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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 11

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Erster Teil
St. Jean d’Angeli
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Elftes Kapitel

Die großen Ehrenbezeugungen, mit welchen man den Waffenschmied von Beziers überhäufte, verwirrten ihm schier den Kopf. Des Königs Gnade schien unerschöpflich. Florian hatte nicht nur sein Vermögen zurückerhalten, sondern bei Weitem mehr als das. Er war nun auch kaum wiederzuerkennen, denn obwohl er sich zu seinem ersten Erscheinen bei Hofe unzweckmäßig herausgeputzt hatte, so stand doch sein Aufzug in seiner eigenen Wohnung mit jenem prachtvollen Aufzug nicht in einem gar zu großen Widerspruch. In einem Überwurf von veilchenblauem Seidenzeug, verbrämt mit kostbarem Pelzwerk, lag er gewöhnlich auf weichen Polstern. Nichts von seiner Gestalt war zu sehen, nur das zufriedene Gesicht schaute aus dem Pelz und unter der Samtkappe hervor; denn weit über die Hände, über die Füße reichte die kostbare Hülle. Wer Florian nicht besser gekannt hätte, würde ihn für einen Tempelherrn gehalten haben. Seine ganze Umgebung stimmte mit seinem Aufzug überein; allenthalben überladene Pracht, um seinen Reichtum hervorzuheben.

Florian beschaute sich mit großem Wohlgefallen. Er mochte aber hin und her sinnen, dennoch konnte er den wahren Grund, warum der König so gnädig gegen ihn verführe, nicht auffinden.

Vielleicht, wenn er noch länger gegrübelt hätte, wäre ihm dieser oder jener Grund eingefallen. Er wurde aber durch das Eintreten eines Bekannten gestört.

Balthasar besuchte seinen alten Meister in Paris. Aber wie musste der Geselle erstaunen, da er den Meister in solchem Glanz erblickte! War es doch, als hätten die beiden sich niemals gekannt, so fremd kamen sie einander vor; ja, Balthasar traute sich kaum, den Meister mit üblichem Wort zu grüßen.

Florians herablassende, freundliche Miene ermutigte den Gesellen. Seinen Hut hin- und herwendend in der Hand, stieß er endlich die Worte hervor: »Herr und Heiland! Meister! Seid Ihr’s oder seid Ihr’s nicht?«

»Ich bin es, Balthasar«, versetzte jener gedehnt, indem er sich ein wenig erhob. »Ja, Balthasar, ich bin es. Was aber ist dein Begehr? Sprich es dreist aus, mein Sohn, denn ich bin heute in einer ziemlich guten Laune. Wirr, bei Hofe, verstehst du, wir sind nicht immer gleich gestimmt. Die Sorge um das Heil des Staates …«

»Wie? Was? Meister! Euch obliegt die Sorge um das Heil des Staates? Kaum seid Ihr dem schmählichen Tod zwischen den Beinen hindurchgewischt, so …«

»Schweig davon! Ich mag das nicht gern. Auch musst du mich niemals wieder daran erinnern. Bei meinem Zorn, hörst du? Niemals!«

»Es soll nicht wieder geschehen, Meister, aber denen in Beziers habt Ihr einen schlimmen Streich gespielt.«

»Wie das? Ich erinnere mich doch nicht …«

»Ja, Meister, man hat seine Neider. Sie freuten sich schon auf das Schauspiel und wanderten nach Roucy, um Eurer Hinrichtung beizuwohnen.«

»Tausend Donner! Schweig davon!«

Der Meister war durch seine Aufwallung vom Polster gerissen worden. Der lange Überwurf, mit seiner raschen Bewegung nicht einverstanden, ließ den Füßen nicht freien Raum und – o Himmel! Meister Florian fiel auf das Getäfel des Bodens nieder.

Balthasar sprang hinzu, ihm aufzuhelfen, doch mit einem Gewand, wie der Meister es trug, wusste er nicht umzugehen. Statt des Armes griff er die Falten des Überwurfs und Florian ächzte vergebens unter den sich mühenden Fäusten des Gesellen. Zum größten Unglück traten eben zwei reich gekleidete Herren in das Gemach.

»Ei ei! Was ist Euch angekommen?«, riefen beide zugleich, indem sie Balthasar zu Hilfe eilten. »Seid doch nicht krank? Oder …?«

Sie warfen bei der letzten Frage einen gar sonderbaren Blick auf den Gesellen.

»Nicht doch, nicht doch«, beruhigte sie der Waffenschmied, indem er seinen Überwurf wieder zurechtzupfte. »Es war nur so ein kleiner Anstoß von Schwindel. Ich finde mich überhaupt jetzt nicht so ganz behaglich …«

»Das kann wohl kommen, lieber Meister«, nahm der eine von ihnen das Wort, indem er seinem Begleiter zublinzelte, »das kann wohl kommen, zumal, da Ihr die Luft in Paris noch nicht gewohnt seid. Denkt nicht mehr daran, so mache ich es gewöhnlich, wenn ich Zahnweh habe. Man vergisst den Schmerz um so leichter. Von etwas anderen denn: Ihr seht, lieber Meister, wir halten unser Versprechen. Längst schon wäre es unsere Pflicht und Schuldigkeit gewesen, die Freundschaft eines so ausgezeichneten Mannes zu suchen, doch nimmt uns die Dienstpflicht bei Sr. Majestät unserem allergnädigsten König gar zu sehr in Anspruch und möget Ihr es nicht übel deuten, wenn wir heute erst Gelegenheit fanden, den Mann zu besuchen, welchen König Philipp mit seiner hohen Gnade beschenkt.«

»Herr Jacques«, versetzte der Waffenschmied mit schlecht gelungenem höfischen Wesen, »ich schätze mir es zur größten Ehre, zwei Männer bei mir zu sehen, welche unseres allergnädigsten Königs Zutrauen in so hohem Grade besitzen. Macht Euch keine Sorge darum, dass ich mich etwa vernachlässigt fühlte, weil Ihr nicht früher gekommen seid. Ich weiß ja den Mann von seinem Stand zu unterscheiden. Die Pflicht für den König ist das Vorzüglichste, was wir alle im Auge haben müssen. Noch bei der letzten Versammlung des Hofes«, fügte er nachlässig hinzu, »hat uns der König dies anbefohlen.«

Balthasar wollte seinen Ohren nicht trauen. War das sein Meister aus Beziers? War dieser hier der mit den Vertrauten des Königs auf so freundlichem Fuß stand, sein alter Meister Florian, der Waffenschmied? War dieser hochgestellte Mann an König Philipps Hof, der kaum dem Henkertod entronnene Verbrecher? Der schlichte gerade Bürgersmann von Beziers, konnte der wohl urplötzlich sich so verändert haben? Weit geöffneten Mundes stand Balthasar und starrte seinen Meister an. Es war wohl nicht zu verwundern, dass der Geselle den beiden auffiel. Ihre Fragen setzten den Meister einigermaßen in Verlegenheit, doch suchte er sich zu fassen und bedeutete sie folgendermaßen: »Ihr Herren erinnert Euch wohl, dass ich lange Zeit die Waffenschmiedekunst betrieben habe. Freilich müsst Ihr das wissen, denn aus meiner Werkstatt in Beziers kamen die besten Klingen, die besten Harnische und Helme. Mit einer Lanzenspitze von meiner Arbeit konntet Ihr die stärkste Silbermünze durchrennen, und sie war noch so scharf wie vorher. Ich will just nicht damit prahlen, denn ich war von jeher ein Feind des Eigenlobs, aber von dem Waffenschmied Florian wird noch mancher Rittersmann erzählen. Genug also, dieser hier, seines Namens Balthasar, war mein Geselle und setzte es sich in den Kopf, ein Templer zu werden. Sage mir, Balthasar, warum bist du denn noch nicht Templer geworden?«

»Meister, sie fragten mich, ob ich mit irgendeinem Weib verheiratet oder verlobt wäre, und da meinte ich denn, dass die Geschichte mit Eurer Margot noch nicht so ganz klar geworden …«

»Schafskopf!«, schalt der Meister. »Du hast doch nicht etwa gesagt …?«

»Warum sollte ich nicht, Meister? Ich musste doch die Wahrheit sagen.«

»Balthasar«, nahm der Meister beinahe predigend das Wort. »Du hättest gar nichts davon zu erwähnen gehabt. Meine Margot wird Hofdame bei Ihrer Majestät der Königin. Da siehst du wohl selbst ein, Balthasar, sag immerhin den Brüdern, du seiest nicht verlobt, und wenn du auch etwa nicht Templer werden wolltest, so fände sich wohl noch ein anderes Mädchen für dich. Für den Hof, Balthasar, nimm mir’s nicht übel, für den Hof bist du nicht geschaffen.«

Die beiden königlichen Diener konnten sich des Lachens nicht enthalten. Da Florian es missverstand, so lachte er herzlich mit, dass ihm der Bauch erschütterte.

»Nicht wahr, Ihr Herren«, rief er, »Balthasar und Margot! Ich mochte ihn wohl einmal im Garten des Louvre sehen! Ha ha ha!«

Die Scham färbte des Gesellen Angesicht hochrot, und zornig trat er vor den Meister hin, auf die beiden reich gekleideten Herren nicht Rücksicht nehmend. »Meister«, sprach er unverhohlen und laut genug, wie er sich ehemals am Amboss mit ihm unterhalten hatte, »Meister, ich bin nicht hierher gekommen, mich von Euch in Gegenwart anderer verhöhnen zu lassen. Dass Ihr Euch wie ein Frosch auf dem grünen Schlamm eines Weihers aufbläht, steht Euch nicht zu verdenken, denn viel besser ruht es sich auf weichem Polster, im seidenen Überwurf als im Armesünderhemd auf dem Rad …«

»Halt ein, halt ein!«, schrie Florian. »Kein Wort mehr oder du bist des Todes!«

Der Geselle aber lachte ihm mit Hohn entgegen. »Ihr kommt mir ganz sonderbar vor! Habt Ihr etwa jemals bemerkt, dass ich Furcht gehabt habe? Da Ihr noch mein Meister wart, Herr in Eurer Werkstatt und ich Euer Geselle gewesen war, da musste ich Euch Gehorsam leisten. Hier aber … Meister … und wenn Ihr zehn Margots hättet, und also noch zehnmal so hoch bei Hofe ständet wie jetzt, ich würde Euer Nasenrümpfen ebenso wenig fürchten wie Eure drohende Faust.«

»Was willst du damit sagen, Balthasar? Meinst du vielleicht, ich stände durch Margot so hoch bei Hofe? Du bist ein törichter Geselle, und nichts weiter!«

»Ihr erinnert Euch wohl, Meister, dass Ihr mir stets die Lehre gabt, frank und frei von der Leber zu sprechen, das will ich denn auch jetzt tun. Sagt an, was habt Ihr denn so Großes für den König getan, da er Euch doch verdammt hatte, weil Ihr gegen ihn wart? Ich fürchte, ich fürchte Meister, die Schönheit Eurer Margot sei die sündliche Schwelle zu Eurer Größe.

»Dummes Zeug, dummes Zeug!«, nahm einer von des Königs Dienern vor dem Waffenschmied das Wort. »Ereifert Euch nicht, Meister, über das Geschwätz dieses Toren. Fragt ihn kurz und bündig nach seinem Anliegen, und damit Gott befohlen.«

»Ihr habt ganz recht, Herr Augustin«, gab Florian zu, indem er den Kopf in den Nacken warf. »Sag an, Balthasar, was willst du hier? Doch rate ich wohlmeinend, die gebührende Ehrfurcht nicht aus den Augen zu setzen, widrigenfalls …«

»Ich habe nichts weiter mit Euch zu schaffen.« Mit diesen Worten entfernte sich der Geselle festen und furchtlosen Schrittes. Die drei blieben allein.

Die königlichen Diener, zwei schlank gewachsene Männer, waren freilich geeignet, den verblendeten Waffenschmied in seinem Dünkel zu bestärken.

Sie waren die Kammerdiener des hoch gebietenden Herrn, seine Spürhunde, und die zuverlässigsten Diener seines Winkes. Jacques war schlau, Augustin besaß Kühnheit, sobald er den Namen seines Herrn zum Deckmantel nehmen konnte. Der Gegenstand, welcher sie hier bei dem Waffenschmied beschäftigte, lag ganz in ihrer Stellung. Aber Philipp der Schöne war ein zu kluger Fürst, als dass einer seiner untergeordneten Diener ihn bei seinem eigenen Wort hätte festhalten können. Sie waren gewohnt, des Königs Wunsch durch Wilhelm von Paris zu vernehmen, und blindlings erfüllten sie, was der Pater ihnen offenbarte. Dass aber Jacques und Augustin von den wahren Absichten ihres Herrn und Gebieters nicht Kunde hatten, das konnte man der Klugheit des Beichtvaters wohl zutrauen. Ihnen war lediglich und allein der Auftrag geworden, den Waffenschmied in seinem Dünkel zu bestärken. Das taten sie denn auch im vollsten Maße. Sie spiegelten ihm das Bild einer Größe vor, welches ihm den Kopf wirbeln machte, priesen ihn als den glücklichsten Sterblichen und ließen Winke fallen, welche um so williger gedeutet wurden, als Florian sich selbst die glückliche Wendung seines Schicksals nicht erklären konnte. Es ist eine eigene Sache, um einen rohen Charakter. Je geringer der Geist ausgebildet ist, desto größer ist der Einfluss der Umstände auf ihn. Florian der Waffenschmied von Beziers lieferte dafür den schlagendsten Beweis. Aber auch diese untergeordneten Diener des Königs, obwohl sie sich selbstständig dünkten, bildeten hier nur ein ganz unscheinbares Glied in der Kette der größten Begebenheiten. Ihr Erscheinen bei dem Waffenschmied war eine Folge der Verhandlung, welche der König mit Wilhelm von Paris im Garten des Louvre gepflogen hatte. Sie mutmaßten wohl etwas, aber sie wussten nichts. Wenn auch die Absichten eines unumschränkt gebietenden Herrn so rein wie das Licht der Sonne sind, so werden sie von niederen Dienern gar hässlich gedeutet. Den Anker ihres Glücksschiffes werfen sie am liebsten, und zu allererst in den lasterhaften Grund, und meinen, dass er da am festesten eingreife. Den Leidenschaften des Gebieters zu frönen, ist die ganze Weisheit solcher Geschöpfe; eine Weisheit, unter deren verderblichen Schritt schon manches Glück, schon manche Tugend verwelkte.

Jacques und Augustin hatten im Dienste des Königs schon so manche Erfahrung gemacht, dass sie gegen Florian Meister genannt werden konnten. Ihnen hatte Wilhelm von Paris den vom Glanz Geblendeten, überantwortet – der Pater kannte seine Leute.