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Ich verfilm dich gleich nochmals – Remakes, Sequels, Adaptionen

Ich verfilm dich gleich nochmals – Remakes, Sequels, Adaptionen

Vorspann

Im Sommer 2016 geschah etwas bisher Einzigartiges in der Filmgeschichte. Der Trailer eines Films, der von der Produktionsfirma Sony auf YouTube gestellt wurde, erntete so viele negative Kommentare, dass sich die Firma gezwungen sah, den nächsten Trailer nur noch auf ihrer Facebook-Seite zu veröffentlichen. Über die Art der Kommentare lässt sich natürlich streiten, nicht aber über das Phänomen, das diese Bashing-Welle ausgelöst hat: ein Remake.

Gemeint ist das Remake des Klassikers Ghostbusters. Sony befürchtete durch diese hohe Anzahl an negativen Kommentaren einen Flop zu landen. In der Tat fiel das Einspielergebnis so vernichtend aus, dass die Planung eines Sequels auf Eis gelegt wurde.

Eine Konsequenz dieses Ereignisses war bzw. ist, dass Produzenten das Wort Remake nicht mehr gerne verwenden, aus Angst, erneut Zuschauer zu vergraulen. Stattdessen verwenden die Marketingabteilungen nun den Begriff Neuinterpretation.

Remakes ist, um dies vorwegzunehmen, alles andere als ein neues Phänomen. Bereits in der Anfangsphase des Films, also Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der damalige Filmmarkt von einer Unmenge an Remakes überschwemmt. Der Grund lag darin, dass es für Filme kein Copyright gab und jeder seinem Konkurrenten die Filmidee klauen konnte, ohne dafür ernsthafte Konsequenzen erwarten zu müssen. Das bedeutet nicht, dass es damals zu keinen Gerichtsprozessen gekommen wäre. Im Gegenteil, die Richter hatten dadurch mehr als sonst zu tun. Doch das Problem war, dass die Behörden mit Film nicht wirklich etwas hatten anfangen können. Hatte man es mit einem Produkt zu tun oder mit Kunst? Solange diese Frage nicht entschieden war, durfte jeder machen, was er wollte.

Das sollte sich erst in den 1910ern ändern, als Filme auch in den Genuss des Copyrights kamen und damit dem Ideenklau ein Riegel vorgeschoben wurde. Und diese Regel gilt bis heute. Das heißt, man darf nicht einfach einen Film neu verfilmen, es sei denn natürlich, dass dieselbe Produktionsfirma, die sowieso die Rechte des Originals besitzt, ein solches Projekt in Angriff nimmt.

Auf diese Weise durchziehen Remakes die gesamte Geschichte des Films. In manchen Jahren gibt es mehr davon, in anderen weniger, sodass man von Remakewellen spricht. Zurzeit, das heißt seit Beginn des neuen Jahrtausends, bekommen wir eine solche Welle mit.

Aber was ist eigentlich ein Remake? Und wie unterscheiden sich Remakes von Sequels und Adaptionen? So klar der Begriff Remake erscheint, so gibt es doch interessante Unterschiede zwischen einem Remake und einem Remake.

1. Remake ist nicht gleich Remake

Die grundlegende Definition für Remake lautet wie folgt: Ein Remake ist eine Neuverfilmung eines bereits existierenden Films. Jetzt könnte man hier bereits den Artikel beenden, da im Grunde genommen alles gesagt ist. Doch das Phänomen löste Mitte der 90er Jahre einen eigenen Forschungsbereich aus, was für uns bedeutet, dass die oberflächliche Definition nicht genügt, da sie das Phänomen nicht komplett umfasst.

1.1 Remakes unter der Lupe

Remakeforscher unterscheiden in erster Linie zwischen intrakulturellen bzw. intranationalen und internationalen bzw. interkulturellen Remakes.

Bei einem intrakulturellen Remake handelt es sich um eine Neuverfilmung eines Films, der im selben Land wie das Remake produziert wurde. So wäre Ben Hur aus dem Jahr 1959 ein intrakulturelles Remake des Originalfilms von 1925 und dieser wiederum ein intrakulturelles Remake des Films von 1907. Die Version von 2016, die regelrecht unterging, wäre ebenfalls ein intrakulturelles Remake. Aber von welchem der drei vorangegangenen Filmen? Des Remakes von 1959, des Remakes von 1925 oder der Erstverfilmung des gleichnamigen Romans? Da der Begriff Remake seit 2016 eher negativ behaftet ist und die Macher sich auf keine Diskussionen einlassen wollten, umschifften sie dieses Problem und bezeichneten ihre Version als Neuinterpretation. Dieser Begriff tauchte, meiner Meinung nach, das erste Mal in einem TIME-Artikel im Sommer 2016 auf, als klar war, dass Sony und Warner gegen die negativen Kommentare zum Ghostbusters-Remake nicht mehr ankamen. Im selben Magazin, in dem erneut versucht wurde, gegen das Bashing anzugehen und in dem der ungenannte Autor die Vorabkritiker als »idiots« beschimpfte, gab es einen kleinen, regelrecht verschüchterten Artikel über das Remake von Ben Hur. Dort wurde dann statt des Begriffs Remake der Begriff Neuinterpretation verwendet.

Halten wir nochmals fest: Ben Hur ist ein Beispiel für ein intrakulturelles Remake. Im Gegensatz dazu ist ein interkulturelles Remake eine Neuverfilmung eines Filmes aus einem anderen Land. Als Beispiel könnte man Ring (2002) nennen, der das interkulturelle Remake des japanischen Horrorfilms Ringu (1998) darstellt. Aber auch Die glorreichen Sieben aus dem Jahr 1960 stellt ein interkulturelles Remake von Akira Kurosawas Klassiker Die sieben Samurai aus dem Jahr 1954 dar. Ist dann die Neuverfilmung von 2016 ebenfalls ein interkulturelles Remake? Eher nicht, da dieser Film sich eindeutig als eine Hommage an das Westerngenre an sich versteht und daher als ein intrakulturelles Remake verstanden werden muss.

1.2 Und wir machen es noch genauer …

 Eine weitere Unterscheidung betrifft die Einteilung in offizielle und nichtoffizielle Remakes. Diese Unterteilung bezieht sich auf drei verschiedene Faktoren:

1) ob es sich um ein legales oder um ein illegales Remake handelt,

2) ob das Remake offiziell als Remake vermarktet wird oder ob es verschwiegen wird, dass es sich um ein Remake handelt, und

3) ob Autor und Regisseur des Originalfilms genannt werden oder nicht, was mit Punkt 2 im engen Zusammenhang steht.

Bei legalen Remakes handelt es sich um Filme, welche die Rechte für eine Neuverfilmung eingeholt haben. Da in der Regel das Remake vom selben Studio produziert wird, das bereits den Originalfilm gedreht hat (dies betrifft jedenfalls intrakulturelle Remakes), besitzt das infrage kommende Studio bereits die Rechte für eine eventuelle Neuverfilmung. Dies ist auch ein Grund dafür, weswegen Remakes ein geringeres Budget benötigen als Originalfilme, was diese Form der Filmproduktion äußerst rentabel macht. So wäre zum Beispiel das Remake von Poltergeist aus dem Jahr 2015 ein legales Remake des Orignalfilms von 1982.

Bei illegalen Remakes besitzt das Studio, das ein Remake produziert, nicht die dafür notwendigen Rechte. In der Einleitung habe ich bereits den kunterbunten Ideenklau erwähnt, der sich Ende des 19. Jahrhunderts bis etwa 1910 abgespielt hat. Aus heutiger Sicht würde es sich bei diesen Neuverfilmungen um illegale Remakes handeln, da die jeweiligen Nachahmer die Rechte dafür nicht eingeholt hatten. Illegale Remakes sind heutzutage im intrakulturellen Bereich eher selten anzutreffen (die unten erwähnten Mockbuster stellen hier eine besondere Form dar). Im interkulturellen Bereich allerdings sind es vor allem China und Indien, die gelegentlich Ideen von westlichen Filmen übernehmen und diese als eigene Idee auf den Markt bringen. Die Filme werden zwar nur für den einheimischen Markt produziert, das Vorgehen ist dennoch illegal. Westliche Produktionsfirmen können nichts dagegen unternehmen, da sie in Indien oder in China dagegen klagen müssten – und beide Nationen nehmen klarerweise ihre Filmwirtschaft in Schutz.

Die Strategie von Studios wie U.F.O. oder The Asylum, Mockbuster herzustellen, ist demgegenüber in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt. Mit Mockbuster werden Filme bezeichnet, welche dieselbe Handlung und einen ähnlich klingenden Titel haben wie ein Blockbuster, der von einem der großen Hollywoodstudios hergestellt wurde (z. B. Atlantic Rim als Mockbuster von Pacific Rim). Es handelt sich jedoch um keine Remakes im eigentlichen Sinn, da die Mockbuster wenige Wochen vor dem Release des Blockbusters in beschränktem Umfang in die Kinos kommen oder gleich auf DVD/Blue Ray erscheinen.

1.2.1 Remake oder doch nicht

Manche Remakes werden bei ihrer Vermarktung direkt als Remake bezeichnet. Bei anderen dagegen wird es verschwiegen, dass es sich um ein Remake handelt. Interessant ist, dass Filmkritiker, durch welche ja der Begriff Remake in die Forschung gelangt ist, bei der Besprechung eines Remakes selten darauf hinweisen, dass es sich um ein Remake handelt.

Die Entscheidung, ob ein Remake als solches bezeichnet werden soll oder nicht, liegt beim produzierenden Studio selbst. Die Strategie hängt davon ab, wie bekannt der Originalfilm ist. Doch auch hier gibt es Unterschiede. Während z. B. das Remake von Psycho aus dem Jahr 1998 als Remake beworben wurde, fehlte diese Bezeichnung bei dem Remake von Total Recall. Obwohl es sich bei beiden Originalfilmen um Klassiker handelt, wurde jeweils unterschiedlich mit der Vorankündigung des Remakes umgegangen.

1.3 Remake oder Adaption

Von einem Remake zu unterscheiden sind Adaptionen, Sequels und Prequels und Transformationen in andere Medien, wie etwa in Computerspiele oder TV-Serien. Bei einer Adaption handelt es sich zwar ebenfalls um die Verfilmung eines bereits existierenden Textes, doch liegt dieser Text nicht als bereits produzierter Film, sondern als Roman, Kurzgeschichte oder Theaterstück vor. Uneinig sind sich Remakeforscher, ob es sich bei einer erneuten Adaption eines bereits verfilmten Romans oder einer bereits verfilmten Kurzgeschichte um ein Remake handelt. Ich selbst habe einmal einen Artikel über dieses Problem am Beispiel des Films The Thing veröffentlicht, den ich hier kurz zusammenfassen möchte: The Thing aus dem Jahr 1956 basiert auf der Erzählung Who goes there? von John W. Campbell. 1982 drehte John Carpenter eine neue Version von The Thing. Während Filmkritiker behaupteten, es handele sich um das Remake von Nybys/Hawks Klassiker, erklärte Carpenter, dass er kein Remake gedreht, sondern die Erzählung neu und werkgetreuer verfilmt habe. Beim Vergleich beider Filme tritt lediglich bei zwei Szenen eine Ähnlichkeit mit dem Originalfilm auf. Zum einen handelt es sich um die Titelsequenz, in welcher sich die Schrift The Thing aus dem schwarzen Hintergrund schält. Zum anderen ist es die bekannte Szene des Originals, in dem sich die Wissenschaftler um das im Eis der Arktis eingeschlossene UFO versammeln, die sich in der Version von 1982 wiederfindet. Vergleicht man die beiden Filme mit der Erzählung von John W. Campbell, so stellt sich heraus, dass sich John Carpenter in der Tat stärker an die Vorlage hält als Christian Nyby und Howard Hawks. Dies betrifft zum einen den Ort der Handlung, die eigentlich in der Antarktis spielt, in der ersten Adaption aus politischen Gründen in die Arktis verlegt wurde, von John Carpenter aber in die Antarktis zurückverlegt wurde. Auch die drastischen Transformationen des außerirdischen Gestaltwandlers, die in der Geschichte teilweise vorkommen, werden von John Carpenter übernommen, in der Version von 1956 werden diese nicht gezeigt bzw. in einer Szene lediglich angedeutet. Die Frage ist nun, was wir mit der Version von 2011 anstellen sollen? Handelt es sich um eine weitere Adaption oder um ein weiteres Remake?

Interessant ist, dass Regisseur Matthijs van Heijningen seine Version als Prequel zu Carpenters Adaption bezeichnete. Nur, das Problem ist, dass van Heijningen in seinem Film so viele Zitate aus Carpenters Film eingefügt hat, dass man keineswegs von einem Prequel, sondern eher von einem vermeintlichen Remake sprechen muss.

Lange Rede, kurzer Sinn: Im Grunde genommen ist jede neue Adaption zugleich auch ein bisschen ein Remake. Aber erklärt das einmal einem Remakeforscher …

1.4 Sequels, Prequels, Transformationen

Ein Sequel bezeichnet die Fortführung einer bereits existierenden Filmhandlung in einem anderen Film. Bei einem Prequel handelt es sich dagegen um einen Film, der die Vorgeschichte einer bereits existierenden Filmhandlung zeigt. Obwohl sich beide Spielfilmarten auf bereits existierende Filme beziehen, so handelt es sich dennoch nicht um Remakes – das Beispiel The Thing aus dem Jahr 2011 einmal ausgenommen. Sowohl Sequels als auch Prequels erzählen nicht einen bereits produzierten Film neu. Vielmehr führen sie einen existierenden Handlungsstrang fort bzw. fügen diesem eine Vorgeschichte hinzu. Die Anzahl der Sequels und Prequels ist seit dem neuen Jahrtausend stark angestiegen. Ein Grund ist die Hollywoodkrise, die dazu geführt hat, dass Produzenten kein Risiko mit neuen (Big Budget-)Filmen eingehen wollen, sondern lieber auf bestehende und auf dem Markt getestete Texte zurückgreifen, um mit bereits bekannten Figuren auf vorangegangenen Erfolgen aufzubauen. Beispiele dafür wären so ziemlich alle Superheldenfilme.

Bei Transformationen in andere Medien handelt es sich um Filmhandlungen, die in Form eines Computerspiels, einer Buch- oder Comicreihe oder auch als TV-Serie weitergeführt werden. Von Transformationen spricht man auch im umgekehrten Fall, wenn z.Bsp. ein Computerspiel als Grundlage für einen Spielfilm dient. Im weiteren Sinn können auch Adaptionen als Transformationen betrachtet werden. Die TV-Serie Star Trek dient als wohl bestes Beispiel für eine solche Transformation. Aus der ehemaligen Serie entstanden mehrere Spielfilme, die zum Teil aus Sequels bestanden. Seit 2010 wurden drei neue Spielfilme produziert, die sich mit der Vorgeschichte von der Crew der Enterprise befassen und daher als Prequels bezeichnet werden können. Die Serie wurde zudem in Form von Romanen und Comics weitergeführt, in Form weiterer TV-Serien und natürlich gibt es auch Computerspiele usw. Es wurde sozusagen ein eigenes mediales Universum geschaffen, das aus sämtlichen Formen der Verfilmung besteht.

Aber weswegen werden Filme überhaupt neu verfilmt? Wie zwar weiter oben bereits einen Grund kurz angeführt, doch im Folgenden wollen wir einen genaueren Blick auf diese Frage werfen.

2. Gründe für die Herstellung von Remakes

Über den Grund, weswegen Remakes produziert werden, gibt es verschiedene Überlegungen. Die Theorien reichen von wirtschaftswissenschaftlichen, über psychoanalytischen zu kultur- und filmwissenschaftlichen Ansätzen. Einig sind sich Remakeforscher nur in dem Aspekt, dass nicht allein wirtschaftliche Faktoren für die Produktion von Remakes eine Rolle spielen.

Interessant ist dennoch, dass, wie die Filmhistoriker Jennifer Forrest und Leonard Koos festgestellt haben, Remakes verstärkt in Krisenzeiten produziert werden. Die Weltwirtschaftskrise führte zu einem deutlichen Anstieg von Remakes zu Beginn der 30er Jahre. In den 50er Jahren, als es durch die zunehmende Beliebtheit des Fernsehens zu einem Rückgang der Kinobesucherzahlen und damit zu einem Umsatzrückgang kam, wurde erneut die Produktion von Remakes erhöht. Ende der 70er Jahre, Anfang der 80er Jahre, als die Videokassette immer mehr an Marktmacht gewann, was bedeutete, dass sich mehr und mehr Zuschauer Filme lieber zu Hause als im Kino ansahen, stieg die Anzahl der Remakes zum dritten Mal. Ende der 90er Jahre wurde Hollywood von einer weiteren, bis heute anhaltenden Krise heimgesucht. Diese Krise unterscheidet sich von den vorangegangenen Krisen dadurch, dass es sich sowohl um eine wirtschaftliche als auch um eine ästhetische Krise handelt. Die jetzige Krise führte seit dem neuen Jahrtausend zu einem deutlichen Anstieg von Sequels und Prequels. Parallel dazu stieg der Anstieg der Remakeproduktionen. Ein Grund für diese Entwicklung sieht Janet Wasko darin, da Produktionsfirmen die Risiken soweit wie möglich minimieren möchten. Trotz Vorabanalysen über die Erfolgschance eines Filmes bleibt das Filmgeschäft verbunden mit großer Unsicherheit, da niemand wirklich vorhersehen kann, was vom Publikum angenommen wird und was nicht. Eine Strategie, um dieses Risiko zu verringern, ist die Herstellung von Sequels/Prequels und Remakes.

Neben den rein wirtschaftlichen Faktoren, die für die Produktion von Remakes infrage kommen, verweisen Remakeforscher auch auf andere Merkmale. Ein wesentlicher Faktor spielt dabei die Rolle neuer Techniken, die in Remakes ausprobiert werden. Vor allem neu entwickelte Spezialeffekte kommen dabei zur Geltung. Waren die Spezialeffekte in den Filmen Robocop (1987) und Total Recall (1989) noch geprägt von sogenannten Make-up- und Puppeneffekten sowie Stop-Motion-Effekten, so überwiegen in deren jeweiligen Remakes. (2013 wurde das Remake von Total Recall produziert, 2014 das Remake von Robocop), digitale Tricktechniken, sogenannte CGI-Effekte.

Weitere nicht-ökonomische Aspekte betreffen soziokulturelle Merkmale. Die Geschichte der Zensur ist eng verbunden mit den Veränderungen von moralischen und Wertvorstellungen, die in einer Gesellschaft vorherrschen. Themen, die sich z. B. auf das Intimleben, Homosexualität oder Gewalt beziehen, wurden im Laufe der Filmgeschichte anders dargestellt. Striktere Zensurbestimmungen gab es hinsichtlich der oben genannten Themen Sex, Homosexualität und Gewalt. So wurde z. B. die offensichtliche Homosexualität von Theodora in Shirley Jacksons Roman The Haunting of Hill House in der Adaption The Haunting von 1963 lediglich in einer Szene angedeutet, während sie in der eher freien zweiten Adaption The Haunting von 1999 deutlicher skizziert wurde. Ein besseres Beispiel ist hier sicherlich Wenn der Postmann zweimal klingelt, ein Film, indem es ums Fremdgehen und um häusliche Gewalt geht. Im Original aus dem Jahr 1946 wurde diese eher angedeutet, während die Neuverfilmung aus dem Jahr 1981 die oben genannten Phänomene genauer darstellt.

Laut Jennifer Forrest entstehen Remakes (aus einer ästhetischen und erzählerischen Perspektive), da die Neuverfilmung genauer auf bestimmte soziale Probleme und Konflikte eingehen kann als die jeweiligen Originalfilme. Themen wie Emanzipation, Familienkonflikte oder sexuelle Selbstbestimmung können heute freier und direkter angesprochen werden als in den 50er oder 60er Jahren (in den USA waren die Zensurbestimmungen zudem weitaus strikter als in Europa). Das bedeutet, dass das Grundthema eines Films in späteren Jahren von demselben oder einem anderen Regisseur präziser herausgearbeitet werden kann. Hierin liegt ein ästhetischer Reiz, der den Regisseur dazu verleitet, ein Remake zu drehen.

Bei interkulturellen Remakes spielen, oberflächlich betrachtet, ebenfalls wirtschaftliche Gründe für eine Neuverfilmung eine Rolle. In den 80er und 90er Jahren verfilmte Hollywood vor allem französische Kassenschlager neu. Als Beispiele seien hier Noch drei Männer, noch ein Baby, der sich auf den Originalfilm Drei Männer und ein Baby bezieht, und Nikita genannt. Ab dem neuen Jahrtausend konzentrierte sich Hollywood auf die Neuverfilmung erfolgreicher japanischer und südkoreanischer Horrorfilme. Ein weiterer Grund ist der, dass US-amerikanischer Kinobesucher ausländische Filme, die mit Untertiteln gezeigt werden, meiden. Dies wiederum führt dazu, dass eine Vielzahl an ausländischen Filmen, auch wenn diese in anderen Ländern überaus erfolgreich waren, in US-amerikanischen Kinos nicht gezeigt werden (mit Ausnahme von Programmkinos). Und dies wiederum animiert Produzenten dazu, von ausländischen Filmen Remakes anzufertigen, um den Film auf veränderte Weise dennoch einem großen Publikum zu präsentieren. In der Regel werden die Produktionsfirmen der Originale am Umsatz beteiligt. Es sind also wirtschaftliche Faktoren, die mit soziokulturellen Faktoren einhergehen und zur Herstellung interkultureller Remakes führen.

Abspann

Es ist also alles nicht so einfach. Wenn man Filme lediglich genießen möchte, dann stellt die Fragestellung Remake oder nicht natürlich kein Problem dar. Aus einer anderen Perspektive allerdings schon. Denn Filme sind, auch wenn es sich um Produkte handelt, dennoch auch Kunstwerke und diese wiederum sind verbunden mit historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen. Veränderungen in der Gesellschaft und der damit verbundenen kulturellen Ausprägung führen zu Veränderungen in den filmischen Darstellungen. Das bedeutet, Remakes, Adaptionen oder Pre- und Sequels sind nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen vorhanden, sondern auch aufgrund gesellschaftlicher Aspekte, da Filme den gesellschaftlichen Wandel widerspiegeln.

Literatur:

  • Forrest, Jennifer/Koos, Leonard R. (2002). Reviewing Remakes: An Introduction. In: Dies. (eds.) Dead Ringers. The Remake in Theory and Practice. New York: State University of New York Press, S. 1-36
  • Pechmann, Max (2013b). Das Ding mal drei. Wie sich sozialer Wandel im Film widerspiegelt. In: Soziologie Heute, H. 29/2013, S. 22-24
  • Schatz, Tom (2012). The Studio System and Conglomerate Hollywood. In: McDonald, Paul/Wasko, Janet (eds.). The Contemporary Hollywood Film Industry. Malden: Blackwell Publishing, S. 13-42
  • Verevis, Constantine (2006). Film Remakes. Edinburgh: Edinburgh University Press

(mp)