Heftroman der Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Gespenster – Erster Teil – Neunzehnte Erzählung

Die-GespensterDie Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Erster Teil
Neunzehnte Erzählung

Von spukenden Kalbsknochen und Steinen, welche von einer unsichtbaren Kraft in Bewegung gesetzt wurden, und zum Teil die Richtung zu den Köpfen der Anwesenden bekamen

Gerade zu der Zeit, als man auf Veranlassung des Teufelsgesellen Gaßner in Bayern sowie fast in ganz Deutschland dem Teufel den Krieg erklärt hatte, wäre es dem Bösen bald gelungen, die Welt aufs Neue von den furchtbaren Äußerungen seiner körperlichen und dennoch oft unsichtbaren Gegenwart zu überzeugen. Zum Tummelplatz hatte er sich den Kaysersheimer Hof zu Ingolstadt ausersehen. Die Waffen, womit er hier focht, und einigen Ungläubigen den Glauben an sein mondsüchtiges Dasein gleichsam in die Hand gab, waren vorzüglich Stiefelknechte, Kalbsbeine, Kapaunknochen und Steine. Hier sind die näheren Umstände seines Unfugs und des dadurch gegebenen Ärgernisses:

Im Jahre 1768 studierten auf dem Kaysersheimischen Kollegium unter anderen ein Herr von Kolb die Rechte, und Herr Joseph M. die Gottesgelehrtheit. Beide wohnten auch auf demselben. In dem Schlafgemach dieser Studenten entstand am 10. Juni gegen Mitternacht plötzlich ein erschreckliches Gepolter. Es war nicht anders, als ob die leeren Bettgestelle, welche neben den ihren standen, auf das Gewaltsamste in tausend Stücke zertrümmert würden.

Dies sonderbare Ereignis machte zwar den nächsten Morgen, sobald es allgemein bekannt geworden war, einiges Aufsehen. Der Direktor des Kollegiums achtete indessen wenig darauf, weil er glaubte, dass vielleicht irgendeiner von den mutwilligen Studierenden sich unvermerkt in das Schlafgemach geschlichen haben mochte, um die Herzhaftigkeit der genannten Herren dadurch auf die Probe zu stellen. Übrigens machte er bekannt, er müsse sich für die Zukunft dergleichen Ruhestörungen ernstlich verbitten, und werde, wenn es sich der Polterer dennoch einfallen lassen sollte, seinen Unfug zu erneuern, alles genau untersuchen. Auch setzte er auf den Übertretungsfall eine der Sache angemessene Strafe fest.

War jenes Poltern wirklich nur das Blendwerk irgendeines Spaßvogels unter den Studenten, so hätte man dieser polizeilichen Anordnung wegen, in der Tat erwarten sollen, man werde sich wohl hüten, den gefährlichen Scherz fortzusetzen. Allein dem Teufel waren diese Drohungen ein Reiz mehr, des Direktors zu spotten und ihn schadenfroh in die Enge zu treiben.

Kaum war es am 11. Juni Abend geworden, so begann das Toben des Gespenstes in Gegenwart mehrerer Studenten von Neuem. Es ertönten plötzlich ein Paar zerschmetternde Schläge und ein schrecklicher Regen von Schuhbürsten, Stiefelhölzern und Kaffeegeschirren stürzte teils auf die Bettgestelle, teils unter die Gegenwärtigen hin. Glücklicherweise wurde niemand von den Letzteren verletzend getroffen.

Man holte eiligst den Direktor herbei. Kaum aber war er in den verrufenen Saal getreten, so warf der Poltergeist keck auch ihm ein Stiefelholz an den Kopf. Höchst aufgebracht und noch immer in der Meinung, auch diese Art, ihn zu begrüßen, rühre von einem verwegenen Studierenden her, ließ er, ziemlich herzhaft, die Anwesenden aus dem Zimmer treten, verriegelte von innen beide Türen desselben und untersuchte alles im ganzen Spukzimmer auf das Genaueste. Aber er fand weder in noch unter den Betten und Bettgestellen, noch irgend anderswo auch nur die kleinste Anzeige eines ihm gespielten Betruges. Indessen sammelte er alles, womit man werfend ein Geräusch hervorbringen oder jemanden verwunden konnte, und verbarg es geflissentlich zwischen den Betten. Nichtsdestoweniger begann nach Verlauf einer Viertelstunde, während welcher sich der Direktor keinen Augenblick aus dem Saal entfernt hatte, das Poltern in Gegenwart mehrerer Herren abermals. Das Auffallendste dabei war, dass eines von eben den Stiefelhölzern, welche jener tief unter ein Bett gelegt und versteckt hatte, aus seiner ihm geheim angewiesenen Verborgenheit hervorkam, und – als hätte ihm der Teufel Leben geliehen – gegen eine leere Bettstelle flog. Es entstand dadurch ein gewaltsames Lärmen. Und doch war dies wunderbar beflügelte Holz nur der Vorläufer von mehreren ähnlichen spukhaften Erscheinungen. Denn ihm folgten bald Stücken Holzes von aller Art und manches Buch. Schauderhaft war der Anblick aller dieser auf einen Augenblick belebten sonst toten Waffen. Aber auch hocherfreulich war der glückliche Umstand, dass es der belebenden Zauberkraft für dieses Mal nicht gelang, den Waffen eine mörderische Richtung zu den Köpfen der Anwesenden zu geben.

Der Direktor glaubte indessen beobachtet zu haben, dass der Geist namentlich den Juristen, Herrn von Kolb, aufs Korn gefasst und zum Gegenstand seiner Verfolgung gemacht habe. Er bettete daher ihn und seinen Schlafgefährten aus dem Spukzimmer weg, in ein anderes Gemach hin, und verschaffte ihm dadurch, wenigstens für die nächste Nacht, Ruhe.

Am 12. Juni ließ der Direktor schlechterdings alles, was zum Werfen tauglich war, aus dem Schlafsaal ausräumen. Aber dennoch begann gegen Nacht das Poltern daselbst von Neuem.

Hatte der Teufel keine Stiefelhölzer mehr, so warf er nun, aus allen Gegenden des Spukzimmers, mit Steinen, deren einige die Schwere eines Viertelpfundes hatten.

Um sich selbst und die übrigen Herren noch vollkommener zu überzeugen, dass das Weltkind, Herr von Kolb, insbesondere den Teufel gereizt und wider sich aufgebracht haben müsse, stellte der Direktor folgende Versuche an. Er verriegelte sich nebst mehreren anderen geistlichen Herren innerhalb des Tummelplatzes des Teufels – und siehe, der Schwarze wagte es nicht, sich unter sie zu mischen und sie polternd von seiner Gegenwart zu überzeugen. Hierauf ließ er mehrere weltliche Herren und selbst die Bediensteten des Stiftes, aber alle einzeln, hereinkommen, ging mit jedem derselben unter gleichgültigen Gesprächen im Saal auf und ab, und auch jetzt war alles ruhig. Sobald aber zuletzt die Reihe an Herrn von Kolb kam, ja mit dem nämlichen Augenblick, in welchem er in den Saal trat, war im eigentlichen Sinne der Teufel los. Er tobte unbändig in Gegenwart einer Menge Beobachter, und Steinchen, von unsichtbarer Kraft beflügelt, kreuzten sich.

Der Direktor wiederholte, nach Aussage seines aktenmäßigen Berichtes, seine sogenannte Untersuchungen noch viermal, und immer ergab sich aus dem nämlichen Erfolg ganz klar, dass der Teufel und Herr von Kolb gewaltig über den Fuß gespannt sein müssten. Er führte daher diesen in dessen gestriges ruhiges Schlafzimmer und machte dann, laut Protokoll, seinen Rückzug in bester Ordnung.

Aber dem armen Juristen wurde die Ruhe, welche er hier in der vorigen Nacht gefunden hatte, nicht wieder zuteil. Erst nachdem das spukhafte Toben des Poltergeistes um ihn und seine Schlafgenossen herum eine ganze Stunde ununterbrochen angehalten hatte, gefiel es dem Teufel, sich endlich auch zur Ruhe zu begeben.

Tags darauf, den 13. Juni, bot der Direktor sein bisschen Untersuchungsgeist nochmals auf, ob vielleicht doch noch irgendeine natürliche Ursache des Polterns und Werfens aufzufinden sein mochte. Da aber alle seine angewandten Bemühungen vergebens waren, so lud er einige benachbarte geistliche Herren zu sich ein, die in dem Ruf sehr erfahrener Geisterbändiger standen. Da sie dem Teufel wo möglich noch jämmerlicher auf die Zähne fühlten als der Direktor selbst, so werden ihre Namen für meine Leser wohl kein besonderes Interesse haben und bei ihrem Inkognito eher gewinnen als verlieren.

Genug, dass auch sie des Abends beim Eintritt in den Bettsaal vom Teufel mit einem gewaltsam hingeworfenen halben Dachziegel begrüßt wurden. Genug, dass auch in ihrer Gegenwart dem so grausam verfolgten Herrn von Kolb unter anderen auch ein Kieselstein, neunundzwanzig Lot schwer, dermaßen an den Kopf geworfen wurde, dass ihm der Hut vom Kopf fiel. Genug, dass auch ihre Prüfungen des bösen Geistes das Resultat gaben.

»Es sei hier an keinen etwaigen Menschenbetrug zu denken.«

Was war also zu tun? Man schritt zu förmlichen Teufelsbeschwörungen, welches Geschäfte sich Pater Ivo, ein Franziskaner, vorzüglich angelegen sein ließ. Gleich beim ersten Exorzismus spie der so in die Enge getriebene unsichtbare Teufel eine Menge Kalbsknochen und Steinchen aus, welchen allen er die Richtung auf Herrn von Kolb zu geben wusste. Um dem armen Verfolgten einigen Mut einzuflößen, ergriff der Direktor seine rechte Hand und erlaubte ihm, sich mit der Linken an seinen Leibgürtel festzuhalten. Aber auch jetzt erfolgte ein mörderischer Steinwurf. Der Stein flog vor des Direktors Gesicht vorbei und fiel zu den Füßen des Herrn von Kolb nieder. Dieser stürzte von der fortreißenden Gewalt des Wurfes zu Boden und blieb mit ausgestreckten Händen auf der Erde unbeweglich liegen. Die Füße aber warf er verzweiflungsvoll nach allen Richtungen hin, als wolle er sich so den Schwarzen selbst vom Leibe halten.

Nach Beendigung des ersten Beschwörungsakts hob man ihn halb tot vom Boden auf und setzte ihn auf einen Sessel. Ein kalter Angstschweiß lief ihm über das Gesicht herab. Pater Ivo versuchte nun eine andere Art von Exorzismus, kraft dessen Herr von Kolb zwar gleich anfangs die Augen wieder aufschlug, aber zugleich mit beiden Händen ununterbrochen nach einem und dem nämlichen Ort in die Luft schlug, als ob er sich eine ihn bedrohende und ihm allein sichtbare Erscheinung vom Halse halte.

Endlich kam er wieder zu sich. »Jetzt ist es vorbei!«, waren seine ersten Worte. Auf die Frage, wie ihm zumute gewesen war, antwortete er, er habe geschlafen und beim ersten Öffnen der Augen eine Schöne im blauen Rock und roten Mieder erblickt, auf deren Schultern ein Vogel gesessen habe, dessen Flügel kleine und geschwinde Schwingungen gemacht hätten.

In der nächstfolgenden Nacht war alles ruhig. Aber am 14. Juni abends um halb acht Uhr zerschmiss der Poltergeist wieder mehrere Fensterscheiben des Bettsaals; und zwar in eben dem Augenblick, in welchem ein Geistlicher des Stifts der Macht des Teufels durch Anheftung geweihter Pieblinger Kreuze an die Bettgestelle Schranken setzen wollte.

Herr von Kolb, der im Saal gegenwärtig war, suchte nun sein Heil in der Flucht. Aber der Geist warf während des eilfertigen Hinablaufens von der Treppe einen gewaltigen Kalbsknochen hinter ihn her. Ob er gleich nicht von dem Knochen berührt wurde, so hatte doch der Zauberwurf die teuflische Kraft, den Laufenden auf der untersten Stufe festzumachen, das heißt, Herr von Kolb kam durchaus nicht mehr von der Stelle. Ein geistlicher Herr, den es im Saal ebenfalls bangte, und der jenem nacheilte, traf ihn an, wie er auf den Zehen des einen Fußes stand und mit dem anderen stark verrenkten Fuß in der Luft zappelte. Er bekreuzigte den Gebannten, worauf der ausgerenkte Fuß sogleich wieder in die gewöhnlichen Fugen einsprang und dessen Eigentümer davonging, als wäre ihm nichts widerfahren. So nahm die Keckheit des Gespenstes sichtbar zu, und das teuflische Einwerfen der Fenster hörte auch in Gegenwart eines dazugekommenen Paters noch immer nicht auf.

Bei so bewandten Umständen glaubte der Direktor, mit Herrn von Kolb die Beschwörungen nicht eher wieder anfangen lassen zu dürfen, als bis dieser sein Gewissen gereinigt und sich durch eine Ohrenbeichte gegen die Macht des Teufels mehr gesichert haben würde. Dies geschah dann auch unverzüglich. Der Jurist beichtete dem Pater Ivo in der Kirche beinahe eine Stunde lang. Beide kehrten endlich vergnügt zurück, und der Pater begann das feierliche Werk der Beschwörung in bester Form von Neuem.

Weg war der Teufel! Es erfolgte auch nicht ein Zauberwurf mehr. Man hörte nicht ferner spukhaft poltern. Niemand erblickte noch eine weibliche Erscheinung. Niemand wurde fernerhin entzückt, niemand gebannt, kurz, alles war ruhig!

Während der Beichte hatten sich einige Hundert Offiziere, Juristen und andere Einwohner der Stadt, in welcher der Teufel vier Tage lang ein Ärgernis gegeben hatte, in dem Bettsaal versammelt. Wahrscheinlich hatten sie, die nicht so wie die geistlichen Herren in dem Schlamm des Aberglaubens tief versunken waren, die wohltätige Absicht, dem Pfaffengeschwätz von Teufelswirkungen durch das Aufsuchen der natürlichen Ursache des anscheinenden Wunders ein Ende zu machen. Sie alle, die mit Ungeduld die Vollendung jener langen Beichte erwartet hatten, mussten nun mit einer langen Nase abziehen.

Vielleicht wäre es der Untersuchungskommission, die nach eingelaufenem Bericht vom Hergang der Sache auf höheren Befehl nach Ingolstadt abreiste, nicht besser ergangen, wenn die Wahl dieser Gesandtschaft zufällig auf einen weniger erleuchteten und weniger redlichen Mann gefallen wäre. Aber glücklicherweise sandte Kurfürst Joseph Maximilian seinen Leibarzt, Herrn Geheimrat von Wolter, dahin ab. Da indessen die Nachricht von seiner Ankunft früher als er selbst zu Ingolstadt eintraf, so verließen Pater Ivo, Herr von Kolb und mehrere andere bei guter Zeit den Kaysersheimer Hof und reisten unter irgendeinem Vorwand nach Hause.

Die Kommission ließ sich indessen dadurch von einer gründlichen Untersuchung der gespielten Teufelei nicht abhalten. Herr Geheimrat von Wolter reiste zunächst Herrn von Kolb nach, der sich auf dem väterlichen Gut Niederschönfeld aufhielt, und bat ihn, ihm wo möglich einiges Licht in der Sache zu geben. Ohne Anstand und mit einer Wahrheitsliebe, die ihm zur Ehre gereicht wurde, erzählte Herr von Kolb den durch kein Vorurteil entstellten Hergang der Sache und verbreitete dadurch nicht einiges, sondern volles Licht über die bis dahin unaufgeklärte Gespenstergeschichte.

»Mehrere Konviktoren des Kaysersheimer Hofes«, begann er, »waren mit mir gleich eingesperrten Vögeln unseres Käfigs herzlich überdrüssig. Jede gute Gelegenheit zur Wiedererlangung unserer Freiheit wäre uns gleich willkommen gewesen, aber lange bot sich uns gar keine dar. Ohne Plan und Absicht machten wir uns in der ersten Spukzeit aus bloßer Langeweile durch Klopfen und Werfen einander graulich. Da aber diese höchst unbedeutenden Äußerungen des Mutwillens bald zu den Ohren der betagten geistlichen Herren gelangten und von ihnen für unendlich wichtig, ja für das Werk des leibhaftigen Teufels selbst, gehalten wurden, so brachten sie uns dadurch zuerst auf den Gedanken, dass wir uns vielleicht mittels des fortgesetzten Possenspiels den Weg zur Freiheit bahnen würden. In der Tat gaben uns die abergläubigen Vorgesetzten gar zu starke Blößen. Sie waren nun einmal vom vorgefassten Wahn benebelt und erblindeten durch unser ohne alle Vorsicht vorgespiegeltes Blendwerk immer mehr. Die Verblendung dieser Herren ging so weit, dass sie bei mehreren Gelegenheiten, wo wir unvermerkt Steine in einer bloß senkrechten Richtung aus der Hand auf die Erde fallen ließen, in allem Ernst glaubten und laut versicherten, diese Steine wären dicht vor ihrem Gesicht vorbei durch die Luft geflogen gekommen.«

»Aber woher der kalte Schweiß«, fragte der Geheimrat, »welcher während der Teufelsbeschwörungen auf Ihrer Stirn ausbrach? Woher die weibliche Erscheinung, welche Sie damals sahen?«

»Alle meine Spukverbündeten«, antwortete Herr von Kolb, »werden es mir bezeugen, dass ich so wenig wie sie bei dem tollsten spukhaften Geräusch auch nur die geringste Furcht geäußert habe. Und bei einem bisschen Menschenkenntnis hätten Direktor und Konsorten schon daraus sogleich mit Zuverlässigkeit erkennen müssen, dass wir selbst, und nicht der Teufel, spukten. Indessen muss ich aufrichtig bekennen, mich wandelte eine gewisse Bangigkeit an, als Pater Ivo, der mir das Teufelsbeschwören so fürchterlich vorgestellt hatte, nun wirklich seine erschrecklichen, schaudererregenden Beschwörungsformeln begann. Und in der Tat, es fehlte nicht viel, ich wäre mit Leuten, welche, mit Köpfen voller törichten Wahns, mich albern behandelten, bald selbst närrisch geworden.

Sollte indessen die Torheit aller Art auch wirklich so ansteckend sein, wie man aus Erfahrung wissen will, und sollte ich auch das alte, in mancher Hinsicht wahre Sprichwort Man zitiere den Teufel nicht, der kommt wohl ungerufen! an mir selbst bewährt gefunden haben, so ging doch meine Verblendung keineswegs so weit, dass ich mir hätte einbilden sollen, etwas, das nicht gegenwärtig war, vor mir zu erblicken. Vielmehr klang in meinen Ohren der Unsinn der Beschwörungsformeln bald so unausstehlich ekelhaft und widerstand meiner Vernunft dermaßen, dass ich mich desselben sobald wie möglich zu entledigen suchte. Ich glaubte am Ende, dem Mann zu Willen leben zu müssen, der mir vor dem Anfang der Beschwörung so oft und so zuversichtlich vorhergesagt hatte, die Hexe oder das Gespenst müsse, kraft des Exorzismus, schlechterdings sichtbar vor meinen Augen erscheinen.«

Herr Geheimrat von Wolter war hoch erfreut über diese baldige Aufklärung des großen Dunkels und machte Herrn von Kolb wegen der gespielten Gaukelei nicht weiter verantwortlich. Vielmehr verzieh er ihm gerne, da er so bereitwillig, so zuvorkommend der Wahrheit die Ehre gegeben hatte. Indessen musste er auf kurze Zeit mit ihm zum Kaysersheimer Hof zurückfahren, um daselbst jeden für die Wahrheit Empfänglichen drakonisch zu überzeugen, dass der Schein oft trüge. Übrigens bat Herr von Wolter die Vorsteher des Kollegiums menschenfreundlich, künftig bei ähnlichen Ereignissen mit mehr Vernunft und weniger Vorurteilen zu untersuchen, damit sie sich nicht wieder dem Gelächter des Publikums preisgeben möchten. So würden sie dann auch nicht zum zweiten Mal in die Versuchung geraten, zur Abwendung dieses Gelächters, ganz dem Charakter des ehrlichen Mannes zuwider, noch nach geschehener Beichte, die Gaukelei der Teufelsbeschwörung fortzusetzen, bloß, um denkenden Männern Sand in die Augen zu streuen.