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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Teufel auf Reisen 54

Der-Teufel-auf-Reisen-Dritter-BandCarl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Dritter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Elftes Kapitel – Teil 5
Das verwechselte Bild

Quirks knirschte im Geheimen mit den Zähnen, aber äußerlich führte er seine Rolle auch weiter durch. »Ist sie erst meine Frau«, dachte er, »dann soll sie mich schon kennenlernen, dann entpuppe ich mich als Dämon. Bis dahin aber behalte ich die Maske vor, die Rache für die Verachtung, welche sie mir angedeihen lässt, folgt dann später nach!«

Wunderbar schlau spielte er seine Rolle, sorgsam wachte er darüber, dass keine Regung des Mitleids für das geopferte Kind die hartherzige Mutter beschlich und als das wirksamste Mittel benutzte er hierzu ihre törichte Eitelkeit.

Es ging auch jetzt, den Verhältnissen gemäß, im Elsner’schen Haus hoch her. Der künftige Schwiegersohn sorgte dafür, dass der Überfluss nicht abnahm. Immer närrischer und bunter kleidete sich die in ihrer Aufgeblasenheit nun bereits zur halben Närrin gewordene Alte.

Schwefelkorn hatte mit Schwalbe die Personen des hier in Szene gesetzten Stücks nicht aus den Augen verloren.

»Den Kerl, den Quirks, hasse ich«, sagte er zum Doktor. »Es ist eine gemeine Natur, die nicht das geringste Geschick besitzt, mit Anstand zur Hölle zu fahren. Der Bursche verdient es schon, dass ich ihm ein Bein stelle und ihm seine Beute noch im letzten Augenblick abjage.«

»Da würden Sie mich sehr verbinden«, bemerkte Schwalbe. »Noblesse kleidet selbst den Teufel schön.«

»Meinen Sie?«, erwiderte Schwefelkorn grinsend. »Nun, so mag es drum sein. Halten Sie sich bereit, heute Abend gehen wir aus.«

»Wohin denn?«

»Wir wollen uns einmal diesen Otto Werner, diesen Architekten etwas näher besehen. Ich kenne ein Lokal, wo er jetzt jeden Abend in einer Ecke sitzt und hinter einem Schoppen saueren Wein Trübsal schwitzt.«

»Sie haben sich gewiss schon so einen kleinen Plan zurechtgelegt?«

»Ich bin allerdings nicht müßig gewesen und weiß, dass der Schuss, der Quirks, in diesem Augenblick wieder auf die Narrheit der alten eitlen Person stark spekuliert, die er in sein Netz gezogen hat. Vielleicht lässt sich aber diesmal der Spieß umkehren und ich hoffe, dass sich der schlaue Fuchs dann in der eigenen Falle fängt.«

»Sie machen mich ordentlich neugierig, erklären Sie sich doch näher.«

»Nicht doch«, rief Schwefelkorn abwehrend. »Wenn manche Leser im Voraus wüssten, was in einem Buch steht, so würden sie es gar nicht in die Hand nehmen. Also bezähmen Sie Ihre Neugier so lange, bis der Vorhang zum dritten Akt in die Höhe geht.«

Am Abend begaben sich unsere beiden Bekannten auf den Weg und traten in ein Weinlokal, das nur aus ein paar kleinen Zimmern bestand und zu dieser Zeit erst von wenigen Gästen besucht war. In einem derselben, in einer dunklen Ecke, saß ein Herr von etwa vierundzwanzig Jahren, der sich absichtlich hierher zurückgezogen zu haben schien, um seinen Gedanken nachzuhängen. Dass diese nicht die Heitersten waren, konnte man auf den ersten Blick erkennen. Er hatte den Kopf in die Hand gestützt und starrte trübe vor sich hin. Augenscheinlich befand er sich in einem Zustand, wo man bereits jede Hoffnung aufgegeben hat, sich aber doch noch immer nicht von dem Glauben losreißen kann, dass sich schließlich noch ein rettender Ausweg finden lassen wird.

»Das ist unser Mann«, flüsterte der Baron Schwalbe zu, »lassen Sie uns neben ihm Platz nehmen.«

Otto Werner bemerkte es kaum, als die beiden Fremden sich ihm gegenüber niederließen. Nur flüchtig erwiderte er ihren Gruß, ja es schien ihm sogar unangenehm zu sein, von ihnen in seiner Einsamkeit gestört zu werden.

»Es ist etwas Jammervolles mit so einem Menschenkind, wenn es sich nicht mehr zu helfen weiß«, sagte der Teufel zu seinem Freund, dem Doktor, gewandt, leise im spöttischen Ton. »Da haben Sie wieder ein Beispiel, mein Lieber, wie es mit eurer so vielgerühmten Weisheit steht, denn schiebt sich irgendein unerwartetes Hindernis dazwischen, so nimmt es dann auch mit dem freien Willen, auf den ihr euch so viel zugutetut, ein klägliches Ende.«

»Von meinem Standpunkt als Philosoph denke ich ganz anders hierüber«, bemerkte Schwalbe etwas prahlerisch.

Schwefelkorn lachte ihm geradezu ins Gesicht. »Bleiben Sie mir doch mit Ihrer Philosophie vom Leibe, für die gebe ich keinen Pfifferling! Ich habe genug an euren philosophischen Staatslenkern und Doktrinärs, die experimentieren auch so lange, bis sie schließlich alles in die größte Unordnung gebracht haben, ohne imstande zu sein, dafür etwas Neues, Dauerhaftes zu gründen. Wenn Sie zum Beispiel diesem jungen Herrn hier eine zwei Stunden lange philosophische Vorlesung halten wollten, glauben Sie wohl, dass Sie ihm damit helfen könnten, vorausgesetzt nämlich, dass er überhaupt Lust hätte, Sie anzuhören. Nein, praktisch muss man ins Leben hineingreifen, wenn man daraus Nutzen ziehen will, und praktisch will ich auch jetzt die Sache anfangen, um hier diesem beklagenswerten Träumer wieder Mut einzuhauchen.«

Dieses Gespräch war zwischen unseren beiden Bekannten ganz leise geführt worden. Nun wendete sich Schwefelkorn zu dem jungen Mann, der noch immer vor sich hinstarrte und sagte, sich höflich verbeugend: »Dies Lokal scheint nur wenig besucht zu sein.«

Otto Werner schien diese Anrede ziemlich unbequem, denn kurz antwortete er: »Wohl möglich, mein Herr, ich verkehre nur selten hier.«

»Je mehr ich Sie betrachte«, fuhr der falsche Baron zuvorkommend fort, »desto mehr drängt sich bei mir die Überzeugung auf, dass ich Sie schon irgendwo gesehen habe.«

»Ich wüsste doch nicht …«

»Ganz gewiss. Richtig, jetzt erinnere ich mich! Einer meiner Freunde machte mich auf Sie aufmerksam. Um Vergebung, sind Sie nicht Architekt?«

»Allerdings bin ich das.«

»Und heißen Otto Werner?«

»Auch das trifft zu.«

»Nun, dann besteht hier kein Irrtum. Mein Freund erzählte mir da eine ganz anziehende Geschichte, die allerdings viel Betrübendes für Sie enthält.«

»Wie, so wäre dieselbe schon so weit in die Öffentlichkeit gedrungen?«, fragte der junge Mann, indem er überrascht aufblickte.

»Nun, das kann man eben nicht sagen, aber es gibt Leute, welche sich für Sie interessieren und die Ihnen gern beistehen möchten, ohne dabei gerade genannt zu werden. Zu diesen Freunden gehöre auch ich.«

»Wie? Sie, mein Herr?« Die Augen des Architekten blitzten zum ersten Mal wieder auf.

»Allerdings, und ich kann sogar hinzufügen, dass ich in der Hoffnung herkam, Sie hier zu finden.«

»Aber wem habe ich denn die Ehre, mich gegenüber zu befinden?«

»Sie vergessen, dass ich eben nicht genannt sein will«, bemerkte Schwefelkorn lächelnd. »Der Name ist auch Nebensache, wenn nur der Zweck erreicht wird. Das Eine kann ich Ihnen sagen, dass ich nämlich Maler bin.«

Die Hoffnung, welche Werner für einen Augenblick belebt hatte, schien jetzt ebenso schnell wieder zu erlöschen. In einem Ton, der deutlich seine Enttäuschung aussprach, sagte er: »Ich glaube, Sie irren sich, mein Herr. Sie sind gewiss ein recht großer Künstler, aber Sie müssten ein Tausendkünstler sein, um mir erfolgreichen Beistand leisten zu können.«

»Nun, das wäre ja eben nicht unmöglich«, hielt der falsche Baron lachend dagegen. »Die Personen, mit denen Sie es zu tun haben, kenne ich sehr genau: die eitle, in sich selbst vernarrte Frau Elsner, den boshaften nichtsnutzigen Kobold, den Quirks, den dem Trunk ergebenen Kommissionär …«

»Genug, genug, ich sehe Sie wissen Bescheid.«

»Ich will Ihnen noch mehr sagen. Jetzt eben ist dieser Quirks auf ein Mittel verfallen, um die alte Närrin noch enger an sich zu fesseln. Je mehr sich Rosa sträubt, je unverhohlener sie ihren Abscheu gegen den unheimlichen Gesellen zu erkennen gibt, desto heller werden die Flammen der Leidenschaft bei ihm angefacht. Natürlich bedarf er zur Verwirklichung seiner Wünsche unter diesen Umständen mehr als je zuvor des Beistandes der Mutter.«

»Das ist leider nur zu wahr. Ich muss alle meine Beredsamkeit anwenden, um die arme Rosa von einem verzweifelten Schritt abzuhalten. Wie es enden soll, weiß ich freilich nicht!«

»Nun, fassen Sie nur Mut, ich denke, wir zerstören doch noch dieses Werk.«

»Der Hölle«, fiel der Architekt verzweiflungsvoll ein.

Schwefelkorn schnitt ein Gesicht. »Nennen Sie es, wie Sie wollen«, sagte er, »auf den Namen kommt es nicht an. Auch der Teufel hat übrigens manchmal eine Stunde, wo er die Neigung fühlt, etwas Gutes zu stiften und dass Ihnen geholfen werde, dies wünschen Sie doch auf jeden Fall?«

»Ich bete täglich zu Gott.«

Jetzt wurde der falsche Baron fast unwillig. »Bleiben Sie bei der Sache, junger Herr.«

»Entschuldigen Sie«, stotterte Otto Werner verwirrt, indem er den sonderbaren Fremden etwas misstrauisch anblickte.

»Nun, Quirks kennt die grenzenlose Eitelkeit dieser alten Tollhäuslerin«, fuhr Schwefelkorn wieder lächelnd fort, »und er hat daher beschlossen, sie malen zu lassen. In der vollen Jugendfrische der Schönheit, mit den langen schwarzen Locken, den Augenblick vergegenwärtigend, wo ihr Prinz vor ihr kniet, soll sie in dem Bild dargestellt werden. Sie hat diese von ihr ersonnene Geschichte schon so oft erzählt, dass sie dieselbe nun selbst glaubt. Der kleine verwachsene Unhold rechnet ganz richtig, wenn er sich von der Wirkung dieses Gemäldes die größten Erfolge verspricht.«

»Das ist leider nur zu wahr«, bemerkte Werner, »ich kenne sogar den Maler, welchem die Arbeit übertragen ist. Er wohnt nur drei Häuser von mir. Rosa hat längst so etwas vermutet, denn sie musste ihre Mutter mehrere Male zu einer Sitzung bei dem Künstler begleiten. Dieser wurde freilich weisgemacht, es handle sich um ein für die Ausstellung bestimmtes Portrait von großer Schönheit und die alte Närrin fand sich natürlich sehr geschmeichelt, dabei als Modell zu dienen.«

»Ja, ja, so ist es«, bemerkte Schwefelkorn lachend. »Aber wissen Sie, ich denke, wir kehren den Spieß um.«

»Wieso?«, fragte der junge Mann etwas verdutzt.

»Nun dies ist ganz einfach, wir schlagen den Quirks, den Schelm, mit seinen eigenen Waffen.«

»Ich darf ja nicht das Haus betreten.«

»Das ist auch nicht nötig, lassen Sie mich nur machen. Heute über acht Tage ist der Geburtstag der Mutter und dann wird das Gemälde abgeholt. Habe ich nicht recht?«

»Allerdings. Ich bin erstaunt, wie genau Sie über alle Verhältnisse unterrichtet sind.«

»Nun, ich sagte Ihnen ja, dass ich mich für Sie interessiere. Jetzt hören Sie weiter. Etwa in sechs Tagen werden Sie von mir eine fest verschlossene Kiste empfangen. Was darin ist, kümmert sie nicht, aber seien Sie wachsam und halten Sie für alle Fälle zwei flinke Burschen bereit, auf die Sie sich verlassen können. Die letzte Instruktion gebe ich Ihnen dann noch persönlich. Und nun fassen Sie wieder Mut, denn es steht Ihnen ein Freund zur Seite, welcher den ernstlichen Willen hat, Ihnen die helfende Hand zu reichen.«

An welche Hoffnung klammert sich der Unglückliche nicht an! … So erging es in diesem Augenblick Otto Werner. Obgleich ihm das Ganze wie ein Märchen aus Tausend und eine Nacht vorkam, so hatte doch der angebliche Maler einen so zuversichtlichen Ton angeschlagen, dass er sich gern dem Glauben hingab, dieser werde seine Versprechungen auch wahr machen. Neu belebt blitzten seine getrübten Augen wieder auf und in warmen Worten sprach er seinen Dank aus. Schwefelkorn ließ frischen Wein kommen und Schwalbe lächelte versteckt, als er sah, wie der Baron heimlich in die Flasche blies, denn er selbst hatte ja die Wirkung dieses Teufelsstückchens bereits mehr als einmal kennengelernt.

Auch der falsche Baron lächelte. »Glauben Sie denn«, flüsterte er unserem Bekannten zu, dass es Mephisto möglich gewesen wäre, die Szene im Auerbach’schen Keller, welche Ihr Goethe so meisterhaft beschrieben hat, zustande zu bringen, wenn er der lustigen Zechgesellschaft nicht in derselben Weise den Wein gemilcht hätte? … Ha, ha, ihr Menschenkinder mögt euch sträuben, wie Ihr wollt, aber wahr bleibt es doch immer, was wäre euer Wein, was wären eure Frauen, was wäre das ganze Leben in seiner aschgrauen Wirklichkeit, wenn ich und meine Kollegen nicht mitunter etwas Abwechslung hineinbrächten! …«

Es war schon spät, als die drei Herren sich trennten. Der Architekt war ein ganz anderer Mensch geworden. Der Wein hatte wunderbar auf ihn gewirkt, er fühlte sich plötzlich als Titan und würde imstande gewesen sein, statt des Himmels noch in derselben Nacht das Haus seines verhassten Feindes Quirks zu stürmen, wenn ihn sein neuer Freund, der angebliche Maler, nicht davon abgehalten hätte.