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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Skalpjäger – Der Goldberg

Thomas Mayne Reid
Die Skalpjäger

Dritter Teil
Fünftes Kapitel

Der Goldberg

Nach einem so anstrengenden Marsch war es nötig, länger als gewöhnlich anzuhalten. Wir blieben jenen ganzen Tag und die folgende Nacht bei dem Arroyo. Aber die Jäger sehnten sich aus dem Prieto selbst zu trinken und den folgenden Morgen ritten wir auf diesen Fluss zu. Spät am Nachmittag waren wir an seinen Ufern.

Es war ein eigentümlicher Fluss – er strömte durch eine Gegend aus öden, kahlen, wüsten Felsen. Durch diese hatte sich der Strom in zahlreichen Schluchten einen Weg gebrochen und brauste in einem an den meisten Stellen unzugänglichen Bett dahin.

Es war ein schwarzer düsterer Fluss. Wo war sein Goldsand?

Nachdem wir eine Strecke weit an seinem Ufer hingeritten waren, machten wir an einem Punkt, wo wir sein Bett erreichen konnten, halt.

Die Jäger kletterten, für alles andere achtlos, begierig zu den steilen Klippen und stiegen zum Wasser hinab. Sie hielten sich kaum so lange auf, bis sie getrunken hatten und krochen durch die schmalen Räume zwischen abgelösten und von oben heruntergefallenen Felsenmassen. Sie hoben den Schlamm mit ihren Händen und wuschen ihn in ihren Bechern. Sie hämmerten mit ihren Tomahawks an den Quarzfelsen umher und zermalmten sie zwischen großen Steinen. Keine Spur des kostbaren Metalls war zu finden. Sie mussten den Fluss entweder zu hoch oben getroffen haben oder das Eldorado lag noch weiter nach Norden.

Nass, müde, zornig und unter Flüchen der getäuschten Hoffnung gehorchten sie dem Signal, vorwärts zu marschieren.

Wir ritten den Fluss hinauf und übernachteten an einer Stelle, wo das Wasser wieder für unsere Pferde zugänglich war.

Hier suchten die Jäger wieder nach Gold und fanden es abermals nicht.

Jetzt wurde das aufrührerische Murmeln zu lauten Worten.

Das Goldland lag unter ihnen – sie zweifelten nicht daran. Der Häuptling hatte sie absichtlich an den San Carlos geführt, um sie zu täuschen. Er wusste, dass dies den Verzug hindern würde. Er kümmerte sich nicht um sie, seine eigenen Zwecke waren alles, was er auszuführen anstrebte. Sie konnten eben so arm, wie sie gekommen waren, zurückkehren, ohne dass er sich etwas daraus machte. Sie würden nie wieder eine so gute Chance erhalten.

Solcher Art war ihr Murren, welches mit einer Menge von Schwüren verschönert wurde.

Seguin hörte sie entweder nicht oder achtete nicht auf sie. Er war einer von den Charakteren, welche geduldig warten können, bis sich ihnen eine passende Zeit zum Handeln bietet.

Er war von Natur feurig wie alle Kreolen, aber Zeit und Prüfungen hatten ihm die Ruhe und Kaltblütigkeit gegeben, welche dem Anführer einer solchen Schar geziemt. Wenn er zum Handeln aufgestachelt wurde, so war er, wie man im Westen sagte, ein gefährlicher Mann, und die Skalpjäger wussten es. Er beachtete ihr Murren nicht.

Lange vor Tagesanbruch waren wir wieder im Sattel und zogen immer noch am Prieto hinauf vorwärts.

Wir hatten in der Nacht entfernte Feuer bemerkt und wussten, dass sie die Dörfer der Keulenapachen waren.

Wir wünschten durch ihr Land zu ziehen, ohne gesehen zu werden. Es war unsere Absicht, uns, sobald das Licht des Tages sichtbar wurde, unter den Felsen bis zur folgenden Nacht zu verstecken.

Als der Morgen heraufzog, hielten wir in einer verborgenen Schlucht, während mehrere von uns den Hügel erkletterten, um zu beobachten. Wir konnten den Rauch über die fernen Dörfer aufsteigen sehen, aber wir waren in der Dunkelheit an ihnen vorübergegangen. Anstatt im Versteck zu bleiben, ritten wir durch eine große, mit Salbei und Kaktuspflanzen bewachsene Ebene weiter. Auf allen Seiten erhoben sich Berge. Sie stiegen direkt aus den Ebenen empor und zeigten die fantastischen Gestalten, welche sie in diesen Ebenen charakterisieren.

Ihre ungeheuren Klippenwände überschauten das öde nackte Tafelland in erhabener Stille. Die Ebenen selbst liefen bis an den Fuß der Klippen. Sicherlich waren sie einst vom Wasser ausgespült worden. Diese Ebenen waren einst das Bett eines alten Ozeans gewesen. Ich erinnerte mich der Theorie Seguins über die Binnenseen.

Kurz nach Sonnenaufgang führte uns der Weg, welchem wir folgten, an eine Indianerfurt. Hier setzten wir über den Strom, um ihn zu verlassen und uns nach Osten zu wenden. Wir ließen unsere Pferde im Wasser anhalten und gestatteten ihnen nach Belieben zu trinken.

Einige von den Jägern, die den Übrigen vorausgegangen waren, hatten die hohen Ufer erklettert. Wir wurden durch ihre ungewöhnlichen Rufe angezogen. Als wir in die Höhe blickten, bemerkten wir, dass mehrere von ihnen auf der Spitze des Hügels standen und mit aufgeregtem Wesen nach Norden deuteten. Konnten es Indianer sein?

»Was gibt es?«, schrie Seguin, als wir uns ihnen näherten.

»Ein Goldberg! Ein Goldberg!«, war die Antwort.

Wir spornten unsere Pferde heftig den Hügel hinauf. Als wir seinen Gipfel erreichten, bot sich unseren Blicken ein seltsames Schauspiel.

Fern im Norden schimmerte ein Gegenstand in der Sonne. Es war ein Berg, und an seinen Abhängen glitzerten die Felsen vom Fuß bis zum Gipfel in einem hellen Goldschein. Tausende von leuchtenden Pünktchen tanzten in den Sonnenstrahlen und blendeten das auf sie gerichtete Auge. War es ein Goldberg?

Die Leute waren vom höchsten Entzücken erfüllt. Dies war der Berg, von welchem sie so oft bei den Biwakfeuern gesprochen hatten. Wer von ihnen hatte nicht davon gehört? Gleichviel, ob er es glaubte oder nicht.

Es war also keine Fabel! Dort stand er vor ihnen in seinem brennenden Glanz!

Ich wendete mich zu Seguin um und blickte ihn an. Seine Stirn war gerunzelt, sein Gesicht trug einen besorgten Ausdruck. Er begriff die Täuschung, der Maricopa und Richter ebenfalls, und ich wusste auch, was sie zu bedeuten hatte. Ich hatte auf den ersten Blick die schimmernden Schuppen des Selenits erkannt.

Seguin sah, dass eine Schwierigkeit vor uns lag. Dieses Blendwerk lag weit außerhalb unserer Richtung, aber es war unverkennbar, dass nun weder Befehle noch Überredungen mehr beachtet werden würden. Die Leute waren entschlossen, zu ihm zu dringen. Mehrere von ihnen hatten bereits ihre Pferde darauf zu gelenkt und bewegten sich in jene Richtung.

Seguin befahl ihnen zurückzukommen. Es erfolgte ein stürmischer Wortwechsel – kurz eine Meuterei.

Vergebens wies Seguin auf die Notwendigkeit hin, zu der Stadt zu eilen, vergebens stellte er ihnen die Gefahr vor, von Dacomas Schar, welche sich auf unserer Fährte befand, eingeholt zu werden. Vergebens versicherte der Cocohäuptling, der Doktor und ich unseren ungebildeten Gefährten, dass das, was sie sahen, nur die glänzende Oberfläche eines wertlosen Felsens sei – die Leute waren halsstarrig. Der Anblick hatte sie in Verbindung mit ihren lang gehegten Hoffnungen berauscht. Sie hatten alle Vernunft verloren, sie waren toll!

»Nun vorwärts!«, rief Seguin mit einer verzweifelten Anstrengung, seinen Zorn zurückzuhalten, »vorwärts, Ihr Wahnsinnigen, und überzeugt Euch! Unser Leben wird vielleicht für Eure Torheit zu büßen haben.« Und hiermit lenkte er sein Pferd dem glänzenden Berg zu.

Die Leute ritten ihm unter lauten Freudenzurufen nach.

Gegen Abend erreichten wir den Fuß des Berges.

Die Jäger sprangen von ihren Pferden und kletterten zu den glänzenden Felsen hinauf. Sie erreichten sie, brachen sie mit ihren Tomahawks und Pistolenkolben ab und spalteten sie mit ihren Messern los. Sie rissen die Platten von Glimmer und glasigem Selenit herunter, sie warfen dieselben gedemütigt und ärgerlich nieder und kamen einzeln und mit Blicken der Enttäuschung auf die Ebene herab.

Kein Einziger von ihnen sagte ein Wort, als sie in ihre Sättel kletterten und mürrisch dem Anführer nachritten.

Wir hatten durch diese ziellose Reise einen Tag verloren, aber unser Trost lag in dem Glauben, dass unsere indianischen Verfolger sicher auf unserer Fährte denselben Umweg machen würden.

Unsere Richtung war jetzt südwestlich. Da wir aber nicht weit vom Ufer des Flusses eine Quelle fanden, übernachteten wir an derselben.

Nach einem weiteren Tagesmarsch in südwestlicher Richtung erkannte Rube das Aussehen der Berge. Wir näherten uns der Hauptstadt der Navajo.

Jene Nacht lagerten wir uns an einem laufenden Gewässer – einem Arm des Prieto, welcher von Osten kam. Eine weite Öffnung zwischen zwei Klippen bezeichnete den Lauf eines Stroms über uns. Der Führer deutete auf eine Schlucht, als wir vorwärts zu unserem Halteplatz ritten.

»Was ist es, Rube?«, fragte Seguin.

»Seht Ihr die Schlucht vor uns?«

»Ja, was ist damit?«

»Dort ist die Stadt.«