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Im Gespräch mit Astrid Pfister

Geisterspiegel: Liebe Astrid, ich freue mich, dass du den Lesern des Geisterspiegels für ein paar Fragen zu dem vor Kurzem erschienenen Gedichtband The Seven Chambers of our Expressions zur Verfügung stehst.
In der Buchvorstellung habe ich es schon kurz erwähnt: Eric sitzt seit 17 Jahren in der Todeszelle. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Astrid Pfister: Ich habe auf einer Seite einen Aufruf von Gefangenen gelesen, die Brieffreunde suchen, und dort ein Schreiben von Eric entdeckt. Da ich schon lange mehr tun wollte, als nur Petitionen zu unterschreiben, habe ich ihm kurzerhand einen Brief geschrieben, weil mich sein Aufruf persönlich sehr angesprochen hat.

Geisterspiegel: Woher rührt dein großes Engagement gegen die Todesstrafe?

Astrid Pfister: Ich habe als Jugendliche das Buch Dead Man Walking in die Finger bekommen. Dort beschreibt eine Nonne ihre Erfahrungen mit zu Tode Verurteilten und ihren Kampf gegen die Todesstrafe. Seit diesem Buch wusste ich, ich muss mich gegen dieses barbarische Gesetz engagieren.

Geisterspiegel: Du stehst mit Eric in regelmäßigem Briefkontakt. Welche waren vor der Planung des Buches eure bevorzugten Themen?

Astrid Pfister: Eric und ich sprechen im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt. Wir erzählen uns Erlebnisse aus unserem Alltag, wir sprechen über den Glauben, versuchen zeitgleich Bücher zu lesen, über die wir dann diskutieren, oder reden über das aktuelle Tagesgeschehen. Eric darf weder Fernseher noch Internet besitzen, aber er versucht über ein Radio auf dem Laufenden zu bleiben.

Geisterspiegel: Glaubst du, dass deine Briefe Eric in der schweren Zeit, die er durchlebt, in irgendeiner Weise helfen?

Astrid Pfister : Ich hoffe es sehr. Eric schreibt mir zumindest immer wieder, dass ihm die Freundschaft zu mir hilft und Hoffnung gibt. Auch, dass ich an seine Unschuld glaube und immer für ihn da bin, ist ein wichtiger Faktor für ihn.

Geisterspiegel: Eric beteuert seine Unschuld. Auch du glaubst nicht an seine Schuld. Gibt es denn entlastende Hinweise, die für seine Unschuld sprechen?

Astrid Pfister: Ja, die Liste der entlastenden Hinweise in Erics Fall ist sehr lang. Eine Zeugin beschuldigte ihn zum Beispiel, ihr die Tat gestanden zu haben. Eric saß zu dieser Zeit aber bereits in Untersuchungshaft. Außerdem hat er für den Tatabend ein Alibi, er befand sich zu Hause bei seiner Freundin und deren Kindern. Als seine Freundin aussagen wollte, drohte man ihr, »dass man heutzutage ganz schnell das Sorgerecht für seine Kinder verlieren könnte«. Daraufhin sagte seine Freundin beim Prozess nicht aus und niemand hat sie je wieder befragt.
Das Einzige, was die Staatsanwaltschaft als Erics Schuld-Beweis vorlegen konnte, war eine erzwungene Zeugenaussage von Erics Mitangeklagtem. Später stellte sich heraus, dass dieser einen Meineid begangen hatte. Und das sind nur einige der Fakten, die gegen Erics Schuld sprechen.

Geisterspiegel: Nehmen wir mal an, du hättest einen Briefpartner gefunden, dessen Schuld einwandfrei bewiesen wäre. Könntest du dann auch so unbefangen mit der Situation umgehen?

Astrid Pfister: Als ich mich dazu entschloss, einem Todestraktinsassen zu schreiben, war mir bewusst, dass ich höchstwahrscheinlich mit einem Mörder in Kontakt treten würde. Aber mir ging es darum, zu helfen und für einen Menschen da zu sein, egal, was dieser in der Vergangenheit verbrochen haben mochte. Als ich Eric »ausgewählt« habe, habe ich ihn vorher bewusst nicht gegoogelt, denn ich wollte den Menschen so kennenlernen, wie er jetzt ist, und nicht nach dem beurteilen, was er einst getan hatte.
Sollte ich jemals einen weiteren Brieffreund haben, wäre dies genauso.

Geisterspiegel: Kommen wir zu eurem Buchprojekt. Wie kam es zu dieser Idee?

Astrid Pfister: Eric hat schon sehr lange den Wunsch zu schreiben, da er aber in sehr ärmlichen Getto-Verhältnissen groß geworden ist, hat ihn niemand dabei unterstützt. Er sollte einen »anständigen« Beruf erlernen und keinen Träumereien nachhängen.
Nun, in der Todeszelle, war es sein großer Wunsch, seinen Traum zu erfüllen, sein eigenes Buch in Händen zu halten. Außerdem wollte er den Menschen damit zeigen, was in ihm und in anderen Todeskandidaten vorgeht.

Geisterspiegel: Und wie können wir uns die Zusammenarbeit vorstellen?

Astrid Pfister: Eric und ich haben uns gemeinsam überlegt, welche Themen uns wichtig sind und was dieses Buch ausmachen soll. Dann haben wir uns hingesetzt und jeder eine bestimmte Anzahl an Gedichten und Vorworten für jedes Kapitel geschrieben. Immer, wenn wir eine gewisse Menge Material hatten, haben wir es uns gegenseitig zugeschickt, gelesen und Anmerkungen zurückgeschrieben.

Geisterspiegel: Gab es Schwierigkeiten, mit denen ihr so richtig zu kämpfen hattet?

Astrid Pfister: Ja, unsere Schwierigkeiten waren natürlich zahlreich. Alles dauerte sehr lange und wir mussten oft mehrere Wochen warten, wenn wir nur mal eine kurze Frage zu einem Gedicht oder Ähnlichem hatten. Wir konnten ja nicht schnell mal eine Mail schreiben oder anrufen.
Außerdem mussten wir ständig Angst haben, dass etwas von einem von uns nicht weitergeleitet wird, denn im Gefängnis wird jeder einzelne Brief gelesen und kontrolliert. Da wir natürlich über sehr heikle Themen wie den menschenunwürdigen Gefängnisalltag oder auch über Politik schrieben, mussten wir immer die Befürchtung haben, dass unsere Gedichte nicht weitergeleitet werden.

Geisterspiegel: Und welches waren die schönen Momente während der Entstehungsphase?

Astrid Pfister: Die schönsten Momente hatten wir immer dann, wenn wir das Feedback des anderen bekommen hatten. Wenn ich beispielsweise ein langes Vorwort geschrieben habe und Eric genau das gleiche zu diesem Thema sagen wollte. Wenn wir trotz der Entfernung und der ganzen Umstände hundertprozentig auf einer Wellenlänge schwammen.

Geisterspiegel: Das Buch gibt es momentan nur in englischer Sprache, es soll aber eine deutsche Übersetzung folgen. Gedichte zu übersetzen stelle ich mir nicht einfach vor. Wie meisterst du diese Aufgabe?

Astrid Pfister: In der Tat ist es wirklich schwierig, diese Gedichte zu übersetzen. Es stellt sich die Frage, wie geht man vor? Übersetzt man Wort für Wort oder soll es sich wieder reimen? Sind die Worte nicht so wichtig, sondern das Gefühl, das Eric damit rüberbringen wollte?
Außerdem sind einige Gedichte im Getto-Slang geschrieben, was natürlich noch eine ganz besondere Herausforderung darstellt.
Ich habe das Glück, dass die Illustratorin des tollen Covers, Roselinde Dombach mir hilft und wir so alle Gedichte zu zweit übersetzen und abrunden können.

Geisterspiegel: Der Erlös des Buches kommt einem Hilfsfond für Erics Fall zugute. Was genau bedeutet das für Eric?

Astrid Pfister: Damit Erics Unschuld bewiesen werden kann, muss ein unabhängiger Ermittler neue Beweise bei Gericht abliefern, danach kann dann ein Anwalt ein neues Verfahren einleiten.
Beides kostet leider unglaublich viel Geld. Deshalb besitzt Eric einen Hilfsfond, in dem alles Geld aus Spenden oder aktuell aus dem Buchverkauf gesammelt wird.

Geisterspiegel: 17 Jahre in der Todeszelle verändern einen Menschen. Wie würdest du Eric beschreiben und gibt es noch Hoffnung für ihn?

Astrid Pfister: Eric ist ein unglaublich liebenswerter und positiv denkender Mensch. Ich bin immer wieder sprachlos, wie positiv und lebensbejahend er trotz seiner schrecklichen Situation ist.
Außerdem ist er jemand, der immer zuerst an andere denkt.
Er fragt mich zum Beispiel regelmäßig, ob der Kontakt und die schwierige Situation für MICH nicht zu schwer sind. Wenn er sich Gedanken um seine Hinrichtung macht, hat er Angst, dass ich damit nicht klarkomme und ich deswegen leiden muss.
Außerdem möchte er weitere Bücher schreiben und Teile des Erlöses an diverse Organisationen spenden, zum Beispiel an Kinder mit Downsyndrom oder Kinder, deren Eltern Polizisten waren und im Dienst zu Tode gekommen sind.
Eric und ich hoffen fest, dass seine Unschuld eines Tages bewiesen wird. Da er 2008 bereits ein Hinrichtungsdatum hatte und schon sehr lange in der Todeszelle sitzt, arbeitet die Zeit natürlich massiv gegen uns und wir haben zu jeder Zeit Angst, dass Eric einen neuen Hinrichtungstermin bekommt.
Deshalb ist es so wichtig, dass Erics Fall bekannt wird und es Menschen gibt, die sich für ihn einsetzen und ihn unterstützen.

Geisterspiegel: Und wie gehst du mit der ganzen Situation um? Hat Erics Schicksal dein Leben beeinflusst?

Astrid Pfister: Ja, natürlich hat Eric mein Leben beeinflusst. Wir schreiben uns sehr oft, ungefähr einmal die Woche, und meine Gedanken sind natürlich bei ihm, gerade an Weihnachten, seinen Geburtstagen, bei Dingen, die er nicht erleben kann.
Außerdem verändert der Kontakt zu einem Todeskandidaten die Maßstäbe, die man hat.
Wenn man zum Beispiel mal wieder über das Wetter schimpft. Eric ist 23 Stunden pro Tag eingesperrt und der Freigang findet auf einem kleinen Stückchen Beton statt … Eric wäre überglücklich, im Regen zu stehen oder in der heißen Sonne zu liegen.
Bei so einem Kontakt merkt man, wie gut es einem geht und dass das gewohnte Leben, über das man oft schimpft, schneller vorbei sein kann, als man denkt.

Geisterspiegel: Ich danke dir ganz herzlich für die Beantwortung der Fragen, liebe Astrid. Über Schuld oder Unschuld maße ich mir nicht an, ein Urteil abzugeben, aber ich wünsche dir und Eric weiterhin viel Erfolg für eure Zusammenarbeit, viel Kraft im Kampf gegen die Todesstrafe und dass eure Freundschaft noch viele Jahre währen darf.

Veröffentlichung der Fotos mit freundliche Genehmigung der Autoren

Copyright © 2013 by Anke Brandt


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