Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Vierundzwanzig Stunden

Guillaume Musso
Vierundzwanzig Stunden
Originaltitel: L’instantprésent, Frankreich, 2015

Mystery, ungekürztes Hörbuch, Hörbuch Hamburg/Osterwold Audio, Hamburg, Juni 2016, Download, ca. 432Minuten, 17,95 Euro, aus dem Französischen von Eliane Hagedorn, Bettina Runge (Kollektiv Druck-Reif), gelesen von Richard Barenberg und Christiane Marx, Buchausgebe bei Piper Verlag/Pendo Verlag
www.hoerbuch-hamburg.de

 […]»Was genau wird hier gespielt, Dad?« Statt zu antworten zog er ein weißes Kreidestück au seiner Brusttasche und malte ein großes Kreuz auf die Wand. Dann deutete er mit dem Finger auf das Symbol. »An dieser Stelle befindet sich hinter den Ziegelsteinen eine Metalltür.«

»Eine Tür?«

»Ein Durchgang, den ich vor dreißig Jahren zugemauert habe.«

Ich runzelte die Stirn. »Ein Durchgang wohin?«

Mein Vater wich der Frage mit einem erneuten Hustenanfall aus. »Das ist die zweite Bedingung, Arthur. Du darfst niemals versuchen, diese Tür zu öffnen.«[…]

Aus heiterem Himmel taucht sein Vater in Arthur Costellos Wohnung auf, um ihn zu einem Angelausflug an den »Leuchtturm der 24 Winde« zu überreden, der seit Zeiten von Arthurs Großvater im Familienbesitz ist. Der Trip erfolgt nicht ohne Hintergedanken, denn der ältere Mann eröffnet seinem Sohn, dass er seine Angelegenheiten notariell geregelt hat, Arthur jedoch nichts von seinem Vermögen erhalten wird. Stattdessen erbt er den Leuchtturm unter der Bedingung, dass der die zugemauerte Tür im Keller niemals öffnen wird. Ein Versprechen, dass ihm auch sein eigener Vater, Arthurs Großvater Sullivan, vor dessen geheimnisvollem Verschwinden abgenommen hat. Bei Nachforschungen über die Geschichte des Leuchtturms erfährt Arthur, dass auch der Vorbesitzer spurlos verschwunden ist, doch später nach einer unbestätigten Meldung angeblich noch gesehen wurde. Verwirrt über diese Übereinstimmung verschafft sich Arthur Zutritt zu dem verbotenen Zimmer und findet sich unversehens und halb nackt während des Gottesdienstes in einer New Yorker Kirche wieder, ein gutes Jahr in der Zukunft und ohne Erinnerung an die letzten, übersprungenen Monate. Zudem erfährt Arthur, dass sein Großvater weder tot noch verschwunden ist, sondern sich in einer psychiatrischen Anstalt befindet. Die Vermutung liegt nahe, dass ihm dasselbe passiert ist wie nun Arthur. Nach einem erneuten unfreiwilligen Zeitsprung beschließt Arthur herauszufinden, was mit ihm passiert. Mit seiner und der Hilfe der angehenden Schauspielerin Elisabeth »Lisa«, unter deren Dusche er unvermittelt auftaucht, versucht Arthur hinter das Geheimnis des Raums zu kommen, der jeden, der ihn betritt, in die Zukunft schickt.

[…]Die ganze Fahrt über beschäftigten mich mehrere Fragen. Die erste und wichtigste Frage: Wie konnte ich diesem Fluch entkommen und wieder mein normales Leben führen? Es gab offenbar nur eine Lösung: Sullivan. Unter diesen Umständen erwies sich die zweite Frage als Gewissenskonflikt. Hatte ich das Recht, einem psychiatrischen Patienten bei der Flucht aus dem Krankenaus zu helfen? Jemanden, über dessen geistigen Zustand ich im Grunde nichts wusste. Jemanden, der gezeigt hatte, dass er gewalttätig werden konnte. Einem Menschen, der außer Kontrolle geriet und Unschuldige angriff, wenn nicht gar Schlimmeres? Die Antwort war klar: Nein. Die dritte Frage lautete: Habe ich eine andere Wahl? Und wieder war die Antwort mehr als klar.[…]

Fairerweise muss ich vorausschicken, dass ich mich vom Cover, wie auch vom Klappentext habe täuschen lassen. Die Farbgebung und die geheimnisvolle Aura des Umschlagmotivs lassen einen Mystery-Thriller vermuten. Auch der Klappentext geht am Kern der Sache vorbei, stellt dieser doch Lisa als Subjekt in den Mittelpunkt. Dagegen folgen wir zu Anfang – und durchaus Mystery-Thriller-like – Arthur und seinem Vater an den familieneigenen Leuchtturm, wo dieser seinem Sohn, der gar nicht sein leiblicher Sohn ist, eine enttäuschende Enthüllung macht. Er schließt damit, dass Arthur auf keinen Fall ein inzwischen zugemauertes Zimmer im Leuchtturm betreten soll. Im Leser schreit sogleich alles Blaubart, doch kaum hat Arthur das Zimmer betreten, findet er sich fast 13 Monate später in New York wieder. Doch damit nicht genug. Alle 24 Stunden (daher der deutsche Titel) springt Arthur um ein weiteres Jahr in die Zukunft. Doch nur ungefähr, denn wie sonst sollte er in den kommenden Jahren »zufällig« Silvester, den Valentinstag, den 09.11.2001 oder den Geburtstag seines Sohnes erwischen. Man merkt also recht schnell, dass Logik, selbst die innere Folgerichtigkeit einer Fantasy-Geschichte, etwas für engstirnige Kleingeister ist, zu denen Hr. Musso sich offensichtlich nicht zählt. Stattdessen trifft Arthur Costello die Frau seines Lebens, die tatsächlich mit dem »Mann, der verschwindet« eine Beziehung eingeht, Kinder zeugt und Jahr für Jahr auf ihn wartet, unsicher, wann und wo er denn wieder für einige Stunden auftaucht. Dass sich die attraktive Schauspielerin – bei 364 Tagen Abwesenheit im Jahr – irgendwann einem anderen Mann zuwendet, überrascht dann wohl nur Arthur Costello. Als Leser fragt man sich eher, warum das so lange dauert. Hieraus könnte sich immerhin romantisches Spannungspotenzial ergeben.

So büßt die Geschichte Zeitsprung für Zeitsprung ihre Spannung, ihre Cleverness und ihre innere Glaubwürdigkeit ein, bis hin zu einer selten dämlichen Auflösung. Doch da hat man die Figuren ohnehin schon unrettbar verloren. Wer hier bis zum Ende mitfiebert, muss schon hoffnungslos naiv sein. Wem Lauren Beukes Shining Girls gefallen hat, der könnte auch hier seinen Spaß haben.

Das Hörbuch

Schauspieler und Hörbuchprofi Richard Barenberg liest die Geschichte von Arthur Costello, unterstützt von Christiane Marx (Hörbücher: Glashaus,  Girl on the Train), die einen kurzen Teil aus Lisas Ich-Perspektive übernimmt. Die hohen Erzählanteile trägt der Schauspieler sehr sonor und angenehm eingängig vor, wörtliche Rede legt er eine Stimmlage höher und lebendiger an. Die Lesung ist damit einwandfrei gelungen, kann aber leider nicht über Monsieur Mussos Schwafelhaftigkeit hinwegtäuschen.

Die vorliegende ungekürzte Hörbuchversion ist exklusiv bei Amazon/Audible zu beziehen. Hörbuch Hamburg bietet eine gekürzte Lesung (355 Minuten) auf CD oder ebenfalls als Download an.

Fazit:
Selten dämliche und geschwätzige Mystery-Romanze, bei der selbst die innere Logik nichts gilt. Nicht vom Cover täuschen lassen!

(eh)