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Die Bräute des Vampirs

Jason Dark, Dennis Ehrhardt
John Sinclair Classics, Folge 15
Die Bräute des Vampirs

Horror, Lübbe Audio, Köln, Mai 2013, Audio-CD, 71 Minuten, 7,95 Euro, ISBN 9783785743812, Titelillustration von Timo Würz

www.luebbe-audio.de

Miriam West, von Beruf Hostesse, wurde offenbar von einem Vampir entführt. So lautet jedenfalls die Aussage des Immobilienmaklers George Baker, der Miriam bis nach Hause gefolgt ist, als diese ihn hat abblitzen lassen. Kein Wunder also, dass John Sinclair auf den Fall angesetzt wird. Der findet heraus, dass Miriam offenbar kein zufälliges, aufs Geratewohl ausgewähltes Opfer war, und bereits eine weitere Dame aus demselben Gewerbe verschwunden ist, Nina Ashton. Beide Frauen führen zu einem Namen: Boris Barow. Der ist offenbar von dem Gedanken besessen, einem frühen Nachfahren nachzueifern und zum Vampir zu werden. Zu diesem Zweck hat er sich auf ein altes Schloss zurückgezogen. Dummerweise kommt er dabei einigen brutalen Ausbrechern in die Quere. Doch Barow ist in seinem Streben bereits weit fortgeschritten. Das muss auch Inspektor Sinclair feststellen, als er Barow und seiner Vampir-Brut gegenübersteht …

Abgesehen davon, dass eigentlich jede neue Folge der Hörspielserie mit Spannung erwartet wird, ist die vorliegende Episode besonders interessant, da Sinclair hier erstmals von Beginn an sein silbernes Kreuz besitzt. Für die Leser der Romane ist dieser Umstand insofern wichtig, da der Geisterjäger in den Gespenster-Krimi-Romanen, die den Classic-Folgen zugrunde liegen noch gar nicht eingesetzt hat. Nun ist Dennis Ehrhardt, der für Skript und Regie verantwortlich ist, mittlerweile bekannt dafür die literarischen Vorlagen von Jason Dark stark umzuinterpretieren, und ggf. auch mehrere Romane zusammenzufassen. Manchmal zum Vorteil der Vertonungen, manchmal aber auch zu deren Nachteil. Was im vorliegenden Fall zutrifft, ist jedoch alles andere als einfach zu beurteilen. Daher zunächst die kurze Anmerkung, dass auch diese Folge technisch brillant ist. Vor allem der Raumklang kommt dieses Mal besonders gut zur Geltung, insbesondere in der Szene, in der Brenda Porter in den Hausflur geht, um Lewis Farrington einzulassen. An der Haustür sind die Stimmen leiser und gedämpfter, als ob sich der Hörer weiterhin im Wohnzimmer aufhalten würde, und werden erst lauter, als die Charaktere zurückkehren. Der Soundtrack passt hervorragend zu der düsteren Atmosphäre, die in dieser Folge gewiss nicht zu kurz kommt, und auch in puncto Sprecher lässt das Hörspiel keine Wünsche offen. Mit Dietmar Wunder als John Sinclair muss man sich abfinden, obwohl man bisweilen den Eindruck hat, zwei verschiedenen Charakteren zu lauschen, wenn man die Edition 2000 und die Classic -Serie unmittelbar hintereinander hört. Zu unterschiedlich sind einfach die Sprechweisen von Glaubrecht und Wunder, ähnlich der schauspielerischen Kunst von Pierce Brosnan und Daniel Craig, jenen James Bond-Mimen, denen die Sprecher ihre Stimmen für die deutsche Synchronisation liehen, und die letztendlich dafür verantwortlich sind, dass die Sprecher die Rolle des Serienhelden John Sinclair erhalten haben. Achim Schülke füllt die Fußstapfen von Karlheinz Tafel als Sir James Powell gut aus. Als Bösewicht dieser Episode brilliert Robin Bosch, über den erstaunlich wenig in Erfahrung zu bringen ist, außer, dass er ein hervorragender Sprecher ist, dem man gerne zuhört und der als sinistrer und skrupelloser Vampir-Anwärter absolut glaubwürdig ist. Ebenfalls mit von der Partie ist Santiago Ziesmer als ständig plappernder Häftling Ethan Flemming. Hier hatte Skriptautor Dennis Erhardt sicherlich den Psychopathen Garland Greene aus dem Film Con Air vor Augen, der ebenfalls von Ziesmer synchronisiert wurde. Gudo Hoegel darf sich als angetrunkener und egomaner Immobilienmakler George Baker so richtig austoben. Das Verhör durch John Sinclair ist einfach grandios. Als die Bräute des Vampirs sind Katharina von Keller und Nadine Wrietz zu hören, die als angehende Untote großartig wirken. Und hier liegt eigentlich der größte Knackpunkt des Hörspiels. Aus der geradlinigen, aber keineswegs langweiligen Heftromanvorlage von Jason Dark, hat Erhardt ein nicht minder spannendes Hörspiel gestrickt, das aber im Finale sehr konstruiert wirkt, um eben den vom Regisseur gewünschten Effekt zu erzielen. Um diesen Umstand näher zu erläutern, muss ich ein wenig genauer auf die Handlung eingehen, daher Achtung: SPOILER-ALARM.

Mit echten untoten Vampiren bekommt es der Geisterjäger, anders als im Roman, gar nicht zu tun. Zwar wurde die Grundidee mit dem Vampir-Elixier, angemischt aus transsylvanischer Heimaterde von Dracula, beibehalten, aber im Gegensatz zum Roman verabreicht Barow auch den entführten Frauen den Trank. Sein Biss allein reicht nämlich nicht aus, um seine Opfer zu verwandeln, zumindest nicht komplett, und auch der Trank muss mehrfach verabreicht werden. Diese Verkomplizierung der Geschichte wirkt sehr irritierend und ist schon in der aktuellen Folge der Edition 2000 (Ein Leben unter Toten) unangenehm aufgefallen. Im vorliegenden Fall erfüllt es den Zweck, dass John sich nicht sicher ist, ob es sich um echte Untote oder werdende Vampire handelt, das heißt, er hat Hemmungen einfach auf den Vampir zu feuern und »testet« ihn stattdessen mit dem Kreuz, das dadurch seine Feuertaufe erhält. Als ihn die verwandelten Häftlinge attackieren, bei denen übrigens ein kurzer Biss ausgereicht hat, hat er solche Hemmungen indes nicht und macht nicht einmal Anstalten das Kreuz zu zücken. Nichtsdestotrotz wurde der Kampf mit den Vampiren gut in Szene gesetzt. Nur der Part von Bill Conolly, Johns bestem Freund, fiel gänzlich dem Rotstift zum Opfer und wurde komplett gestrichen. Im Roman nutzt der Geisterjäger übrigens ebenfalls ein silbernes Kreuz, dessen unteres Ende zugespitzt ist, und das er von einem Museums-Kurator erhalten hat. Mit dem geweihten Talisman hat dieses aber nichts zu tun. Dass John erst ein einziges Mal mit Vampiren zu tun hatte, wie hier von ihm behauptet wird, stimmt so allerdings nicht, denn die Untoten aus Das Leichenhaus der Lady L waren ebenfalls Blutsauger und den Friedhof der Vampire scheint der gute John auch vergessen zu haben. Oder aber Dennis Ehrhardt blendet die herausragende Vorarbeit von Oliver Döring komplett aus, was ich nicht hoffen will. Das vorliegende Hörspiel ist jedenfalls sehr gut gelungen, bis eben auf das etwas unlogische Finale und die unnötige Verkomplizierung. Die Serie lebt unter anderem von seiner Geradlinigkeit, der Action und dem Humor, und an Letztgenannten herrscht in diesem Hörspiel kein Mangel.

Timo Würz hat ein sehr schönes Cover zu dem Titel entworfen, das gut zur Geschichte passt und eine entsprechende Atmosphäre vermittelt. Weiter so.

Fazit:
John Sinclair und sein Kreuz gegen Draculas Erben. Atmosphärisch dicht und großartig besetzt. Am Ende ein wenig unlogisch und unnötig kompliziert, aber trotzdem hörenswert.

(fh)