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Der Mythos Tempelritter – Teil 1

Mythos-Tempelritter

Einst waren sie im Hochmittelalter die mächtigste Organisation auf Gottes Erden. Sie waren führend im Bankwesen, sie besaßen die größte Flotte des Abendlandes. Zeugen ihrer schier übermächtigen Größe und ihres Reichtums findet man noch heute: Der Newport Tower in Newport, Rhode Island, der als Leuchtturm der Templer gilt; Santa Mariá de Eunate in Spanien, welche die Templer nach dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem erbauten; Temple Church in London, die den Templern als englisches Hauptquartier diente; die Klagemauer sowie der Tempelberg in Jerusalem, wobei aufgrund der derzeitigen religiösen und politischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina es dort unmöglich erscheint, umfangreiche Ausgrabungen durchführen zu können. Die Liste der noch existierenden zeitgenössischen Sachzeugen und Bauwerke ist groß und würde den hiesigen Rahmen sprengen.
Wer waren die Templer? Wie waren sie organisiert? Wer waren ihre Führer? Gingen die geheimnisvollen Templer am Freitag, den 13. Oktober 1307 tatsächlich unter? Oder gibt es heute noch Nachfahren der Templer? Fragen über Fragen.
In einer losen Folge möchte ich versuchen, den Mythos der Tempelritter ein wenig zu beleuchten.

Teil 1

Ein kurzen Blick auf das Rittertum im Mittelalter

Zerfallene Burgen, Klöster, majestätische Dome und altertümliche Kirchen weisen auf eine längst vergangene, höchst denkwürdige Zeit zurück, von der uns viele Chroniken und alte Sagen berichten können. Gemeint ist jene Zeit, die wir Mittelalter nennen. Diese hat von jeher nicht nur Historiker, sondern auch jeden anderen Geschichtsinteressierten in den Bann gezogen, da einerseits in jenen Jahr­hunderten der Grundstein zu unserem politischen, kirchlichen, sittlichen und gewerblichen Leben gelegt wurde. Andererseits waren die Menschen jener Zeit höchst eigentümlich, lebendig und roman­tisch, ihre Taten glorreich und niederträchtig, die Bauwerke großartig und im christlichen Geiste geschaffen, ihr Geist ein glaubensvoller, die historischen Begebenheiten und hervorragenden Persönlichkeiten sehr bedeutend, das gesamte Leben mannigfaltig und reich. Kurzum war das Wesen jener Zeit so regsam, wunderbar, so verschieden von dem heutigen, dass ihr die größte Aufmerksamkeit zuteilwerden muss. Mit Interesse lesen wir die zahlreichen Chroniken, welche fleißige Mönche damals niederschrieben, die einfachen lieblichen Naturlieder der Minnedichter, die tief gedachten Werke der Scholastiker, die gemütlich-gläubigen Schriften kirchlicher Asketen. Wir fühlen uns von dem Geist inniger Andacht und Gläubigkeit, von der tiefen Kirchlichkeit jener zwar rohen, aber gemütlichen Geschlechter angezogen. Die Heldentaten kampfesmutiger Ritter, die Kämpfe, die Hingebung der Kreuzfahrer, die Sicht nach Abenteuern spricht uns an. Nicht minder erwähnenswert sind die vielen Bauwerke sowohl zum Schutz und Trutz als auch zur Verehrung des Heilandes und der Heiligen, die Turniere mit ihrer Romantik, das Bürgertum mit seiner Einfalt und doch mit reicher Entwicklung, das Faustrecht, die Feme, der wundersame Geist des Mönchtums, der Ritterorden. Alles dies zwingt uns zu der Erkenntnis, dass jenes Zeitalter ein gewaltiges, voll lebenskräftiger Regsamkeit nach Höherem ringendes, ein höchst denkwürdiges war. Freilich paarte sich mit der Kraft Rohheit, mit Tapferkeit ein grausamer Sinn, mit Gemütlichkeit ein mühsamer Tross, mit lebendigem Glauben finsterer Aberglaube, mit Wissenstrieb geistige Armut, mit Gemeinsinn beengender Kooperationsgeist, mit der Herrlichkeit im Volkstum und in der Gesamtheit Armseligkeit im Zustande des Einzelnen, mit der Freiheit des Adels und der größeren Städte Hörigkeit und Leibeigenschaft.

In jenen Jahrhunderten wurzelt der Ursprung heutiger Staaten, öffentlicher Zustände und Herrscherfamilien. Adel und Bürgertum fanden dort ihre Wiege, wo die Allmächtigkeit des Klerus, des Adels und der Jammer der Leibeigenschaft blühten. Aber­glaube, Inbrunst ritterliche Tapferkeit und Sitte beherrschten das öffentliche Leben. Während die Sophistik die Ge­heimnisse des Unendlichen zu enthüllen versuchte, die Wissenschaft im Dienste der Kirche sich abstumpfte, warf Aberglaube und Unduldsamkeit ein eisernes Joch über die Christenheit und gründete ein Reich der Priesterherrschaft, das an eiserner Konsequenz, geistigem Despotismus, an Machtfülle, übermütiger Anmaßung und tief ange­legter politischer Schlauheit seines Gleichen nicht fand.

Wenn die Hierarchie auf der einen Seite die Tyrannei der Fürsten, den Trotz und Übermut des Adels brach, das Joch des Feudalwesens und der Leibeigenschaft erleichterte und durch Kirchlichkeit die Sitten milderte, die Herzen tröstete und segnete, so hat auf der anderen Seite damals das Papsttum die Fürsten und Völker, der Klerus den Adel und dieser mit der Geistlichkeit das Volk geknechtet. Hierarchie und Feudalwesen hielt das Mittelalter im eisernen Griff. Im Mönch und Ritter stellten sich die Gewalten, ja der Geist jener Zeit dar. Als zur Zeit der aufblühenden Wissenschaften und der Erfindung der Buchdruckerkunst die hierarchische Macht durch Reichtum und Bildung der Städte, durch das Schießpulver die ritterliche gebrochen wurde, ging das Mittelalter zu Ende. Die wachsende Herrschaft der Fürsten warf das päpstliche Joch immer mehr ab. Fürsten und Städte brachen den Übermut des Feudaladels. Je mächtiger die Fürsten, je reicher und gebildeter die Städte wurden, desto mehr sank die Macht des Klerus und des Adels, desto mehr brach die neue Zeit, die Zeit der Reformation herein. Der Feudaladel trat seine Macht an die übrigen Stände und musste seine Burgen verfallen lassen.

Bei der Rohheit der mittelalterlichen Völker war die damalige Zeit unsicher und gefahrvoll, persönliche Kraft und Tapferkeit gefragt denn je. In den frühesten Zeiten schlossen sich die Tapferen, die Edelleute mit den Tapfersten, den Herzögen und Fürsten zusammen. So vermochten diese mehr auszurichten und fanden in der gemeinsamen Verbindung Schutz und sonstigen Vorteil. Aus solchen Beziehungen und Verhältnissen ging das Lehnswesen hervor, welches die Stelle des staatlichen Verbandes und dessen Gewalt vertrat. Es beruhte auf Kriegstüchtigkeit, persönlicher Freiheit auf gleicher und persönlicher Abhängigkeit und gegenseitiger Zuneigung. Der Fürst gab demgemäß das Staatseigentum an treue Diener, Vasallen. Diese leisteten dafür ihrem Lehnsherren die Heeresfolge. Als mit Erfindung des Schießpulvers die Kriegführung sich änderte und das Söldnerwesen aufkam, so hörte auch die Lehnsverfassung auf und ging allmählich in eine Steuerpflicht über. Der Einzelne, die Kooperation sowie die Stände verloren ihr Ansehen, die Gesamtheit galt immer mehr und wurde als Staat und öffentliche Meinung die bedeutendste Macht.

Des Lehnswesens Grundpfeiler war die persönliche Tapferkeit. So bildeten die zum Vasallendienst berufenen Krieger einen besonderen Stand, den Ritterstand, welcher sich durch Kriegstüchtigkeit, Tapferkeit, Geburt, Reichtum und Lehensbildung so stark entwickelte, dass er nach den Fürsten zu einem Macht habenden weltlichen Stand wurde. Das Rittertum war einer der Schösslinge, welche der Baum des mittelalterlichen sozialen Lebens getrieben hat. Denn in ihm fand die gesamte gebildete Sitte jener Zeit ihren Mittelpunkt, Ausdruck, Halt und ihre tiefere Bedeutung. Allen lebhaften Zeiten ist es eigen, besondere Vereinigungen und geschlossene Ge­sellschaftskörper zu bilden. Der Ritterstand war ein solcher. Adelige Geburt, ritterliche Übung, Tapferkeit, Unbescholtenheit öffneten den Zutritt zu ihm, da folglich nicht jeder Adelige und Tapfere an sich schon Ritter war. In dieser Würde vereinigte sich das Höchste, was die christliche Welt damals dem von edler Geburt bot. Jedes Ritterfest, jedes Turnier ließen das Rittertum in seinem höchsten Glanz erstrahlen. Gerade zu solchen Veranstaltungen vereinigte sich alles, was sich durch Geburt, Reichtum, Tapferkeit, Ansehen und Schönheit auszeichnete.

Der kirchliche Sinn veredelte dieses ritterliche Wesen. Denn ehrfurchtsvolle Unterwerfung unter die Kirche, Demut den Hei­ligen gegenüber, Selbstverleugnung, Gemeingeist und Feinfühligkeit gegenüber den Frauen waren die Tugenden eines echten Ritters. Die Kirche weihte sein Schwert sowie die Aufnahme in den ritterlichen Stand, der sich seit dem elften Jahrhundert bildete und wie Mönchsorden, Innungen und Zünfte der Handwerker und sonstige fromme Brüderschaften eigentümliche Bräuche, aber auch eine besondere Gliederung und Kleidung hatte. Er umfasste den Fürstensohn wie den ärmsten Junker. Beide waren gleich und einer galt nur dann mehr als der andere, wenn er sich durch kriegerische Taten einen Namen erworben hatte und andere Tapfere sich ihm freiwillig anschlossen. Unmittelbar nach dem Klerus war der Ritterstand der herrschende, der alles besaß, was die da­malige Zeit an Wertvollem zu bieten hatte. Der Ritter erfreute sich gewöhnlich eines freien, oft bedeutenden Besitztums, der Gebundenheit, eines heiteren Lebensgenusses sowie der Herrschaft. Die Fürsten gehörten dem Ritterstand an. Was außer ihm und dem Klerus sich vorfand, gehörte zum Dienstadel (Ministerialen), Bürger- und Bauernstand oder zum Stand der Hörigen und Leibeigenen, welche der Burg oder dem Kloster oder beiden fronen musste.

Der Ritter, ein geborener Herr, oft ein Tyrann, nicht selten Raubritter, meinte allem Anschein nach, was er mit seiner Lanze erreichen könne, gebühre und gehöre ihm. Wusste er sich meisterlich und überlegen im Kampf, jeder andere war ihm unterlegen. Hauste er auf seiner Burg, so verbrachte er die Zeit mit seinen Freunden an der Tafel und huldigte dem Gott der Reben. Stets war er eifrig bedacht, seine freiherrlichen Rechte zu wahren, zu vermehren, deren Beschränkung und sonstige erfahrene Beleidigungen blutig zu rächen. In Stunden der Langeweile, und deren hatte er sehr viel, rühmte sich der Ritter gern seiner Kriegstaten und Abenteuer und lauschte den Erzählungen anderer. Er frönte der Jagd, besuchte Turniere und Nachbarn, nahm an kirchlichen Feierlichkeiten der reicher Klöster teil, kämpfte blutige Fehden aus oder trieb sicherlich auch Wegelagerei. Auch wenn der Umfang seines Wissens und Wirkens nach heutiger Auffassung unbedeutend und wenig nutzbringend für das allgemeine Wohl erscheint, so war der Ritter doch die tüchtigste und würdevollste Persönlichkeit im Mittelalter. Er war es, welcher die edlen, zarten Seiten des Lebens vorantrieb, sie mal mehr, mal weniger genoss und besaß. In der ritterlichen Galanterie kam die feine Sitte der damaligen Zeit besonders in Frankreich zum Ausdruck. Und diese Sitte war in jenen Jahrhunderten die vornehme Bildung. Diese bekam durch den Einfluss der Religion in Beziehung auf das weibliche Geschlecht einen höchst romantischen Anstrich, sodass es sich der Ritter eifrigst bemühte, durch feste Treue, hingebendste Aufopferung, Selbstverleugnung und Tapfer­keit das Wohlwollen und die Zuneigung seiner Dame zu erwerben. Im Turnier und bei jedem anderen nennenswerten Waffengang empfahl er sich beim Beginn des Kampfes Gott oder dem Schutzheiligen sowie seiner Dame. Ritterliche Sitte und galante Ehrfurcht unterdrückten sündhafte Gelüste. Der Ritter verehrte die Geliebte seiner Seele wie eine Heilige, wovon uns Minnelieder eigentümliche und kurzweilige Beweise geben. Er war der verpflichtete Beschützer der Frauen und in jeder Beziehung der eifrigste Kämpfer für die Ehre und das Lob seiner Dame, für deren Schönheit und Tugend er sein Leben einsetzte. Dieser poetische Zauber des Mittelalters verging, die zuvor farbenreiche und duftende Blume welkte dahin.

Die Dichtkunst der folgenden Zeiten verwandelte die Burg des Einzelnen in die Festung des Landes, die Steinschleuder in die Kanone, das Ritterschwert in den leichten Degen des Offiziers, den Bogen in die Flinte, den Helm in den Offizierhut. Der Ritter wurde Offizier, der Knappe Fähnrich, das Turnier zur Revue und Parade, zum Scheingefecht, die Chevalerie zur Galan­terie der Salons, die Minnesänger verschwanden von der Bildfläche. Kurzum gesagt, das gefühlsbetonte Rittertum mit seiner Romantik und frommen weiberlieben Begeisterung ging in nüchternes Soldatentum, in kleinbürgerliche Engstirnigkeit über. Im Geist der roman­tischen Zeit steht wie ein trauernder Riesenschatten über dem Hünengrab des zu Boden gesunkenen Rittertums der edle und kräftige Götz von Berlichingen, der letzte Ritter. Die wehleidigen Worte des Friedrich von Raumers (1781 – 1873) sollen an dieser Stelle als Abschluss dienen: »Die Ritterwürde verlor an Bedeutung, seitdem sie der Adel als Nebensache, den Besitz von Grundeigentum als Hauptsache betrachtete. Statt des wahren persönlichen Adels blieb der Adel des Grundbesitzes übrig, und seitdem die entarteten Vasallen für Lehnsdienste Geld gaben oder sogar die Steuerfreiheit, trotz der Entbindung vom Kriegsdienste, durchsetzten, sank der Adel von dem Gipfel seiner Würde und Bedeutsamkeit tief herab, sein Wesen darein setzend, weder zu kämpfen, noch zu zahlen.« Zitat aus: Friedrich von Raumer: Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit. Droste Verlag. Düsseldorf. 1968

(wb)