Sherlock – Eine Legende kehrt zurück – Staffel 1
Eine Studie in Pink
Der Militärarzt Dr. John H. Watson kehrt als Veteran aus dem Afghanistankrieg zurück und sucht in London eine günstige Wohnung, die er sich von seiner mageren Invaliden-Rente leisten kann. Unvermutet trifft er einen alten Freund wieder, der zufällig jemanden kennt, der einen Mitbewohner sucht. So macht John Watson die Bekanntschaft mit einem höchst sonderbaren jungen Mann namens Sherlock Holmes, der in der Pathologie Leichen mit einer Reitgerte schlägt, um die Entstehung von Hämatomen nach Eintritt des Todes zu untersuchen. Kurz darauf gibt Holmes dem verblüfften Watson eine Kostprobe seiner Fähigkeiten, in dem er dessen Herkunft an seinem äußeren Erscheinungsbild herleitet und seine familiären Verhältnisse am Zustand seines Handys erkennt. Gemeinsam beziehen sie eine geräumige Wohnung in der Baker Street 221b, bei Mrs. Hudson. Wenig später wird Sherlock Holmes, der weltweit einzige Consulting Detective, von Inspektor Lestrade von Scotland Yard, zu dem Fundort einer Leiche bestellt. Eine Frau in einem pinken Kostüm hat dort Selbstmord begangen. Da Watson ein fähiger Militärarzt ist, bietet Sherlock Holmes ihm an, ihn zum Tatort zu begleiten. Nachdem Holmes die Leiche und deren Fundort wenige Minuten inspiziert hat, weiß er bereits, dass dies kein normaler Selbstmord gewesen war, die Frau wurde dazu gezwungen. Die einzigen Hinweise sind ein pinkes Handy und das Wort »Rache«. Dabei ist die Frau kein Einzelfall, denn vor ihr haben sich bereits mehrere Menschen auf dieselbe Art und Weise getötet. Ein kniffliger Fall, selbst für Sherlock Holmes …
Der blinde Banker
Ein ehemaliger Kommilitone, der bei einer bedeutenden Londoner Bank arbeitet, bittet Sherlock Holmes um Hilfe. Jemand ist in das streng bewachte und gut gesicherte Gebäude der Bank eingebrochen und hat dort innerhalb einer Minute sonderbare Zeichen an den Wänden hinterlassen. Schnell findet der Detektiv heraus, dass diese Zeichen eine Botschaft für einen der Angestellten waren. Als Holmes und Watson seine Wohnung aufsuchen finden sie dort lediglich seine Leiche. Zunächst deutet alles auf Selbstmord hin, doch auch hier wird schnell klar, dass jemand Fremdes Hand angelegt hat. Kurz darauf wird ein Journalist tot aufgefunden, dem ebenfalls diese sonderbaren Zeichen geschickt wurden. Eine junge Chinesin bringt Sherlock Holmes und John Watson schließlich auf die richtige Spur, doch da ist sie bereits selbst in das Fadenkreuz einer mächtigen Verbrecherorganisation geraten …
Das große Spiel
Mycroft Holmes bittet seinen jüngeren Bruder in einem Fall von nationaler Bedeutung um Mithilfe. Er soll den Tod eines MI6-Agenten aufklären und einen USB-Stick mit Geheimplänen sicherstellen. Doch Sherlock lehnt ab und betraut stattdessen John Watson mit dieser Aufgabe. Währenddessen wird er von einem Unbekannten herausgefordert, der dem Meisterdetektiv kriminalistische Rätsel aufgibt, die dieser in einer bestimmten Zeit lösen muss, da sonst eine Geisel stirbt. Sherlock lässt sich auf das große Spiel ein – bis zu seinem bitteren Ende, an dem er seinem ärgsten Widersacher begegnet.
»Eine Legende kehrt zurück!«
Treffender hätte man die neue BBC-Serie wohl nicht betiteln können, denn mit SHERLOCK ist den Produzenten etwas Großartiges gelungen. Die Zahl der Verfilmungen des größten Detektivs der Weltgeschichte, der vor 125 Jahren (1887) das Licht der (literarischen) Welt erblickte, ist Legion, und nach der glänzenden und werkgetreuen Serie mit Jeremy Brett gab es keine ernst zu nehmenden Versuche mehr den Kanon filmisch zu verewigen. Etwas Neues musste her. Also warum nicht die Figuren von Sir Arthur Conan Doyle und ihre legendären Fälle in die Gegenwart transportieren? Das Ergebnis ist schlicht und ergreifend sagenhaft. SHERLOCK ist modern, rasant, spannend, intelligent und witzig. Marc Gatiss und Steven Moffat ist es gelungen aus den viktorianischen Gentlemen aufgeschlossene, fortschrittliche junge Engländer zu machen. Sherlock Holmes nutzt nicht mehr seine angestaubten Enzyklopädien, sondern das Internet und ein Smartphone. Er kommuniziert per SMS statt Telegramme zu verschicken und bedient sich eines umfangreichen Netzwerks von Obdachlosen, während er bei Doyle eine Bande von Straßenjungs beauftragte. Es ist kaum möglich näher am Original zu sein, wenn man so weit weg ist. Doch der Erfolg der Serie ist vor allem in seiner Massentauglichkeit begründet. So haben Zuschauer, die theoretisch noch keinen Film mit Sherlock Holmes gesehen und keine einzige Geschichte von Doyle gelesen haben, ebenso ihren Spaß an den raffiniert aufgebauten Krimis, wie eingefleischte Holmesianer, die dank der unzähligen Anspielungen und Tribute ihren Helden jederzeit wiedererkennen. Die Charakterisierung der Protagonisten ist einfach großartig. Egal ob Sherlock, John Watson, Mycroft Holmes, Mrs. Hudson, Inspektor Lestrade oder auch Moriarty (hier kein Professor), die Figuren sind unverkennbar und spielen sich mit einer leichtfertigen Selbstverständlichkeit in die Herzen der Zuschauer. Der Fan erkennt die liebenswerten Schrullen des Detektivs sofort wieder, obwohl er keine Pfeife raucht und sich mithilfe von Nikotinpflastern das Rauchen abzugewöhnen versucht, da die Nichtrauchergesetze so streng sind. Mit den Kulissen wurde sich ebenfalls sehr viel Mühe gegeben. Die Fassade der Baker Street 221b sieht fast genauso aus, wie die viktorianische Version aus der TV-Serie mit Jeremy Brett und auch die Einrichtung der Wohnung hat denselben Schnitt. Klar erkennbar ist der Kamin mit den Sesseln davor, dem persischen Pantoffel am Sims und dem obligatorischen Dolch, mit der Holmes seine Korrespondenz aufzuspießen pflegt. Die erste Staffel besteht aus drei Folgen zu je 90 Minuten und bereits der Titel der ersten Episode Eine Studie in Pink, erinnert an den ersten Holmes-Roman Eine Studie in Scharlachrot. Das Kennenlernen von Holmes und Watson ist dann auch fast wörtlich aus der Geschichte übernommen worden und erst im weiteren Verlauf weicht die moderne Version von seinem literarischen Vorbild ab. Die zweite Folge Der blinde Banker schließlich hat mit Doyles Werk nur noch in Fragmenten Gemeinsamkeiten. So erinnern der Einbruch und das Rätsel um den Mord in einem von innen verschlossenen Zimmer an die Ermittlungen in Das Zeichen der Vier. Während Watson in der Geschichte seine spätere Frau Mary Morstan kennenlernt, bändelt er in der Folge mit einer Ärztin an, die er bei einem Aushilfsjob kennenlernt. Das große Spiel schließlich führt zur ersten persönlichen Begegnung zwischen Sherlock und seinem Gegner Jim Moriarty, die zugleich den roten Faden der Serie darstellt. Als Hommage an Sir Arthur Conan Doyles Werke dient das Rätsel um die Bruce-Partington-Pläne, das der gleichnamigen Geschichte entnommen wurde. Was die Serie für Fans jedoch so besonders macht ist die geniale Verkörperung der einzelnen Figuren, die sich größtenteils eng an Doyles Vorgaben hält. Inspektor Lestrade, gespielt von Rupert Graves, ist dem beratenden Detektiv gegenüber allerdings sehr viel wohlwollender eingestellt, während seine Mitarbeiter in dem Sonderling bestenfalls einen Freak und im schlimmsten Fall einen Psychopathen sehen. Sherlock bringt seine Eigenheiten und Fähigkeiten mit der Titulierung »hochfunktionaler Soziopath« auf den Punkt. Tatsächlich steht und fällt die Produktion mit dem erstklassigen Schauspielern. Benedict Cumberbatch ist der ultimative Sherlock, der in Gestik und Mimik eine erstklassige Darbietung abliefert, die seinen Vorgängern Rathbone, Cushing und Brett in Nichts nachsteht. Dabei stiehlt er seinem Kompagnon jedoch nicht die Show, denn Martin Freeman ist einer der besten und überzeugendsten Watsons, die die Rolle jemals ausfüllen durften, zumal er nicht nur den verblüfften Stichwortgeber spielen darf, sondern selbst maßgeblich zu den Ermittlungen beiträgt. Das Zusammenspiel der beiden Charaktere ist einzigartig und die messerscharfen, schlagfertigen Dialoge zwischen den beiden Akteuren sorgen für jede Menge Lacher. Una Stubbs mimt die gute Seele Mrs. Hudson, die in der Serie jedoch eine größere Rolle spielt, als in den Geschichten von Doyle. Stubbs spielt die Vermieterin von Holmes und Watson mit sehr viel Einfühlungsvermögen und lässt keine Gelegenheit aus den beiden Männern zu Verstehen zu geben, dass sie ihre Vermieterin ist und nicht ihre Haushälterin. Wo Doyles Mrs. Hudson beinahe einen Nervenzusammenbruch erleidet, als Sherlock Holmes seine Schießübungen in der Wohnung abhält, verkündet Una Stubbs’ Version im staubtrockenen Tonfall, dass sie den Schaden auf die Miete draufschlägt. Obwohl Marc Gatiss Doyles Version von Sherlocks älterem Bruder nicht gerade ähnlich sieht, ist er doch der ultimative Mycroft Holmes, der oft als unsichtbare Macht im Hintergrund agiert. Da Mycroft im Original als übergewichtig beschrieben wird, spielt Sherlock gerne auf die Diät seines großen Bruders an, denn Gatiss ist eher von schlanker Statur. Ebenfalls von Doyles Geschichten abweichend ist die Darstellung und Auslegung von Moriarty, der in der Serie von dem irischen Schauspieler Andrew Scott herausragend dargestellt wird. Mit der Pathologin Molly Hooper, gespielt von Louise Brealey, ist ein neuer Charakter hinzugekommen, der so im Kanon nicht vertreten ist, die Serie jedoch um einige interessante Facetten bereichert. Als Zielscheibe für Sherlocks häufig verletzende Deduktionen ist sie sehr bemitleidenswert, erweist sich jedoch immer wieder als wertvolle Hilfe und treue Seele. Musikalisch trifft die Produktion den Nerv der Zeit perfekt und verzichtet auf bekannte Geigenspielchen. Der Score ist modern, einprägsam und besitzt einen hohen Wiedererkennungswert. Schließlich sorgt die Kameraführung für ein zügiges Tempo und die aus dem Nichts erscheinenden Nachrichten beim Lesen einer SMS sorgen bereits in den ersten Szenen von Eine Studie in Pink für einige gelungene, humorvolle Einstellungen.
Als Extras ist den DVDs ein umfangreiches Booklet mit jeder Menge Hintergrundinformationen beigelegt. Leider ist das Making-of auf der zweiten DVD nur in Englisch und mit englischen Untertiteln verfügbar. Ansonsten beschränkt sich die Ausstattung der DVDs auf ein Minimum, was angesichts der genial produzierten Filme jedoch leicht zu verschmerzen ist. Eines ist sicher: Die Legende ist zurück!
Fazit:
Intelligente Krimis mit Spannung, Witz und Action. Cumberbatch und Freeman sind ein perfekt aufeinander eingespieltes Team, das der Legende ein sympathisches Gesicht verleiht. Die Produktion ist für Holmesianer und moderne Krimi-Freunde gleichermaßen empfehlenswert. Herausragende Darsteller, raffinierte Fälle, schlagfertige Dialoge und ein klangvoller Soundtrack machen SHERLOCK zu einer der besten Verfilmungen von Sir Arthur Conan Doyles Werk.
Copyright © 2012 by Florian Hilleberg
Paul McGugian, Euros Lyn
Sherlock
Eine Legende kehrt zurück
Staffel 1
Sherlock – Season 1
Großbritannien 2010
Polyband/WVG, München
8. August 2011
DVD, Krimi, 4006448758950
2 Disks, 270 Min, 3 Folgen
Extras: Booklet, Making of,
Audiokommentar
Altersfreigabe/FSK: 12
Bildformat 16:9; PAL; Region 2
Sprachen/Tonformat:
Deutsch, Englisch
Dolby Digital 5.1
Untertitel: Englisch
Produzent: BBC
Darsteller:
Benedict Cumberbatch
Martin Freeman
Una Stubbs
Andrew Scott
Musik:
David Arnold, Michael Price
Sonstiges: Pappschuber