Interessante Abenteuer unter den Indianern 51
John Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas
Die Jagd des Moosetieres
Das Moosetier (Cervus alces) bewohnt die nördlichen Teile von Europa und Amerika. Im letzteren Weltteil hat man es so weit gegen Norden angetroffen, als man überhaupt jenen Landstrich genau untersuchte. Gegen Süden findet man es bis zu den Ufern der großen Seen und in den New-England-Staaten. Es scheint jedoch hier schon fast ausgestorben zu sein, da man es in jüngster Zeit nicht mehr südlich vom Bundesstaat Maine gesehen hat.
Das männliche Moosetier wird oft fast größer als ein Pferd. Das Weibchen dagegen ist bedeutend kleiner und auch in der Farbe verschieden. Das Haar des männlichen Tieres ist lang und weich, an den Spitzen schwarz, weiterhin aschgrau und an der Wurzel weiß. Das Haar des weiblichen ist jedoch von einer sandbraunen Farbe, und an einigen Stellen, namentlich unter der Kehle und dem Bauch, an den Spitzen, überall jedoch an der Wurzel weiß.
Dichte Wälder und beschattete Sümpfe sind die Lieblingsplätze dieses Tieres. Dies kommt daher, weil es hier stets auf die bequemste Weise hinlänglich Futter findet. Die Länge der Glieder und die Kürze des Genickes, welche ihm in der offenen Ebene nachteilig und hinderlich sein müssen, sind gerade hier von großer Wichtigkeit für dasselbe, indem es ihm hierdurch möglich, die Reiser und jungen Zweige von der Buche, der Pappel und dem Ahorn abzuweiden, oder wenn ihm die Lust anwandelt, einige von den Wasserpflanzen zu kosten, welche so herrlich auf solchen schlammigen Stellen wachsen. So kann es, vermöge seiner lange Füße, mit Leichtigkeit auf den sumpsigen Stellen gehen, ohne einzusinken und seine Nahrung finden. Wenn es gezwungen wird, auf flachem, festem Boden zu grasen, so muss es entweder niederknien oder seine Vorderbeine weit auseinanderspreizen. Wenn es an den Seiten von steilen Anhöhen weiden will, so kann das Moosetier auch dieses mit der größten Bequemlichkeit tun, indem es das Gras von unten nach oben fortfrisst. Je steiler die Anhöhe, desto leichter ist es imstande, fortzukommen. Solange es jedoch noch hinlänglich Blätter und junge Zweige auf den Bäumen finden kann, zieht es dieses Futter jedem anderen vor. Im Sommer hält das Moosetier sich gewöhnlich in Sümpfen oder tiefen Gründen, in der Nachbarschaft von Seen und Flüssen auf, da es ihm ein großes Vergnügen macht, durch diese zu schwimmen und sich dadurch auch wenigstens für kurze Zeit, vor den Belästigungen der Insekten zu sichern. Auch watet es gern an den Ufern umher, um die großen Wasserpflanzen abzufressen, welche auf der Oberfläche schwimmen. Auch pflegt es sich einen guten Trinkplatz auszusuchen, zu dem es regelmäßig jeden Tag geht; ein Umstand, der dem indianischen Jäger sehr zustattenkommt, da es ihm dadurch möglich wird, von einem sicheren Hinterhalt aus das Tier niederzuschießen. Im Winter sucht es in Rudeln von 15 bis 20 die dichtesten, verstecktesten Stellen des Waldes auf.
Die Hauptjagd auf das Moosetier wird gewöhnlich im Monat März abgehalten, wenn der tiefgefallene Schnee mit einer Eiskruste bedeckt ist, die stark genug ist, das Gewicht eines Hundes, aber nicht eines Moosetieres zu tragen.
Fünf oder sechs Indianer, mit Schneeschuhen, einer Art Tornister, Lebensmittel für ungefähr eine Woche enthaltend, und allen nötigen Sachen versehen, um des Nachts ein behagliches Lager aufschlagen zu können, machen sich auf, das Lager des Moosetieres aufzuspüren. Sobald sie eins entdeckt haben, halten sie ihre Hunde zusammen und schlagen für die kommende Nacht ihr Lager auf, um am anderen Morgen früh die Jagd beginnen zu können, bevor die Sonne den Schnee weichgemacht hat, indem dies die Hunde aufhalten, dagegen aber die Flucht des Tieres beschleunigen würde.
Mit Tagesanbruch werden die Hunde losgelassen, und die Jäger, mit großen Schneeschuhen versehen, folgen ihnen so dicht auf dem Fuß wie möglich. Sobald die Hunde ein Moosetier erreicht haben, greifen sie dasselbe von allen Seiten an, und zwingen es, sein Heil in schleunigster Flucht zu suchen. Weit kann es jedoch nicht laufen, denn die scharfe Eiskruste, durch die es bei fedem Schritte bricht, verwundet dem armen Tier seine Beine so sehr, dass es stillsteht und mit seinem Geweih um sich herumschlägt, und gegen die Hunde sich zu verteidigen sucht. Die Ankunft des Jägers auf einen passenden Platz beendet bald den Kampf, da die selten fehlende Kugel das Tier niederstreckt.
Ich will schließlich eine Anekdote mitteilen, welche ich einst von einem Jäger hörte:
Die Hunde waren in den Wald geschickt, um ein Moosetier aufzujagen – ein Geschäft, mit dem sie wohl vertraut waren, während sich der Jäger auf einen Platz plazierte, gerade so nahe der Stelle, an welcher das von den Hunden aufgejagte Tier herausbrechen würde, sodass der Jäger es mit einem Schuss niederstrecken konnte. Der Ort, den er für seinen Hinterhalt bestimmte, war am Ende einer Ebene, am Fuß eines steilen Hügels gelegen. Die Ebene war ungefähr 4 Meilen lang, an dem einen Ende von dem Hügel, an dem der Jäger stand, an dem anderen von einem steilen Flussufer eingefasst. Er hatte sich diese Stelle gut ausgewählt, den Inhalt seiner Büchse sorgfältig untersucht und war überzeugt, dass die Ladung in gutem Zustand war. Er hatte den Stein seines Gewehres an seinem Hut abgerieben, um ihn reiner zu machen – kurz, es war alles bereit, und auf jedes Geräusch horchend, das Ohr zum Hügel gekehrt und den Mund ein bisschen geöffnet, um das Gehör zu unterstützen, das Tier erwartend.
Er hatte noch nicht lange gewartet, als das plötzliche Gebell der Hunde an sein Ohr schlug, und er wusste nun, dass binnen wenigen Minuten ein Tier an ihm vorbeifliehen würde, denn seine Hunde hatten ihm durch ihr Bellen angezeigt, dass sie eins vor sich her jagten. Er wurde auch nicht getäuscht. Er hörte schon in ziemlicher Entfernung deutlich den schnellen, aber schweren Trab des Moosetieres, welches einige Augenblicke später schon den Abhang des Hügels hinunterjagte, sein Geweih majestätisch auf seinen Rücken zurückgelegt. Nun kommt der entscheidende Augenblick – noch ein Schritt mehr, und seine edle Brust, schon im Bereich der fast nie fehlenden Büchse, wird von deren Inhalt durchbohrt sein. Die Büchse liegt an des Jägers Backe, sein Auge sieht ruhig dem Lauf entlang, setzt wird der Hahn gerührt – ein Blitz und der Todesschall drang scharf und schrillend durch die stille Luft. Der Flüchtling fiel, und der Jäger, um sich seines Opfers zu vergewissern, warf seine Büchse fort, ergriff sein Messer und sprang fast in demselben Augenblick auf den Rücken des Tieres, um ihm die Kehle zu durchschneiden.
Aber, siehe da! Die Kugel hatte nur eines seiner Geweihenden nahe an der Wurzel getroffen, wodurch das Tier für den Augenblick gelähmt und zu Fall gebracht wurde. Es kam jedoch wieder auf die Beine, ehe der Jäger Zeit genug gewinnen konnte, es mit seinem Messer zu verwunden. Da es spürte, dass sich der Feind auf seinem Rücken befinde, erhob es sich und sprang mit der Schnelligkeit eines Pfeiles davon. Unterdessen fand der Iäger, der alle Hände voll zu tun hatte, sich an das Geweih zu klammern, keine Zeit, einen Angriff mit seinem Messer auf die Gurgel desselben zu machen. Auf diese Weise wurde er, mit den Beinen unter den Bauch des Tieres anklammernd, mit einer fürchterlichen Schnelligkeit über die ganze Ebene hinweggetragen, bis dasselbe an das steile Ufer eines Flusses kam, wo selbst es nicht sobald angelangt war, als es sich mit seinem Reiter mit einem fürchterlichen Sprung ins tiefe Wasser stürzte.
Hier erfolgte nun ein förmliches Ringen mit dem Jäger und dem Moosetiere. Es versuchte denselben mit seinen Vorderbeinen unter das Wasser zu drücken, während der Jäger sich bestrebte, den Kopf desselben festzuhalten, und ihm zu gleicher Zeit die Gurgel durchzuschneiden. Dies brachte er bald zustande, und indem er ans Ufer schwamm, zog er seine Beute nach sich und erklärte seinen Kameraden, welche den Spaß mit angesehen hatten und jetzt am Ufer ds Flusses versammelt waren, dass er einen ganz glorreichen Ritt gehabt habe.
Der Name dieses Mannes war John McMullen, und selbst jetzt noch erinnern sich viele der älteren Bewohner an den Ufern des Susquehanna seiner aufs Lebhafteste.