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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 15

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Zweiter Teil
Herr und Knecht
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Zweites Kapitel

Ein kollossales Gebäude, im edelsten Stil erbaut, ragte über alle anderen Häuser der Stadt Nemosia empor. Der weiße Stein, aus welchem es ausgeführt war, hatte sich dem Meißel des Künstlers willig gefügt und es möglich gemacht, dass auch in den kleinsten Teilen der Künstler der Form getreu bleiben konnte, welche er bei der ersten geistigen Auffassung seiner Schöpfung im Auge hatte. Das Hauptgebäude, ein ungeheurer Würfel, umgab ein weiter Hof, welchen wieder vier andere Häuser einschlossen. Diese verband eine Mauer von solcher Höhe, dass es niemandem vergönnt war, einen Blick in den Hof zu werfen. Nach vier Seiten hin führten Tore hinaus, deren Flügel so stark waren, dass alle Kraft daran scheiterte, wenn man sie etwa mit Gewalt hätte öffnen wollen.

Das Tor nach Norden zu war jedoch stets geöffnet, denn es führte in einen zweiten, kleineren Hof. Eine rund gebaute Mauer machte ihn zur Rotunde, in deren Mittelpunkt sich eine Kirche erhob. Die beiden Tore nach Westen und nach Osten führten ebenfalls in zwei solche Rotunden, doch hatten diese ein kriegerisches Ansehen, denn kleine Türme unterbrachen die runde Mauer und auf jedem Turm erblickte man einen Wacht haltenden Menschen. Nur das Tor nach Süden hin führte in keinen Hofraum, sondern bergab ging es da in die Straßen der Stadt. Aber dieses Tor war um so stärker befestigt, und auf demselben, auf seiner Brüstung oben, waren kriegsgerüstete Männer zu sehen.

Die innere Einrichtung dieses Gebäudes war ganz eigener Art. Sechs einfache, jonische Säulen trugen ein stumpfwinkliges Dreieck, in dessen Mittelpunkt ein Auge angebracht war, dessen Strahlen sich nach allen Seiten hin ergossen. Sieben Stufen führten durch dieses Portal auf den Flur des Hauses, der, lang und breit, an seinem unteren Ende eine große Tür von braunem Holz zeigte, einfach zwar, ohne alle Zier, doch geheimnisvoll, da weder Schloss noch Riegel zu sehen waren. Vom Flur des Hauses führten Treppen und Gänge durch alle eheste desselben. Zurr Rechten eine Stiege zu den prächtigsten Gemächern. Diese Pracht bestand aber nicht aus vergoldeten Zierraten, denn alles, was die Bequemlichkeit eines Menschen erheischen konnte, war in edler Einfalt zu schauen. Großartig aber und schweigsam trat dem Beschauer hier alles entgegen. Kriegerisches Rüstzeug und die Symbole des Christenglaubens vermählten sich zum glanzlosen Schmuck dieser Hallen. Sie führten den vielversprechenden Namen Palast, denn der Meister bewohnte sie, der Meister des kriegerischen Ordens der Tempelherren.

Andere Teile des Gebäudes waren den hohen Ordensbeamten eingeräumt und den Brüdern, welche Ritter waren. Aus den edelsten Geschlechtern entsprossen, so manchen Ritters Wiege umstanden schon Glanz und Pracht, begnügten sie sich hier mit dem, was ihnen der Orden um Gotteswillen gab. All ihr Tun, ihr Treiben war streng nach der strengen Ordensregel gemessen, das heißt, stets vollkommener zu werden in der Führung der Waffen für den christlichen Glauben, stets würdiger zu sein, durch Entsagung und beschauendes Leben, als Kämpfer für Christi Lehre.

Die Gebäude, welche den ersten Hof einschlossen, verrieten die weiseste Ordnung, denn hier war ein Marstall, den die kräftigsten Streitrosse füllten, sie gehörten den Rittern zu und mussten so stark sein, dass sie selbst geharnischt, den schwer geharnischten Mann tragen konnten; ausdauern im langen, harten Streit. Ein anderes Gebäude sollten wieder leichte, schnellfüßige Pferde, für die Turkopolen bestimmt, die leichte Reiterei.

In einem dritten Haus regte es sich geräuschvoll. Es hämmerte auf dem Amboss, und das Knirschen der Feile beleidigte das Ohr. In diesem Haus waren die Werkstätten der Brüder Handwerker. Alles Nötige an Waffen und Kleidungsstücken des Ordens wurde da verfertigt. Diese untergeordneten Brüder erhielten keinen anderen Lohn, was ihnen der Orden um Gotteswillen spendete. Das vierte Haus war das eigentliche Arsenal, die Rüstkammer des Ordens.

Unter allen Handwerkern zeichnete man in dem dritten Haus den Waffenschmied aus. Nicht allein die Kunst selbst erhob den Mann, welcher ihr angehörte, über diejenigen, welche anderes nützliches Gewerbe trieben, sondern auch der ganze Zweck eines kriegerischen Ordens musste denjenigen, welcher die Waffen verfertigte, auszeichnen. Auch war die Werkstatt des Waffenschmiedes die Größte unter allen. Der Gesellen gab es viele und auch einer stand ihnen als Meister vor. Bei den fortwährenden Kämpfen der Ritter vom Tempel, war stets Abgang an Waffen, denn in der christlichen Welt verstand man die Kunst nicht, gleich den Sarazenen, den Stahl zu härten. Manche gute Klinge flog unter dem sichelförmigen, zweischneidigen Messer der Sarazenen in Stücke.

Wie lebhaft durch vieles Geschwätz es auch sonst gewöhnlich in den Werkstätten herzugehen pflegt, hier hörte man kein überflüssiges Wort. Nur der Arm rührte sich, die Hand, und zuweilen nur der Mund des Meisters. Die Esse sprühte unaufhörlich, unter des Hammers gewichtigem Schlag schmiegte sich der spröde Stahl und keine Hand feierte, sondern sie schaffte nach ihrer Kraft. Hier sah man keine verkrüppelte Gestalten, gesund und kräfrig musste jeder sein, der dem Orden angehören wollte.

 

Der Meister hatte eben ein schönes Stück Eisen in der Esse, da läutete es zur None. Jeder Arm ruhte plötzlich, die Gesellen blickten auf den Meister.

Der aber sprach: »Geht ihr nur hin zum Gebet. Ich bleibe, denn die Regel lautet: So einer die Hände im Teig habe oder das Eisen im Feuer, braucht er nicht zum Gebet zu kommen. Er soll es aber für sich im Stillen sprechen.«

Darauf gingen die Gesellen von dannen, säuberten sich, dass sie auch ehrsam vor Gott erscheinen könnten, und eilten zur Kirche.

Es war still geworden in der Werkstatt, nur der Meister schmiedete mit kunsterfahrener Hand und dachte so für sich: Mit Gottes und der Heiligen Jungfrau Hilfe will ich ein Schwert zutage fördern, welches keinem Sarazenenstahl nachstehen soll. Der Meister selbst soll es führen, kein Ritter soll jemals solchen Stahl erprobt haben. Und der Meister schmiedete gar emsig, bis die Gesellen von der None wiederkamen.

Sie führten noch einen mit sich und sprachen: »Lieber Bruder Meister, wir bringen Euch hier einen neuen Bruder.«

Der Meister reichte dem Ankömmling die Hand, bewillkommte ihn brüderlich und fragte, aus welcher Stadt Frankreichs er käme.

»Ich komme von Paris«, war die Antwort, »jedoch habe ich da nicht gearbeitet. Meine Werkstatt war bei Meister Florian in Beziers.«

»Den kenne ich«, rief der Meister freudig, »wir haben die Lehrjahre miteinander durchgemacht. Doch an die Arbeit, liebe Brüder!«, befahl er den Gesellen. »Tut Eure Pflicht und Schuldigkeit um Gotteswillen!«

Und gehorsam dem Wort des Meisters wandten sich die Gesellen von dem neuen Bruder, dessen Worten sie wohl gerne lauschen mochten, und taten ihre Pflicht und Schuldigkeit um Gotteswillen. Der Meister aber prüfte den neuen Ankömmling, fragte ihn, wie weit er es gebracht habe in der Kunst.

Balthasar aber errötete und sprach: »Lieber Bruder Meister, lasst mich eine Probe ablegen in der Tat, denn lobte ich mich, so stände es mir schlecht an. Ihr dürftet mich darum verachten.«

»Recht, recht so, lieber Bruder«, belobte ihn der Meister. »Das Werk muss sprechen, nicht der Mund. Sieh, lieber Bruder, ich habe hier ein schweres Stück Arbeit. Ein Schwert denke ich zu schaffen mit Gottes Hilfe und der Heiligen Jungfrau, welches keinem Sarazenenstahl nachstehen soll. Hart muss er sein und nicht spröde; es ist ein schweres Stück. Was denkst du, lieber Bruder?«

Da leuchtete es auf in Balthasars Augen, und er sprach zum Meister schnell beredeten Mundes: »Wenn Ihr es vergönnen wollt, lieber Bruder Meister, so erzähle ich Euch, was mir einmal Meister Florian vertraute. Ihm wurde es vor langen Jahren, ich weiß nicht wo, von einem Normannen erzählt, jedoch ist es nicht ganz ohne.«

»Ich bin begierig, sprich, lieber Bruder.«

»Als nur noch blinde Heiden auf Erden hausten, als man das Kreuz noch nicht kannte, da herrschte hoch im Norden ein mächtiger König. Der König hatte ein Töchterlein, schöner als der schöne Tag und das Ziel der Wünsche von des Königs Degen. Zwei von ihnen, seine besten Kämpen, warben zugleich um der Tochter Hand, des einen Helm und Rüstung war undurchdringlich, und des anderen Schwert nicht zu brechen, denn beide waren sie Meister in der Kunst der Waffenschmiede.

Der König ward verlegen. Er konnte dem einen nicht den Vorzug vor dem anderen geben und sprach nach langem Sinnen: »Ihr wackeren Degen! Dass ihr um mein Töchterlein zugleich werbt, das freut mich um meines Töchterleins willen. Es schmerzt mich aber um einen von Euch, denn beide seid Ihr Eurem König lieb und wert. Drum will ich Euch prüfen. Der Waffenschmiedekunst obliegt Ihr, der Edelsten, die es gibt. Schafft daher das Unübertrefflichste in dieser Kunst; du einen Helm und Harnisch und du ein Schwert. Wer das Beste zutage fördert, dem soll mein Töchterlein zur Frau werden.

Die beiden Degen verließen den König und taten wie er geheischt. Der schmiedete Helm und Harnisch, jener ein Schwert. Glühend, wie der Funke vom Eisen sprüht, glühte das kunstvoll gearbeitete Schwert. Der Meister aber sprach zum Schwert: ›Nicht schön allein will ich dich, sondern auch gut.‹ Er ließ einen Sack mit Wolle gefüllt in den Fluss werfen, welcher sanft seine Wasser trieb. Er stellte sich mit dem Schwert in die Mitte des Flusses und harrte des Sackes mit Wolle. Langsam kam dieser dahergeschwommen. Des Schwertes Schneide hielt er vor die Wolle, nur zwei Zoll aber, und nicht weiter drang es hinein. Das wurmte ihn, er sann auf Mittel, ein besseres Schwert zu machen.

In seiner Werkstatt zermalmte er den Stahl, bis er Staub geworden war. Seine Knechte mussten ihm eine Unzahl Vögel fangen, deren Futter er mit diesem Staub vermischte. Als nun die Käfige gereinigt waren, behandelte der Meister den Dünger wie rohes Erz, gewann das reine Metall und schmiedete aus demselben wieder ein künstliches Schwert. Auch prüfte er es gleich wie das erste Mal; und siehe da, das Schwert durchschnitt die Wolle.

Der bestimmte Tag erschien. Der König versammelte seine Großen und seine besten Degen fanden sich ein; der eine mit seinem Schwert, der andere mit Helm und Panzer. Keines Menschen Blick konnte auf diesem Helm harren. Gleich einer Sonne blendete er. Er zierte des Meisters Haupt, der ruhig und selbstbewusst unweit vom König saß. Die Prüfung sollte beginnen, der König gebot, mit dem Schwert einen Streich auf den Helm zu führen. Aber der Meister trat heran, zog das Schwert und legte seine Schneide auf den Helm des Nebenbuhlers.

Darauf fragte er ihn: »Wie ist dir?«

»Mir ist, als ob mir ein Tropfen Wasser durch den Körper gegangen wäre.«

»So schüttle dich einmal!«

Der Nebenbuhler schüttelte sich; und siehe da, in zwei gleichen Hälften fiel sein Körper auseinander. Das Schwert hatte ihn durchschnitten.«

Balthasar schwieg.

Der Bruder Meister schüttelte sinnend den Kopf und nach einer Weile sprach er darauf: »Es ist zwar eine Mär, doch sie enthält tiefen Sinn und gute Lehre. Du gefällst mir und ich denke, du wirst dem Orden Ehre bringen. Geh an die Arbeit. Wenn wir die Komplet gehört haben und zu Bett gehen, dann bleibt wohl noch ein wenig Zeit zum lehrreichen Gespräch übrig.«

Der Geselle tat, wie ihm befohlen worden war. Kaum regten sich seine Arme zur Arbeit, so trat ein Ritter herein, dessen kühnblitzendes Auge, dessen Heldengestalt einen Mann verriet, der gern in der Werkstatt eines Waffenschmiedes weilte, da sie ihm das Nötige zum Waffenhandwerk lieferte. Man erwies ihm hier die Ehrfurcht, welche einem Superior des Ordens gebührte.

Nachdem er freundlich gedankt hatte, wandte er sich an den Meister: »Spute dich, Bruder, damit ich mein Schwert bald habe und mir auch Zeit bleibt, es zu versuchen. Treulos darf es nicht wieder sein, denn wenig fehlte, dass ich erschlagen worden wäre.«

»Es war nicht von meiner Arbeit, edler Herr. Für die Güte meiner Schwerter bürge ich mit Leib und Leben!«

»Das kannst du nicht. Wer so wie ich beinahe jeden Tag sich mit den heidnischen Hunden versucht, der lernt das Ding schon besser kennen. Der Satan selbst muss in seiner höllischen Esse ihren Stahl härten, denn unbegreiflich ist es, wie mein gutes Schwert in Stücke flog. Wie manchem Sarazenen hat es darniedergeschlagen, und jetzt …«

»Ja, ein treues, lang geprüftes Schwert einzubüßen, das geht einem an das Herz.«

»Wahr! Das habe ich empfunden. Es war, als ob ein Teil von mir selbst von mir gewichen wäre. Sag mir doch, ist dieses Schwert, welches du eben schmiedest, für irgendeinen Bruder bestimmt?«

»Das nicht, edler Herr, doch wollte ich es dem Meister, unserem Herrn …«

»Das ist wacker, doch mir musst du ebenfalls ein Schwert schaffen, welches deiner Kunst Ehre und dem Orden Ruhm bringt.«

»Mit Gottes Hilfe werde ich es zutage fördern. Wenn Ihr wieder das Panier in Gottes Namen erhebt, dann blitze es zum ersten Mal dem Feind entgegen.«

»Du versprichst zu viel, denn wisse, der Meister rüstet in Ninove schon wieder alles zu einem neuen Zug. Die Galeeren liegen bereit, und ehe du es denkst, wird der Herold rufen.«

In diesem Augenblick meldete man dem Marschall, vor dem Tor hielte ein Tempelritter, dessen Gefolge auf hohen Stand schließen lasse. Eiligst entfernte sich der Marschall, um den Ankommenden selbst zu empfangen.

»Ein böses Omen«, murmelte der Meister in den Bart. »Das Schwert gebrochen in der Hand des Vorkämpfers! Ja, ja, der Zorn des Himmels offenbart sich auf mannigfache Art und eine Züchtigung verdient so mancher unter den Rittern. Bin nun schier zwanzig Jahre aufgenommen, aber wie es jetzt hergeht – na, das Beste ist, man denkt das Übrige.«

Der Meister hämmerte frisch drauf. Er schien zornig.