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Der Welt-Detektiv Band 6

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Schwäbische Sagen 16

Schwäbische-Sagen

Der Schimmelreiter auf der alten Burg
Eine mündliche Überlieferung

Bei der »alten Burg« unweit Reutlingen gibt es einen Schimmelreiter. Derselbe soll während seines Lebens einen Mann umgebracht haben und muss dafür jetzt noch umgehen und reiten. Als man ihn begraben hatte, kam sein rechter Arm wieder aus der Erde hervor und war nicht mehr hineinzubringen. Seinen Gaul muss er mit der linken Hand führen, weil er seine Rechte seit dem Mord nicht mehr gebrauchen kann. Die Bewohner der alten Burg hat man »Rotmäntel« genannt, weil sie stets rote Mäntel trugen. Sie sollen übrigens arge Räuber gewesen sein.


Der Schimmelreiter bei Pfullingen
Eine mündliche Überlieferung aus Betzingen

Zwischen Pfullingen und Gönningen reitet der Schimmelreiter als Jäger gekleidet und trägt seinen eignen Kopf unter dem Arm. Man sagt, es sei dies ein ehemaliger Pächter des Kappler Hofes, von dem noch ein paar alte Mauern stehen. Dieser Pächter beherbergte öfters reisende Kaufleute und brachte sie dann um und plünderte sie aus. Dafür muss er jetzt umgehen. Er reitet aber immer nur von jenem Hof bis zu der Markung nach Pfullingen einerseits und nach Gönningen andererseits, nie weiter. Und deshalb hauptsächlich vermutet man, dass der Schimmelreiter eben jener Pächter sei.


Der Schimmelreiter bei Jettenburg
Eine mündliche Überlieferung aus Jettenburg

Der Schimmelreiter kam früher oft durch den Wald und durch das Feld bis nach Jettenburg geritten und erschreckte viele Leute. Einmal in der Nacht kam er als Pudel zu einem Schäfer, setzte sich auf den Pferchkarren und bellte in einem fort. Als hierauf der Schäfer aus seiner Schlafhütte stieg und nach dem Pudel schlug, so sprang derselbe mitten unter die Schafe in den Pferch, also, dass sie alle ausbrachen und davonliefen, indem er sie die halbe Nacht im Feld herumjagte. Auf einmal ist sein Schimmel dahergekommen, und da hat er sich in seiner eigentlichen Gestalt darauf gesetzt, hat laut gelacht und ist fortgeritten. Der Schäfer aber war in großer Not wegen seiner Schafe. Als es indes Tag wurde und er sie zählen konnte, waren alle wieder vollständig beisammen.


Der Schimmelreiter bei Sulz
Eine mündliche Überlieferung aus Sulz

In früherer Zeit kam während der Adventsnächte beständig ein Reiter auf einem weißen Schimmel bis an das letzte Haus in Sulz am Neckar geritten und schellte. So oft jemand das Haus öffnete, verschwand er. Indes sah man deutlich, dass er seinen Kopf wie einen Hut unterm Arm trug.


Der Schimmelreiter bei Hohenstaufen
Eine mündliche Überlieferung

In dem Wald zwischen Göppingen und Hohenstaufen reitet der Schimmelreiter auf einem großen, prächtigen Gaul. Er ist als Jäger gekleidet und tut niemanden etwas zuleide. Indes geht immer ein heftiger Wind vor ihm her und begleitet seinen Zug durch den Wald.

Überall in Schwaben kennt man den Schimmelreiter. Er hat seine bestimmten Wege, Wälder und Täler, wo er umgeht. Bei Altenrieth zum Beispiel reitet er in der »Hölle«. In Mittelstadt zeigt er sich hinter der »Krone«. Ebenso hat er bei Balingen, bei Nordstetten und sonst seine gewissen Straßen, die er nie verlässt. Gewöhnlich erscheint er als Jäger gekleidet, zuweilen auch in einen Mantel gehüllt. Neckerei kann er nicht leiden. So rief in Mittelstadt einmal ein Mann aus dem Fenster, als der Schimmelreiter vorüberzog:

Geistle, Geistle, mach dich leicht,
dass du bald bei mir seist!

Da kam er wie ein Stern ans Fenster gefahren, dass der Mann erschrak und fast ohnmächtig wurde.


Ranzenpuffer
1.
Eine mündliche Überlieferung aus Tübingen

Im Schönbuch zwischen Tübingen und Böblingen geht ein grüner Jäger um, der schreckt durch Brüllen, Aufhocken und allerlei Spuk die Leute, die in den Wald gehen, namentlich die Holzleser. Man nennt ihn Ranzenpuffer. Bei einer Jagd lässt er sich immer durch lautes Hundegebell und Hallogeschrei vernehmen und eilt schnell wie der Blitz durch den Wald. Auch beschäftigt er sich damit, dass er mit einem Hammer das Holz anschlägt wie beim Verkauf oder als ob die Bäume bezeichnet werden, die man umhauen soll. Man hört ihn oft so klopfen. Einst ließ er sich als Kalb fangen und einsperren, stand aber am folgenden Morgen in seiner eigentlichen Gestalt als grüner Jäger im Stall.

2.
Eine schriftliche Mitteilung vom Einsiedel

In Rübgarten, Gniebel und Walddorf wird der Ranzenpuffer »Brüller« und »Reiter« genannt. Den Holzgängern erscheint er gern als Jäger, pufft sie erst recht herum und gibt ihnen dann Holz, das sich aber beim Heimkommen in stechende Dornen verwandelt. Auch setzt er sich wohl selbst ihnen auf das Holzbündel, damit sie meinen sollen, es sei recht viel. Die Jäger neckt er, indem er tut, als ob Holzdiebe im Wald wären und bald hier, bald dort Holz haut. Er verwandelt sich gern in Hunde, Schweine und Kälber und erschreckt die Leute durch Brüllen. Besonders soll er es auf die Schlafenden abgesehen haben. Diesen brüllt er oft ungeheuer stark ins Ohr und verschwindet dann. Selbst in die Häuser kommt er, stellt sich hinter die Bettlade und brüllt. Ist das vorbei, so grunzt er wie ein Schwein und geht auch fort in der Gestalt eines Schweins.

Sehr gewöhnlich macht er im Wald ein so erbärmliches Geschrei, als ob jemand von einem Baum heruntergefallen wäre. Läuft dann einer dahin und will helfen, so erhebt er dasselbe Geschrei an einer anderen Stelle und treibt das so fort, bis er genug hat. Dann brüllt er aber dem Suchenden dermaßen ins Ohr, dass schon mancher auf mehrere Wochen lang das Gehör dadurch verloren hat.

Gefährlich ist der Ranzenpuffer nur, wenn er sich zu Pferde zeigt, zumal im »Brand«, in dem Wäldchen, durch welches der Weg von Einsiedel nach Pfrondorf führt.

Ein Strohschneider auf dem Einsiedel, der die Kusterdinger Steig herunterging, hörte ihn einmal weit in der Ferne brüllen und sagte: »Ach, halt einmal ‘s Maul! So schreien kann ich auch.« Da bekam er aber ein paar so unerhörte Ohrfeigen, dass er in den Graben fiel und den Mund voll Dreck bekam. Einige sagen, der Ranzenpuffer sei ausgewandert in die Schweiz, weil er sich schon lange nicht mehr hat hören lassen.

3.
Mündliche Überlieferungen aus Lustnau, Kusterdingen und Kirchentellinsfurt

Ranzenpuffer war eigentlich ein Jäger auf dem Einsiedel bei Tübingen und führte ein gottloses Leben, quälte die Menschen, liebte Wein, Weiber und Spiel über die Maßen und trieb auch Zauberei, wofür er seit vielen hundert Jahren geistweis umgehen muss. Er spukt im ganzen Forstrevier, das er früher zu beaufsichtigen hatte, namentlich zwischen dem Einsiedel und Dettenhausen, bei der Blaulach zwischen Lustnau und Kirchentellinsfurt, und bei dem letzteren Dorf besonders in dem Wäldchen »Made«. Ferner im Schönbuch, woselbst er sich in dem sogenannten »Bärloch« aufhält. Da kommt er dann auf seinem Schimmel zu den Leuten hergejagt , als ob er sie umreiten wollte, dass es kracht und rauscht. Allein er erschreckt sie bloß. Häufig sieht man ihn auch als Jäger gekleidet zu Fuß, mit dem Gewehr auf dem Rücken, indem er allerlei Possen macht. So zeigt er sich oft des Nachts an der Blaulach und läuft neben den Fußgängern her und versucht sie ins Wasser zu treiben. Zuweilen erscheint er mit, zuweilen ohne Kopf, indem er denselben wie einen Hut unter dem Arm trägt. Gern sehleicht er sich auch hinter die Holzleser im Wald und ruft ihnen plötzlich ins Ohr: »Was, was ist’s?«, dass sie zusammenfahren und recht erschrecken. Auf einmal zeigt er sich dann als Fuchs, tut zwei, drei Beller und kommt ganz nahe zu den Leuten her und bringt sie in Angst. Überhaupt verwandelt er sich gern in Tiere. So ist er auch schon als Reh herumgelaufen, hat dreimal geschrien, wenn ein Mensch gekommen ist und ist auf ihn losgesprungen, als ob er ihn hätte umrennen wollen. Wenn man ihn sonst als Reh brüllen hört, so soll das eine Veränderung des Wetters anzeigen.

Einmal war ein Arbeiter aus Lustnau in seinem Weinberg während der Mittagsruhe eingeschlafen. Als er aufwachte, stand Ranzenpuffer als Ochs vor ihm da mit dicken, kugelrunden Glotzaugen und stierte ihn an. Ein mächtig großer Haarwulst hing ihm zwischen den Hörnern herdurch über die Stirn herab. Nach einer Weile verschwand er.

Man hat schon mehrmals auf Ranzenpuffer, wenn er in einer Tiergestalt, zum Beispiel als Hase sich zeigte, geschossen, hat ihn niemals treffen können.

4.

Zu Lustnau ist einmal eine Viehseuche ausgebrochen, daran viel Vieh gestorben sein soll. Da hat man alles, was nur eine Spur von der Krankheit gezeigt, in den Wald getrieben, um es dort totzuschlagen und zu vergraben. Unter diesem Vieh ist auch ein so schönes Kalb gewesen, dass die Leute gesagt haben: »Es ist doch schade, wenn man dies prächtige Stück schlagen und in die Erde graben wollte.« Deshalb beschlossen die Männer, es zu schlachten und das Fleisch mit nach Hause zu nehmen und zu essen. So wie aber der eine das Messer in die Hand nahm, um das Kalb abzustechen, schrie plötzlich Ranzenpuffer: »Halt! Halt!« Denn er wollte das nicht leiden. Sie ließen sich indes nicht stören und schlachteten das Kalb dennoch und nahmen das Fleisch mit heim. Als sie heimgingen, war es bereits Nacht. Sie hatten nun zwar eine Laterne angezündet, allein das Licht wollte immer ausgehen und fiel zuletzt um. Darauf kam ein großer schwarzer Hund auf sie zu und sprang eine Zeitlang um sie herum. Als er aber fortging, brach ein gewaltiger Sturm los, dass man hätte glauben sollen, er werde Eichen umreißen. Mit Zittern und Beben stiegen sie den Berg herunter. Da sprang Ranzenpuffer selbst wieder hinter ihnen her und schrie: »Halt! Halt!« Als sie aber immer noch das Fleisch nicht hergeben wollten, schlug er nach einem, dass er zu Boden fiel. Da sprach ein anderer in großer Herzensangst: »Auf auf, ihr Brüder, und seid stark!« und ferner: »Alle bösen Geister weichen von uns!«

So kamen sie endlich mit Ach und Krach und vom Angstschweiß ganz durchnässt in ihrer Wohnung an. Der Mann, welcher den Schlag bekommen hatte, lag acht Tage lang krank, dass er schier gestorben wäre. Die übrigen aber, welche von dem Fleisch gegessen haben, sind alle fürchterlich stark geworden.

5.

Ranzenpuffer verwandelte sich oftmals in eine ganze Herde wilder Schweine. Eine solche traf einmal ein Feldhüter aus Lustnau auf dem Weg, der nach Stuttgart führt, und hetzte seinen Hund darauf. Weil aber der Hund einen roten Rachen hatte, so wollte er auf die Schweine nicht losgehen, denn nur die Hunde mit schwarzem Rachen fürchten sich vor Geistern nicht. Bald darauf stürzte sich die ganze Herde in ein kleines Talwasser und war verschwunden.

6.

Unter anderen machte Ranzenpuffer auch folgenden Spuk. Die Menschen sahen oft plötzlich einen schwarzen, breitrandigen Bauernhut auf der Erde liegen. Wenn sie dann aber danach griffen und ihn aufheben wollten, so war es ein Stein, obwohl sie vorher keinen Stein an dem Ort gesehen hatten. Auch am folgenden Tag, wenn sie nachsahen, einen solchen dort nicht mehr vorfanden. Das ist öfters vorgekommen.

7.

Ein Feldhüter, namens Munz aus Lustnau, brauchte nur bei Tage ins Feld zu gehen und das Wild zu hüten, denn wenn er abends heimging und rief »Ranzenpuffer, hüt mir mein Sach heut Nacht!« so geschah seinen Feldern gewiss nichts, und er selbst durfte sich zu Bett legen und ruhig schlafen, während alle anderen Wildhüter draußen wachen mussten.

8.
Eine mündliche und schriftliche Überlieferung aus Derendingen von einem Mann, der diese Erzählung in Lustnau gehört hatte

Der Schimmel, auf welchem Ranzenpuffer ritt, war ein hohes, vortreffliches Pferd, das er sich aus dem Meer geholt hatte. Er ging nämlich auf Anraten eines anderen Geistes einst am Karfreitagmorgen vor Sonnenaufgang ans Meer. Da stieg der herrliche Schimmel daraus hervor und ließ sich von Ranzenpuffer an den Ohren fassen und ließ ihn aufsitzen und trug ihn ohne Sattel und Zaum, wohin er wollte. Ein Schimmel überhaupt ist ein edles Tier, denn er hat Himmelsfarbe. In der Hölle gibt es deshalb auch bloß schwarze Rappen. Mit diesem Schimmel nun konnte Ranzenpuffer sowohl in der Luft als auch auf der Erde und auf dem Wasser reiten und trieb allerlei Possen mit demselben. So kam er einmal auf die Walddorfer »Hud« geritten, band seinen Schimmel an eine Eiche und ließ ihn weiden, warf dann eine ganze Weile lang mit Steinen und Stöcken nach den Leuten, stieß ihnen das Holz, das sie gemacht hatten, durcheinander, löste darauf seinen Schimmel wieder und jagte davon.

An der Blaulach, zwischen Lustnau und Kirchentellinsfurt, hielt er einst nachts um 12 Uhr mehrere Wagen auf, dass sie nicht von der Stelle konnten, und bewarf die Fuhrleute mit Eicheln, mit Forchen- und Tannenzweigen (»Wispeln«). Als er sie endlich weiterfahren ließ, sahen sie ihn in einem Hui! das Tal hinaufreiten, wobei der Schimmel so wütend sprang, dass er Feuer ausschnob.

Ein anderes Mal zeigte er sich auf seinem vortrefflichen Schimmel im Schönbuch, in der Gegend beim Bärloch, und machte daselbst wunderliche Teufelsstreiche. Da verwandelte er sich in einen Hasen und kletterte auf den Bäumen herum, hüpfte dann wie eine Gais, sprang in feuriger Gestalt durch die Menschen hindurch, wälzte sich als Schlange um Eichen und Buchen, also, dass die Menschen in Staunen und Schrecken gerieten. Dann erschien er plötzlich wieder als Ranzenpuffer, nahm sein Gewehr, setzte sich auf seinen Schimmel und ritt weiter. Auch auf dem Einsiedel, wo er eigentlich her war, hat er sich öfters in verschiedenen Gestalten und Verwandlungen sehen lassen, bald als feuriges Reh, dann als feuriger Hirsch und dann mit einem Mal als feuriges Schwein. Und unter solchem Spuk und Spaß sind nach und nach die zweitausend Jahre, die Ranzenpuffer als Geist hat umgehen und schweben müssen, wahrscheinlich jetzt abgelaufen, denn in der neuesten Zeit lässt er sich nicht mehr sehen und wird nun wohl erlöst sein.