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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 2

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Erster Teil
St. Jean d’Angeli
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Zweites Kapitel

Es war, als wenn sich alles vereinigte, um diesen König von Frankreich groß und größer zu machen; denn kaum hatte er die Aufrührer bestraft, so fügte der Himmel, dass Philipp nun auch eine um so gewichtigere Stelle in der Christenheit einnahm, als derjenige, mit ihm befreundet war, der als Haupt und Vorstand der Kirche St. Peters Stuhl bestieg. Papst Benedict XI. segnete das Zeitliche. Er war der Nachfolger des achten Bonifaz gewesen, der ein offener Feind des Königs Philipp auch mindestens so viel Abneigung auf seinen Nachfolger vererbte, dass niemals ein ganz gutes Einvernehmen zwischen Clemens und Philipp herrschen konnte. Was die Christenheit mit Trauer erfüllte, das erweckte Freude im Louvre. Ein König von Frankreich galt viel bei der Wahl eines neuen Papstes. Philipp sah recht gut ein, dass diese Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen durfte, sondern die Wahl auf einen Mann fallen musste, der ihm ergebener und gewogener wäre als Clemens und Bonifaz. Bis hierher hatte der König mit viel Glück Frankreich Vorteile geschafft. Seine Vermählung mit Jeanne von Evreux, Erbin von Navarra, den beiden Grafschaften Champagne und Brie und vieler großer Ländereien hatte Frankreich bedeutend vergrößert. Das Volk liebte seinen König, niemals war es ungehorsam gewesen, bis zu der Zeit des Aufruhrs. Wie hätte er also nicht auch mit durchdringendem Verstand hier zu Werke gehen sollen? Die Schönheit seines Körpers war einer der geringsten Vorzüge, welche bei Philipp gefunden wurden, er hatte unendlich vielen Verstand, eine gründliche Beurteilungskraft, war ein Kriegsheld und in Staatsangelegenheiten wohl erfahren. Dass er richtig zu Werke ging, lehrt schon der Umstand, dass Philipp mächtiger war als all seine Vorfahren. Wie sorgfältig also musste er nicht bei der Wahl eines Mannes zu Werke gehen, dem Kaiser und Könige sich beugen mussten, und der, Philipps Willen gemäß, seine unwiderruflichen Befehle durch die ganze Christenheit senden sollte. Wahrlich, ein königlicher Gedanke, selbst über St. Peters Schlüssel gebieten zu können! Welch ein reizendes Ziel für einen Philipp, welch eine lockende Aussicht, schmeichelhaft genug, einen minder festen Charakter aus dem Gleis zu bringen. Aber noch eines regte diesen König mächtig auf, alles an die Wahl des neuen Papstes zu setzen. Wer die Kraft zum Herrschen in sich trägt, und den Platz, von Gott verliehen, auf der Menschheit Höhe würdig ausfüllt, wer das Heil des Volkes nach Fürstenpflicht bewahrt, der kann, der darf von seiner Macht nichts vergeben, und an dem Gebäude des Volksglückes nur einzig und allein als Meister wirken. Diese Wahrheit hatte Philipp längst erkannt. Er wachte ängstlich über seiner Meisterschaft und mochte in seinem Reich keinen anderen neben sich dulden als den gehorsamen Diener seines königlichen Winkes. Seit beinahe zwei Jahrhunderten hatte sich ein kriegerischer Orden in Macht und Reichtum dermaßen in der ganzen Christenheit hervorgetan, dass der Vorsteher dieses Ordens den Rang eines unumschränkten Fürsten einnahm. Jedem König gleich, schrieb sich dieser Vorsteher »von Gottes Gnaden«, und Frankreich war der Mittelpunkt des Glanzes und des Reichtums dieser kriegerischen Verbrüderung. Kein Fürst der Erde durfte sie vor seinen Richterstuhl laden, nur der Papst hatte dieses Vorrecht. Gehorsamte nun der Papst dem König, so war das Unglaubliche geschehen. Die Verbrüderung beherrschte dann der König.

Der heilige Boden, auf welchem einst der Heiland mit seinen Jüngern wandelte, war in den Händen der Ungläubigen. Es ihnen zu entreißen, entbrannte der Vorsatz in eines jeden Christen Brust. Das Abendland überflutete mit seinen Gläubigen die durch Christi Blut geheiligten Gauen; aber der Sarazene kämpfte verzweifelt für seinen Herd, und nichts blieb übrig von diesem blutigen Bad als der heiße Drang, nach Jerusalem zu pilgern, mit gläubigem Gemüt an der heiligen Stätte entweder schwere Schuld zu büßen oder des Himmels Krone sich zu erwerben. Furchtbar war der Druck, den der Christ unter des Sarazenen Faust empfand. Er rief seine Mitchristen um Beistand auf, sie hörten ihn. Kaiser Heinrich IV. beschloss zu Mainz 1103, den im Morgenland befindlichen Christen zu Hilfe zu kommen, sandte Eginhard den Bischof von Würzburg aus. Der predigte in Deutschland das Kreuz. Wie oft bietet nicht die Geschichte Beispiele dar, von treuen Kriegsgefährten, die Gut und Blut füreinander wagten, miteinander! Um wie häufiger mussten sie damals diese Verbrüderungen stattfinden lassen, weil diese Kriegsfahrt die Gefährlichste genannt werden konnte. Kehrten dann die Waffenbrüder von ihrer kriegerischen Fahrt zurück, so hörte das Bündnis wieder auf. Bald aber erfand man ein Mittel, immerwährend einen solchen Bund dauern zu lassen. Man stiftete nämlich Ritterorden. Sie gingen größtenteils aus schon bestehenden geistlichen Körperschaften hervor, wie etwa die Hospitaliter aus der Körperschaft des heiligen Lazarus hervorgegangen waren. Im Jahre 1118, als König Balduin II. in Jerusalem herrschte, erbarmte sich ein christlicher Herr, Hugo von Payns, der Not und des Drangsals der auf gefährlichen Wegen dahinpilgernder Mitchristen. Er und sein Waffenbruder, Gottfried von Saint-Omer, und noch sieben andere verbanden sich miteinander, traten vor den Patriarchen von Jerusalem hin, vor den würdigen Stephan von La Ferté, legten drei Gelübde in seine heiligen Hände: das Gelübde der Armut, das der Keuschheit und das des Gehorsams. Noch ein viertes Gelübde sprach den Zweck dieser edlen Männer aus, es war der Schutz der Pilgrime. König Balduin II. war so sehr über das Vorhaben der neun Männer erfreut, dass er ihnen eine Wohnung in der Nähe des Tempels Salomonis einräumte und ihnen den Namen Tempelherren gab. Zehn Jahre blieben diese neun Ritter allein für sich verbunden. Hugo von Payns aber, der wohl einsah, sie würden so nicht bestehen können, erschien 1129 auf dem Konzil zu Troyes, welche Papst Honorius II. auszuschreiben von ihm sich hatte bewegen lassen, als ihr erster Großmeister mit sechs von den Brüdern in solcher Armut, dass sie davon den Namen »Arme Ritterschaft Christi vom salomonischen Tempel« erhielten. Der Abt Bernhard von Clairvaux, dieser berühmte Mann, welcher später heiliggesprochen wurde, musste eine Regel für sie entwerfen, und sie erhielten als Ordenskleid einen weißen Mantel. St. Bernhard hatte die Regel mit einer so weisen Umsicht entworfen, dass sie auf alle Fürsten und Herren damaliger Zeit den besten Eindruck machte. Am lebhaftesten nahm sich Heinrich I., König von England ihrer an, überhäufte den ersten Großmeister mit Geschenken. Sein Beispiel fand willige Nachahmer, und der Tempelherrenorden gedieh im Laufe der Zeit an Ehren und Würden, an Zahl und Größe so herrlich, dass schon im Jahre 1150, nachdem ihnen zwei Jahre vorher Papst Eugenius III. das rote achteckige Kreuz auf den Mantel geheftet hatte, hundertdreißig Ritter in ihren Ordenskleidern zu Paris eine Schenkung an Ländereien von einem englischen Ritter empfangen konnten.

Die Großtaten der Tempelherren, an das Unglaubliche grenzend, reizte Männer aus den höchsten Ständen, nach Waffenruhm dürstend, der Ehre des roten Kreuzes teilhaft zu werden, um unter dem Panier Beaucéant gegen die Ungläubigen streiten zu dürfen. Sechsundzwanzig Großmeister, ausgezeichnete Männer größtenteils, hatten dem Orden vorgestanden, er hatte nicht selten bei den bedeutendsten Weltbegebenheiten den Ausschlag gegeben und stand jetzt unter dem siebenundzwanzigsten Großmeister, Jacob von Molay, in einer Erhabenheit, in einem Glanz, in einer Würde da, hatte namentlich in Frankreich einen so großen Einfluss erlangt, dass ein Wort des Großmeisters dem des Königs wohl gleich zu achten war. Noch sieben Jahre vor Molays Erhebung zur Großmeisterschaft besaß er Philipp des Schönen Vertrauen und Zuneigung in einem solchen Grad, dass dieser ihm die Patenstelle bei dem vierten Prinzen des Hauses, Robert, übertrug. Nicht allein Männer aus den berühmtesten Geschlechtern, zum Beispiel Montmorency, Hongest, Longueval, gehorsamten den Verfügungen des Ordens, sondern auch Söhne unumschränkter Regenten.

Noch war Jacob von Molay nur Großprior des Ordens, als sein Vorgänger Thibaud Gaudin, derzeitiger Großmeister, durch eine Unvorsichtigkeit, welche er beging, König Philipp dermaßen kränkte, dass ihm der Orden zuwider wurde. Der König, mit dem Papst Bonifacius VIII. im Zwist, bewies Mut und Standhaftigkeit genug, dass der Zwist in Erbitterung ausartete. Nur von dem Papst abhängig, unter seinem Schutz stehend, neigten sich die Tempelherren auf seine Seite, entfremdeten sich der Geistlichkeit in Frankreich, welche sich laut für den König erklärt hatte, und waren so unvorsichtig, den Papst mit Geldmitteln zu unterstützen. Der wachsame König wurde dessen inne, obwohl es geheim betrieben worden war, und harrte nur einer Gelegenheit, sich dafür zu rächen. Diese Absicht aber schloss Philipp bedächtig in seiner tiefsten Brust ein. Da starb Bonifacius VIII., Benedict, sein Nachfolger, versuchte das gute Vernehmen, welches so lange unterbrochen gewesen war, wieder herzustellen und bewilligte also dem König den Zehnten von seinen Kirchengütern in seinem Reich. Ohne sich um ihre Privilegien zu bekümmern, welche die Güter des Ordens von dieser Auflage befreiten, ließ Philipp all ihre Komtureien in die Zehntenverzeichnisse mit eintragen, und allen Vorstellungen zum Trotz, wurden die Pächter angehalten, den Zehnten zu bezahlen. Der Orden hasste nicht allein das eigenmächtige Verfahren des Königs, sondern auch den König selbst; musste aber schweigen. Der Hass wurde immer glühender, weil er ihn ersticken musste.

Nur Wilhelm von Auvergne kannte Philipps ganzes Empfinden. Bei dem Aufruhr über die Veränderung des Münzfußes hatte er die Gelegenheit wahrgenommen und ein Werk vorbereitet, dessen Vollbringen Philipp des Schönen Namen durch alle künftigen Geschlechter in seinen glänzenden Farben erhalten hat, wenn auch hier und da gerechtes Missfallen dem Andenken dieses Selbstherrschers nicht gerade zur Ehre gereicht. Wer aber nicht berufen worden war, das Schicksal vieler Tausende in seiner Hand abzuwägen, der mag wohl ahnen, wie ein König denken müsse. Aber selbst so denken, das ist ebenso unmöglich, wie der Stand des Niederen von des Königs Standpunkt verschieden ist.