligenten Blick um sich her, der dieser Rasse bei freundlicher und sorgfältiger Pflege vor allen eigen ist.

Der Eigentümer dieses stattlichen Tieres war mit einem dunkelgrünen, baumwollenen Hemd, das er nach Art unserer Blusen über einer hirschledernen Jacke trug, eng anschließenden Beinkleidern aus gleichem Stoff, schweren plumpen Schuhen, ledernen Gamaschen, die, mit der rauen Seite nach außen, bis zum Knie hinaufgingen, bekleidet. Ein rundes Käppchen aus feinem Rehfell, ebenfalls die raue Seite nach außen gekehrt, und mit dem Schwanz des blauen Fuchses eingefasst, lange mexikanische Sporen und ein Gürtel, der ein Paar sorgfältig gehaltener Pistolen und ein hirschfängerartiges Messer in lederner Scheide trug, vollendeten den Anzug. Am Stamm einer alten knorrigen Sycamore, unter deren zartgrün aufknospendem Laub er Schutz vor den bereits brennenden Sonnenstrahlen suchte, lehnte die lange doppelläufige Rifle, die treue Begleiterin seiner abenteuerlichen Züge. Zwei starke lederne Schleifen am Vorderteil des hohen mexikanischen Sattels trugen den glänzenden Tomahawk, während ein Mantelsack aus der Haut des grauen Präriewolfs die Decken und die wenigen Reisegeräte des genügsamen Führers enthielt.

Ein leises ironisches Lächeln überflog seine groben verwitterten Züge, als er Mr. Mertens und seine Gesellschaft in bequemen europäischen Reisekleidern auf sich zukommen sah.

Sein Pferd am Zügel führend, während ein langhaariger Bursche aus dem benachbarten Schankhaus die Pferde der Gesellschaft überwachte, ging er, die Ankommenden Mann für Mann mit seinen scharfen, grauen Augen musternd, ihnen mit der bedächtigen Gravität eines Indianerhäuptlings langsam eine kleine Strecke entgegen.

»Will Euch einen Rat geben, Masters – denn ich denke, Ihr seid es, die Job Jenkins hinaufführen soll«, sagte der Jäger nach kurzem und ehrerbietigem Gruß, »einen Rat, bevor wir noch ein Wort zusammen sprechen …«

Die deutschen Auswanderer schauten verwundert über den sonderbaren Empfang dieser transatlantischen Erscheinung bald sich, bald den alten Präriejäger an.

»Geht hinein«, fuhr Job Jenkins unbekümmert um den Ausdruck ihrer lebhaften Verwunderung fort, »geht hinein zum alten Toby, ein so dicker Schuft er auch ist, und fragt ihn, ob er Euch jedem ein passendes Kleid ablassen will. Dann packt Eure schönen Sachen in ein Bündel und schickt sie nach Galveston hinüber, denn so wahr dieser grün geputzte Dogwood im Winter seine prächtigen Blätter verliert, werdet Ihr nackend sein wie ein verlaufener Neger, bevor Ihr dreimal Euer Frühstück gegessen habt.«

»Wir werden Euch folgen, guter Geselle«, antwortete lächelnd Mr. Mertens, der über all seinen Plänen tatsächlich die Beschaffung geeigneter Bekleidung vergessen hatte. »Aber bevor wir dies tun«, fuhr er, den abenteuerlichen Führer mit dem prüfenden Blick des scharf sichtigen Kaufmanns betrachtend, fort, »lasst uns ein Wort miteinander sprechen, Mr. Job.«

»Wie es Euch beliebt, Sir.«

»Ihr wollt und könnt, wie ich höre, mich und meine Begleiter ein Stück westlich zu den Prärien hinaufführen, wo ich Land zu finden hoffe, das meinen Zwecken und Anforderungen entspricht?«

»Was das Können anbetrifft, so will ich Euch Land genug sehen lassen, von den Ufern des Colorado bis hinauf in die Jagdgründe der Chikasaw oder westlich hinüber zu den weiten Prärien, wo der edle Comanche den Büffel jagt«, antwortete der Jäger mit gutmütigem Lächeln. »Und was das Wollen angeht, so habe ich Eurem Freund Ferguson gesagt, dass ich will, und ich denke, das ist alles, was ein ehrlicher Mann sagen kann.«

»Gut, Mr. Job, und was zahle ich Euch für Eure Mühe? Vorausgehandelt und dann glatte Rechnung …«

»Man hört, wo Ihr herkommt, Mr. …«

»Mertens.«

»Und der dort, der Gentleman mit dem Soldatengesicht?«

»Mein Bruder, der Hauptmann Mertens.«

»Und kommt? Bin sonst nicht eben neugierig, Mr. Mertens, aber wenn ich mit jemand über den Waldgrund reite, so weiß ich gern, wer neben mir ist.«

»Wir kommen aus Deutschland …«

»Freut mich, halbe Landsleute, Mr.«, antwortete der Jäger dem Kaufmann, seine raue und schwielige Hand entgegenstreckend, während er mit der anderen sein Käppchen rückte. »Meine Mutter, Gott habe sie selig, die arme Kreatur, war auch eine Deutsche und hat mir oft von ihrer Heimat und den vielen und mächtigen Häuptlingen erzählt. Habe immer eine Vorliebe für die Deutschen gehabt; nicht so hart wie die Engländer, nicht so verschmitzt wie die Yankees und nicht solche Schufte wie die Spanier, Mr. Mertens.«

»Es freut mich, Euch so sprechen zu hören«, antwortete der Kaufmann, nicht ohne einen Anflug vornehmer Zivilisationsironie. »Um aber wieder auf unser Thema zu kommen, nennt Eure Forderung, Mann, und Ihr sollt zufrieden mit mir sein.«

»Ich bin kein Lohndiener«, antwortete der Jäger nicht ohne Empfindlichkeit. »Geld wäre ein beschwerlicher und unnützer Artikel in der Wildnis. Außerdem ist es mein eigener Weg, den ich Euch führe. Es ist Eure Natur, alles für Geld zu erkaufen, und ich will deshalb nicht böse mit Euch sein. Wenn Ihr also mein Pulverhorn füllen, meine Kugeltasche wieder schwer machen wollt, im Fall sie während unseres Zusammenseins bar werden sollten, und von Zeit zu Zeit einen Schluck aus Eurer Flasche über meine Zunge gleiten lassen wollt, so ist unser Handel geschlossen, wenn es Euch gefällt.«

Mr. Mertens, der trotz aller Lektüre, die Gefahren und Beschwerlichkeiten einer Reise von drei- bis vierhundert Meilen durch wilde und unwegsame Landstrecken bedenkend unterschätzte, nahm nach einiger Überlegung das freundliche Anerbieten des alten Grenzjägers an, obwohl er ihn lieber bezahlt haben würde, um nicht durch diese Verpflichtung zu gewissen Rücksichtnahmen gezwungen zu sein.

»Noch ein Wort, Mr. Deutscher«, fuhr er fort, den Hauptmann mit einem kurzen Good morning, Captain! begrüßend, als sie dem Schankhaus zuschreitend, die Pferde erreicht hatten, mit deren Besichtigung der Hauptmann eben beschäftigt war. »Mr. Fergusons Agent, der die Tiere hier angekauft hat, versteht sich besser auf Tabakblätter und Baumwollballen als auf vierfüßige Kreaturen, die Tag für Tag ihre vierzig Meilen durch die Wälder machen und in den Palmellos von Baumstamm zu Baumstamm springen sollen. Ein Pferd für die Wildnis, Captain, muss selbst noch bessere Beine haben als ein Pferd für den Feldzug, besonders wenn die Reiter, wie diese Gentlemen, mit ihren eigenen Füßen mehr Straßenpflaster als Prärieboden und Waldpfad betreten haben.«

»Aber woher andere und bessere Pferde bekommen?«, fragte Herr Mertens, durch diese ersten kleinen Fatalitäten fast unangenehmer berührt als durch alle übrigen Hindernisse, die er bereits zu überwinden gehabt hatte.

»Ich sollte meinen, sie wären nicht alle unbrauchbar«, bemerkte der Hauptmann, der unter den Sportsmännern der Garnison für ein Orakel gegolten hatte.

»Wahr gesprochen, Captain«, antwortete der Jäger, indem er seinem eigenen Pferd den breiten Zügel über den Hals warf, das, sich frei fühlend, nach einer prächtigen Lançade leicht und graziös einen vor ihm liegenden ziemlich hohen und breiten Haufen aufgeschichteter Baumstämme übersprang und dann wiehernd, die klugen Augen auf seinen Herrn gerichtet, stehen blieb. »Ihr werdet unter zehntausend Pferden vielleicht nicht eins finden, wie meinen Freund dort, den schwarzen Dan«, fuhr er, mit zärtlichem Lächeln seinem Liebling zuwinkend, fort, der, gehorsam dieser Aufforderung, mit zwei gewaltigen Sätzen wieder an seiner Seite stand, »aber ich denke, zwei von diesen Kreaturen hier werden es allenfalls tun, wenn Peitsche und Sporn ihrer gemeinen Natur zur rechten Zeit helfen … Lasst sehen, Captain, welchem von ihnen Ihr den Vorzug geben würdet?«

Der Captain, tatsächlich Kenner genug, um ein Jagd- oder Paradepferd für den Stall eines deutschen Liebhabers zu wählen, konnte trotz aller Eigenliebe und Selbstgenügsamkeit nicht auf die Sicherheit des Urteils von Leuten Anspruch machen, deren Leben so oft von der Zuverlässigkeit und Ausdauer ihrer Pferde abhängig ist. Nachdem er jedes der angekauften Tiere, die, wenn auch nicht von reiner mexikanischer Rasse, doch immer noch schön genug waren, um die Liebhaberei eines deutschen Hippologen zu bestechen, sorgfältig geprüft hatte, sagte er endlich zu seinem Bruder gewendet: »Diese beiden Ersten, der Goldfuchs und der Falbe, Bruder, sollten wohl imstande sein, uns beide mit Sack und Pack ein paar Hundert Meilen zu tragen, meint Ihr nicht auch, Mr. Jenkins?«

»Was den Fuchs anbetrifft, so will ich nicht Nein sagen, Captain«, antwortete lächelnd der alte Trapper, »aber der Falbe hat Euch mit seinem hübschen Kopf, seiner glatten Haut und seinen schlanken Beinen bestochen, wie die Stadt Jungfer den Farmer. Ihr würdet bald schlecht mit ihm fahren. Seht hier, seine Fesseln sind zu lang, seine Brust ist zu schmal, Kreuz und Beine zu schwach zur Strapaze … aber dort die mausefarbige Stute wird es tun, so wenig ihr graues Fell und ihr dünnhaariger Schweif auch sonst zu ihren Gunsten sprechen mögen.«

 

***

 

Es ist nicht unsere Absicht, die Geduld der freundlichen Leser mit der Erzählung der Details der weiteren Reisevorbereitungen und Abenteuer zu ermüden, die schon so oft vor uns von geschickterer Feder nach allen Richtungen hin geschildert worden sind.

 

***

 

Nachdem Job mit erfahrenem Auge andere Pferde für die unbrauchbaren aus der ziemlich zahlreichen Herde in der Fenz des alten Toby ausgewählt hatte, der mit dem Gewerbe eines Gastwirts und Krämers auch das eines Rosstäuschers verband, nachdem auf des Trappers Anraten, die mitgebrachten englischen Sattel der Gesellschaft mit amerikanischen vertauscht und alle Vorbereitungen mit notwendiger Vorsicht und Genauigkeit getroffen worden waren, setzte sich der Zug in Bewegung und erreichte nach fast dreiwöchentlicher beschwerlicher Reise den Anfang der bereits erwähnten Hügelreihe, die sich von den Fällen des Colorado bis an die Mündung des Pecan hinaufzieht.

Die Blicke der Reisenden ruhten mit Wohlgefallen auf diesem reizenden und fruchtbaren Tal, das alles in sich zu vereinen schien, einen landsuchenden Ansiedler zum Hüttenbauen zu verlocken.

»Ich will Euch ein Plätzchen zeigen«, sagte der alte Jäger, indem er mit halb traurigem, halb heiterem Lächeln, die erstaunten Gesichter seiner Begleiter betrachtete, die, auf dem Gipfel eines Hügels haltend, ihre Blicke bewundernd auf dieser entzückenden Gegend ruhen ließen. »Ich will Euch ein Plätzchen zeigen, wo Ihr wie im Paradies wohnen werdet, obwohl ich es …«, fügte er kleinlaut hinzu, »… eigentlich nicht tun sollte, denn meine eigene Hütte ist nur wenige Meilen davon entfernt. Seit länger als fünfzehn Jahren hat kein Geräusch als mein eigenes die Ohren meiner grauen Köter spitzen gemacht.«

»Wir werden Euch nicht stören, Job Jenkins«, antwortete der Hauptmann, während sein geschäftiger und rastloser Bruder bereits in Gedanken zur Messrute griff.

»Ich weiß das, Hauptmann, ich weiß das, und doch tut es mir fast leid, Euch hierhergeführt zu haben. Eine Schwalbe macht keinen Sommer, aber ein Ansiedler zieht einen Schweif hinter sich her, der das Wild aus den Wäldern, den Fisch aus den Flüssen und endlich auch den alten Waidmann aus seinem einsamen Haus vertreibt.«

»Aber wollt Ihr dies ergiebige und fruchtbare Land nicht lieber Euren unglücklichen, unnatürlich zusammengedrängten Mitmenschen gönnen, als den unvernünftigen Bestien, die jetzt darin hausen?«

»Ihr habt recht, Captain, früher oder später wird es doch so sein müssen. Auf den Ebenen, wo jetzt der Büffel weidet, werden sich Städte und Dörfer erheben und der schmale Indianerpfad wird sich in glatte und breite Landstraßen verwandeln. Aber Ihr könnt es einem alten Mann nicht übel nehmen, der fast ein halbes Jahrhundert ungestört von seinesgleichen im Schatten dieser majestätischen Wälder jagte, und wie ein einsamer König über die menschenleeren Prärien sprengte, wenn er mit Bedauern sich und die Geschöpfe, die hier von Anbeginn wohnten, von einer Flut zerstörender Eindringlinge vertrieben sieht.«

»Aber weshalb Eure Hütte verlassen, wenn wir uns ruhig und friedlich neben Euch anbauen?«, fiel Mr. Mertens, gerührt durch den kummervollen Ausdruck seiner rauen Züge, dem alten Jäger ins Wort. »Ihr werdet noch manchen Hirsch jagen und manchen Büffel um seinen fetten Buckel bringen können, bevor es hier lebendiger wird. Und außerdem wird eine Zeit kommen, wo Euer Auge weniger sicher und Eure Hand weniger fest sein wird und eine freundliche Teilnahme von Geschöpfen Eurer eigenen Rasse, Euch, wie ich denke, nicht unwillkommen sein dürfte.«

»Eure Weise ist nicht meine Weise«, antwortete der Alte rau. »Aber früher oder später wird es dennoch so sein müssen«, fügte er mit einem Seufzer hinzu. »Und so lasst es gut sein und gebt Euren Pferden die Sporen, denn sie werden noch manchen guten Sprung machen müssen, wenn wir vor Einbruch der Nacht mein altes Blockhaus erreichen wollen …«

Am anderen Morgen führte Job die landsuchenden Ansiedler an den Platz, wo jetzt Mertens House sich mit seinen ausgedehnten Wirtschaftsgebäuden und Vorratshäusern erhebt. Nach vorsichtiger Prüfung der Örtlichkeit, des Bodens, des Wassers und der Möglichkeit des Transports der Erzeugnisse auf den gelben Fluten des launischen Colorado kehrte Mr. Mertens mit dem alten Jäger, während der Hauptmann mit den Kolonisten in Jobs einsamer Wohnung zurückblieb, nach Galveston zurück, um die übrigen Ansiedler, die unentbehrlichen Schwarzen und alle übrigen Erfordernisse zu den Hügeln hinaufzubringen. Und noch vor dem Eintritt der kargen Jahreszeit war alles so weit hergestellt, um Mrs. Mertens, ihre lieblichen Töchter nebst ihrem ganzen weiblichen Hofstaat in die neue, mehr gefürchtete als ersehnte Heimat einführen zu können.