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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das Geheimnis zweier Ozeane 22

Zweites Buch
Zehntes Kapitel
Zwei Gespräche

Nach der Vernichtung der Idzumo arbeitete die wissenschaftliche Expedition noch sieben Tage am Schauplatz der Seeschlacht und beendete mit gutem Erfolg die begonnenen Untersuchungen. Besonders freute sich Schelawin über die erzielten Ergebnisse.

Er bewies das Vorhandensein einer elektromotorischen Kraft in den Schichten des Meeresbodens und erforschte sie gründlich. Schelawins Forschungsergebnisse entzündeten Marats Fantasie bis zur Weißglut. Marat war ganz von dem Projekt besessen, auf dem Meeresgrund riesige Stromsammler zu bauen, welche die in den Bodenschichten entstehende Elektroenergie speichern und aufs Land für Industrie, Transport und für den Hausgebrauch leiten sollten. Marat gelang es sogar, Schelawin zum Anhänger und leidenschaftlichen Verfechter seiner Idee zu machen. In der Wandzeitung veröffentlichte der Ozeanograf einen Aufsatz, in dem er den Skeptikern und Kleingläubigen, die an der Verwirklichung des Planes zweifelten, unverblümt seine Meinung sagte. Das Projekt wurde diskutiert, und Marat fühlte sich wie im siebenten Himmel.

Das U-Boot passierte jetzt eine Zone, in der sich zwei Parallelströmungen berühren – eine warme westliche, die von den Falklandinseln kommt und nach Osten zu den Küsten Südafrikas zieht, und eine breite, kalte Strömung vom Kap Hoorn, die in der gleichen Richtung fließt, sich mit der warmen Strömung eng berührt und den atlantischen Teil des großen östlichen Strömungsringes bildet, der in diesen hohen Breiten den ganzen Erdball umkreist.

Wie überall, wo sich kalte und warme Meeresströmungen berühren, sind diesen Breiten physikalische und biologische Besonderheiten eigen. Nirgends sind Stürme, Nebel und Niederschläge so häufig wie hier. Der Ozean birgt reiches Leben, beginnend mit dem Plankton, den winzigen Lebewesen, die ohne Eigenbewegung im Wasser treiben und die Ernährungsgrundlage der gesamten Fauna der oberen Wasserschichten bilden, und endend mit den größten Seetierarten.

Wie weit wirkt sich der Einfluss dieser besonderen Bedingungen in den Tiefen des Ozeans aus? Welche der Wissenschaft noch unbekannte Tierarten leben dort? Wie breiten sich hier die kalten Meeresströmungen aus, die aus den Gletschern des antarktischen Festlandes durch Eisschmelze und infolge der intensiven Wärmestrahlung in den südlichen antarktischen Gebieten der Atlantischen Ozeans entstehen?

Von welcher Beschaffenheit ist hier der Meeresboden, und welchen Einfluss übt er auf die, Tiefenströmungen und die Wassertemperatur aus?

Alle diese Fragen und viele andere mehr beschäftigten die wissenschaftliche Expedition des U-Bootes. Eine rege Forschungstätigkeit wurde nicht nur während der kurzen Fahrtunterbrechungen entwickelt, sondern auch während der Fahrt selbst – in den Laboratorien, in den Präparierräumen und sogar vor den Bullaugen. Das U-Boot glitt langsam über dem Meeresboden dahin und ließ in den sicheren Regionen der Tiefsee seine starken Scheinwerfer erstrahlen. Das Licht lockte zahllose Meeresbewohner an, und Siedler, Schelawins Assistent, zugleich Maler und Kameramann der Expedition, hatte viel zu tun.

Pawlik wich nicht von seiner Seite. Voller Begeisterung beobachtete er das bunte Gewimmel im Lichtkegel des Scheinwerfers und staunte, wie schnell alles gefilmt oder in dem Zeichenblock mit Bleistift und Farben festgehalten wurde.

Pawlik war in diesen Tagen in Hochstimmung. Der Kapitän hatte ihm mitgeteilt, dass nach einem Funkspruch des Flottenkommandos sein Vater von den Verletzungen, die er beim Untergang der Diogenes erlitten hatte, wieder völlig genesen sei und schon bald das Krankenhaus verlassen würde. Obwohl der Vater die Einzelheiten der Rettung Pawliks nicht kenne, sei er im Besitz aller Funksprüche über seinen Sohn und sorge sich jetzt nicht mehr um ihn.

Pawlik war in diesen Tagen wie in einem Glückstaumel. Dieser Zustand und die wachsende Begeisterung für seine märchenhafte Umwelt zeigten ein unerwartetes Ergebnis. Er schloss sich einen ganzen Tag in Pletnjows Kajüte ein, wo er seit seiner Anwesenheit auf dem U-Boot wohnte, und verfasste ein langes Poem, in dem er die Majestät des Ozeans, seine Schönheit, seine Reichtümer, sein geheimnisvolles Leben und seine Eroberung durch sowjetische Menschen mit flammenden Worten besang …

Der Bordfunker betrat an diesem Tage seine Kajüte nur auf Zehenspitzen und erzählte unter dem Siegel der größten Verschwiegenheit Marat, Skworeschnja, dem Intendanten Orechow und dem Schiffskoch Belogolowy, »der Junge dichte«, er »schwebe in den Wolken« und sei »ganz vom Feuer der Begeisterung erfasst«.

Am Abend desselben Tages wusste schon die ganze Besatzung von dem Poem und wartete mit wachsender Ungeduld auf seine Veröffentlichung.

Spätnachts, als Pletnjow, vom Dienst zurückgekehrt, leise wie ein Mäuslein sich auszog und ins Bett schlüpfen wollte, machte Pawlik den letzten Punkt, warf die Feder hin und reckte sich befriedigt. Kein Zweifel, das große Werk war vollendet, und die ausgebrannte und ermattete Seele des Dichters lechzte nach Ruhe und Vergessen.

Aber schon nach einigen Minuten nahm Pawlik dem Funker einen schrecklichen Schwur ab, dass dieser niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen erzählen würde, und begann, in der Mitte der Kajüte stehend, mit Pathos sein Poem zu deklamieren. Pletnjows von tiefen Falten durchfurchtes Gesicht drückte äußerste Bewunderung und Entzücken aus. Er war außer sich und unterbrach dauernd den jungen Dichter.

»Wie … wie war das?«

Bezwungen liegt zu unseren Füßen der Ozean mit seinen Schätzen.

»Wunderbar! Ich sage es dir, Pawlik, es ist wunderbar! Das musst du in unserer Wandzeitung veröffentlichen. Unbedingt! Und recht bald!«

»Meinen Sie, Viktor Abramowitsch?«, fragte Pawlik verlegen, aber mit leuchtenden Augen. »Ist das wirklich Ihr Ernst?«

»Aber natürlich, Pawlik! Gehe sofort zu Orechow und bitte ihn, das Gedicht mit der Maschine zu schreiben. Und dann reichen wir es bei der Redaktion der Wandzeitung ein.«

Pawlik stand unentschlossen da und sagte dann:

»Wissen Sie, Viktor Abramowitsch … und wenn man es nicht annimmt?«

»Was heißt hier nicht annehmen? Sie werden schon. Glaub es mir. Ein so schönes Gedicht. Ich werde selber mit der Redaktion reden. Jawohl!«

Aber der junge Dichter schüttelte den Kopf. Pletnjow rieb sich die Stirn.

»Weißt du was?«, sagte er schließlich. »Gorelow hat auch eine Schreibmaschine. Er wird sie dir bestimmt leihen.« Pawliks Augen leuchteten.

»Fabelhaft! Fjodor Michailowitsch wird es schon machen. Ich werde selbst tippen … ich weiß mit Schreibmachinen umzugehen … Und Fjodor Michailowitsch wird keinem etwas erzählen.«

Pawlik schlief sehr unruhig und war schon lange vor dem Wecken auf den Beinen.

Nach dem Frühstück wartete er noch eine Viertelstunde – wie endlos waren diese fünfzehn Minuten! – und klopfte dann zaghaft an Gorelows Tür. Niemand meldete sich. Pawlik klopfte noch einmal.

In der Tür zeigte sich Gorelows finsteres, verschlossenes Gesicht, aber als er Pawlik sah, lächelte er.

»Komm herein, Pawlik … Setz dich. Nun, was führt dich zu mir?«

Er schloss die Tür und setzte sich zu Pawlik.

»Fjodor Michailowitsch«, begann Pawlik errötend, »ich habe hier etwas geschrieben … ein Gedicht … für die Wandzeitung. Aber es muss erst getippt werden. Würden Sie gestatten, dass ich Ihre Schreibmaschine benutze? Ich kann damit umgehen. Darf ich?«

Das Lächeln verschwand aus Gorelows Gesicht. Er sprang auf und durchquerte zweimal mit schnellen Schritten die Kajüte, wandte sich aber gleich darauf freundlich an den Jungen: »Aber natürlich, mein lieber Pawlik! Wie könnte ich einem Dichter eine solche Kleinigkeit abschlagen. Ich wollte jetzt selbst arbeiten, aber im Interesse einer solchen Sache …«

»Vielen Dank, Fjodor Michailowitsch! Aber erzählen Sie bitte niemandem …«

»Da kannst du ganz ruhig sein.«

Pawlik setzte sich an die Schreibmaschine.

»Diese Underwood arbeitet aber prima«, bemerkte Pawlik, einen neuen Bogen einspannend. »Ich dachte, Sie hätten nur eine kleine Reiseschreibmaschine und nicht eine so große.«

»Ja …«, brummte Gorelow, wie es schien, in die Lektüre eines Buches ganz vertieft. »Ich besitze sie schon lange und habe mich sehr an sie gewöhnt.«

Die Schreibmaschine klapperte wieder. Aber Pawlik war ein höflicher Junge. Er dachte, Gorelow langweile sich, und unterbrach das Schweigen.

»Auch ich hatte mich in Amerika an die Underwood gewöhnt. Ich habe sie sogar auseinandergenommen und gereinigt. Dort gibt es aber jetzt nur kleine Maschinen. Alte Modelle sieht man sehr selten. Die haben wohl viele unnötige Teile?«

»Hm«, brummte Gorelow, ohne vom Buch aufzuschauen.

»Zum Beispiel, hier ist ein Kästchen unter den Hebeln«, fuhr Pawlik eifrig fort. »Interessant, wozu mag es eigentlich dienen?«

Gorelow warf das Buch auf, den Tisch, schwieg eine Weile und sagte dann unwirsch:

»Dort … dort sind Reserveteile. Es wäre besser, wenn du dich beeilen würdest. Ich muss selbst noch etwas auf der Maschine schreiben.«

Pawlik wurde verlegen. »Aber natürlich, Fjodor Michailowitsch, entschuldigen Sie bitte, ich bin gleich fertig.«

Pawliks Finger eilten über die Tastenreihen. Gorelow war sichtlich nervös. Er sprang dauernd auf, ging durch die Kajüte und setzte sich wieder. Das Buch schien ihn nicht mehr zu interessieren.

An diesem Morgen, als Pawlik an Gorelows Kajütentür klopfte, betrat am anderen Ende des Ganges Professor Lordkipanidse die Kajüte des Kapitäns. Die Verlegenheit, die er jedes Mal verspürte, wenn er dem Kapitän begegnete oder mit ihm sprach, hatte ihn auch heute nicht verlassen.

»Guten Tag, Lord!«, begrüßte ihn der Kapitän herzlich, sich vom Schreibtisch erhebend. »Bitte, nehmen Sie Platz machen Sie sich’s bequem.«

Er schob an den Tisch einen weichen Sessel heran, den einzigen, der in der Kajüte stand, und setzte sich selbst auf einen Stuhl.

»Ich wollte Sie sprechen, Lord. Über Ihre Arbeit in der nächsten Zeit und darüber, wie wir sie durchführen wollen.«

»Bitte sehr, Nikolai Borissowitsch, ich höre Ihnen zu.«

»Unser Programm sieht einen längeren Aufenthalt in den Gewässern von Feuerland vor. Ich möchte jetzt festlegen, wo die Arbeiten stattfinden sollen, wie groß der Raum sein wird, den Sie erforschen wollen, und wie viel Menschen dazu benötigt werden.«

»Verzeihung, Nikolai Borissowitsch … Sie haben doch nicht vergessen, dass wir uns auch kurze Zeit bei der Barwood-Bank, auf halbem Wege zwischen den Falklandinseln und Feuerland, aufhalten wollten? Ich möchte dieses Gebiet sehr gern erforschen und meine Beobachtungen mit den Ergebnissen der Valdivia-Expedition über die Agulhas-Bank, südlich des Nadelkaps, vergleichen.«

»Das habe ich nicht vergessen, Lord! Aber dieser eintägige Aufenthalt erfordert nicht so viele Vorbereitungen und solche Vorsichtsmaßnahmen wie die Tiefseestation in den Gewässern bei Feuerland. Gerade dort müssen wir sehr auf der Hut sein, um die Expedition vor unliebsamen Überraschungen zu bewahren. Wie stark und wie gewappnet wir auch sein mögen, können wir doch nicht wissen, was der Feind noch alles ausheckt. Der letzte Magnettorpedoangriff war sehr bezeichnend. Also, mein lieber Lord, die erste Frage ist: Wo im Gebiet der Feuerland-Inselgruppe gedenken Sie zu arbeiten, und wie groß soll das zu erforschende Terrain sein?«

»Ich würde gern die südlichen Küstengewässer des Archipels untersuchen«, sagte der Zoologe, an die Wandkarte tretend. »Sie sind noch wenig erforscht. Außerdem werden sie selten von Schiffen besucht und bieten uns daher größere Sicherheit als die Magalhães-Straße.«

»Das ist allerdings sehr wichtig«, bemerkte der Kapitän. »Meine Aufgabe wird dadurch wesentlich erleichtert. Welchen Abschnitt wollen Sie hier erforschen?«

»Ich beabsichtige, mit, der Nassau-Bucht zu beginnen«, antwortete der Zoologe, »dann, von der Nordküste der Waleston-Inseln ausgehend, von der Südküste der Halbinsel Hardy bis zur Cook-Bucht an der Westküste der Insel Hasty vorzustoßen und, falls es die Zeit erlaubt, hier das Labyrinth der Londonderry-Inselgruppe zu erforschen. Ich glaube, dass die zwei Wochen, die wir für diese Tiefseestation vorgesehen haben, durchaus genügen werden.«

»Sehr schön!«, pflichtete ihm der Kapitän bei. »Sie haben ja einen besseren Überblick. Gestatten Sie mir jetzt, das von Ihnen genannte Gebiet vom navigatorischen Standpunkt zu betrachten. Dieser ganze Küstenstreifen ist voller Klippen, Riffe und Untiefen; er ist der Schauplatz plötzlich aufkommender Winde und Orkane. Heftige Meeresströmungen ziehen an den Küsten entlang. Für die Schifffahrt ist es eine äußerst gefährliche Ecke – besonders für Unterseeboote. Uns schreckt das allerdings nicht. Wir sind Gefahren nicht so blind ausgesetzt wie gewöhnliche U-Boote, und unsere Maschinen sind allen Belastungen gewachsen. Trotzdem wird die Fahrt in diesen Gewässern an unser navigatorisches Können die größten Anforderungen stellen … Wie viele Helfer werden Sie brauchen, Lord?«

»Alle Teilnehmer der wissenschaftlichen Expedition und alle, die Sie entbehren können, Nikolai Borissowitsch«, antwortete der Zoologe lächelnd und setzte sich wieder in seinen Sessel.

»Viele werden es nicht sein, mein lieber Lord, aber einige kann ich schon entbehren, besonders von denen, die Ihnen und Iwan Stepanowitsch schon immer geholfen haben. Zum Beispiel Skworeschnja, Marat, Matwejew und natürlich Pawlik. Wen noch? Gorelow kaum. Ich möchte Sie nicht betrüben, aber während unserer gefahrvollen Fahrt kann er seinen Posten nicht verlassen.«

»Es geht auch ohne Gorelow«, sagte der Zoologe lebhaft. »Ich bestehe nicht auf seine Hilfe. Wir werden auch ohne ihn auskommen …«

»So? Sieh mal einer an!« Der Kapitän lächelte. »Wenn es nur irgendwie möglich sein wird, bekommen Sie auch ihn. Das soll dann seine Belohnung für gute Leistung sein … Und jetzt möchte ich Sie mit dem Arbeitsplan bekannt machen, Ihre Zustimmung natürlich vorausgesetzt: Das U-Boot landet in der Nassau-Bucht alle Teilnehmer der wissenschaftlichen Expedition mit ihrer gesamten Ausrüstung. In diesem Gebiet arbeiten Sie, entsprechend einem für diese Tiefseestation festgelegten Gesamtplan, zwei, drei Tage oder auch, falls notwendig, länger. Nach der Landung kehrt das Boot in die offene See zurück und kreuzt dort, ohne sich der Küste zu nähern. Bevor Sie an jedem Morgen von Bord gehen, frühstücken Sie hier noch, zum Mittagessen kehren Sie wieder zurück, nachdem Sie unsere Position durch Funkpeilung festgestellt haben. Nach der Mittagspause verlassen Sie das U-Boot, und zum Abendbrot kommen Sie wieder bis zum nächsten Morgen an Bord. Nach Beendigung aller Arbeiten in der Nassau-Bucht befördert Sie das U-Boot zur nächsten im Plan vorgesehenen Stelle und setzt Sie dort ab, wonach sich alles wieder, wie eben gesagt, abwickelt. Diese Arbeitsweise wird für Sie sehr anstrengend sein, aber die Sicherheit unseres Schiffes diktiert uns diese Vorsichtsmaßnahmen. Wird es so gehen?«

»Ich widerspreche nicht, Nikolai Borissowitsch. Ihr Vorschlag ist durchaus vernünftig. Anders geht es eben nicht!« antwortete der Zoologe. Er schwieg eine Weile und fuhr dann, die Augen gesenkt, mit leiser Stimme fort: »Wissen Sie, Nikolai Borissowitsch … Jedes Mal, wenn ich an die bevorstehenden Stationen denke, packt mich Angst. Warum, weiß ich selbst nicht.«

Das Gesicht des Kapitäns wurde ernst.

»Ich verstehe Sie, mein lieber Lord«, sagte er. »Zuviel böse Erfahrungen haben wir auf zwei dieser Stationen gemacht. Nicht das Zusammentreffen mit einem Feind ist so beängstigend, sondern die rätselhaften Umstände, unter denen es stattfindet. Wie kann er nur mit einer so präzisen Genauigkeit den Standort unseres U-Bootes festgestellt haben? Und nicht nur dieses winzige Pünktchen im unendlichen Ozean, sondern auch den Zeitpunkt, wann das U-Boot Station machte? Außerdem erfuhr der Feind dies alles so rechtzeitig, dass er es fertigbrachte, sich vorzubereiten und im richtigen Moment zu erscheinen! Unbegreiflich ist mir das …«

»Allem Anschein nach ist ihm unsere Fahrtroute irgendwie bekannt geworden«, bemerkte der Zoologe.

»Ob ganz oder zum Teil, das ist schwer zu sagen«, warf der Kapitän ein.

»Zum Teil?«, fragte der Zoologe langsam. »Sie glauben also, der Feind könnte unsere Fahrtroute abschnittsweise erfahren haben?«

Der Kapitän zuckte die Achseln. »Warum denn nicht?«

»Dann … dann …«, der Zoologe blickte verwirrt auf den Kapitän. »Aber das ist doch unmöglich …! Das ist ja gänzlich ausgeschlossen.«

Er wurde bleich und atmete schwer.

»Was meinen Sie, Lord?«, fragte der Kapitän.

Der Zoologe schwieg. Dann, als habe er einen Entschluss gefasst, sagte er zögernd: »Ich … ich weiß nicht, Nikolai Borissowitsch, vielleicht ist das von Bedeutung, vielleicht auch nicht; aber ich halte es für meine Pflicht, Ihnen zu sagen, dass ich Gorelow den Ort unserer letzten Tiefseestation bekannt gegeben hatte …«

»Wirklich?« Der Kapitän streifte den Zoologen mit einem erstaunten Blick. »Wie ist denn das passiert?«

»Er war damals noch nicht ganz auf dem Posten, wissen Sie, nach dieser Geschichte mit Schelawin, nach der Verschüttung. Eines Tages besuchte er mich und bat mich, ihn gesundzuschreiben, damit er wieder das U-Boot verlassen und an unseren Exkursionen teilnehmen könnte. Ich schlug seine Bitte ab, aber als ich sah, wie traurig er darüber war, versprach ich ihm, ihn auf der nächsten Tiefseestation wieder aufzunehmen. Auf seine Frage, ob es bis dahin noch weit wäre, nannte ich ihm den Standort. War es wirklich so schlimm, Nikolai Borissowitsch?«, fragte der Zoologe mit großer Unruhe.

Der Kapitän schwieg lange und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Dann schöpfte er tief Atem und schaute den Zoologen an. Der Gelehrte fühlte in seinem Blick scharfen Tadel.

»Abgesehen von den Folgen, Arsen Dawidowitsch, haben Sie völlig unzulässig gehandelt. Dies um so mehr, als wir zur strengsten Geheimhaltung verpflichtet sind. Ich habe Ihnen ein militärisches Geheimnis anvertraut, und Sie haben es ausgeplaudert. Das war, gelinde gesagt, eine große Unvorsichtigkeit Ihrerseits. Ich zweifle nicht daran, dass Ihre Handlungsweise nur die Folge einer leichtsinnigen Auffassung von der Wichtigkeit eines militärischen Geheimnisses war, die unter Zivilisten leider noch zu oft vorkommt. Möglich, dass Ihr Leichtsinn im gegebenen Fall keine gefährlichen Folgen gehabt hat und mit den Ereignissen der letzten Tage in keinerlei Zusammenhang steht. Das weiß ich nicht. Aber wenn der Feind Ihre Redseligkeit ausgenutzt hätte, könnte das zu einer Katastrophe geführt haben.«

Der Kapitän erhob sich und schritt erregt ein paar Mal durch die Kajüte.

»Das … das ist mir klar«, sagte der Zoologe mit stockender Stimme. »Meine Handlungsweise ist unentschuldbar. Ich bin bereit …«

»Sprechen wir jetzt nicht darüber«, unterbrach ihn der Kapitän streng. »Ich werde natürlich dem Flottenkommando über den Vorfall Meldung erstatten, aber jetzt handelt es sich um etwas anderes. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, auf dem uns vielleicht noch viele Gefahren erwarten, auf dem uns auch noch manche Falle gestellt werden kann. Wir müssen unser Arbeitsprogramm erledigen, und das U-Boot muss zum befohlenen Termin heil und sicher Wladiwostok anlaufen. Wichtig ist, Sie vergessen in Zukunft nicht, dass Sie sich an Bord eines Kriegsschiffes befinden und verpflichtet sind, auf jedes Ihrer Worte zu achten und insbesondere unsere Fahrtroute geheim zu halten.«

Der Kapitän setzte sich wieder und fuhr nach kurzem Schweigen fort: »Übrigens – Gorelow. Ich glaube nicht, Arsen Dawidowitsch, dass er eines Verrats fähig wäre. Aber das ist nur meine persönliche Meinung, und sie allein genügt nicht, um klar zu sehen. Eine viel größere Bedeutung haben in diesem Fall rein objektive Überlegungen. Ist es überhaupt möglich, dass ein Mitglied der U-Boot-Besatzung mit irgendjemand an der Oberfläche in Verbindung treten kann? Wir fahren nicht geradeaus, unsere Fahrtgeschwindigkeit wird dauernd geändert, und wir unterbrechen oft und unerwartet unsere Reise. Sie und sogar ich, wir können am Morgen noch nicht sagen, an welcher Stelle des Ozeans das U-Boot um die Mittagszeit sein wird. Wie kann sich also jemand mit seinen Komplizen treffen, wenn man den Treffpunkt vorher gar nicht vereinbaren kann?«

Der Zoologe hing mit dem Blick an den Lippen des Kapitäns und nickte voller Freude mit dem Kopf.

»Man könnte auch vermuten«, fuhr der Kapitän fort, »dass der Verräter sich eines Funkgerätes bedient. Aber die Funkstation unseres U-Bootes würde sofort auf eine so nahe Nachbarschaft reagieren und das Vorhandensein eines fremden Gerätes aufdecken.«

»Und die Funkapparate in unseren Taucheranzügen?«, fragte der Zoologe.

»Sie wissen doch, dass diese nur mit achtundzwanzig verschiedenen Wellenbereichen arbeiten – zur Aufrechterhaltung der Verbindung mit dem U-Boot und der Expeditionsteilnehmer untereinander. Fänden auf einer dieser Wellen Gespräche mit einem Unbefugten statt, würden sie in dem entsprechenden Taucheranzug und, falls im Taucheranzug niemand wäre, im U-Boot gehört werden. Außerdem ist der Aktionsradius dieser Funkgeräte nicht größer als zweihundert Kilometer.«

»Ja, ja …«, sagte der Zoologe nachdenklich. »Es ist also so, dass die Verbindung mit dem Feind nicht vom U-Boot aus geschehen kann. Aber wem noch könnte unsere Fahrtroute bekannt sein?«

Der Kapitän schwieg eine Weile und sagte dann zögernd: »dem Flottenkommando natürlich.«

Der Zoologe schaute ihn verwundert an. »Was? Könnte denn dort ein Spion sitzen?«

Der Kapitän strich sich nervös über sein Bärtchen und sagte, das Gespräch abschließend: »Wir wollen lieber darauf achten, was hier bei uns vor sich geht. Auf jeden Fall halte ich das Flottenkommando auf dem laufenden darüber, was hier geschieht.« Er erhob sich schwerfällig und fügte hinzu: »Wir haben uns also über die bevorstehenden Arbeiten geeinigt. Vergessen Sie aber nicht meine Warnungen, Arsen Dawidowitsch. Seien Sie wachsam. Eine ungeheure Verantwortung liegt auf uns.«

Lordkipanidse erhob sich, verneigte sich schweigend und schritt zur Tür.

Der Kapitän stand am Tisch und sandte dem Wissenschaftler einen langen, prüfenden Blick nach.

Dann verharrte er noch regungslos einige Minuten, den Blick in die Ferne gerichtet. Schließlich begann er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, langsam, mit gesenktem Kopf durch die Kajüte zu wandern.

Ein leichtes, kaum merkliches Beben ging vom Schiffsrumpf aus und teilte sich dem Körper des Kapitäns mit. Sein Hirn arbeitete automatisch: zwei Zehntel der vollen Geschwindigkeit. Das Schiff tauchte manchmal leicht mit dem Bug nach unten, und der Kapitän stellte unbewusst fest: Etwas Großes ist in Fahrtrichtung vorbeigejagt. Schließlich unterbrach er seine Wanderung, strich sich über die Haare und setzte sich mit einem Seufzer an den Schreibtisch. Aus einem Geheimfach entnahm er eine kleine Kartothek, ließ einige der darin befindlichen festen Karteikarten durch seine Finger gleiten und zog eine davon heraus. Oben auf der Karte stand mit großen schwarzen Buchstaben gedruckt:

Personalbestand des U-Bootes Pionier und darunter handschriftlich:

Gorelow, Fjodor Michailowitsch

Dann kamen vierzehn Spalten mit folgenden Eintragungen:

1. Name, Vorname und Vatersname: Gorelow, Fjodor Michailowitsch

2. Stellung: Maschineningenieur

3. Alter: 32 Jahre

4. Parteizugehörigkeit: Kandidat der KPdSU seit 19..

Der Kapitän überlegte, nahm einen scharf angespitzten Bleistift und schrieb neben diese Frage auf den Kartenrand: »Fünf Jahre«. Dann las er weiter.

5. Nationalität: Russe

6. Berufliche Qualifikation: Kriegsingenieur 2. Ranges

7. Ausbildung: Absolvent der Klasse für Motorenbau am Institut für Flugzeugbau; Absolvent der Kriegs ingenieurakademie, Sektion für Düsenantrieb

8. Bisherige berufliche Tätigkeit:

Ingenieur im Werk Nr. 189, Chef des Konstruktionsbüros, gleichzeitig Dozent am Institut für Stratosphärenflüge

9. Gerichtliche Untersuchungen und Strafen: Keine

10. Auszeichnungen und wofür: Ehrenabzeichen für die vorbildliche Erledigung eines Auftrages im Anschluss an die erste Dienstreise ins Ausland

Der Kapitän machte mit Rotstift am Kartenrand ein Ausrufungszeichen.

11. Fremdsprachen: Beherrscht die englische, französische und deutsche Sprache; geringe Kenntnisse der japanischen Sprache

12. Auslandsaufenthalte. Wo, wann und aus welchem Anlass: In Japan; Dienstreisen im Auftrage seiner Dienststellen; die erste von 19 .. bis 19 ..‚ die zweite 19 .. und die dritte 19 ..

Kapitän Woronzow überlegte lange, den Bleistift in der Hand. Dann vermerkte er am Kartenrand: »1. vor fünf Jahren 2. vor zwei Jahren, 3. vor einem Jahr.«

13. Verwandte im Ausland: Wo, wer, Verwandtschaftsgrad: Ja – in Japan – ein Großonkel und seine Tochter: Nikolai Petrowitsch Abrossimow, Anna Nikolajewna Abrossimowa

Hier machte der Kapitän mit Rotstift zwei Ausrufungszeichen.

14. Wissenschaftliche Arbeiten, Dissertationen: siehe beiliegende Liste

In schwungvoller Handschrift stand darunter: F. Gorelow

Woronzow lehnte sich im Stuhl zurück und dachte mit halbgeschlossenen Augen lange nach. Dann griff er nach einem großen Notizblock mit dem Aufdruck: »Kommandant des U-Bootes Pionier.« Mit fester klarer Schrift begann er zu schreiben:

»Funkspruch. Streng geheim. Moskau. Politische Verwaltung der Kriegsmarine der UdSSR. Eilt. Erbitte Einzelheiten über die Dienstreisen des Maschineningenieurs des U-Bootes Pionier, Gorelow, nach Japan. Auch über sein Tun und Treiben dort sowie über seine Beziehungen zu seinen Verwandten in Japan – Nikolai Petrowitsch Abrossimow und dessen Tochter Anna Nikolajewna Abrossimowa. Kommandant des U-Bootes Pionier, Kapitän zur See Woronzow.«

Nachdem der Kapitän diesen Funkspruch geschrieben hatte, entnahm er dem Geheimfach ein Chiffreverzeichnis, und nach ein paar Minuten hatte sich der Funkspruch in einige Ziffernreihen verwandelt.

Auf telefonischen Anruf erschien der Bordfunker Pletnjow und blieb an der Tür stehen, die er fest hinter sich geschlossen hatte.

Die Kartothek und das Chiffreverzeichnis waren wieder im Geheimfach.

»Streng geheim, Viktor Abramowitsch«, sagte der Kapitän und reichte ihm das gefaltete Papier. »Eilt sehr!«

»Zu Befehl!«, kam es zur Antwort. Der Kapitän saß noch lange, in tiefes Nachdenken versunken, an seinem Schreibtisch.