Der bekehrte Graf
Vom frischen Quell
Sagen, Legenden undGeschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Erstes Bändchen
Der bekehrte Graf
Einst zogen, so erzählt die Sage, die Bewohner von Gerolstein an einem hohen kirchlichen Festtag in feierlicher Prozession zu einem steinernen Kreuzaltar, wo, wie das alljährlich zu geschehen pflegte, der Segen erteilt wurde. Vor dem Tor der Burg auf der Höhe des Berges stand deren Besitzer mit seiner Gemahlin. Er war dem Glauben seiner Väter untreu geworden und hatte schon lange seine kirchlichen Pflichten vernachlässigt und ein gottloses Leben geführt. Gott hatte ihn dadurch heimgesucht, dass er seinem einzigen Söhnlein den Gebrauch der Glieder versagt hatte, sodass es weder gehen noch stehen konnte; aber auch das brachte den Grafen nicht zur Besinnung. Jetzt stand er da mit seiner Gemahlin, die das gelähmte Kind auf den Armen trug, und schaute gleichgültig und teilnahmlos auf die frommen Beter herab, die inzwischen niedergekniet waren. Das Kind war währenddessen auffallend unruhig und verlangte mit Ungeduld, auf den Boden gesetzt zu werden. Kaum hatte es die Erde berührt, da konnte es seine Glieder sofort in vollem Maße bewegen. Rasch eilte es hinunter zum Altar, kniete nieder und hob die gefalteten Händchen hoch empor, um mit den Übrigen den Segen zu empfangen. Das gräfliche Paar, durch das offenkundige Wunder gerührt, wurde sofort anderen Sinnes und kehrte zum alten Glauben zurück.