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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der bayerische Hiesel – Teil 13

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Schlechte Bedienung

Am nämlichen Nachmittag saß Hiesel mit 3 Kameraden im Wirtshaus zu Schnerzhofen, mit Kartenspiel beschäftigt, und äußerst vergnügt, weil er nun durch die Wachsamkeit des Trüffelhundes mehr als sonst gegen jede Gefahr geschützt zu sein glaubte.

Da fügte es sich, dass der Jäger vom Wald, Leonhard Schenk, in Dienstverrichtungen am Wirtshaus vorüberging. Kaum bemerkte ihn Hiesel mit seinen Luchsaugen, als er ihm sogleich einen Wildschützen nachschickte, der ihn höflichst entladen musste, in das Wirtshaus zu kommen und mit ihnen zu trinken. Ebenso höflich entschuldigte sich der Jäger, dass er zwar dankbar die große Ehre erkenne, die ihm Hiesel erweise, aber weder Durst noch Zeit habe, da ihn die Herrschaft erwarte, die ihn ausgesendet hatte.

Hiesel sah vom Fenster aus, dass er eben keinen großen Redner mit der Einladung beauftragt habe. Deswegen mussten sogleich die zwei anderen nachfolgen, um ihn mit Güte und Gewalt in das Wirtshaus zu bringen. Da die schönsten Worte bei dem Jäger nichts fruchteten, so unterstützten die Wildschützen ihre Einladung mit blanken Hirschfängern und Gewehrkolben. Dieses Mittel half.

»Bete, du musst sterben!«, schrie Hiesel sogleich dem Eintretenden entgegen, der vor Schrecken sogleich blass wie eine frisch getünchte Mauer wurde. »Ich weiß nicht, was dir lieber ist«, fuhr Hiesel fort, »ob ich dich erschießen oder in Stücke hauen soll. Du hast immer ein Auge auf uns gehabt. Dieses uns so gefährliche Auge will ich dir nun ausschießen. Stellt den Kerl dort an jene Säule hin. Ich schlage an, und sobald ich drei zähle, soll sein Auge zu seinen Füßen liegen.«

Man kann sich wohl die Todesangst des armen Jägers vorstellen, der überzeugt war, dass er nicht mehr lebendig aus dem Wirtshaus kommen werde. Er betete ganz still, machte Reue und Leid, und empfahl Gott seine Seele.

»Herr Hiesel,« bat er noch, »wenn Ihr mich Unschuldigen getötet habt, dann seid so gut und lasst es meiner alten 83-jährigen Mutter zu wissen machen und schenkt ihr aus Barmherzigkeit etwas Weniges, damit sie nicht verhungern darf. Sie lebte bisher kümmerlich von den wenigen blutigen Kreuzern, die ich ersparte. Ihr werdet auch eine Mutter gehabt und vielleicht in früheren Jahren gefühlt haben, wie das Herz eines guten Sohnes für seine Mutter schlägt. Auf Wiedersehen, Herr Hiesel, jenseits vor Gottes Richterstuhl! Macht es kurz mit mir!«

Hiesel zählte eins … zwei … Da stellte er den Hahn in die Ruhe, ging auf den Jäger zu und sprach: »Dass du an deine Mutter mich erinnertest, das hat dir dein Schutzengel eingegeben, das hat dir das Leben gerettet. Wohl hab’ ich auch eine Mutter gehabt, eine gute Mutter. Wohl ihr und mir, dass sie nicht mehr lebt. Glaube nicht, Schenk, dass ich grausam gegen dich und deine Kameraden, gegen die Soldaten und Gerichtsdiener bin, weil ich die Grausamkeit liebe, sondern weil ihr meine Todfeinde seid und Tag und Nacht daran denkt, mich an den Galgen zu bringen. Und warum? Weil ich das Wild schieße, das Gott für alle Menschen erschaffen hat. Hier hast du einen Taler. Bring ihn deiner alten Mutter und sag ihr, dein Todfeind, der Hiesel, lasse sie grüßen. Du aber lass dir’s zur Warnung dienen, nichts mehr gegen mich zu unternehmen, sonst musst du sterben, und ich brenne dir deine Hütte über dem Kopf zusammen! Noch was! Ein Wirtshaus kommt gleich ins Gerede, wenn ein Gast darüber schimpft. Du hast hier eine schlechte Bedienung gefunden. Ich erwarte aber, dass du darüber schweigen wirst, sonst möchte dir das Ausplaudern übel bekommen.«

Der Jäger dankte dem Hiesel für die Begnadigung, versprach ihm, was er nur immer verlangte, und schätzte sich glücklich, mit heiler Haut davon zu kommen.

 

***

 

Ihr seht, liebe Leser, dass Hiesel selbst im Taumel seines Hasses und seiner Rachsucht Augenblicke hatte, wo sein Herz aus der wilden Erstarrung auftaute und für edlere Empfindungen empfänglich wurde. Das Andenken an seine verstorbene Mutter war hinreichend, ihn von einer grausamen Tat zurückzuhalten. Leider wurden aber diese Fälle immer seltener, je weiter er auf der Bahn des Lasters voranschritt und von Verbrechen zu Verbrechen eilte. Dass aber solche Anwandlungen von Reue, von Sehnsucht nach einem redlichen Leben keine Dauer hatten, dass die wilde, ungestüme Leidenschaft bei Hiesel immer bald wieder vorherrschte und durch alle Schranken guter Vorsätze brach, werden wir sogleich vernehmen.