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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Kommandant des Tower 31

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Drittes Buch
Der Lordgroßadmiral von England
Viertes Kapitel

Wie Lord Seymour von Sudley mit der Königin Catharina Parr in der St. Peters-Kapelle im Tower getraut wird

Als Lord Seymour den König verließ, begab er sich zum Warderobe Tower, wo er seinen Diener auf ihn wartend fand.

Ugo begann seine Freude über seines Herrn Standeserhebung auszudrücken, als Seymour ihn ungeduldig nnterbrach, indem er sagte: »Pasta, Ugo! Deine Gratulationen spare für ein anderes Mal. Titel und Amt, nach denen ich verlangte, sind mein. Ich bin Lordgroßadmiral von England …«

»Und also im Bestiz eines der ehrenvollsten und ein­träglichsten Ämter, Monsignore«, warf Ugo mit einer Verbeugung ein.

»Ich widerspreche nicht. Mein Ansehen ist ohne Zwei­fel gewachsen, aber ich verliere wahrscheinlich den Preis, dessen ich mich sicher glaubte. Der Lordprotektor ist dahinter gekommen, dass ich nach der Hand der Königinwitwe strebe, und er wird alles aufbieten, um die Heirat zu hintertrei­ben.«

Er erzählte darauf ausführlich den Streit, der eben zwischen ihm und seinem Bruder in Gegenwart des Königs stattgefunden hatte.

»Seine Majestät versuchte gutmütigerweise den Streit zu steuern«, fuhr er fort, »aber ich weiß, Somerset vergibt nicht und wird das Äußerste tun, um mein Projekt zu zerstören. Es ist gut, dass er nicht früher die Entdeckung machte«, fügte er mit Lachen hinzu, »oder mein Name würde sich nicht auf der Liste der heute ernannten Pairs befunden haben. Das wenigstens habe ich sicher auf alle Fälle.«

»Und glaubt mir, Mylord, es ist nichts Geringes. Habt Ihr einigen Grund, die Folgen einer geheimen Vermählung mit der Königin zu fürchten?«

»Einmal verheiratet mit Ihrer Majestät, würde ich nichts fürchten – selbst nicht meinen allmächtigen und rachesüchtigen Bruder, der Schritte tut, um sich selbst mit könig­licher Macht zu bekleiden. Ich fürchte nur, er könnte meine Pläne durchkreuzen. Dein Wink ist gut, Ugo – die Heirat muss insgeheim stattfinden.«

»Schleunig sowohl wie geheim, Monsignore. Ie eher, je besser. Ihr habt noch andere Feinde, als den Lordpro­tektor, die Euch entgegenarbeiten werden. Glaubt Ihr hinreichenden Einfluss auf die Königin zu haben, um sie zu einem solchen Schritt zu bewegen?«

»Ich glaube«, antwortete Seymour. »Aber ich will sie auf die Probe stellen, und zwar sehr bald. Sie hat mir gerade heute Morgen eine Unterredung bewilligt, und wenn mein Empfang ein guter ist, so werde ich ihr die dringende Notwendigkeit des von dir vorgeschlagenen Verfahrens dar­stellen und mein Verlangen mit allen nur erdenkbaren Be­weisgründen unterstützen.«

»Per Dio! Es wäre ärgerlich, einen solchen Preis zu verlieren. Ihre Majestät ist nicht nur ihrer Schönheit, ihres hohen Ranges und ihrer vielen edlen Eigenschaften wegen eine wünschenswerte Partie für Eure Lordschaft, sondern auch um ihres reichen Heiratsgutes und um ihrer wertvol­len Juwelen willen. Was Letztere betrifft, so kann ich darüber reden, denn ich habe das Inventar gesehen: Diademe von Smaragden und Rubinen, Blumen und Kreuze aus Diamanten, goldeue Ketten, Broschen und Gürtel, Ringe, Bracelets und Halsgeschmeide – dass einem der Mund wässert. Es wäre schade, ich wiederhole es, eine Königin mit solchen Juwelen und solchem Brautschatz zu verlieren.«

»Sie darf nicht verloren sein! Ich will die Sache rasch betreiben. Du sollst mir helfen, meinen Anzug ein wenig zu verändern, denn ich möchte den bestmöglichen Eindruck auf Ihre Majestät machen – und ich will dann mein Schicksal sichern. Wer weiß? Die Heirat kann früher stattfinden, als wir denken.«

»Und wenn es heute wäre, es wäre nicht zu früh, Monsignore.«

Seymour lachte, aber antwortete nicht. Nachdem er seine Toilette zur Zufriedenheit hergestellt hatte, erschien er in den Gemächern der Königinwitwe. Er musste einen Augenblick in dem Vorzimmer warten, aber als er von einem Zeremonienmeister in das innere Gemach geführt wurde, fand er Catharina allein. Sie war in schwarzen Samt ge­kleidet, der ihre stattliche Figur und ihren zarten Teint auf das Vorteilhafteste hervorhob. Sie trug einen Kopfputz von Diamanten und Perlen und einen prächtigen Halsschmuck. Nie hatte sie bezaubernder ausgesehen. Seymours Empfang war ganz so günstig, wie er sich geschmeichelt hatte, viel günstiger, als er verdiente. Catharina, obwohl starken Geistes, war nur eine Frau. Sie hörte seine Versicherungen der Reue, seine Schwüre, das Gelöbnis seiner unwandelbaren Treue an – und vergab ihm. Ja, mehr noch, als er die Notwendigkeit einer heimlichen Trauung darlegte, schien sie nicht abgeneigt, darauf einzugehen. Durch seinen Erfolg kühn gemacht, beschloss darauf Seymour, die Angelegenheit sofort auf die von seinem Diener angedeutete Weise zu erledigen.

»Warum sollte unser Glück noch länger aufgeschoben werden?«, sprach er. »Warum sollte unsere Heirat nicht heute Abend – hier im Tower – in der St.-Peters-Kapelle vollzogen werden?«

»Unmöglich!«, rief Catharina.

»Nein, die Sache ist sehr möglich, es bedarf nur Eurer Einwilligung. Der Tower-Kaplan wird uns trauen. Wir sind dann gegen alle Gefahren sicher und können unseren Feinden Trotz bieten.«

»Aber das ist zu rasch, Seymour. Ich kann mich nicht in so kurzer Zeit vorbereiten.«

»Vorbereitung ist nicht nötig!«, rief er aus, »nur Entscheidung. Und Ihr habt zu meinen Gunsten entschieden, meine Königin, ich fühle es!« Und indem er sich ihr zu Füßen warf, presste er ihre Hand leidenschaftlich an seine Lippen. »Warum sollten wir auf die Zukunft bauen, wenn die Gegenwart unser ist?«, fuhr er eindringlich fort. »Mor­gen können sich unvorhergesehene Hindernisse erheben. Lasst uns das Glück ergreifen, solange wir es fassen können.«

»Es ist sehr schnell!«, sagte Catharina leise, aber in einem Ton, der bewies, sie würde nachgeben.

»Es scheint so, aber da wir die Verhältnisse nicht in unserer Gewalt haben, so müssen wir uns ihnen beugen. Heute Abend, Catharina, lasst es heute Abend sein!«

Die Königin willigte ein. Ihr Urteil war nicht blind. Sie war sich der Unklugheit des Schrittes, den sie zu tun gedachte, bewusst. Sie kannte den Charaeter des Mannes, der ihre Hand begehrte. Dennoch willigte sie in eine so plötzliche und geheime Trauung mit ihm. Ihre Liebe war mächtiger als ihre Besonnenheit. Sie kann einigermaßen entschuldigt werden durch ihres Bewerbers unwiderstehliches Wesen und durch seine außerordentlichen persönlichen Reize. Wenige ihres Geschlechtes würden siegreich aus der Probe hervorgegangen sein, die sie zu bestehen hatte. Seymour schien dazu geschaffen, zu täuschen, und sicherlich verließ ihn in diesem Augenblick seine Zauberkraft nicht. Als er sich aus seiner knienden Stellung mit von Triumph leuchtendem Ant­litz erhob, sah er so herrlich und schön aus, dass es nicht möglich war, ihn ohne Bewunderung anzusehen.

»Der Himmel verzeih mir, wenn ich Unrecht tat, nachzugeben!«, rief Catharina. »Mir sinkt das Herz, aber ich muss nun weiter. Euch, Seymour, vertraue ich all mein Glück. Hintergeht mich nicht wieder!«

»Habt kein Misstrauen, Catharina!«, entgegnete er. »Mein Leben ist Euch gewidmet.«

Es wurde darauf verabredet, dass Eatharina an diesem Abend der Vesper in der St.-Peters-Kapelle beiwohnen sollte. Lady Herbert, Seymours Schwester, die, wie wir gesehen haben, ihrem Bruder vollständig ergeben und durchaus zuverlässig war, sollte sie begleiten. Seymour wollte eben­falls in der Kapelle sein, und zwar mit dem Marquis von Dorset, auf dessen Beistand er rechnen konnte, und mit Ugo Harrington. Nach der Vesper, wenn die Kirche leer wäre, sollten die Türen verschlossen werden und die Trauung statt­finden. Was den Kaplan betrifft, so versah man sich keiner Schwierigkeiten. Seymour unternahm es, sich seines Dienstes bei dieser Gelegenheit sowie auch seines Schweigens, solange die Geheimhaltung für nötig erachtet würde, zu sichern. Nachdem die Königin diesen Anordnungen beigestimmt hatte, nahm Seymour unter abermaligen Beteuerungen seiner Er­gebenheit nnd glückselig über seinen Erfolg Abschied.

Aber sein Entzücken wurde schnell niedergeschlagen. In­dem er auf seinem Wege zum Warderobe Tower einen Korridor durchschritt, begegnete er unerwartet der Prinzessin Elisabeth. Bei der Prinzessin waren ihre Erzieherin und Sir John Gage. Sie war gerade im Begriff, den Tower zu ver­lassen, und draußen harrte ihrer ein Gefolge. Bis zu diesem Augenblick hatte sie überaus blass ausgesehen, aber als sie Seymours Augen begegnete, überflog ihr Antlitz eine brennende Röte. Sonst verriet nichts ihre Bewegung. Kalt erwiderte sie seine tiefe Verbeugung und schritt stolz, ohne ein Wort, vorbei.

»Ich wollte, dass ich sie in diesem Augenblick nicht gesehen hätte!«, rief er, ihr nachblickend, aus. »Es macht mich in meinem Vorhaben wankend. Sonderbar, wie sie mir noch im Herzen wohnt! Aber ich muss von der Torheit lassen. Es ist umsonst, an sie zu denken.«

Und er ging weiter. Aber Elifabeths Bild ging mit ihm.

Am selben Abend jedoch fand die Trauung in der­selben Weise statt, wie verabredet war, da Ugo für die Bereitwilligkeit des Kaplans gesorgt hatte. Die Königin und Lady Herbert waren in der St.-Peters-Kapelle, ebenso Seymour mit seinem Diener und dem Marquis von Dorset.

Nachdem alle Furcht vor Störung oder Unterbrechung beseitigt war, wurde die Zeremonie vollzogen, und die Witwe Heinrichs VIII. wurde die Gemahlin des neu er­nannten Lord Seymour von Sudley.

Dicht hinter dem Altar, auf welchem sie getraut wurden, lagen zwei von Heinrichs gemordeten Gemahlinnen, Anna von Boleyn und Catharina Howard.

Wenig ließ Seymour um diese Stunde sich träumen, dass er in nicht allzu ferner Zeit einen Platz neben ihnen einnehmen würde. Wenig ließ er es sich träumen, als er vor dem Altar feine Gelübde sprach, Gelübde, die er so wenig hielt, dass er nur wenige Schritte von seiner eigenen Grabstätte entfernt sei.