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Gold Band 2 – Kapitel 05.1

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 5
Die beiden Spieler
Teil 1

In der nämlichen Zeit etwa, in der Herr Hufner mit zitternder Hand den verhängnisvollen Brief nach San Francisco schrieb, und schon im Geist seiner Leonore Tränen und den wilden Grimm der überdies leicht gereizten Schwiegermutter sah, lenkte ein Reiter sein müdes abgerittenes Pferd einen der schmalen Bergpfade hinab, der in das Paradies führte, und hielt erst, als er das kleine freundliche Tal von einer offenen Stelle aus überblicken konnte.

Aber nicht die reizende Szenerie, nicht der Schmelz des sanften, schon durch die Abendnebel gemilderten Sonnenlichts, nicht die malerischen Gebirgsrücken, noch das prachtvolle Spiel von Licht und Schatten, den einzelne Baumgruppen und Hügelkuppen über das Tal warfen, verleiteten ihn dazu. Er sah das nicht einmal, und einzig und allein hatte seine Hand in den Zügel gegriffen, die Zelte zu zählen, die zu seinen Füßen ausgebreitet lagen.

Es war eine wilde abenteuerliche Gestalt, der finstere Reiter auf dem matten schweißbedeckten Tier. Ein alter brauner Filzhut bedeckte das ziemlich wirre schuppige Haar, und aus dem riesigen dunklen Bart, der fast sein ganzes Gesicht verbarg, glühten ein paar kleine dunkle Augen düster vor. Sonst ließ sich von dem ganzen Mann wenig mehr erkennen als die Stiefel, deren Hacken mit ein paar klingenden mexikanischen Sporen bewehrt waren, denn ein langer kalifornischer buntfarbiger Poncho hüllte ihn vom Hals bis zu den Knöcheln ein. Er glich auch in dieser Tracht, von Weitem wenigstens, einem der eingeborenen und von den Spaniern abstammenden Landeskinder, aber die Worte, die er murmelte, gehörten einem anderen Vaterland an, und trotz des Bartes hätte er den Amerikaner nie verleugnen können.

»Hm«, brummte er jetzt vor sich hin, als er den kleinen freundlichen vor ihm ausgebreiteten Platz überschaute. »Ein ganz ansehnliches Nest, und der Grund auch ziemlich aufgewühlt. Liegt auch hübsch versteckt in den Bergen mitten drin, dass man es doch vielleicht eine Woche darin aushält. Zeit ist es aber auch, dass ich endlich einmal einen vernünftigen Platz erreiche. Dort wird doch wenigstens ein ordentlicher Schluck Brandy zu haben sein – fort! Die Kehle ist mir schon fast zugeschnürt und ausgetrocknet.«

Er hob dabei den Zügel seines hungrigen Tieres, das die kurze Zeit der Rast benutzt hatte, ein paar von der Augustsonne übrig gelassene Grasbüschel abzunagen. So beschäftigt gehorchte es auch dem Befehl nicht augenblicklich, und der Reiter stieß ihm mit einem wilden Fluch die scharfen Sporen in die Flanken, dass es hoch aufzuckte und dann in toller Flucht den Hang hinuntersetzte.

Der Mann zügelte es nicht ein. Ein trotzig verächtliches Lächeln spielte um seine Züge, und mitten durch den Wald hinab verfolgte er die oft steile, halsbrecherische Bahn, den Lauf des schnaubenden, schweißtriefenden Tieres nur fest und sicher mit Zügel und Sporen lenkend.

Endlich erreichten sie die von Löchern aufgewühlte und von Haufen ausgeworfener Erde überall bedeckte Ebene, und das Pferd musste hier Schritt gehen, seine Bahn durch diese Hindernisse zu suchen. Solcher Art konnte denn auch der Reiter nur langsam vorwärtsrücken, bis er wenigstens die quer durch die Flat führende Straße erreichte und verdrießlich die Zähne aufeinandergebissen, blickte er nach links und rechts umher, fast wie unwillig, dass er an nichts seinen Grimm über die Verzögerung auslassen konnte.

Hier und da arbeiteten einzelne Goldwäscher an den verschiedenen Stellen, aber ohne Gruß ritt er an ihnen, die den Fremden ebenso wenig beachteten, vorüber, bis er plötzlich, fast unwillkürlich sein Pferd wieder einzügelte, herumwarf und zu einer der eben passierten Gruben zurückritt.

Ein einzelner Mann saß hier, den Rock abgeworfen, in Hemdsärmeln, einen Strohhut in die Stirn gedrückt, auf einem frisch ausgeworfenen Erdhaufen, und rauchte eine Zigarre, und nur das neben ihm liegende Werkzeug verriet, dass er hier erst vor kurzer Zeit tätig gewesen. Wie er übrigens unter seinem Hut vor den Reiter, dem er zuerst nur einen flüchtigen und gleichgültigen Blick zugeworfen hatte, wieder auf sich zukommen sah, hob er den Kopf und schaute ihn fragend an. Er konnte natürlich nichts weiter von ihm wollen, als sich vielleicht nach irgendjemandem im Ort erkundigen.

»Nun, Boyles, wie gehtʹs?«, fragte da der Fremde, während er neben ihm stehen blieb und seine rechte Hand auf sein Knie stützte. »Seit wann habt Ihr denn angefangen, die Erde aufzukratzen? Gehtʹs mit den Karten nicht mehr? Ihr werdet Euch hier Eure Finger verderben.«

Der Mann antwortete nicht und blickte nur erstaunt und eben nicht sehr freundlich zu dem Fremden auf, der sich da jedenfalls um Sachen bekümmerte, die ihn nichts angingen.

»Ihr seid mir gegenüber im Vorteil«, sagte er endlich, immer noch das ihm unbekannte Gesicht forschend betrachtend. »Woher wisst Ihr meinen Namen?«

»Das ist nicht übel«, lachte der Reiter ingrimmig in sich hinein. »Woher ich Euren Namen weiß, mein Bursche? Soll ich Euch etwa an die Nacht im Mississippisumpf erinnern?«

»Siftly – beim Teufel!«, rief der Goldwäscher, mit einem Satz in die Höhe springend und des Reiters Hand ergreifend und derb schüttelnd. »Wo kommt Ihr her? Freue mich, Euch gesund zu sehen.«

»Dank′ Euch, Boyles«, sagte der Spieler, ihm zunickend. »Bin nur ein wenig im Land umhergeritten und wollte jetzt gern einmal sehen, wie die Sachen hier in Eurem Paradies stehen. Aber im Ernst, habt Ihr das Spielen aufgegeben, dass Ihr Euch die Finger mit der Spitzhacke verderbt? Das Hacken und Graben ist ein mühseliges Brot, und unser einer passt nicht recht dazu.«

»Verdammt auch, wenn ich′s freiwillig tue«, brummte der Miner. »Der verwünschte Halunke, der Smith, hat mich aber vor acht Tagen so rein ausgezogen, dass ich keinen Cent mehr in der Tasche habe. Doch Geduld, mein Bursche – der Platz hier scheint nicht schlecht zu sein, und ich bin jetzt hinter deine Schliche gekommen. Das nächste Mal …«

»Was für ein Smith?«, fragte Siftly ruhig. – »Kenn′ ich ihn?«

»Ihr? Na, ich sollte doch denken. Habt Ihr doch in San Francisco einen Tisch zusammen gehalten.«

»Der ist hier?«, schrie Siftly plötzlich, von seinem Pferd herunterspringend und zu dem Mann tretend. »Teufel auch, Boyles, das ist eine vortreffliche Nachricht, die Ihr mir da gebt, und Gold wert. Kann ich Ruch mit ein paar Unzen aushelfen, so sagt′s ehrlich. Habt Ihr es später, zahlt Ihr es mir wieder.«

»Topp?«, rief der andere, ihm die Hand zum Einschlagen hinhaltend.

»Topp!«, sagte Siftly und warf seinen Poncho zurück, ihm die Hand zu reichen, die dieser derb und vergnügt schüttelte.

»Das kam zur rechten Zeit«, rief er dabei, »und soll Euch außerdem reiche Zinsen tragen. Wenn Ihr mich zu etwas braucht, Siftly – ich bin Euer Mann. Aber was zum Henker, Ihr seid ja blutig an der Hand.«

»Die vermaledeiten Dornen«, sagte Siftly, »ich hab′ mir die Haut ordentlich in Stücken vom Leib gerissen, denn von Antonios herüber den Weg verfehlend, bin ich die ganze Strecke durch den Wald gekommen.«

»Das ist ein böser Weg – ich kenne ihn«, sagte Boyles – »hm – ich hätte Euch gern gebeten, mir gegen Smith beizustehen, aber gegen einen alten Kameraden …«

»Wo kann ich ihn finden?«, fragte Siftly, ohne auf die halbe Anfrage direkt zu erwidern.

»Fragt nur nach Kentons Zelt. Da steckt er alle Abende.«

»Dank Euch – und nun das Gold. Wie viel braucht Ihr?«

»Brauchen? Ja lieber Gott, das ist eine kuriose Frage, und Ihr wisst selber recht gut, dass man zu einem neuen Beginn im Spiel je mehr je besser haben muss. Aber könnt Ihr mir mit vier Unzen helfen, ohne dass Ihr sie selber vermisst?«

»Ich denke, ja. Ihr werdet schon nicht so lange Zeit brauchen, sie zurückzuzahlen.«

»Ich hoffe nicht.«

»So denn good bye – kommt heute Abend einmal in Kentons Zelt, dort wiege ich es Euch ab und kann Euch da vielleicht noch manches Neue sagen.«

Damit sprang er wieder in den Sattel, nickte dem anderen zu und ritt den nächsten Weg der Straße zu, die an dem Teufelswasser niederführte. Hier jedoch stieg er noch einmal ab und ließ sein Pferd indessen an den einzelnen Grasflecken weiden, während er selber seine Satteltasche herunternahm, sich wusch und überhaupt so gut das der Platz erlaubte, Toilette machte. Sogar Haar und Bart kämmte er sich sorgfältig aus und ritt dann erst langsam durch die ganze Stadt hindurch, an keinem der Zelte haltend oder fragend, bis er zu der Stelle kam, an der die Flagge der Vereinigten Staaten von einem glatt geschälten schlanken Kieferstamm niederwehte. Er wusste recht gut, dass dieses der Ort sein musste, an dem er die oberste Gerichtsperson finden konnte.

Der Abend brach indessen an. Die Dämmerung ist in Nordamerika außerordentlich kurz, und wie die Sonne erst einmal am Horizont verschwindet, folgt auch die Nacht ihr fast unmittelbar auf dem Fuße. Die Arbeiten im Freien waren auch längst beendet, die Leute hatten ihr Abendbrot schon verzehrt, und die meisten schlenderten noch zwischen den Zelten um­her, entweder den schönen Abend zu genießen oder auch mit der Flasche oder den Karten die Zeit bis Mitternacht herumzubringen. Wenige suchten so früh ihr Lager auf, um mit der Morgendämmerung frisch wieder an der Arbeit zu sein.

Ein großer Unterschied fand übrigens in den verschiedenen Trinkzelten statt, denn nur in den amerikanischen wurde gespielt, während die Franzosen und Deutschen das unter ihrer Leinwand nicht duldeten. Die Mexikaner hielten sich überhaupt fern von den übrigen Weißen und blieben in ihren Lagern, die selbst eine Strecke von der Stadt entfernt angelegt waren. Geistige Getränke lieben sie nicht, weder Wein noch Branntwein, und nur Einzelne trieben sich in den Spielzelten herum, gegen die Amerikaner in ihrem eigenen Spiel Monte zu pointieren.

Was sonst noch von Fremden in der Flat oder der Nachbarschaft hauste – Indianer, Neger, Chinesen und einige Sandwich-Insulaner – kam nach Dunkelwerden nie mehr zwischen die Wohnungen.

Einer der Hauptspielplätze im Paradies, der nämliche, in den wir an jenem Abend dem Justizrat folgten, war Kentons Zelt, in dem Mr. Smith mit einem Kompagnon Namens Ruly seinen Hauptsitz aufgeschlagen hatte. Drei oder vier andere Tische wurden aber noch außerdem, einer von zwei Mexikanern, die beiden anderen von Amerikanern besetzt gehalten, um mit Roulette, Würfeln und Karten den Goldwäschern die Möglichkeit zu zeigen, ihr Erworbenes zu verdoppeln, in Wahrheit aber ihnen den sauer verdienten Arbeitslohn aus den Beuteln zu locken – wer hieß sie spielen.1

Mr. Smith hatte trotzdem in der letzten Zeit mit nicht besonderem, wenigstens nicht mit dem Glück gespielt, zu dem ihn, wie er überzeugt war, seine Fähigkeiten in dieser Art des Broterwerbs berechtigten. Vor Verlusten wusste er sich übrigens zu wahren, und suchte in den müßigen Stunden mit großer Geduld seinen Partner oder Kompagnon in die freie Kunst noch vollständiger einzuweihen. Lag doch eine Hauptsache eben in dem Zusammenspiel der beiden.

Heute saß er übrigens allein an seinem Tisch. Es war allerdings noch früh, und die Hauptspiele begannen eigentlich immer erst nach zehn Uhr. Was früher kam, waren gewöhnlich kleine, wenig einbringende Sätze. Nichtsdestoweniger sah er schon einige Mal ungeduldig zum Eingang des Zeltes und sein überdies nicht freundliches Gesicht hatte sich noch finsterer zusammengezogen und in Falten gelegt. Von San Francisco waren heute wieder mehrere Amerikaner und andere Fremden eingetroffen, und das Gespräch im Zelt, das noch um die nicht benutzten Spieltische wogte, drehte sich um die Nachrichten von dort, unter denen die hauptsächlichste ein neues Feuer war. Dieses hatte nämlich fast ausschließlich denselben Stadtteil betroffen wie das frühere. Die Meinung sprach sich allgemein darüber aus, dass es jedenfalls durch irgendeine böswillige Hand angelegt sein musste wie das Erste.

In diesem Augenblick kam Ruly in das Zelt und nahm, anstatt ihm gegenüber, neben Smith einen gerade dort leer stehenden Stuhl ein.

»Nun, wo habt Ihr Euch wieder den ganzen langen Abend herumgetrieben?«, sagte, den kurzen Gruß des Kompagnons gar nicht erwidernd, Smith. »Zum Teufel, ich sitze hier …«

»Pst …«, flüsterte aber Ruly, auf den Vorwurf nicht achtend, leise zu ihm hinüber. »Ich möchte Euch um etwas fragen, das Euch selber betrifft.«

»Und das wäre?«, fragte finster der lange Spieler.

»Habt Ihr einmal in Bösem etwas mit einem gewissen Siftly gehabt?«

»Siftly?«, sagte Smith rasch und mit weit mehr Anteil, als er wahrscheinlich verraten mochte. »Was ist mit dem? Wie kommt Ihr auf den?«

»Er ist hier.«

»Hier? Im Paradies?«, rief Smith. Einen flüchtigen Blick umherwerfend war es fast, als ob er von seinem Stuhl aufspringen wollte.

»Ihr könnt nicht mehr unbemerkt fort«, flüsterte ihm aber Ruly rasch und ängstlich zu. »Ich sah ihn und den Sheriff schon vor dem Zelt.«

»Den Sheriff?«, fragte Smith zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch.

»Er – Siftly«, fuhr Ruly rasch fort, »muss heute Abend angekommen sein. Er hielt mit seinem Pferd vor des Sheriffs Zelt, ging hinein und dort wurde der Name Smith mehrere Male genannt.«

»Und woher wisst Ihr das?«

»Mein Zelt stößt dicht an das von Hale an, und durch die dünne Leinwand versteht man fast jedes Wort. Ich blieb auch deshalb im Dunkeln ganz still auf meiner Matratze liegen, konnte aber doch nicht herausbekommen, um was es sich eigentlich handele.«

»Ich danke Euch«, sagte Smith, der sich indessen vollständig gefasst hatte, trocken, indem er die vor ihm liegenden Karten gleichgültig mischte. »Es ist nichts – mit dem Smith ist jedenfalls ein anderer gemeint. Wenn es übrigens der Siftly wäre, den ich von San Francisco aus kenne, sollte es mich freuen, hier wieder mit ihm zusammenzutreffen. Es ist ein entschlossener Bursche, und wir brauchen solche Leute von unserer Farbe hier notwendig, dem verdammten Fremdengesindel die Spitze zu bieten. Es wird höchste Zeit, dass wir einmal dazwischen aufräumen.«

»Also Ihr seid sicher?«

»Setzt Euch nur auf Euren Platz.«

Ruly, dem sowohl das frühere unruhige Betragen Smiths als auch sein unwillkürlicher Schreck bei dem Namen des Mannes nicht entgangen war, konnte sich jetzt nicht recht in dessen Ruhe und anscheinende Gleichgültigkeit finden. Nichtsdestoweniger gehorchte er der Aufforderung seines Kompagnons und nahm seinen Platz ihm gegenüber wie gewöhnlich ein, etwa ankommende Spieler zu erwarten.

Smith dagegen, obgleich seine Hände fast bewusstlos die Karten durch und durch mischten und wieder mischten, dachte in diesem Augenblick an nichts weniger als das Spiel, und sein Blick, der besonders unablässig an dem Eingang des Zeltes vorüberschweifte, suchte dort die Gestalt feines Verfolgers.

Jetzt hob sich die Leinwand wieder, und Siftlys bärtiges Gesicht tauchte dort auf. Wenn Smith aber auch fühlte, wie er für den Augenblick erbleichte, behielt er doch seine ganze Ruhe. Sein Plan war schon entworfen.

Sich jetzt mit lauter Stimme in das Gespräch der Übrigen mischend, sagte er: »Solch ein Feuer ist allerdings in dem Zeltnest eine missliche Sache. Das aber ist ein böser Wind, der keinem Menschen Gutes zuweht.«

»So?«, rief ein anderer junger Amerikaner mit einem wilden Blick herüber, »wem kann ein solches Feuer Glück bringen, wie den Vagabunden vielleicht, die dabei plündern und stehlen wollen.«

»Oho«, rief ein anderer, »gibt es nicht Hunderten nachher vorteilhafte Arbeit?«

»Alles, was ich zum Beispiel habe«, sagte aber Smith, ohne auf die Bemerkung einzugehen, »verdanke ich dem vorletzten Feuer, das, wie ich bestimmt weiß, angelegt wurde. Ich kenne sogar den Brandstifter.«

»Ihr kennt ihn?«, riefen alle die Umstehenden, sich gegen ihn wendend. »Und Ihr habt ihn nicht den Gerichten angezeigt, nicht dem Volk preisgegeben, das ihn in den Brand geworfen hätte.«

»Ja, gebt einmal jemanden preis, der auf freien Füßen draußen in den Bergen nur eine Stunde Vorsprung hat«, lachte Smith auf seine heisere Art. Er wusste, dass Siftly in diesem Augenblick selbst hinter seinem Stuhl stand, während der Sheriff neben ihn getreten war. »Wenn er mir nicht einmal zufällig wieder in den Weg läuft, ist er sicher genug, denn weiter niemand hat die Beweise gegen ihn in Händen wie ich, und das ist – sein eigenes Gold, das er bei der Flucht im Stich lassen musste.«

»Das hättet Ihr aber an die abliefern müssen«, sagte ein anderer, »die durch den Brand zu Schaden bekommen waren.«

»Dass ich ein Narr gewesen wäre«, entgegnete darauf Smith lachend. »Ich selber stand mit ihm in Abrechnung, und bis die nicht ausgeglichen ist, betrachte ich es als mein Eigentum, und … habe ein Recht dazu.«

Der Sheriff warf einen fragenden Blick über seine Schulter hinüber nach dem hinter ihm Stehenden. Dieser aber schüttelte leise mit dem Kopf und winkte ihm dann, ihm vor das Zelt zu folgen.

»Aber wie heißt der Schuft, der Mordbrenner?«, rief da ein langer Kentuckier. »Seinen Namen sollte man doch wenigstens bekannt machen, und den Kerl vogelfrei erklären, dass ihn jeder, der ihn anträfe, über den Haufen schießen oder an dem nächsten Baum aufhängen dürfte.«

»Namen«, sagte aber Smith, dem die Bewegung sowohl des Sheriffs als auch Siftlys keineswegs entgangen war, indem er den beiden jetzt mit einem eigentümlichen verächtlichen Lächeln nachsah, »wer kehrt sich an einen Namen. Wenn Ihr mir jetzt sagt, dass Ihr Brandon heißt, so muss ich es glauben.«

»Aber ich heiße auch so«, rief der junge Bursche, bis hinter die Ohren hinauf in Ärger über den halb ausgesprochenen Zweifel errötend.

»Nun ja – ich streite es Euch ja auch nicht ab«, sagte Smith ruhig, während die anderen lachten. »Ihr könntet Euch aber auch ebenso gut Johns oder Brown oder Philipps nennen, und wir alle hier würden deshalb nicht klüger sein.«

»Euer Name ist Smith, wie?«, sagte der Kentuckier, den die Ruhe des Spielers ärgerte.

»Ich nenne mich so«, erwiderte aber lächelnd der Lange, die Karten durch die Finger schnellend. »Doch jetzt, Gentlemen, hoffe ich, dass mir jemand die Freude macht, das Gold hier abzuholen, das er heute Abend gewinnen will. Es muss acht Uhr vorüber sein, und die Nächte sind überdies so kurz.«

Einzelne setzten sich jetzt zu dem Tisch und es dauerte nicht lange, so war alles andere im Interesse des tückischen Spiels vergessen und verschwommen.

Show 1 footnote

  1. Es ist kaum zu viel gesagt, wenn man behauptet, dass alle diese Spiele, außer den großen Chancen, die der Bankier noch überdies hat, betrügerisch getrieben werden. Diese sämtlichen Spieler führen falsche Karten, und in den Vereinigten Staaten bestehen große Fabriken, deren Hauptverdienst gerade diese betrügerischen Karten – sowohl spanische als auch amerikanische – sind. Für einen Uneingeweihten sind sie natürlich nicht von anderen zu unterscheiden. Auf der Rückseite aber, in dem anscheinend ordnungslos darauf gestreuten blauen oder roten Muster, haben sie die einzelnen Punkte, Striche und Arabesken an den oberen Ecken so geordnet, dass ein geübter Blick die Karte ebenso rasch an der Rückseite sowie auf dem unteren Blatt erkennt. Nicht allein die verschiedenen Farben sind dort in dieser Weise bezeichnet, nein, sogar der Wert der einzelnen Blätter selbst, und die geübte und schnelle Hand des Spielers hat weiter nichts zu tun, als gefährliche Blätter zu entfernen.