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Westernkurier 07/2013

Kinder und Heirat

Auf ein Wort Stranger!
Beim Wort Indianerin denken viele an die wunderschöne Prinzessin Pocahontas, an Lasten schleppende, abgearbeitete, unterwürfige Frauen oder spärlich bekleidete Mädchen. Es gab sowohl die Prinzessin als auch die weiblichen Packesel in wenigen Stämmen, wo Frauen grundsätzlich miserabel behandelt wurden. Vieles wurde von Weißen, die Kontakte zu Natives pflegten, falsch wiedergegeben, teils aus Unwissenheit, teils aus Desinteresse an einer fremden Kultur. Die frühesten Darstellungen, die wir über Natives haben, stammen von europäischen Missionaren und Forschungsreisenden, die diese fremdartige Kultur durch die Brille ihrer zumeist konservativen Gesellschaft sahen und dementsprechend ablehnend gegenüberstanden.
Viele Indianerstämme sind bereits ausgestorben und mit ihnen ihre Rituale und Bräuche. Einigen Interessierten, die sich die Mühe machten, Menschen zu befragen und Riten schriftlich festzuhalten, verdanken wir es, einen kleinen Einblick in das Leben der Naturvölker zu erhalten. Es gibt eine Fülle von faszinierenden wie auch befremdlichen Riten. Leider kann hier nur ein Bruchteil dessen wiedergegeben und auf kein Ritual näher eingegangen werden.

Entgegen der Meinung der Weißen waren Indianer ein sehr reinliches Volk. Baden war ein Ritual, das von Geschlechtern getrennt täglich im Fluss praktiziert wurde. Auch Babys wurden mit kaltem Wasser gewaschen, um sie zum einen zu reinigen und zum anderen um sie abzuhärten, damit sie die strengen Winter überlebten. Mutterrolle und Aufzucht einer gesunden Familie sind seit Menschengedenken Bestimmung der Frau. Im hohen Norden, wo das Leben sehr hart war, war ein Überschuss an Töchtern nicht willkommen. Huronen dagegen wünschten sich viele Töchter, denn sie konnten wieder Kinder gebären. Zahlreiche Kinder sicherten die Versorgung der Alten. Hopi, bei denen die Frauen einen hohen gesellschaftlichen Status genossen, wünschten sich ebenfalls viele Töchter. Die Führung des Clans und des Haushaltes oblag der Frau. Heiratete der Sohn, gehörte er zum Clan seiner Frau.
Aberglaube spielte in allen Kulturen eine große Rolle, sei es in Europa oder auf einem anderen Erdteil. Bei manchen Gruppen durfte eine Schwangere keine missgebildeten oder verletzten Menschen ansehen, damit das Kind nicht mit den gleichen Defekten geboren wurde. Je nach Stammeszugehörigkeit waren bestimmte Nahrungsmittel verboten. Verschiedene Kräutertees wurden dazu verwendet, um Beschwerden während der Schwangerschaft und Schmerzen während der Geburt zu lindern. Bei der Geburt und den dazugehörigen Ritualen waren die Indianerinnen unter sich. Nur in Ausnahmefällen wurden heilkundige Männer hinzugezogen. Für die Geburt zog sich die Frau mit ihren Helferinnen in das Geburtszelt zurück und man erwartete von ihr, Schmerzen stumm zu ertragen. In einigen Gruppen war es Brauch, dass die Mutter mit ihrem Neugeborenen in Abgeschiedenheit lebte. Die Zeitspanne reichte von wenigen Tagen bis zu drei Monaten. Während dieser Zeit wurde sie von weiblichen Verwandten versorgt. In manchen Kulturen musste die Frau den Geburtsvorgang alleine überstehen. Die Frauen der Caddo gingen zum Zeitpunkt der Niederkunft an einen Bach, bauten sich ein Schutzdach und entbanden ihr Kind alleine. Gleich nach der Geburt reinigten sie sich und das Baby im Wasser, selbst im kältesten Winter. Die Kindersterblichkeit war bei den frühen Amerikanern sehr hoch. In manchen Gruppen wurden Rituale deshalb erst vollzogen, wenn die Kinder einige Jahre alt waren.
Durch das harte Leben hatten manche Frauen Schwierigkeiten schwanger zu werden. Sie versuchten es mit Zauber, allerlei Nahrungsmittel und obskuren Mitteln, wie das Verzehren von roten Ameisen.
Geburtenkontrolle war magischer Natur, oder durch Einnahme von verschiedenen Kräutertees. Wahrscheinlich nicht immer zielführend. Auch um eine Schwangerschaft zu unterbrechen, gab es verschiedene Pflanzen. Bei den Cheyenne war Abtreibung Menschentötung und die Frau wurde als Mörderin bestraft.
Es gab viele Gründe, warum Naturvölker Infantizid betrieben. Je unwirtlicher die Gegend war, in dem die verschiedenen Gruppen lebten und je schwieriger der Alltag, desto häufiger wurden Neugeborene getötet. Keine Kultur konnte es sich leisten, Kinder großzuziehen, die niemals in der Lage waren, alleine zu überleben und viele Gruppen hielten es für grausam, missgebildete Menschen Hohn und Spott auszusetzen. Bei den Eyak drohte einer Mutter, die ihr verkrüppeltes Neugeborenes vor dem sicheren Tod retten wollte, selbst der Tod.
Creek-Frauen besaßen im ersten Lebensmonat des Kindes die alleinige Vollmacht über dessen Leben und Tod.
Babys und Kleinkinder wurden verwöhnt und umsorgt. Durften sie etwas nicht tun, wurden sie mit anderen Beschäftigungen abgelenkt. Züchtigung von Kindern war bei den meisten Stämmen unbekannt. Babys die viel weinten, wurden abseits vom Lager in ihren Tragen alleine gelassen, um sie so zu lehren, still zu sein, oder es wurde ihnen Wasser ins Gesicht geträufelt. Für größere Kinder waren Lob und Anerkennung und die Angst vor Schande ein besserer Lehrmeister als Schläge.
Kinder wurden sehr früh in das Stammesleben integriert. Während Jungen jagen lernten und sich in Wettkämpfen maßen, halfen Mädchen bei den täglichen Frauenarbeiten. Wer denkt, dass es in einem Indianerzelt unzivilisiert zuging, wird eines besseren belehrt. Besonders beim Essen wurde gutes Benehmen erwartet. Chiricahua-Apachen-Kinder durften nicht nach dem Essen langen, bevor nicht die Erwachsenen zugriffen. Sie durften nicht zu viel essen, denn Speisen waren eine heilige Gabe und nicht im Überfluss vorhanden, nicht schwatzen und herumlaufen. Bei den Yurok in Kalifornien gab es eine festgelegte Sitzordnung. Mädchen saßen neben der Mutter, Jungen neben dem Vater. Speisen wurden langsam eingenommen. Töchter mussten sitzen bleiben, bis erst der Gast, dann der Vater und die Brüder den Raum verließen.
In vielen Gruppen wurden Kinder geschlechtlich voneinander getrennt aufgezogen. Die Salish und Chickasaw trennten ihre Kinder im Alter von fünf Jahren. In anderen Stämmen durften sie bis zur Pubertät miteinander spielen. Die Creek verboten ihren Töchtern mit den Brüdern zu sprechen, wenn die Jungen älter als zehn Jahre alt waren. Ihre Zuneigung drückten die Mädchen aus, indem sie sich um die Kleidung des Bruders kümmerten.

Sobald ein Mädchen in die Pubertät kam, wurden Heiratspläne gemacht. Für unverheiratete Frauen war kein Platz, sie galt als die natürlich Ergänzung des Mannes. Brautwerbung war sehr unterschiedlich. Cheyenne-Mädchen wurden streng bewacht, durften mit Jungen kaum sprechen. Die Werbung konnte sich lange hinziehen. Von vielen Stämmen wurde voreheliche Keuschheit erwartet. Brach ein Apachen-Mädchen dieses Tabu, wurde es vom Vater öffentlich gezüchtigt. Eine offizielle Möglichkeit sich zu treffen, waren Gesellschaftstänze, doch auch hier hielten Mütter und Großmütter ein wachsames Auge auf die Mädchen. Bei den Sioux durften sich zwei junge Leute, die sich zueinander hingezogen fühlten, vor dem Tipi des Mädchens unter eine Decke setzen. Bei den Hopi machten die Mädchen die Heiratsanträge. Die jungen Männer achteten genau darauf, dass sie nur mit solchen Mädchen zum Picknick gingen, die ihnen gefielen. Omaha- und Apachen-Mädchen wurden Angst und Scheu vor Männern anerzogen. Um ein Mädchen ihrer Wahl zu treffen, zogen Männer ihre beste Kleidung an, passten das Mädchen bei Erledigungen außerhalb des Lagers ab und spielten ihr auf einer eigens dafür gefertigten Flöte vor. Bei vielen Stämmen galt Flötenmusik für Frauen als verführerisch und wurde bei der Brautwerbung eingesetzt. Navajo veranstalteten einen Frauentanz, wo sich die Mädchen ihre Tanzpartner aussuchen durften. Verschiedene Liebeszauber wurden in den Gesellschaften praktiziert, wo die Trennung der Geschlechter sehr ausgeprägt war. Auch wenn die Gepflogenheiten noch so streng waren, fanden junge Leute immer einen Weg, sich heimlich zu treffen. Der Brautpreis war keineswegs als Kaufpreis zu sehen, sondern die Achtung der zukünftigen Frau. In manchen Gesellschaften wurden Gegengeschenke erwartet.
In vielen Fällen hatten Mädchen keine freie Wahl, mit wem sie verheiratet wurden. In manchen Stämmen entschieden die Eltern, welcher Mann am besten für die Tochter geeignet war. Manchmal zeigte ein Vater so seine Dankbarkeit oder Freundschaft einem anderen Mann gegenüber, oder war jemand eine Gefälligkeit schuldig.
Das Heiratsritual war kein religiöses Sakrament, sondern ein Vertrag zwischen zwei Personen und deren Familien. Bei vielen Stämmen gab es das „Schwiegermutter-Tabu.“ Schwiegermutter und Schwiegersohn war es nicht gestattet, sich miteinander zu unterhalten.
Manchmal schlug eine Sioux ihrem Mann vor, sich noch eine Frau zu nehmen, die ihr bei der Arbeit zur Hand gehen konnte. Ihren Status als erste Frau würde sie dadurch nicht verlieren, im Gegenteil.
Scheidungen waren häufig und bei den meisten Stämmen unkompliziert. Lebte eine Frau bei der Familie ihres Mannes, packte sie einfach ihre Sachen und ging zu ihren Eltern zurück. Gehörte das Heim der Frau, packte sie die Habseligkeiten des Mannes und stellte sie vor die Tür. Die Frauen der Gros-Ventre wurden nur dann von ihren Familien wieder aufgenommen, wenn ihre Männer sie grob vernachlässigten.
Der Überschuss an verwitweten Frauen, deren Männer auf der Jagd oder im Krieg starben, führte zur Polygamie. Von den Witwen erwartete man, dass sie Handlungen vornahmen, die Trauer ausdrückten. Um den seelischen Schmerz zu unterdrücken, schnitten sich die Frauen das Haar ab und schlitzten sich Arme und Beine auf. Lautes Jammern und Klagen gehörten zu den Witwenpflichten. Verwandte kümmerten sich während der Trauerzeit um die Versorgung der Witwe, danach wurde sie von einem Verwandten ihres verstorbenen Mannes geheiratet.

Manche Europäer glauben, dass die frühen Amerikaner das Küsschen nicht kannten, doch es war bei den meisten Stämmen üblich. War es möglicherweise zu Beginn der Menschheit ein Akt der Versorgung, in dem Nahrungsmittel für Babys und Alte vorgekaut wurden, wurde es im Laufe der Zeit Bestandteil der Liebe. Flathead sollen grandiose Küsser gewesen sein.
Ehebruch wurde unterschiedlich geahndet. Die Gesellschaft der Hopi war in diesem Punkt sehr tolerant, verlangte aber von den einzelnen etwas Zurückhaltung nach außen hin. Eine Hopi-Frau war die heimliche Ehefrau des Liebhabers. Bei anderen Stämmen war die Bestrafung untreuer Ehefrauen sehr schmerzhaft, von Verprügeln über Verstümmelungen bis hin zum gewaltsamen Tod der Frau. Das Abschneiden des langen Haars war eine große Schande, die jedoch nachließ, sobald das Haar nachgewachsen war. Manche Frauen wurden blutig geprügelt. Untreue Ehefrauen der Apachen und anderer Stämme büßten ihre Nasenspitze ein. Ein Makel, der jeden an ihren Ehebruch erinnerte. Gros Ventre-Mädchen wurden häufig mit älteren Männern verheiratet und deshalb oft der Untreue bezichtigt. Die öffentliche Meinung zwang den gehörnten Ehemann, gegen seine untreue Frau vorzugehen. Oft tötete er sie genauso wie ihren Liebhaber. Untreue Crow-Frauen verloren bei Untreue nur ihr Ansehen in der Gesellschaft. Ein Pima-Mädchen durfte so viele Liebhaber wählen, wie es wollte, doch ließ sie sich mit einem stammesfremden Mann ein, wurde es getötet. In manchen Gesellschaften war es üblich, eine Frau auszuleihen, wenn sich die verschiedenen Gruppen trafen. Natürlich war es auch den Frauen gestattet, gegen ihre untreuen Ehemänner vorzugehen. Bei manchen Stämmen wurde erwartet, dass die Frau es stillschweigend hinnahm, wie bei den Irokesen, in anderen durfte sie die Rivalin verprügeln, oder ihren Mann verlassen. War er ein guter Jäger, überlegte sie sich diesen Schritt jedoch sehr gut.

Quelle:

  • Carolyn Niethammer: Töchter der Erde – Legende und Wirklichkeit der Indianerinnen
  • Time Life Serien, Der Wilde Westen – Die Indianer

(m)