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Paraforce Band 37

Mike Bauser
Paraforce 37
Awakened Mind

I

Omsk, im November 1996

Die Männer, die an diesem Dienstagabend die Wohnung der Familie Kusnetzow aufsuchten, waren zu dritt.

Große, breitschultrige Männer mit harten Gesichtern und kalten Augen. Sie bewegten sich in einer Art, als könnte es sich keiner von ihnen leisten, auch nur eine Sekunde Zeit zu verlieren.

Vielleicht täuschte der Eindruck auch, vielleicht lag der Grund ihrer Eile eher an der Tageszeit und den vorherrschenden Temperaturen, es war schließlich schon 20 Uhr vorbei und auch das Thermometer zeigte bereits zweistellige Minusgrade an.

Jedenfalls hasteten sie mit weit ausgreifenden Schritten durch die Nordstadt, überquerten einen Zebrastreifen und bogen gerade in die Bulatova-Straße ein, als ein dunkler Kastenwagen mit abgeblendeten Scheinwerfern langsam an ihnen vorüberfuhr und direkt vor dem Haus mit der Nummer 45 parkte, wo sich im zweiten Stock des Gebäudes die Wohnung der Kusnetzows befand.

Der Fahrer, ein stämmiger Kerl mit pockennarbigem Gesicht und einem militärischen Kurzhaarschnitt, öffnete das Seitenfenster und machte ein knappes Handzeichen, worauf der vorderste der drei Männer, Alexej Bolschakow, zwar nickte, aber trotzdem, ohne seine Schritte zu verlangsamen, weiterging.

Dabei musterte er seine Umgebung mit kurzen, knappen Blicken, denen nicht das Geringste zu entgehen schien. Doch es war niemand zu sehen, ein Umstand, der ihn allerdings auch nicht sonderlich verwunderte.

Der Arbeitstag der meisten Anwohner war längst zu Ende, Geschäfte gab es in der Straße so gut wie keine und bei diesen eisigen Temperaturen war jeder froh, wenn er das Haus nicht mehr verlassen musste. Alexej ließ seinen Blick trotzdem noch einmal vorsichtshalber durch die menschenleere Straße gleiten, nickte schließlich zufrieden und ging dann zielstrebig auf das verwinkelte Mehrfamilienhaus mit der Nummer 45 zu.

Für einen Moment verzog der Anflug eines Lächelns seine Mundwinkel, nachdem er festgestellt hatte, dass die Haustür seinen Anweisungen nach tatsächlich unverschlossen war. Er drückte die Türklinke herunter und trat, schnell und lautlos wie ein huschender Schatten, über die Schwelle.

Seine beiden Begleiter folgten ihm wortlos bis in den zweiten Stock. Oben angekommen war es wieder Alexej, der als Erster die Initiative ergriff. Entschlossen presste er den Daumen seiner Linken auf die Türklingel, über der man ein kleines Schild angebracht hatte, worauf in großen, schwarzen Lettern der Name Kusnetzow prangte.

Drinnen war das laute Schrillen der Klingel deutlich zu hören. Kurz darauf näherte sich jemand mit schlurfenden Schritten der Tür.

Alexej nickte den anderen Männern zu und gab ihnen mit der Rechten stumme Handzeichen.

Spätestens jetzt war für jeden offensichtlich, dass er der Anführer des Trios war.

Als Boris Kusnetzow öffnete, trat er wortlos ein und schob ihn wie einen lästigen Vorhang, der ihm den Blick auf die Straße verwehrte, einfach zur Seite.

Der Hausherr war so perplex, dass es einen Moment dauerte, bis er seine Sprache wiederfand, um gegen den ungebetenen Besuch zu protestieren.

Aber Boris kam nicht mehr dazu, etwas zu sagen.

Einer von Alexejs Begleitern ballte seine rechte Hand zur Faust und hämmerte sie ihm mit solcher Wucht in Höhe des Solarplexus in den Oberbauch, dass er würgend zusammenklappte.

Der Schlag war derart hinterhältig und schmerzhaft, dass Boris nach hinten an die Wand taumelte, sekundenlang wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappte und gegen die aufsteigende Bewusstlosigkeit ankämpfte.

Unterdessen betraten Alexej und der andere Mann das Wohnzimmer, wo Olga, Kusnetzows Frau, und ihre gemeinsame Tochter Jarina auf der Couch saßen. Vor ihnen, auf einem kleinen Beistelltisch, stand eine dampfende Kanne Tee und mehrere Tassen.

Instinktiv legte die Frau ihren Arm schützend um das junge Mädchen.

»Was … was wollen Sie?«, fragte sie kaum hörbar.

»Mitkommen!«, sagte der Mann neben Alexej in einer Tonlage, die keine Einwände zuließ.

Es war offensichtlich, dass er die Frau mit dem harten Klang seiner Stimme einzuschüchtern versuchte. Ein Vorhaben, das jedoch kläglich scheiterte.

Er hatte nämlich kaum ausgesprochen, als Olga Kusnetzow auch schon unvermittelt von der Couch hochfuhr, um den Tisch herumkam und sich so nahe vor ihm aufbaute, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten.

»Verschwinden Sie«, zischte die Frau giftig, anstatt seiner Aufforderung Folge zu leisten. »Verschwinden Sie, oder ich rufe die Polizei!«

Die Antwort von Wladimir Kalinin, der bei den Einsätzen im Außendienst stets als rechte Hand von Alexej agierte, erfolgte ebenso schnell wie brutal.

Sein Schlag kam aus dem Handgelenk, ansatzlos und für Olga völlig überraschend.

Die Wucht der Ohrfeige riss ihr fast den Kopf von den Schultern.

Blut lief ihr aus der Nase, während sie rückwärts taumelte.

»Willst du mir etwa drohen, du Schlampe?«, zischte Wladimir. Dabei packte er sie brutal am Arm und schüttelte sie wie einen alten Putzlappen.

»Lassen Sie meine Mutter in Ruhe!«

Obwohl die Stimme des Mädchens nicht einmal Zimmerlautstärke erreichte, waren ihre Worte deutlich zu verstehen.

Wladimir stutzte, fluchte lauthals und stieß die Frau mit einem wütenden Knurren zu Boden, während er sich blitzschnell auf dem Absatz herumdrehte. Angriffslustig reckte er das Kinn nach vorne. Als er erkannte, wer ihn da angesprochen hatte, verharrte er mitten in der Bewegung.

Sein Gesicht verzog sich zu einem abfälligen Grinsen.

»Was soll das, Mädchen, soll ich dir etwa auch eine verpassen?«

»Lassen Sie meine Mutter in Ruhe«, wiederholte Jarina.

Dieses Mal hatte die Tonlage ihrer Stimme nicht mehr das geringste mit der eines zehnjährigen Mädchens gemeinsam.

»Nein«, flüsterte Olga entsetzt, während sich ihre Augen jäh weiteten. »Nein, Jarina, um Gottes willen, bitte tu es nicht!«

Vielleicht wäre Jarina der Bitte gefolgt, aber der Mann, der ihre Mutter so brutal zu Boden geworfen hatte, ignorierte nicht nur das seltsame Funkeln, das plötzlich in ihren Augen zu sehen war, sondern erhob auch noch seine Rechte zum Schlag, während er auf sie zu kam.

»Pass bloß auf, du verzogene Göre, wenn du …«

Was Wladimir Kalinin sonst noch sagen wollte, blieb für immer sein Geheimnis.

Das liebliche Gesicht des Mädchens war inzwischen starr wie eine Maske aus Ton und ihre Augen glichen glühenden Feuerbällen, die rote Blitze schleuderten. Bevor noch irgendeiner der Anwesenden reagieren konnte, wurde Wladimir wie von einer unsichtbaren Riesenfaust gepackt, in die Höhe gerissen und mit solcher Wucht mit dem Gesicht voraus gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert, dass man das knirschende Geräusch, mit dem sein Nasenbein brach, deutlich hören konnte.

Das Ganze geschah in einer Zeitspanne, die nicht länger als einen Wimpernschlag andauerte.

Kalinins schriller Schrei, in dem sich Überraschung und Schmerz gleichermaßen mischten, hing noch in der Luft, während er bereits an der Wand hinunterrutschte und schließlich in einer klebrigen Pfütze aus frischem Blut auf dem Boden zum Liegen kam.

An der Stelle, wo er mit der Nase voraus mit dem Gesicht gegen die Wand geprallt war, konnte man jetzt deutlich einen großen, dunklen Fleck auf der hellen Blümchentapete erkennen.

Ungläubig starrten die anderen mit weit aufgerissenen Augen auf Wladimir. Nicht so Alexej, der Mann reagierte mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks.

Ein Seitenfallschritt, eine kaum wahrnehmbare Bewegung, und seine Dienstwaffe, eine schwarze Jarygin PJa, lag wie hingezaubert in seiner Hand. Mit einem Gesicht, das so kalt und emotionslos wie ein Kieselstein auf dem Grunde eines Bergsees war, entsicherte er die Pistole und zielte mit der kreisrunden Mündung auf den Kopf von Olga Kusnetzow.

»Sagen Sie Ihrer Tochter, dass sie damit aufhören soll, oder ich verteile erst das Gehirn ihrer Mutter an der Wand und dann das von ihrem Vater!« In seinem Gesicht zuckte kein Muskel, als er knackend den Abzugshahn spannte. »Und glauben sie mir, ich meine es verdammt ernst.«


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