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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Erster Teil – Sechzehnte Erzählung

Die-GespensterDie Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Erster Teil
Sechzehnte Erzählung

Von einem Gespenst, welches in einem alten Rittersaal sein tobendes Wesen trieb und gerne das Licht ausblies

Im Pfingstfest des Jahres 1748 besuchte Herr Oberamtmann Kamlah zu Harpke mit Familie seinen Bruder zu Emden, einem Dorf zwischen Helmstedt und Magdeburg. Da der Platz zum Beherbergen eher fehlte, als übrig war, so ließ er, für seine Person, es sich recht gern gefallen, dass man ihm ein Zimmer in dem alten Schulenburgischen Schloss daselbst zum Übernachten anwies.
Dieses Schloss stand damals allgemein im Geruch der Spukerei. Zwar tobte der Kobold in demselben oft auf eine unausstehliche Weise. Allein dem Oberamtmann, einem einsichtsvollen und entschlossenen Gegner aller Poltergeister, war das um so lieber, denn er hoffte, bei dieser Gelegenheit irgendeine Entdeckung zu machen, wodurch das Reich der Wahrheit, wenigstens verneinend, gewinnen würde.
Er wählte zu seinem Schlafgemach absichtlich ein Zimmer neben dem großen Rittersaal, in welchem des spukenden Polterns vorzüglich viel sein sollte. Nachdem er Pistolen und Degen über seine Schlafstätte aufgehängt und mit einem treuen Diener die Übereinkunft getroffen hatte, dass man einander auf den ersten kleinsten Laut, den das Gespenst von sich hören lassen würde, erwecken wolle, legte er sich ruhig zu Bett. Kaum eingeschlafen erwachten beide zugleich von einem fürchterlich lauten dreimaligen Klatschen, wovon der weite Rittersaal dreimal widerhallte. Es war außerhalb des Schlosses ein grausenerregendes Wetter. Die ganze Natur schien im Aufruhr zu sein, und unmöglich konnte eine stürmische Nacht die Gaukeleien eines Geistes mehr begünstigen, als die gegenwärtige. Man warf sich indessen flüchtig ins Zeug und eilte mit Gewehr und Licht dem Wohnsitz des tobenden Gespenstes zu. Allein dieses blies den kaum in den Saal getretenen Kampflustigen das Licht aus, indem es das vorhin gehörte Klatschen lebhaft wiederholte. Der Oberamtmann war unter diesen Umständen, der Klugheit gemäß, auf einen schleunigen Rückzug bedacht – jedoch nur, um wiederzukommen.
Das nächste Mal sah er sich besser vor. In der linken Hand eine Laterne, in der rechten eine gespannte Pistole, kehrte er zurück und drohte laut, denjenigen über den Haufen zu schießen, der sich ihm zum zweiten Mal in irgendeiner Absicht nähern würde. Beim Eintritt in den Saal hörte man das Klatschen wiederum, und zwar noch heftiger als vorhin. Es schien aus der hinteren Gegend des Saales zu kommen, und man hätte darauf schwören sollen, der Klatschende müsse noch diesen Augenblick im Saal sein. Nichtsdestoweniger entdeckte man ihn beim Nachsuchen weder hier noch in den benachbarten Gemächern.
Unzufrieden über die fehlgeschlagene Hoffnung wollte man in das Schlafzimmer zurückkehren. Beim erneuten Öffnen der nämlichen Saaltür, durch welche man gekommen war, ertönte es abermals laut: Klatsch! Da man fast vermutete, dass man vielleicht beim Weggehen ebenso wie beim Kommen geäfft werden würde, so hatte man die Augen allenthalben. Nichts im ganzen Rittersaal entging diesmal dem forschenden Blick des Herrn Oberamtmanns. Und so war dann das Gespenst aus seiner Verborgenheit ans Licht gezogen worden.
Eine kleine, wenig bemerkbare, und bisher als lebloser Körper gar nicht beobachtete Tapetenwandtür, die mit einem Kaminzug in Verbindung stand, wurde von der Zugluft in dieser stürmischen Nacht jezuweilen ab und zugeworfen. Die nämliche Zugluft war es auch, welche gleich anfangs beim Öffnen der Saaltür das Licht auslöschte, wie einige deshalb angestellten Versuche hinlänglich erwiesen.
Der nämliche Herr Kamlah, welcher in Harpke zugleich Justizbeamter war, hörte im Winter von einem gar gewaltigen, schreckenverbreitenden Gespenst von blendend weißer Farbe, welches durch sein keckes Wesen und beleidigendes Betragen die Bauernschaft genannten Dorfes, wöchentlich zweimal um Mitternacht ängstigte. Niemand, hieß es, dürfe sich dann ungeneckt auf den Straßen sehen lassen. Selbst dem Nachtwächter bangte es, so oft die Gespensterstunde der Mittwochs- und Donnerstagsnacht hereinbrach. Einzelne unter den handfesten Dorfbewohnern, welche zwar herzhaft aber nicht vorsichtig, nicht planmäßig genug einen Angriff auf dies unbändige Nachtgespenst versucht hatten, waren gleich anfangs übel angelaufen und bezeigten fernerhin keine Lust, einzeln eine Lanze mit ihm zu brechen. Sie taten auch in der Tat wohl daran, denn die Natur mancher Geister ist von der Art, dass man auf die Letzteren entweder unter einem weisen Anführer in Masse Sturm laufen oder ihnen wenigstens diese Absicht zeigen muss, um sie zu demütigen.
Herrn Kamlah, als den ersten Rechtspfleger im Ort, verdross es, seine Untergebenen, wenn sie jeglichen Tages Last und Plage getragen hatten, auch noch des Nachts von einem Geist geneckt zu sehen. Er beschloss daher, der Herrschaft desselben ein Ende zu machen, und verabredete deshalb eines Tages mit dem Dorfschultheiß Bebenroth, in dessen Nachbarschaft das Gespenst am häufigsten umherschlich, ganz im Geheimen eine Untersuchung an Ort und Stelle.
Man kam darin überein, sämtliche Ausgänge der Straße, worin Bebenroth wohnte, unvermerkt durch beherzte, treue Leute zu besetzen und den Geist den Weg in diese Falle zwar unbehindert hinein, aber nicht wieder eben so heraustun zu lassen. Es war kaum Mitternacht, so saß er schon in der Falle, ohne es selbst zu wissen.
Jetzt übernahm Herr Kamlah in eigener Person den Angriff auf das Gespenst. Es schlich einer Hintertür des Bebenrothschen Hauses zu und war eben im Begriff, da hineinzuschlüpfen, als es erst zu bemerken schien, dass ihm jemand, sehr kühn, fast auf den Fuß gefolgt war. Es kehrte um und schien sich in den Stand zu setzen, den Verfolgenden für die Verwegenheit züchtigen zu wollen. Auf den Zuruf »Steh Betrüger!« flüchtete es nicht nur nicht, sondern ging vielmehr entschlossen und spukhaft gaukelnd auf Herrn Kamlah los. Dieser nahm den rechten Zeitpunkt wahr, hieb ihn derb mit einer Hetzpeitsche um die Ohren und gab sich zugleich als Justizbeamter des Ortes zu erkennen.
Dieser letzte Umstand nebst der Ankündigung, dass ihm jeder Rückzug durch gerichtlich beorderte Wache abgeschnitten sei, machten die Geistgestalt mehr noch als der Peitschenhieb stutzig. Bald fand sie fernere Widersetzlichkeit, und das Fortspielen einer Rolle, die nur Kinder am Verstand schreckt, für weniger ratsam als das Ablegen der angenommenen Maske.
Auf ein vom Justizbeamten gegebenes Zeichen eilten von allen Seiten dessen Helfershelfer herbei. Die bisherige Herrschaft der Schreckensgestalt nahm plötzlich ein Ende. Es kroch in ihr ein junger Bauerkerl zu Kreuze, welcher bisher, unter dem Schutz seiner Gespenstergaukelei versteckt genug, der Jungfer Bebenroth, Tochter des damaligen Dorfschulzen, die Kur gemacht hatte.