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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 27

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Dritter Teil
König Philipp
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Zweites Kapitel

Es ist eine wunderbare Erscheinung, wie die Laune eines Königs wirkt; vorzugsweise aber bei all denen, welche mehr oder weniger von ihm abhängig sind. Sein Stirnfalten jagt die Höflinge wie furchtsame Schafe zusammen, wenn der Wolf sie umkreist. Die frohe Laune des Königs wirbelt nicht allein winzige, abgeschmackte Höflingsseelen zur Freude hinauf, sondern auch Männer von Wert blicken froher und freier um sich her. Wenn die Sonne am Firmament erlischt, wenn die drückende Mittagsschwüle den dunstigen Schleier vor sie breitet, dann verharrt die Natur in einem traurigen Schweigen, in banger Erwartung dem Ausbruch eines drohenden Wetters entgegen sehend. So war es jetzt im Louvre, so war es in Paris. Der König – das sah jeder ein, der auch nicht eingeweiht war – der König trug sich mit etwas Ungeheurem. Nicht der geringste Teil des Hofes hatte die entfernteste Ahnung von dem, was es war. Es gab jetzt keine geräuschvolle Feste. Diese Erscheinung schrieb man aber den Neigungen des Königs zu, bei denen niemand zu beklagen war, als die Navarrerin, des Königs Frau. Pontrouge hatte eine Entdeckung gemacht, die ihr wert erschien, in eine große Weltbegebenheit verflochten zu werden. Um allen Nutzen herauszuziehen, gab sich die Oberhofmeisterin zu einem Geschäft her, über welches sie Geburt und Rang erhoben hatte. Margot nämlich war jetzt nicht mehr die unbedeutende Tochter eines Waffenschmiedes, Margot war viel vermögend an König Philipps Hof, denn sie war das Ziel der Wünsche des Königs. Doch an der weiblichen Tugend des bürgerlich fromm erzogenen Mädchens war bis jetzt alle Überredungskraft gescheitert. Margot behauptete die weibliche Würde auf solche Weise, dass sie selbst dem König Ehrfurcht einflößte. Eine unwandelbare Stütze hatte Margot an einem Bild, welches in ihrer Brust lebte. Damals auf Roucy hatte sie den schönen Wildgrafen gesehen, und wieder hatte sie ihn gesehen, als er mit Balthasar in sein Vaterland zurückzog. War es Liebe, was sie für ihn empfand? Das hatte Margot sich selbst noch nicht gestanden, aber es war das Gefühl, welches in seinen Wallungen riesengroß sich emporhebt, stets größer wird und stärker bis zum erschöpfenden Genuss. Edler regte es sich in Margots Herzen. Schönheit, der Inbegriff aller Bedingungen, der Einklang der herrlichsten Töne, die unbegreifliche Staffel, die höchste zur Göttlichkeit, der dichterische Schwung in des Schöpfers Meisterwerke. Schönheit war es, welche Margot so mächtig ergriffen hatte, dass sie den Verlockungen eines glänzenden Lasters widerstehen konnte. Graf Hugo, der schöne Rittersmann, ihm gehörte alles Denken, alles Sehnen der Jungfrau. Seinem Bild klopften die Pulse ihres Herzens, und da man an König Philipps Hof für die Ausbildung ihres Geistes Sorge getragen hatte, so wurde es ihr möglich, das lebendige Bild mit geistigem Gewand noch zu verschönern. Wie hätte Margot an den Besitz dieses Mannes denken können? Schon die Geburt allein warf unübersteigbare Hindernisse zwischen beide; und trug er nicht das Kreuz der Tempelherren? War er nicht Großkomtur von Deutschland, auf den die Brüder dort alle blickten? Margot fühlte sich nicht glücklich, denn vieles umgab sie, was ihre beseligende Neigung zu zertrümmern drohte. Eines Klosters still verschwiegene Zelle wäre ihr lieber gewesen, als die prachtvollen Gemächer, welche sie im Louvre bewohnte.

Diese Entdeckung hatte Pontrouge gemacht. Einem Tempelherren gehörte des Mädchens Herz, einem Tempelherren das Herz der schönen Margot, welches König Philipp zu besitzen trachtete. Und Heloise? Konnte zwischen ihr und Margot ein Freundschaftsbund bestehen? Es war ein Meisterstück der Oberhofmeisterin, dass der beiden Herzen noch füreinander schlugen. Kein Mittel erschien ihr unheilig, wenn es diesem Verhältnis Bestand geben konnte. Heloise von Malhac, angeweht von dem giftigen Hauch derjenigen Laster, welche nur an eines Königs Hof nicht mit diesem Namen belegt werden. Heloise war nicht mehr das jugendfreudige Mädchen. Die feine Röte der Wan­gen verkündete dem erfahrenen Forscher, dass dieser Körper unter den fieberischen Zuckungen des Geistes bald erliegen müsse. Das schöne Auge hatte sich unverhältnismäßig vergrößert. Die feine Nase war länger und spitzer geworden, und in jedem Lächeln des Fräuleins erschien ein Anflug von Bitterkeit um den schönen Mund, dessen sonst schwellende Lippen freilich schmal geworden waren. Doch der Schnitt war derselbe geblieben. Aufmerksamer denn jemals, sorgfältiger als irgendeine Dame bei Hofe, kleidete sich jetzt Heloise von Malhac. Reich bis zur ungeheuersten Verschwendung waren Gewänder und Schmuck. So trat sie, geführt von Pontrouge, bei Margot ein, strahlend, wie eine Göttin, mit leidensvoller Miene, welche eine erkünstelte Freundlichkeit, ein flatterhaftes Hin – und Herschweifen nicht verbergen konnte. Die Küsse, mit welchen sie Margot begrüßte, waren kalt, standen mit den Worten im offenbarsten Widerspruch. Margot war herzlich, teilnehmend, obwohl Heloise sie zurückscheuchte. Margot wusste doch nicht, warum sie so herzlich gegen das Fräulein war. Pontrouge, die erfahrene, fein zergliedernde Hofdame, Pontrouge wusste sich Margots Benehmen gegen Heloise recht gut zu erklären. Mitleid hatte es erzeugt, Mitleid, welches Margot über das Opfer, für die gefallene Heloise empfand. Wie hartherzig, wenn sie das Mädchen, das, wie es hieß, des Königs Wünsche begünstigte, kalt von sich gewiesen hatte! Nein, nein, so hartherzig war Margot nicht.

»Wie lange, wie lange habe ich dich nicht gesehen!«, waren Heloises erste Worte. Tiefes Gefühl war in ihnen nicht zu verkennen. »Wie war es dir möglich, du Stolze, die Freundin so lange der Einsamkeit dahinzugeben?«

»Der Einsamkeit, Heloise …? Du scherzt wohl! Mit jedem neuen Tag höre ich eine neue Mär, wie rauschend die Freude dich umtönt. Diese Freuden sind nun zwar nicht für mich, Heloise; meine Neigung ist anders. Genügsam ziehe ich mich gern in die Stille zurück, lese dann Minnelieder, die geistigen Blüten der ritterlichen Jünglinge.«

Die Herzenstrauer zu verbergen zog Heloise das Täschchen, künstlich aus Schmelz geformt und an goldener Kette bis auf den Saum des Kleides herabhängend, zu sich herauf, nestelte daran und zog ein rosenfarbenes seidenes Band daraus hervor.

»Auch mir«, sagte sie, »auch mir schickt man Lieder. Sie sind aber mit goldenen Fäden in Seide genäht – das mag ich nicht leiden. Warum den Prunk, wo nur das Herz sprechen sollte? Freilich, man trägt sie mit sich herum und das ist alles. Wollen wir das ruhen lassen, Liebe? Sprechen wir von anderen Dingen.«

»Der Meinung bin auch ich«, fiel ihr Pontrouge bei, »für euch beide habe ich überdies etwas auf dem Herzen. Es wird euch sicherlich nicht gleichgültig sein, zumal für dich, Heloise, ist es von äußerster Wichtigkeit, denn dein Bruder ist Tempelherr.«

»Nun so, er ist in Strafe verfallen. Das weiß ich ja schon lange.«

»In Strafe verfallen! Hahaha! Kurzsichtige, in Strafe verfallen, welche der Orden über ihn verhängte. Ein anderes, ein furchtbareres Verhängnis droht ihm und jedem, der dem Orden vom Tempel angehört.«

»Was ist es? Um Gott – Frau Oberhofmeisterin! Der kalte Ernst auf Eurer Stirn lässt mich etwas Schlimmes vermuten.«

»Ja, es ist schlimm, sehr schlimm!«, gab Pontrouge zurück, indem sie aufgeregt mit langen, heftigen Schritten das Zimmer maß. »O! Meine Ahnung hat mich nicht betrogen! Noch heute, zu dieser Stunde noch lege ich mein Amt nieder. Ehre ist da nicht mehr zu holen, wo man den ehrenhaftesten Orden mit Füßen treten will!«

Die Wallung der Oberhofmeisterin konnte sie jedoch nicht verhindern, Margot mit scharfem Blick zu prüfen. Wie freute sich Pontrouge, da sie das Mädchen totenblass einer Bildsäule gleich sitzen sah.

»Ja, ja!«, fuhr sie weiter fort, »ich habe es von sicherer Hand und wenn der Papst selber es mir gesagt hätte. Dem Munde, welcher es mir vertraute, würde ich eher Glauben schenken. Entsetzlich! Den ganzen Orden will man der Ketzerei beschuldigen, Verbrechen dichtet man ihm an, davon ein jedes allein für sich auf den Scheiterhaufen führt! Hört, Mädchen! Ihr seid zu vie­lem berufen, ihr könnt vieles erwirken in dieser Zeit.«

»Wir …?«, fragten beide zugleich, doch mit sehr verschiedenem Gefühl.

»Wir könnten etwas bei dieser Sache tun …?«, war Heloises zweite Frage.

»Ihr und kein anderer in Gottes weiter Welt! Hört, Mädchen, was ich euch vertraue – es ist ein furchtbares Geheimnis und ihr müsst es dennoch bewahren. Wenn ich euch den Namen nenne, den Namen desjenigen, der den Orden verklagt, dann werdet ihr mich verstehen.«

»O, zögert nicht so lange! Nennt uns den Namen!«

»Still – still – nicht so laut. Ich darf der Luft nicht trauen, welche uns umgibt, vielweniger diesen Wänden. Kommt! Tretet ganz nahe zu mir heran, dass mein Wort nicht weiter falle als in euer Ohr. Der den Orden verklagt, Mädchen, das ist König Philipp! Nein, nicht der König Philipp, sondern seine Helfershelfer, die es leider so weit gebracht haben, dass er ihnen zum Werkzeug dienen muss. Du, Margot, bist dann erst zu beklagen. Dein Vater hat das alles herbeigeführt. Willst du deinen Vater von seinem Verbrechen reinigen, so wende Philipps Herz. Bei dir steht die Macht! Hast du mich verstanden?«

»Mein Vater!«, staunte das Mädchen, »und bei mir die Macht, des Königs Herz zu wenden?! Ihr verstehe Euch, wahrlich, nicht! Das sind mir Rätsel, die ich nicht zu lösen vermag. Mein Vater, der Waffenschmied von Beziers, sollte gegen den Tempelherrenorden etwas vermögen –  nein! Das macht Ihr mich nimmermehr glauben!«

Eben wollte Pontrouge die betretene Bahn weiter verfolgen, da stürzte in hastiger Eile ein Diener herein und meldete die Königin.

»Die Königin!«, riefen die drei Frauen zugleich.

Pontrouge fügte kalten Ernstes hinzu: »Zu dieser Stunde und ohne mich – das ist gegen die Sitte.«

Sie empfing die Königin an der Tür, und wenn auch Pontrouge irgendeinen leisen Vorwurf in Bereitschaft hatte, so konnte sie ihn doch nicht äußern, denn die Königin kam ihr zuvor. Johanna von Evreux trug einen ganz anderen Ausdruck in ihren Zügen, als man jemals darin gefunden hatte. Alles um sie her schien für sie nicht da zu sein. Nur Heloise von Malhac fesselte die großen vorwurfsvollen Augen der Königin. Den Blick konnte Heloise nicht ertragen.

Das kurze Schweigen, welches unter den vier Frauen herrschte, peinlich lange für Heloise, beendete die Königin mit den frostigen Worten: »Es ist wohl Zeit, dass ich einmal als Hausfrau mich in meines Mannes Haus umsehe, und bei der Jungfrau, es nimmt mich höchlichst Wunder, dich hier zu sehen, Heloise, da man dich seit langer Zeit von mir getrennt hatte. Man sagte mir, du wärst krank. War es nicht so, Frau Oberhofmeisterin? Ihr schweigt. Sagtet Ihr mir nicht selbst, Heloise sei krank? Warum hütet sie nicht das Zimmer? Warum belästigt sie den siechen Körper mit so schwerer Tracht, mit Gold- und Silberstoff? Und für wen putzt sie sich denn eigentlich, wenn nicht für ihre Königin?«

»Auch ich, gnädigste Frau«, brachte Pontrouge mit Mühe hervor, »auch ich, hohe Königin, habe dem Fräulein darob Vorwürfe gemacht. Ihr seht selbst, die scharf begrenzte Röte auf des Fräuleins Wangen zeugt von einem krankhaften Zustand. Die schönste Blume in Eurem Frauenkranz, fürchte ich …«

»Ihr seht auch gar zu weit, Frau Oberhofmeisterin. Das Fräulein wird wieder gesund. Beklagt Eure Königin, dass eine große Hoffnung ihr zertrümmert worden ist.«

»Eine große Hoffnung, Majestät? Darf ich bitten …?«

»Ja, ich hoffte! Wenn ich auf Heloise von Malhac blickte, dann suchte ich schon unter den Rittern, welche meinen Herrn und Gemahl umgeben, nach einem, nach dem besten von ihnen, der meine Heloise heimführen könnte. Jenseits der Pyrenäen hatte ich ein anmutiges Tal, ein Paradies auserkoren, welches Heloise dem Mann ihres Herzens zur Morgengabe bringen sollte. In meinem Navarra wäre sie glücklich gewesen. Ich beglücke ja so gern! Ach, so gern, dass ich meinen Lieben auch von meinem Glück opfere. Arme Heloise«, trat sie dem Fräulein näher. »Du bist zu beklagen und ich! Der König ist der mächtigste Herr in der Christenheit, doch an deinem Siechtum scheitert die Kraft seines Zepters. Es ist doch, wahrlich, schlimm, dass ein königliches Vermögen nicht so weit reicht, meine Heloise zu gesunden!«

»Hohe Frau«, stammelte das Fräulein, »Eurer Gnaden Milde drückt mich zu Boden.«

»Warum, Heloise? Die Frauen meines Hofes sind das von mir gewohnt. Sie preisen ihr Glück, dass sie eine gute Königin haben. Noch gestern sagte mir eine von ihnen, ich sei die Sonne, an deren Strahlen sich ihre Herzen erwärmten und welche sie zur Freude des Lebens beriefen. Nun ja, du bist krank. Da stellt sich denn alles in einem anderen Licht dar. Ich weiß das, denn ich sah auch seit einiger Zeit alles in einem anderen Licht mir erscheinen, und meinte drum, dass ich krank wäre. Doch Gott gedankt! Ich bin es nicht. Meines Herzens Pulse wallen leichter denn jemals. Das siehst du wohl an meinem Entschluss, Heloise«, fügte sie scharf betonend hinzu, »an meinem Entschluss, hierher zu kommen! Nicht wahr, Frau Oberhofmeisterin, Ihr hättet mir das wohl nicht erlaubt?«

»Majestät, ich bitte Euch – nur dass die Sitte streng gehalten werde – außerdem werdet Ihr in mir stets die gehorsame Dienerin erkannt haben.«

»Wahrlich, Pontrouge, Ihr unterscheidet sehr scharfsinnig! Was Ihr unter Sitte versteht, das begreife ich nicht, mag auch keine Erklärung von Euch darüber haben. Doch hätte es Euch wohl angestanden, mir, Eurer Königin, die Unbill anzuzeigen, welche die Sitte durch das Fräulein von Malhac erfahren hat.« »Königin!«, stieß Pontrouge erbleichend hervor.

»Erschreckt nicht. So streng, wie Ihr glaubt, verfahre ich nicht gegen die Frauen meines Hofes. Doch teilt dem Fräulein dort mit, dass ich mit Missvergnügen bemerke: Heloise von Malhac, die kranke Heloise von Malhac, statte im überladenen Putz Besuche ab, während ihre Königin des Fräuleins entbehren muss. Ich denke, Frau Oberhofmeisterin, Ihr werdet mich verstanden haben.«

Heloise wankte näher, ihre Hand zitterte nach der der Königin. Die Navarrerin aber verweigerte sie ihr, und ein strenger Blick, der noch keinem Menschen aus Johannas Augen zuteilgeworden war, begleitete das Fräulein aus der Tür.«

Eine lange, drückende Stille trat ein. Pontrouge war vielleicht niemals in solcher Verlegenheit gewesen. Sie wusste, dass an einem königlichen Hof nichts verschwiegen bliebe, wie geheim es auch gehalten würde, und die Königin besser unterrichtet, als für Pontrouges Pläne und Absichten zuträglich war. Um der Königin Gedankenfolge zu stören, rückte ihr Pontrouge mit eigener Hand den Sessel und bat sie, Platz zu nehmen.

Johanna aber weigerte sich. »Ich danke Euch, Frau Oberhofmeisterin, aber die Mattigkeit, welche mich überfallen hat, sie war vorübergehend. Ich fühle mich wieder stark. Eure Königin steht vor Euch. Sagt an, Frau Oberhofmeisterin, was führte das Fräulein hierher?«

»Der Drang des Herzens, königliche Frau, sie ist Margots wahre Freundin.«

»Abgeschmackt! abgeschmackt! Nicht denkbar!«, rief die Königin mit einer Aufregung, welche Pontrouge noch mehr erschreckte. »Wie könnte Heloise von Malhac die Freundin meiner Margot sein! Nichts mehr davon! Nichts! Hier, Frau Oberhofmeisterin, nehmt diesen Ring, überbringt ihn selbst meiner Edeldame, dem Fräulein von Valliere. Sagt ihr dabei, es gereiche mir zur großen Freude, wenn die Frauen meines Hofes mir die Versicherung geben, dass meine Gnade sie froh mache und sie nicht darnieder drücke, wie vor wenigen Minuten die Malhac geäußert hat. Geht, geht, Frau Oberhofmeisterin, ich werde solange bei Margot bleiben.«

Der Vorwand der Königin kam auch Pontrouge sehr gelegen. Diese Nähe war ihr jetzt zu drückend, als dass sie nicht die Gelegenheit ergriffen hätte, ihr zu entkommen.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, so rief die Königin Margot zu sich, reichte ihr die Hand zum Kuss und sprach bedeutungsvoll: »Margot, bewahre dir die Krone aller Frauenschöne. Bleib, wie du bist und meine Gnade soll dir nimmer fehlen!«

Die Jungfrau hatte sich auf der Königin Hand geneigt und hob nun das klare Auge zu der gnädigen Gebieterin empor.

»Ja, bei allen Heiligen«, sprach die Königin halblaut zu sich selbst, »in diesem Auge liegt ein Himmel voll Unschuld, und wenn alles um mich her Trug wäre, dieses Auge würde nicht trügen.«

Margots ganzes Empfinden aber war einem Gegenstand zugewandt. Die Gelegenheit schien ihr günstig, und zu der Königin größter Verwunderung, kniete plötzlich die Jungfrau vor ihr; regellos zwar, in nicht gewählten Worten, der Königin dasjenige mitteilend, was sie von Pontrouge über den Tempelherrenorden gehört hatte.

»Mädchen! Was sagst du? In deiner Brust regt es sich für einen Tempelherren! Für einen Fürsten, dessen gedoppelter Stolz dich verwerfen muss!«

»Nein, nein, hohe Frau! Ich will ja nicht, dass er mich liebt, ich will nur, ein schützender Genius, über ihn wachen. Der König will die Tempelherren verklagen, oder hat sie verklagt, was weiß ich! Verklagen ob Verbrechen, davon ein jedes den Feuertod erfordert. O, Königin, haltet ihn zurück! Mich wollte man haben, dass ich sein Herz wenden sollte, mich und mein Vater! Mein Vater, der Waffenschmied von Beziers soll Ursache sein an der Klage des Königs! Es ist nicht möglich. Es ist ein Gewebe, ein Getriebe von List und Bosheit! Ihr habt ihn nicht gesehen, Königin, den deutschen Rittersmann, den Tempelherrn, im höchsten Glanz der Männerschöne. Und auch er sollte verbrecherisch sein? Nein, Königin! Sorgt, dass Euer königlicher Herr und Gemahl sich an ihm nicht versündige!«

Johanna hörte nichts von diesen letzten Worten. In tiefem Nachsinnen trat sie einige Schritte von Margot weg und sprach vor sich hin: »Wäre es möglich! König Philipp wollte den Stolz der Christenheit, den Ruhm des Kreuzes, mit Verbrechen stempeln? Er wollte so viele edle Herren, unter denen sich auch Fürstensöhne befinden, so arg bezichtigen? Ich muss Licht haben«, sagte sie entschlossen. »Auf mich fällt der Abglanz seines Ruhmes, auf mich fällt der Schatten von seiner Schande. Den treuen Rat meines Mundes hat er stets gewürdigt. Wer von allen könnte ihm treuer raten als ich, sein Weib! Hin zu ihm!«