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Die Sage von den Hexen des Brockens – Teil 3

Die Sage von den Hexen des Brockens – Teil 3
und deren Entstehen in vorchristlicher Zeit durch die Verehrung des Melybogs und der Frau Holle
Historische bearbeitet von Ludwig Wilhelm Schrader

Kapitel 10

Zu den typischen Namen im Harzbereich gehört zu allererst

1. der Name des Dorfes Pansfeld. In diesem hält schon Gottschalck (Taschenbuch für Harzreisende, Seite 265) das Wort Pan wohl mit Grund für slawisch. Denn nicht nur noch heute findet sich dieses zum Beispiel in der polnischen Sprache in der Bedeutung von Herr, sondern es war in dieser Bedeutung auch früher in der Sprache der Harzbewohner gebräuchlich. Dies bezeugt ein aus dem Archiv in Goslar (im Hannoverschem Magazin, Teil 26, Seite 484) mitgeteiltes Gebet1 eines heidnischen Sachsen, das wie folgt lautet:

Helli Krotti Wudana, ilp oks un osken Pana Witekina

ok Kelta of den aiskena Karel;

vi den Slaktenera; ik kif tl un Ur un two

Scapa, un tat Rof.

Ik slakte ti all fanka up tinen iliken Artisberka2.

Heiliger großer Wodan, hilf uns und unserem Herrn Wittekind,

ingleichen dem Kelta gegen den schändlichen Karl.

Pfui dem Schlächter! Ich gebe dir einen Ur und zwei

Schafe, ingleichen die Beute.

Alle Gefangenen schlachte ich dir auf deinem heiligen Harzberge.

Wittekind wird hier also von einem Harzbewohner Pana Witekina (Herr Wittekind) genannt. Man darf daher um so sicherer in dem Namen Pansfeld den Wortteil für das slawische Wort Pan halten und diesen Namen ins Deutsche als Herrnfeld übernehmen, wie von diesem Gesichtspunkt aus die Benennung von Ortschaften gebräuchlich war. Das am Harz liegende Dorf Herrnhausen liefert den Beweis dafür. Das slawische Wort Pan ist daher ferner enthalten

2. in Pandelbach, der bei Münchehof in die Markau mündet, und

3. in dem Namen des Dorfes Paßbruch.

Der Laut n ist häufig kein reines n, sondern ein Laut, von dem man meint, es sei a. In Orten, wo sich die altsächsische Aussprache in dieser Hinsicht erhalten hat, klingt daher zum Beispiel das Wort Wand fast wie Waad, wenn man das letzte a nasal ausspricht. Durch eine solche Aussprache ist daher der Laut n aus Panßbruch verschwunden und aus diesem Namen Paßbruch geworden.

Kapitel 11

4) dass der Name des Dorfes Leimbach ein slawisches Wort ist, dafür streitet schon um deshalb die Vermutung, weil dieses Dorf zu Beginn seiner ersten urkundlichen Erwähnung von Sorben bewohnt war (§. 6.). Hierfür sprechen aber auch noch andere Gründe. Nach den Regeln des Wohlklanges verwandelt sich nämlich bei der Zusammensetzung zweier Wörter das n, wenn es vor b zu stehen kommt, in m. Der Wortteil Leim hieß daher vor der Zusammensetzung mit bachLein. Sprachforscher werden ferner wissen, dass der Gebrauch der Vokale in älteren Zeiten bei ein und demselben Wort fast willkürlich war, und dass man namentlich in der älteren Schriftsprache da in der Regel ein y oder ü (ui) findet, wo die spätere Volkssprache ein ai (ei, oi) enthält. Die Wörter Lin, Lün, Lun, Loine (der Name der Lahn), Leine, Laun sind daher identisch mit dem Wort Leim in Leimbach. Das Wort Lin findet sich nun in dem Personennamen Linnoff (richtiger Linnowe) und der ältere Name der Lahn Loine, findet sich in dem Bachnamen. Leineffa (richtiger Leinewa), und man darf daher annehmen, dass auch der vollständige ältere Name der Lahn Loinewa (Loinowe) geheißen habe. Das Wort ewa oder owe gehört aber ohne jeden Zweifel der slawischen Sprache an, und man darf deshalb ferner glauben, dass das Wort Lun, Loin, Lein etc. dieser Sprache ursprünglich angehört hatte. Dies wird um so wahrscheinlicher, dass sich der Name Loine (die Lahn) sich in der Gestalt von 3 unter dem Volk erhalten hat, dessen Urbestand Slawen waren. In der Schriftsprache dagegen findet man schon zu den Zeiten des Bonifazius die deutsche Übersetzung Loganana (Lochanaha), aus der das jetzige Wort Lahn entstanden ist. Lun, Lün etc. (vollständig Lund) bedeutet Wald, und ewa (owe) Bach. Log (Loch, Look) dagegen hat ebenfalls die Bedeutung von Wald und nahe die von Bach, sodass also Loineffa und Loganaha, mithin auch Leimbach, in das jetzige Deutsch durch Waldbach übersetzt werden können. Da nun in der Regel, wenn ein Gegenstand in älteren Zeiten zwei Namen hat, der eine die deutsche Übersetzung des anderen, nichtdeutschen, ist, so darf man auch aus diesem Grund annehmen, dass Leim in Leimbach ein slawisches Wort ist. Dieses bekannte Wort ist nun aber ferner enthalten in:

5) Lünertor, dem Namen eines Tores der Stadt Blankenburg,

6) Lauenburg (Waldburg) dem Namen einer ehemaligen Burg bei Stecklenberg und bei Wickerode,

7) Leine (vollständig: Leinowe) dem Namen eines Baches im ehemaligen fürstlichen Stolberg-Rosslaischen.

Kapitel 12

Ein Zweig der slawischen Völker führte den Namen Wenden. Dieses Wort darf man daher wohl mit Recht als ein Wort der slawischen Sprache anerkennen. Wie ich vermute, hat dasselbe die appellativische Bedeutung Wiese, Weide, Matte. Der vollständige Name der Wenden war daher wohl slaw wende d. h. Bewohner der Wiesen (Weiden). Deshalb hält schon Johann Wolf (Geschichte des Eichsfeldes, Teil 1, Seite 36) diejenigen Orte für slawisch, welche auf Wende enden. Man darf dies daher auch von den Namen des Harzbereiches um so mehr behaupten, da auch hier Wiesen und Weiden zu Ortsnamen Veranlassung gegeben haben. Die Benennungen Bockswiese, Weida usw. sind Beweise für diese Behauptung. Deshalb sind daher folgende Namen halb slawisch:

8. Wendefurt, der Name eines Orts im Bodetal. Von ihm stellt schon Gottschalck (Taschenbuch für Harzreisende, Seite 345) die Vermutung auf, dass er den Wenden seinen Namen verdankt,

9. Wendhausen, der Name eines ehemaligen Nonnenklosters in der Gegend von Thale,

10. Windhausen, ein Ort im ehemaligen Amt Staufenburg,

11. Wendthal, eine zerstörte Burg bei Thale.

Slawisch sind ferner die Namen, die auf Schwende enden. Hierbei ist nur zu berücksichtigen, dass in der Volkssprache der Harzbewohner statt des Lautes s in der Regel der Laut sch gesprochen wird, und dass daher Schwende richtiger swende gesprochen werden sollte. Dieser Laut s gehört aber nicht zu Wende, sondern er ist Zeichen des Genitivs in dem vorhergehenden Wort. Diesem nach sind folgende Namen slawischen Ursprungs:

12. Hilkens-Wende (vulgo: Hilkenschwende),

13. Averoldes-Wende (vulgo: Averoldeschwende),

14. Brauns-Wende (vulgo: Braunschwende),

15. Schwieders-Wende (vulgo: Schwiederschwende).

16. Selbst in dem Namen des Orts Schwende ist der Laut sch eigentlich ein bloßes s, das einem Wort angehörte, mit dem Wende früher zusammengesetzt war.

Kapitel 13

In den Ortsnamen Deutschlands gehört ferner die Endung au der slawischen Sprache an. Den Namen des Dorfes Schwarzenau findet man zum Beispiel im Jahre 1059, geschrieben Swarcenowe. So lässt sich eine sehr große Zahl von Ortsnamen anführen, in denen die Endungen awe, owe, ewe in früheren Zeiten vorkommen, die nun aber alle auf au enden. Es ist ferner bekannt, dass sich auch in Gattungsnamen die Endung awe in au verwandelt hat. Es lautet zum Beispiel das frühere Wort Frawe nun Frau. Deshalb kann es keine Bedenken geben, dass die Endung au in den Ortsnamen mit dem slawischen Wort awe (owe, ewe) identisch ist. Folgende im Harzbereich vorkommende Namen sind daher slawischen Ursprungs:

17. Altenau, der Name eines Ortes bei Clausthal und die ältere Bezeichnung eines Baches, der jetzt Schneidewasser heißt,

18. Lonau, ein Ort unweit Herzberg,

19. Markau, ein Bach bei Münchehof.

In neueren Zeiten hat sich die Endsilbe »au« sehr häufig in ein bloßes a verwandelt. Mit einem slawischen Wort zusammengesetzt sind daher noch folgende Namen des Harzbereiches zu nennen:

20. Wippra, der Name eines Baches und Ortes in der Grafschaft Mansfeld,

21. Tilleda,

22. Thyra, ein Bach, der in Stolberg durch den Zusammenfluss mehrerer Bäche entsteht,

23. Steina, ein Ort bei Lauterberg,

24. Wieda, ein Bach, der in die Zorge fließt,

25. Horla, ein Dorf im Mansfeldischen. Dieser Name kommt auch mehrfach in Hessen vor, und hier lässt es sich ableiten, dass er aus Hornawe (Bergbach) entstanden ist, sodass es um so weniger einem Zweifel unterliegen kann, dass die Endung a ursprünglich au, awe, owe etc. geheißen habe.

Kapitel 14

Auch das Wort Ben (Bön, Bán, Ban, Bon) in den Ortsnamen Deutschlands gehört der älteren slawischen Sprache an. Es kommt in anderen Gegenden vor in: Bonacker (Katzenacker), Banowe (Banfe, Katzbach), Bonsfeld (Katzenfeld). Unter den Namen des Harzbereiches darf man daher auch folgende für hibrisch halten:

26. Benneckenstein und

27. Benzingerode.

Kapitel 15

Durch die vorstehende Ausführung dürfte sich nun die Annahme rechtfertigen, dass der Harz und seine Umgebung ursprünglich von Slawen bewohnt gewesen waren. In den Sitten und Gebräuchen dieses Volkes wird daher die Entstehung des Hexenwesens zu suchen sein. Die Bedeutung des Wortes Hexe, nämlich Priesterin, muss natürlich dahin führen, dass die Hexerei in den religiösen Bräuchen der Slawen ihren Ursprung hat. Es ist daher erforderlich, einen Blick auf die slawische Mythologie zu werfen. In ihr wird der Dualismus gefunden, indem die slawischen Völker ein gutes und ein böses Wesen verehrten. Ersteres führte den allgemeinen Namen bog, d. h. der Gute. Diese Bedeutung hat das Wort zwar schon lange nicht mehr. Allein es kann dennoch keinem Zweifel unterliegen, dass gut die Urbedeutung desselben gewesen ist. In der Ursprache der indischen Völker findet sich nämlich ein Laut, der Ähnlichkeit mit den Lauten n und g hat. Er war zum Beispiel in dem Wort αγρος. Dass dieses Wort in der deutschen Sprache in Ugger, Ucker und Unger sich wiederfindet, liefert unter anderem den Beweis für diese Behauptung. Wo dieser Doppellaut blieb, wurde er in der griechischen Sprache nicht durch νγ, sondern durch γγ ausgedrückt, und schon dies beweist, dass der so ausgedrückte Laut kein wahres ng war, sondern nur Ähnlichkeit damit hatte. Dieser Doppellaut teilte sich aber in manchen Sprachen teils in n, teils in g. Aus dem Urwort bong entstand zum Beispiel das lateinische Wort bonus und das slawische bog. In der französischen Sprache dagegen wurde das Urwort in bon (bong) vollständig beibehalten. Die Urbedeutung gut des slawischen Wortes bog kann daher um so weniger angezweifelt werden, als das polnische Wort bogaty (reich) eben so von bog gebildet ist, wie im Deutschen begütert (reich) von gut entstanden ist. Dieser Bog wurde nun verehrt auf Bergen, Wiesen, an Bächen, in Wäldern usw., die von ihm den Namen bekamen.

Zu seinen Verehrungsplätzen im Harz darf man daher auch die Gegend um Bockswiese – einem Zechenhaus unweit Zellerfeld – rechnen, da der angeführte Name offenbar nichts anderes bezeichnet als die Wiese des Bog. Er wurde ferner verehrt auf dem Bocksberg, der beim Ursprung des Grumbach am Weg von Clausthal nach Goslar belegen ist. Auch der Bergflecken Buntenbock bei Clausthal scheint wenigstens einem Bog seinen Namen zu verdanken.

Dieser Bog hatte mehrere Untergötter, deren nähere Beleuchtung jedoch hier von keinem Einfluss ist.

Kapitel 16

Der bösen Gottheiten waren ebenfalls mehrere. Sie hießen in der Lehre des Zarathustra Dew’s, bei den Slawen Djahi oder Djehi, und die Deutschen nannten sie Unholde. Der Harzbote (1833, Seite 125) teilt zwar die Ansicht eines älteren Geschichtsschreibers mit, nach welcher die Unholde diejenigen sind, welche mit der Taufe des sächsischen Anführers Wittekind unzufrieden gewesen waren und daher Unholde, d. h. Ungehaltene genannt seien. Allein diese Erklärung ist ganz bestimmt durch das Glaubensbekenntnis der zur Zeit Karls des Großen getauften Sachsen zu widerlegen. Dies enthielt unter anderem die Worte:

»Ec forsacho allum diaboles wordum end wercum, tuna, erende,
woden end Saxe Ote end allum then unholdum, the hira genotas sind.«

Hier entsagt also der neue Christ nicht nur der Verehrung der hauptsächlichsten heidnischen Götter: dem Teufel, dem Thor, der Hertha, dem Wodan und dem Odin, sondern auch allen Unholden, die deren Genossen sind. Unholde sind daher keine Ungehaltene, sondern Genossen der Götter, und zwar der bösen Gottheiten, weil dies der Name Unholde, d. h. Widriggesinnte, sagt. Denn wenn in dem angeführten Glaubensbekenntnis auch die Genossen der guten Gottheiten Unholde genannt werden, so muss man erwägen, dass die Formel von christlichen Priestern gemacht war, die in Beziehung auf die christliche Religion die sämtlichen heidnischen Götter Unholde nennen konnten.

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  1. Dies Gebet bezeugt zugleich, dass die Verehrung des Krodo auf dem Harz keine Fabel ist. Denn Krodo und das hier genannte Wort Krotti sind bekanntermaßen Worte gleicher Bedeutung. Krodo ist daher nur ein Beiname des Wodan. Dieser Götze wurde der Große genannt, wie man den Jupiter Optimus maximus nannte.
  2. Der heilige Harzberg ist wohl kein anderer als der Herzberg bei Goslar. Die Sage, dass der sich im Goslarer Dom befundene Altar aus Bronze für Opfergaben an Krodo auf der Harzburg früher bestimmt gewesen war, verdient daher wohl mit der Beschränkung Glauben, dass er nicht auf der Harzburg, sondern auf dem Harzberg gestanden haben soll. Sie kann aber auch vollständig wahr sein und unter dem Namen Artisberka auch vielleicht die Harzburg verstanden werden.
  3. An der Lahn waren bekanntlich in späteren Zeiten die Wohnsitze der Franken, die, wie die französische Sprache beweist, den Laut ai (ei, oi) nicht kennen und stattdessen den Laut á gebrauchen. So wurde auch das ursprüngliche Wort Loine durch die Franken in Láne verwandelt, von dem dann nur übrig blieb.