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Im Gespräch mit Andreas Franz

Andreas Franz, geboren am 12. Januar 1954 in Quedlinburg, zog Ende 1955 mit seinen Eltern, die beide Musik studiert hatten, nach Helmbrechts in Oberfranken. Nach der Trennung der Eltern siedelte er im Oktober 1967 mit seiner Mutter nach Frankfurt/M. über und besuchte hier noch drei Jahre das Gymnasium und danach eine Sprachenschule. Er machte mit siebzehn seinen Abschluss in Wirtschaftsenglisch und -französisch. Danach war er Drummer in verschiedenen Bands. Seit 1974 ist er mit seiner Frau Inge verheiratet. Die Familie hat fünf Kinder, davon zwei aus Inges erster Ehe. Nach verschiedenen Jobs als Lkw-Fahrer und in einer Werbeagentur machte er eine kaufmännische Ausbildung. Seit Anfang der 80er erstellte er graphologische Gutachten und eröffnete 1990 sein eigenes Übersetzungsbüro. Nach einigen Gedichten und Kurzgeschichten schrieb er 1986 seinen ersten Roman. Es dauerte zehn Jahre, bis »Jung, blond, tot« im Verlag Droemer Knaur veröffentlicht wurde. Im Mittelpunkt seiner Krimiromanreihen stehen die Hauptkommissarin Julia Durant von der Frankfurter Mordkommission, der Hauptkommissar Peter Brandt und die Offenbacher Jung-Staatsanwältin Elvira Klein sowie Sören Henning, Hauptkommissar bei der Kripo Kiel. Seit 1994 lebt Andreas Franz mit seiner Frau und zwei seiner Kinder sowie einer Katze in Hattersheim bei Frankfurt.


Geisterspiegel: Hallo Andreas, wie sind hier am Droemer Knaur Verlag anlässlich der Leipziger Buchmesse 2009. Gut 10 Jahre hat es gedauert, dass du mit Droemer Knaur einen Verlag gefunden hast, welcher sich für deine Krimis interessiert. Was ging zu dieser Zeit dir durch den Kopf, als du die Mitteilung bekamst, dass »Jung, blond, tot« veröffentlicht werden soll?

Andreas Franz: Was geht einem Autor schon durch den Kopf, wenn er hört, dass sein Buch veröffentlicht wird? Ich weiß noch genau, wie ich dieses Schreiben in der Hand hatte und gelesen hab. Dann habe ich es zerknüllt. Ich habe einen Jubelschrei losgelassen, hab’s meiner Frau gezeigt, das Blatt wieder auseinander gemacht. Und da war für mich dann irgendwo … Ich hab gesagt: »Ok, jetzt bin ich drin. Jetzt habe ich nicht nur einen Fuß, jetzt habe ich beide Füße drin.« Aber, wie es natürlich danach weitergehen würde, damit konnte ich überhaupt nicht rechnen. Es ist ja so: Es kriegen ja viele Autoren einen Vertrag, einen Erstvertrag. Und dann nach diesem Ersten oder Zweiten oder Dritten tauchen sie wieder ab. Und bei mir war es zum Glück nicht so.

Geisterspiegel: Mit Julia Durant hast du eine Hauptprotagonistin gewählt – in der eigentlichen Männerdomäne, eine Frau, die sich durchsetzen kann. Wie kam es zu der Entscheidung, eine Kommissarin agieren zu lassen?

Andreas Franz: Ganz einfach: Ich komme mit Frauen besser klar, als wie mit Männern. Zu dem Zeitpunkt, als ich »Jung, blond, tot« geschrieben habe – das war 1991/92 – gab es meines Wissens nach auf dem deutschen Markt nur eine einzige Ermittlerin, und zwar von Doris Gercke die Bella Block. Sonst gab es keine. Es war eine reine Männerdomäne, egal, ob im Roman oder auch im Fernsehen, siehe »Tatort« oder »Polizeiruf«. Es waren nur Männer. Die Frauen kamen alle später. Und ich hab mir gesagt: Gut, ich erwecke eine Frau zum Leben. Das war für mich die Entscheidung, da ich mich ganz gut in die Person so hineindenken oder hineinfühlen kann … Prima … Und die Julia Durant ist mir sehr ans Herz gewachsen.

Geisterspiegel: Krimifreaks im Allgemeinen und Kenner deiner Krimiserien im Besonderen sind der Auffassung, dass du in »Jung, blond, tot« sehr früh die Katze aus dem Sack gelassen hast. Es gibt dort eine Stelle – die kennst du garantiert besser als ich – wo auf dem Tennisplatz ein Gespräch geführt wird, eine Information gegeben wird. Und nur derjenige, der die Information erhalten hat, kann dann eigentlich der Mörder sein. War das so gewollt und warum?

Andreas Franz: Einer von den beiden kann der Mörder sein. Aber es bleibt ja bis ungefähr 50 bis 60 Seiten vor Schluss ja offen, wer von den beiden es ist. Das war beabsichtigt, sicher, ja. Ein Krimi muss nicht immer sein, dass die Auflösung zwei Seiten vor Schluss oder eine Seite vor Schluss passiert. Es gibt einige meiner Krimis, zum Beispiel »Das Verlies«. Da weiß der Leser im Prinzip von der ersten Seite an, wer der Täter ist. Ich hab es bei zwei oder drei weiteren Romanen ähnlich gehandhabt, dass man weiß, wer der Täter ist. Aber die Leser wollen auch nachverfolgen, wie kommt die Polizei ihm auf die Spur. Dass ich da also zum Beispiel Informationen in ein Buch einfließen lasse, die ich von der Polizei habe: Wie wird ermittelt?

Geisterspiegel: Die Figur Schulz beging Selbstmord. In der Realität ist es für manchen Polizeibeamten schwierig, dienstliche und private Dinge unter einen Hut zu bekommen. Viele leiden unter dem psychologischen Druck. Wie siehst du diesen Sachverhalt? Hast du mit dieser Figur Schulz ein Beispiel genannt, wie es in der Realität im Polizeidienst zugehen kann?

Andreas Franz: Ich hab nicht nur mit dem Kollegen Schulz eine solche Figur geschaffen, sondern ich habe ganz viele Figuren geschaffen, die im Polizeidienst sind und am Polizeidienst oder an ihrer Arbeit fast kaputt gehen. Ich habe auch genügend Beamte kennengelernt, deren Ehe kaputt gegangen ist, die Alkoholiker sind oder andere Mittel nehmen, die ein Ventil brauchen, um der harten Polizeiarbeit möglichst zu entfliehen. Es ist nicht nur so, dass Ermittler mit besonders harten Fällen konfrontiert werden. Eine ganz große Problematik besteht darin, dass die Ermittler häufig an einen Punkt kommen, wo sie kurz davor sind, jemanden zu schnappen. Und ich spreche jetzt mal ganz bewusst vom organisierten Verbrechen. Und mit einem Mal kommt eine Order von oben, dass gesagt wird: Stopp! Bis hier und nicht weiter! Und alle Akten zu uns! Und ab jetzt übernimmt die Staatsanwaltschaft oder das LKA oder gar das BKA. Und dann wissen die Polizisten genau, oder die Beamten genau, was dann passiert. Nämlich gar nichts mehr. Wir kennen etliche Fälle aus der Vergangenheit, wo Delikte mehr durch Zufall an die Öffentlichkeit gelangt sind denn durch Ermittlungsarbeit. Zum Beispiel: Wir hatten einen Fall in Frankfurt, da ist ein Fax an einen Pizzabäcker gegangen, das gar nicht für ihn bestimmt war, sondern für einen Anwalt bestimmt war. Aber in diesem Fax war es einfach nur ein Zahlendreher, der da begangen wurde. Aber in diesem Fax standen derart brisante Informationen, dass ein wirklich sehr berühmter Deutscher, dessen Namen ich nicht nennen will, aufgeflogen ist und mit ihm zusammen beinahe noch 34 weitere Persönlichkeiten. Dieser 34, deren Namen kennen nur ganz ganz wenige Leute. Da ging es um ukrainische Zwangsprostitutierte, da ging es um Rauschgift und alle möglichen anderen Deals. Und was ist am Ende rausgekommen? Nichts. Nur dieser eine Typ, der ist verurteilt worden zu 17 400 Euro Geldstrafe, weil man angeblich in seiner Wohnung Koks zum Eigenbedarf gefunden hat. Alles andere wurde unter den Tisch gekehrt. Ähnlich verhält es sich ja auch mit Sachen wie zum Beispiel Peter Hartz, Gebauer, Volkert … Das sind Zufälle, die diese Sachen an die Oberfläche spülen. Die ermittelnden Beamten wissen schon lange Bescheid. Nur es wird von oben gesagt: »Eh, kein Wort nach außen!« Und daran gehen viele kaputt. Die gehen nicht kaputt an ihrer Ermittlungsarbeit, sondern an dem, was mit ihnen selber passiert. So ein Mobbing in ganz großem Stil, das betrieben wird.

Geisterspiegel: Gehen wir einen Schritt Richtung Norden. Es ist ja deine dritte Serie, die dort läuft.

Andreas Franz: Es ist nicht nur ein Schritt, oder?

Geisterspiegel: Ja, ok. Es sind mehrere. Die typisch norddeutsche Mentalität ist für mich dieses Zurückhaltende, nicht zu sehr Gesprächige, aber durch und durch Freundliche. Hab ich zumindest den Eindruck gewonnen, wenn ich mich im norddeutschen Raum aufhalte. Natürlich sind das nur meine Einzelerfahrungen, die ich persönlich gemacht habe. Warum stellst du in deiner Serie mit Kommissar Sören Henning die norddeutsche Mentalität so grausam dar?

Andreas Franz: Vielleicht darf ich mal ein ganz winzig kleines Beispiel nehmen, um diese Frage zu beantworten. Hätte irgendjemand vor zweieinhalb Tagen noch gedacht, dass in einer Kleinstadt wie Winnenden ein Amokläufer in eine Schule geht und 16 Menschen suggestive sich selber umbringt? So, das ist die grausame Realität. Nur, grausame Realität zum Beispiel in Frankfurt, die ich ja auch darstelle, die sehe ich nicht auf der Straße. Die spielt sich hinter dicken Glaswänden ab, oder hinter irgendwelchen Bungalow- oder Villawänden oder -fenstern. Da ist die Realität. Und das ist in Norddeutschland, in den friedlichen Teilen Norddeutschlands genau so, wie es in Hessen so ist, oder in Baden-Würtemberg oder in Bayern. Egal, wo man hinschaut. Das Böse ist wirklich, wie die Erste Allgemeine Verunsicherung gesagt hat: Das Böse ist immer und überall! Und man greift es nicht. Einer, der ein Serienmörder ist, dessen Name – ich nenne grundsätzlich keine Namen. Ist aber ein sehr bekannter Fall. Er wurde im Mai 2005 zu lebenslanger Haft verurteilt mit anschließender Sicherungsverwahrung, einKindermörder. Aber die Polizei weiß auch, dass auf sein Konto viel mehr Morde gehen als »nur« zwei Kindermorde. Das hat sich in Norddeutschland abgespielt. Das ist nun mal. Norddeutschland ist auf der Verbrechenskarte kein weißer Fleck. Hallo?

Geisterspiegel: In zahlreichen Interviews hast du geantwortet, dass du viele Informationen zu tatsächlich passierten Fällen von Polizeibeamten bekommst. Welche anderen Bezugsquellen erschließen sich für dich?

Andreas Franz: Es ist die Polizei in ganz Deutschland mittlerweile. Überall habe ich Leute sitzen. Das geht also bis hin zu Polizeipsychologen, Kriminalpsychologen. Ein sogenannter Profiler ist sogar darunter. Der hat mir ganz, ganz wesentliche Informationen zu dem ersten Kieler Buch gegeben, »Die unsichtbaren Spuren«, wo die Person des Täters im Vordergrund steht und nicht die Taten. Die Informationen zur Person des Täters habe ich von einem Kriminalpsychologen. Dieser Psychologe, der hat zum Beispiel die Eltern von dem einen Kind über mehrere Wochen hinweg betreut und hat auch mit dem Täter sehr viele Stunden verbracht. Das war für mich das ganz Wesentliche, aus erster Hand quasi zu erfahren: Was treibt jemanden an, Taten zu begehen bzw. warum ist jemand so gepolt? Das sind meine Informationsquellen. In einem Fall waren es Polizei und Journalisten, die mir geholfen haben.

Geisterspiegel: Wenn du deine Romane schreibst und du die Informationen bekommst, auch danach mit Recherche führst: Was war dabei dein beeindruckendstes Erlebnis für dich persönlich?

Andreas Franz: Ich könnte die gar nicht alle aufzählen. Aber vielleicht eines der beeindruckendsten Erlebnisse war, als ich mit einem Beamten aus der Abteilung organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Prostitution essen war. Wir waren bei einem Vietnamesen essen. Und da hat er mir von einem Fall erzählt, der auch nie an die Öffentlichkeit gekommen ist, weil zu viele hochrangige Persönlichkeiten drin waren. Da ging es einfach darum, dass ein Mann – das war 1993/94 – regelmäßig seine Filme zur Übernachtentwicklung in ein renommiertes Frankfurter Fotohaus gebracht. Und Übernachtentwicklung – das ist ja so, das läuft alles vollautomatisch. Da guckt ja kein Mensch rein. Nur eines Nachts ist die Maschine ausgefallen. Und die Mitarbeiter mussten die Maschine aufmachen. Und was sie zu sehen bekommen haben, da haben sich ihnen wirklich die Haare zu Berge gestellt. Kinderpornografie vom Schlimmsten. Der KTD wurde gerufen. Aber auf der Einlieferungstüte standen nur die Initialen des Mannes. Und dann hat der KTD gesagt: »Die Kollegen vom OK, die kommen am Morgen. Gleich, wenn Sie aufmachen, sind sie hier auf der Matte.« Und das war eben der eine Beamten, der mir das erzählt hat. Und dann hat er mir gesagt, was da rauskam. Es handelte sich um einen Professor an der Frankfurter Uniklinik, der unter anderem auch Dozent war. Der hat in einem Nobelviertel gewohnt im Main-Taunus-Kreis und hat zusammen mit unzähligen Leuten Tausende und Abertausende von Kindern misshandelt und missbraucht. Und dieser Fall ist nicht an die Öffentlichkeit gelangt, weil gleich von oben gedeckelt wurde. Der Mann wurde zu 6 Jahren Haft verurteilt. Er alleine, obwohl man riesige Akten gefunden hat von Mittätern, unter anderem auch katholische Geistliche bis in die obersten Reihen hinein, Justizbeamte, also Staatsanwälte, Richter usw., alles drin. Es wurde von oben gedeckelt. Und dann kam das Urteil: 6 Jahre Haft. Der Mann war 12 Wochen im Gefängnis. Und dann kam die Gefängnisleitung und hat gesagt: »Wir können den Mann unmöglich hier behalten. Er ist akut suizidgefährdet.« Es kamen zwei Gutachter, die diese Suizidgefährdung bescheinigt haben. Dann wurde er verlegt in eine forensische Klinik. Nach einem weiteren Vierteljahr kamen wieder zwei Gutachter und attestierten ihm noch mal diese akute Suizidgefährdung. Zwei Tage später war er frei. Der Richter, der das Entlassungsschreiben unterzeichnet hatte, war mit auf der Liste der Mittäter. Der Mann wurde von der Klinik abgeholt in einem schwarzen Mercedes 500 mit Schweizer Kennzeichen. Und das ist ein Fall, der mir ganz persönlich nahe gegangen ist und aus dem ich auch ein Buch gemacht habe: »Das achte Opfer«. Ich hab die Frustration, als er mir das erzählt hat. Er hat gesagt: »Wir haben ermittelt wie die Bekloppten. Wir haben bei IKEA 80 Billigregale kaufen müssen, um das ganze Material im Präsidium unterzubringen. Es waren Hunderttausende von Fotos, Tausende von Videofilmen usw. Akten und, und, und.« Es handelte sich um einen europaweit agierenden Kinderschänderring. Und er sagte: »Und am Ende standen wir mit komplett leeren Händen da.« Und da habe ich die Frustration gespürt, als er mir das erzählt hat. Da hab ich gefragt: »Darf ich daraus ein Buch machen?« Darauf hin sagte er: »Mach!«

Geisterspiegel: Der Moloch Frankfurt ist ja die Großstadt in Deutschland mit der höchsten Kriminalitätsrate laut Statistik. Wenn ich dann solche Brennpunkte sehe, wo ich selber mal nachts unterwegs war wie Moselstraße, Elbestraße oder an der Konstabler- und Hauptwache …

Andreas Franz: Wobei ich dazu wirklich sagen muss, dass seit Jahren schon, gerade der Rotlichtbezirk da – Moselstraße, Elbestraße, Weserstraße, Taunusstraße relativ sicher ist. Dieser Bereich gilt in Frankfurt als die sicherste Zone, weil dort permanent Polizei ist und andere Sicherheitskräfte. Da kann man nachts völlig unbedenklich durchgehen. Es passiert einem nichts da. Es sind andere Ecken, wo was passieren kann. Und Frankfurt hat auch nicht die hohe Kriminalitätsrate durch zum Beispiel Morde, die begangen werden. Kassel hat eine höhere als Frankfurt. Aber es ist die Wirtschaftskriminalität, es ist die »Weiße-Kragen-Kriminalität«, die begangen wird. Frankfurt ist das Wirtschaftszentrum schlechthin und Verkehrsknotenpunkt. Deswegen, Frankfurt ist eine pulsierende Stadt. Und wo es pulsiert, da ist negatives und positives Pulsieren. Es ist beides da.

Geisterspiegel: Findet man dich da auch, weil du in einigen Interviews gesagt hattest: Du gehst spazieren, du bist unterwegs im Rhein-Main-Gebiet und beobachtest Menschen. Und das natürlich auch mit in deinen Romanen zu verarbeiten bzw. einfließen zu lassen. Findet man dich an solchen Brennpunkten, Lerchesberg zum Beispiel?

Andreas Franz: Ich war grade vor zwei Wochen am Lerchesberg oben gewesen. Hab mir angeguckt da, was neu entstanden ist. Ich fahre des Öfteren durch die Ecken. Als das Europaviertel hochgezogen wurde. Ich hab das alles verfolgt. Und wie das jetzt aussieht, so sah es vor 10 Jahren nicht aus. Da war noch alles eine riesengroße Wüste, dieser abgerissene Güterbahnhof, und es war alles eine blanke Fläche. Und jetzt steht da ein Hochhaus neben dem anderen. Und es wird weiter hochgezogen. Natürlich muss ich dies alles abgehen, ich muss es abfahren, ich muss es abfotografieren, mit Video aufnehmen.

Geisterspiegel: In deinen Krimis – du hast es schon selbst gesagt – fließen sehr viele sozialkritische Aspekte ein, Gewalt, Wirtschaftskriminalität etc. pp. Welche positive, aber auch negative Resonanz hast du bekommen, in Richtung selbst schon mal Drohungen erhalten über Telefon oder per Brief oder Ähnliches? Negativ aber auch aus dieser Szene oder der Szene der High Society ganz speziell, die du ja sehr kritisch unter die Lupe nimmst, aufgrund der tatsächlich passierten Fälle. Ob da von dieser High Society negative Resonanz kommt.

Andreas Franz: Von denen habe ich noch keine negative Resonanz bekommen. Aber ich habe negative Resonanz bekommen aus anderen Ecken, die ich jetzt allerdings nicht nennen möchte. Weil man in Deutschland ganz grundsätzlich gerade in bestimmten Ecken nicht wühlen darf, und man darf sie auch nicht beim Namen nennen oder ansprechen. Was ich auch nicht tue in meinen Büchern. Nur, ich deute es an. Und das reicht schon bei denen, damit die fuchsig werden. Und dann bekomme ich die unglaublich geschliffenen, didaktisch einwandfreien Schreiben, in denen wirklich handfeste Drohungen drin stehen. Und das ist so: Ich weiß genau, aus welcher Ecke das kommt. Denn diese Eloquenz, die da drinsteckt, die beherrschen nur wenige Leute. Es gibt bestimmte Gruppierungen, die beherrschen das. Und dann sag ich mir nur: Ok Leute, droht. Aber ich mach mir da nichts draus.

Geisterspiegel: Wie erklärst du es dir, dass sich seit Jahren hartnäckig das Gerücht hält bei Kunden, die deine Bücher, deine Romane kaufen, dass du Polizist warst?

Andreas Franz: (Lacht herzhaft) Ich weiß es nicht. Nach »Jung, blond, tot« hab ich ‘nen Brief bekommen von der Frankfurter Kripo, unterschrieben von mehreren Beamten. Und die haben gesagt, dass bei denen im Präsidium »Jung, blond, tot« rumgeht und fast alle das Buch gelesen haben. Und jetzt möchten die gerne wissen, ob ich ein Kollege sei, der unter Pseudonym schreibt und ob mir ein Fall besonders nahe gegangen ist. Die haben ihre Telefonnummer dabei geschrieben. Das war 1997, das war kurz nach Erscheinen von »Jung, blond, tot«. Da habe ich angerufen. War ‘ne Dame am Telefon und habe gesagt: »Ja, Franz hier. Sie haben mir hier was geschrieben zu ›Jung, blond, tot ‹«.
»Ach, Sie sind das.«
»Ja, ok.«
Und da fing das erst mal an.
Und da hat sie gefragt: »Bei welcher Dienststelle sind Sie?«
Da hab ich gesagt: »Ich bin bei keiner Dienststelle. Ich war noch nie im Präsidium drin gewesen.«
Hat sie gesagt: »Das kann nicht sein. Woher wissen Sie denn, wie meine Schritte von den Wänden widerhallen, wenn ich da mit meinen Lederschuhen durchgehe?«
Und da hab ich gesagt: »Ich hab keine Ahnung. Ich hab mir das einfach so vorgestellt, weil es ein altes Gebäude ist und da ist eher so ein Hall in dem alten PB.«
Und da hat sie gesagt: »Aber woher wissen Sie, dass die Mordkommission, also K11, genau da sitzt, wo Sie sie beschrieben haben, 2. Stock, Blick auf die Mainzer Landstraße, Platz der Republik?«
Da hab ich gesagt: »Ich hab mir das so vorgestellt. Und zum andern, der Blick – ich weiß, im Präsidium ist ein riesiger Hof. Dieser Blick auf den Hof, der muss ja so was von eintönig sein. Da nehme ich doch lieber den Blick runter auf die belebte Straße.«
Da hat sie gesagt: »Sie müssen herkommen und sich dies mal alles angucken.«
Und da haben die mich rumgeführt dort. Es halten mich komischerweise viele für Kollegen oder für einen ehemaligen Polizisten oder sogar für einen noch aktiven Polizisten, der nebenbei schreibt. Ich bin’s nicht, NEIN!

Geisterspiegel: Letzte Frage, mal ein Blick in die Zukunft.

Andreas Franz: Ich bin aber kein Hellseher. Oder?

Geisterspiegel: Bestrebungen sind im Gange laut Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine als Beispiel, umliegende Städte und Gemeinden um Frankfurt zusammenzuschließen. Was wird mit Julia und Peter werden, wenn dies umgesetzt wird? Könnten beide ein Ermittlerduo bilden?

Andreas Franz: Die Frage bleibt offen. Ich kann eine solche Frage nicht beantworten. Erstens: Diese Überlegungen, Gemeinden zusammenzuführen, das sind vorläufig nur Überlegungen. Das ist eine Sache, die vielleicht in 20 Jahren passiert, aber nicht jetzt in naher Zukunft. Der Main-Taunus-Kreis ist wirtschaftlich derart stark, dass sie einen Teufel tun werden und sich von Frankfurt eingemeindet werden zu lassen. Äh, äh, nee, nee! Dann sagt Frankfurt, eine der Schuldenstädte in Deutschland schlechthin: »Hier, kommt, gebt mal ein bisschen von eurem Geld raus.« Nee, nee, nee, nee! Das macht der Main-Taunus-Kreis nicht, der Hochtaunuskreis schon gar nicht und Offenbach vielleicht, aber auch nur ganz vielleicht. Es sind so Überlegungen, die angestellt werden. Und da ist natürlich unsere OB da, die Petra Roth, die ist da natürlich ganz vorne dran. Sie will Frankfurt zu einer Millionenmetropole machen. Nur dazu gehören natürlich Main-Taunus-, Hochtaunuskreis, möglicherweise auch noch Offenbach, Dreieich usw. Dass man alles zu einem Einzigen macht. Und dann hat man eine schöne Millionenstadt. Scheiß drauf. Frankfurt ist ohnehin die einzige Metropole in Deutschland für meine Begriffe. Da kommt kein Berlin mit, da kommt kein München mit, auch kein Hamburg. Weil, nirgends in Deutschland auf so dichtem Raum so viel passiert wie in Frankfurt. Berlin ist unglaublich auseinandergezogen, und ich komm im Prinzip von einem Dorf ins nächste. Außer, wenn ich in Berlin-Mitte bin. Ich komm von einem Dorf ins nächste. Und es hat für mich mit Weltstadt wenig zu tun. München ist sowieso ein Dorf. Da ist zwar mein Verlag, aber … mein Verlag ist in einem Dorf. Und Hamburg würde ich als eheste Stadt mit reinnehmen als Metropole, weil da auch … Da gibt es eben so sehr reizvolle Viertel, wo ich sag: Hier passiert was. Frankfurt, dann Hamburg, und dann kommt eine ganze Weile gar nichts.

Geisterspiegel: Kein Leipzig?

Andreas Franz: Da kommt kein Leipzig, da kommt auch kein Dresden oder so, auch wenn meine beiden Schwestern hier im Osten groß geworden sind, in Altenburg. Aber Frankfurt nimmt für mich in Deutschland eine Ausnahmestellung ein. Und das sage ich nicht, weil ich seit 1967 in Frankfurt lebe, sondern weil ich einfach andere Städte kennengelernt habe und sag: Ihr kommt mit Frankfurt nie mit.


Wir bedanken uns bei Andreas Franz, dass er sich für uns auf der Leipziger Buchmesse Zeit nahm und sich unseren Fragen stellte. Hoffen wir, dass es noch viele Romane um seine Hauptprotagonisten Julia, Peter und Sören geben wird.

Copyright © 2009 by Wolfgang Brandt

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