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Uhrwerk Venedig

Als ich das kleine Büchlein Uhrwerk Venedig in den Händen hielt, konnte ich mit dem Begriff Clockpunk überhaupt nichts anfangen. Also setzte ich mich hin und machte mich ein wenig schlau, was dies eigentlich ist. Denn so viel brachte darüber auch nicht das Vorwort von Lucas Edel ans Tageslicht.
Clockpunk ist eine literarische Kombination aus Geschichte und Fantasie und ein Subgenre des Steampunk, welche Technologien basierend auf Erfindungen vorindustrieller Revolution während der Aufklärung darstellt, währenddessen Steampunk diese im Viktorianischen Zeitalter behandelt. Typischerweise sind im Clockpunk Strom oder Dampfmaschinen nicht vorhanden, da sie noch nicht erfunden worden waren. Stattdessen haben wir es mit Sonne, mit Wasser oder mit Federn angetriebenen Zahnrädern zu tun.
Clockpunk scheint mehr als nur eine Welt mit Uhrwerkstechnologie zu sein. Man kann sagen, dass er eine Lebensphilosophie ist, deren Quelle in der Kultur einer Menschengruppe liegt, die sich zum Agieren und Rebellieren gegen gesellschaftliche Normen entschieden hat. Clockpunk ist wohl einer der vielen Subgenres von Steampunk. Doch manche Menschen glauben, dass er als ein eigenständiges Genre angesehen werden kann. Ich bin jedoch der Auffassung, dass bei Steam- und Clockpunk die Grenzen nicht eindeutig erkennbar sind, obwohl sie einerseits ähnlich gelagerte Werte und Philosophien aufweisen, jedoch andererseits zeitlich unterschiedliche Zeitpunkte im Visier haben. Trotz allem bleibe ich dabei und ordne Clockpunk als ein Subgenre des Steampunk ein. Warum? Ganz simpel: Clockpunk würde nicht ohne Steampunk existieren. Die Pfiffigen unter Ihnen werden sich nun fragen: Wie kann das sein, wenn Clockpunk zuerst da war? Bevor Steampunk ins Gespräch kam, war Clockpunk noch nicht einmal definiert worden. Er war eine Idee, Steampunk hingegen ein Trend, eine real existierende Bewegung.
Es gibt viele Erfinder, welche als Urväter für den Clockpunk infrage kommen könnten, doch geht es nicht allein nur um Technologien, sondern auch um Mentalität. Leonardo da Vinci wäre wohl der geeignetste unter allen anderen Anwärtern für den Titel Urvater des Clockpunk. Er hat nicht nur großartige Erfindungen gemacht, sondern auch den Konformismus stark kritisiert, verurteilte Arbeitslosigkeit und überflüssigen Schnickschnack.

Was wäre aus unserer Welt geworden, wenn es Selbstverständlichkeiten unseres heutigen Lebens wie Strom, Verbrennungsmotoren oder sogar Computer weitaus früher gegeben hätte, vielleicht sogar in der Zeit eines Leonardo da Vincis?
Was wäre, wenn …? Diese Frage versuchen Emilia Dux in Flieg, Goliath, Dirk Ganser in Das Tor, T. S. Orgel in Narrheiten, Tom Wilhelm in Tränensplitter, Susanne Wilhelm in Die zwei Seiten der Medaille und Lucas Edel in Der Schlüssel auf ihre Art zu beantworten.
Die Lagunenstadt Venedig nimmt in allen 6 Kurzgeschichten einen zentralen Platz ein. Muss sie ja wohl, denn die Storys sind dort zur Zeit der Renaissance angesiedelt. Wie bereits oben angedeutet, stehen mechanische Feder- und Uhrwerke im Mittelpunkt der Geschichten. Obwohl alle 6 Kurzgeschichten eine zentrale Thematik in sich vereinen und einander ergänzen, sind sie in puncto Schreibstil sehr unterschiedlich. Es zeigt sich gerade in diesem, wer bereits Erfahrungen in der schreibenden Zunft gesammelt hat.
Verspielt, filigran und detailgetreu, teilweise etwas zu sehr aufgesetzt und irreführend kommen die Storys daher, erquicken jedoch den Leser mit ihrem eigenen Charme und lassen visionäre Bilder à la Van Helsing oder Wild Wild West vor dem geistigen Auge entstehen.
Wissenschaftlich-technische Erfindungen unserer Zeit werden in das Venedig der Renaissance transferiert. Man glaubt als Leser in dieser vergangenen Zeit zu wandeln, so sehr kann man in die faszinierende Darstellung eintauchen und daran teilhaben. Man fiebert mit den Charakteren, ist mittendrin im Geschehen. Und in der Lagunenstadt ist so gut wie alles möglich – Intrigen, Spionage, Verschwörungen, Liebeleien. Sogar Leonardo da Vinci, allen bekannt als genialer Erfinder, schlüpft in die Rolle eines Betrügers und stiehlt die Ideen seiner Lehrlinge. Ob dies sich so zugetragen hat? Wer weiß. Doch auch in Uhrwerk Venedig als eines der vielen literarischen Versuchsfelder sind dem Einfallsreichtum der Autoren keine Grenzen gesetzt. Der Versuch des Transfers bahnbrechender Erfindungen in die Vergangenheit ist dem Herausgeber Lucas Edel, dem Verleger Ulrich Burger sowie allen Autoren bestens gelungen.

Angaben zum Buch

Lucas Edel (Herausgeber)
Uhrwerk Venedig
Erste deutschsprachige Clockpunk-Anthologie
Ulrich Burger Verlag, Homburg, 1. Auflage Oktober 2011
Coverillustration: Andreas Vellmer, AVision 3D Design Hamburg
220 Seiten, 10,00 €
ISBN: 978-3-943378-01-6

Kurzinhalt:
Geschichten von mechanischen Käfern, goldenen Herzen, einem unorthodoxen Helden namens Leonardo da Vinci, Dogen und dem Himmel über einer Stadt, in der die Gondeln Trauer tragen und von Federkraft betrieben werden. Lassen Sie sich entführen in eine Renaissance der phantastischen Art. Traumhaft romantisch und erschreckend zugleich.

Weiterführende Links:

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