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Das Lufer-Haus

 

»Am 18. August 2008 begann eine Gruppe von Forschern der Paranormalen Ambulanz der Universität Freiburg […] mit Untersuchungen in einem leerstehenden Haus in der Nähe von Küsnacht in der Schweiz. Fünf Tage später verliert sich jede Spur der Forscher.«

Am 18. August 2008 »beziehen« eine Gruppe der Parapsychologischen Ambulanz der Universität Freiburg gemeinsam mit zwei Abhörexperten für ein parapsychologisches Forschungsprojekt das »Lufer-Haus«, ein Schweizer-Bauernhaus im kleinen Städtchen Langacher, in der Nähe von Küsnacht, im Kanton Zürich. Immer wieder haben Anwohner und andere Zeugen von unerklärlichen Phänomenen in und um das Haus berichtet. Das Tagebuch von Wieland Bergmann, der mit seiner Familie von 1862 bis 1865 im Lufer-Haus lebte, ist ein beeindruckendes und erschreckendes Zeugnis dieser Vorfälle. Seit dem überstürzten Auszug der Familie Bergmann steht das Haus leer. Im September 2008 sollte es laut einem Beschluss der Gemeindeverwaltung von Küsnacht abgerissen werden. Dazu kam es nicht.

Vier Tage später ist das gesamte Forscherteam, sowie Bruder Matthias aus dem nahegelegenen Kloster, der dem Team beratend zur Seite stand, spurlos verschwunden.
Lediglich die Tonaufnahmen, die im Laufe des Projekts angefertigt wurden, wurden gefunden.

In den nächsten Tagen häufen sich merkwürdige Geräusche; Scharrende Schritte, Lautes Klopfen überall im Huas. Alle Familienmitglieder berichten außerdem von dem Eindruck, dass sie, obwohl sie allein im Zimmer waren, eine andere Person atmen gehört haben.

Seit Lübbe-Audios leider kurzlebigem Hörspiel-Experiment MITTSCHNITT (4 Folgen) sind »Found-Tapes« (analog zu »Found-Footage«-Movies) auch im Hörspielbereich kein Novum mehr. Dennoch ist dieser Stil hier immer noch außergewöhnlich genug, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zudem scheint das »Found-Footage«-Stilmittel wie gemacht für das phantastische Genre, wie Filme von CANNIBAL HOLOCAUST bis DER LETZTE EXORZISMUS, TROLL HUNTER oder jüngst CHRONICLE – WOZU BIST DU FÄHIG? beweisen. Nun hat sich also die renommierte Lauscherlounge des Genres angenommen und mit DAS LUFER HAUS eine Haunted House-Story für die Ohren produziert.

Die Hörer werden hier nachträglich Zeugen, wie eine Gruppe der Parapsychologischen Ambulanz der Universität Freiburg mithilfe zweier Abhörspezialisten die rätselhaften Vorgänge in dem titelgebenden Gebäude mit technischen Mitteln lüften wollen. Dabei beginnen die chronologisch geordneten Aufzeichnungen mit den beiden Abhörprofis Max und Christine Reekers, die sich technisch und mental auf ihren Einsatz vorbereiten, ohne so recht zu wissen, was sie erwartet. Es folgt die Vorstellung des Teams, die Rekapitulation der bisherigen Ereignisse im Lufer Haus mithilfe des Tagebuchs eines ehemaligen Bewohners – alles sehr unaufdringlich und im Kontext der Geschichte durchaus glaubhaft umgesetzt – und die Anreise am Forschungsobjekt. Auch hier ist alles sehr realistisch und unverkrampft inszeniert. Besonders die »belanglosen« Gespräche einzelner Crewmitglieder untereinander sorgen für eine wirklichkeitsnahe, ungekünstelte Atmosphäre.

Natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis erste Geräusche und Erscheinungen für Schrecken und dann auch für Diskussionen der Mannschaft sorgen, ob die Para-Forschung weiter geführt werden soll oder ob es zu gefährlich ist. Die Lage spitzt sich enorm zu, als die unerklärlichen Vorkommnisse im Haus zunehmend persönlicher werden und so das gesamte Team aufreiben. Am Ende schlägt die zermürbende Stimmung schließlich in nackte Panik um.

»Wieland und Mirza halten gemeinsam Nachtwache, als sie im Garten, in der Dunkelheit, mehrere Gestalten auf das Haus starren sehen. Am nächsten Morgen finden sie Wielands Mutter tot in ihrem Bett. Ihr Gesicht ist grauenhaft entstellt. Unter dem Bett finden sich Zähne und ein Bündel Haare, das jedoch zu niemandem aus dem Haus gehört.«

Dass DAS LUFER HAUS eine Lauscherlounge-Produktion ist, sagt eigentlich bereits genug über die Qualität aus. Inhaber und selbst Sprechervollprofi Oliver Rohrbeck ist in diesem Punkt nicht gerade für Kompromisse bekannt.

Sehr positiv zu bemerken ist, dass alle Teammitglieder nach und nach einen glaubhaften Hintergrund erhalten, eine eigene Persönlichkeit entwickeln und sogar eine Entwicklung durchlaufen, die sogar manchem Roman abgeht. Dazu wird das Ganze absolut ungekünstelt vermittelt. Nicht gerade eine Selbstverständlichkeit, bei dieser speziellen Form des Geschichtenerzählens.

Das authentische Feeling wurde auf inszenatorischer Ebene dadurch erzeugt, dass das Hörspiel tatsächlich mit dem kompletten Team unter »Live-Bedingungen« in einem alten Bauernhaus aufgenommen wurde. Die Sprecher konnten sich während der Aufnahmen durch das Haus bewegen und direkt miteinander interagieren. Das Ergebnis kann sich mehr als hören lassen und lässt Gurken wie PARANORMAL ACTIVITY und andere gefeierte Genrevertreter alt aussehen.

Nicht zuletzt ist dies auch den relativ unbekannten aber nichtsdestoweniger sehr talentierten SprecherInnen zu verdanken, die hier eine enorme Bandbreite an Emotionen »darstellen« müssen.

In Zeiten der Medienüberschneidung wird das LUFER HAUS-Projekt unterstützt und ergänzt von einer eigenen Webseite (www.luferhaus.de) inkl. Behind-the-Scenes-Doku zu den Aufnahmen, Vorstellung des Teams und weiterem Bonusmaterial. Das CD-Booklet enthält außerdem ein Passwort, über das auf der Lasucherlounge-Homepage noch ein Bonustrack zu erhalten ist.

Großartiges Hörspiel-Experiment, dessen Aufwand sich gelohnt hat. Selten konnte ein Hörspiel mehr in seinen Bann ziehen.

Copyright © 2012 by Elmar Huber

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Kai Schwind
Das Lufer-Haus
Horror-Hörspiel
Lauscherlounge, Berlin, 2012
2 CDs ISBN: 978-3-9430-4607-6
12,99 EUR (CD)
9,99 EUR (MP3-Download)
Fotos: Uve Teschner
SprecherInnen:
Christian Schäfer
Gabriele Blum
Oliver Siebeck
Rodja Tröscher
Uve Teschner
Vera Molitor
Regie: Kai Schwind
Titelfoto: Douglas Allen (istockphoto)