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Der Welt-Detektiv Band 6

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Felsenherz der Trapper – Teil 12.4

Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 12
Die beiden Trumms
Viertes Kapitel

In den Kakteenfeldern der Wüste

»Donner noch eins!«, gab jetzt der dicke Jobb lachend von sich. »Das war ein feiner Streich, Felsenherz! Möchte den Navajo kennenlernen, der jetzt in der Nacht auf unserer Fährte zu bleiben vermag!«

»Schade nur um unsere Sättel!«, rief Robb. »Der Rücken meiner Minni ist verdammt hart!«

»Schritt!«, meinte Felsenherz und zügelte den Braunen, der noch das Zaumzeug genau so wie die Maulesel trug. »Im Schritt jetzt weiter! Du hast recht, Freund Robb, ohne Sattel können wir nicht bleiben. Reiten wir also im Bogen von Süden wieder an den See heran. Dann will ich drei Navajosättel holen, was nicht schwer sein dürfte. Ihr hört ja drüben die Schüsse. Saßtaluma greift die Insel an …«

Eine halbe Stnunde später näherten sich die drei Landsleute wieder dem Apachensee. Das Gewehrfeuer war jetzt verstummt.

»Sollten die Navajo etwa die Apachen schon ausgelöscht haben?«, meinte Jobb, als die Gefährten nun in einem Gebüsch am Ufer haltmachten.

»Das glaube ich nicht«, flüsterte Felsenherz. »Saßtaluma unterschätzt den Großen Bär, der noch immer die Möglichkeit hat, den Navajo, die ja nur zum geringsten Teil mit Flinten bewaffnet sind, eine Schlappe beizubringen. Warten wir erst mal ab, was geschieht.«

Nach einer Viertelstunde ging der Mond auf. Nun konnten die drei Trapper den See und die Insel bequem beobachten. Von den Rothäuten war nichts zu bemerken. Selbst im Lager am Westufer waren die Feuer ausgelöscht worden.

»Man könnte wirklich annehmen, dass weder dort auf der Insel noch am Ufer sich Rotfelle befinden«, meinte der dicke Jobb leise. »Aber gerade diese Ruhe besagt nichts Gutes. Der Tanz wird wohl bald losgehen.«

»Ah – zwei Flöße verlassen die Insel«, fügte Robb hastig hinzu. »Und wahrhaftig! Der große Bär hat sie jetzt an allen Seiten mit Brustwehren umgeben. Die Apachen wollen landen!«

Vor den Augen der drei Landsleute spielte sich nun am Westufer ein erbitterter Kampf ab, in den auch die beiden anderen, von den Navajo bemannten Flöße eingriffen.

Hier zeigte sich aber, dass der Oberhäuptling der Apachen an Intelligenz dem Navajoanführer weit überlegen war. Die Apachen eroberten zuerst die beiden Flöße, deren Besatzung größtenteils unter ihren Kugeln fiel. Dann nahmen sie die Uferbüsche unter Feuer, und die Bemannung der beiden soeben erbeuteten Flöße erzwang auch weiter nördlich hin die Landung und brach nach den Pferden hin durch.

»Es wird Zeit!«, so sagte Felsenherz da. »Ich werde jetzt zur Insel hinüberschwimmen. Unsere Sättel sind diese Mühe wohl wert. Wartet hier auf mich.«

Er schlich davon, eilte zum Ufer hinab und war in kaum zehn Minuten auf der Insel. Seine Büchsen hatte er Robb übergeben. Sie wären ihm nur hinderlich gewesen.

Der Hügel war an der Westseite jetzt völlig kahl gebrannt. Felsenherz stellte bald fest, dass sich nicht ein einziger Apache hier befand. Er konnte in aller Ruhe die Sättel ausgrahen und sie dann auf einem Baumstamm festbinden, den er schwimmend vor sich herschob.

So langte er wohlbehalten bei den Trumms wieder an.         

Inzwischen hatten die Navajo das Westufer schon geräumt. Der Lärm des Kampfes zog sich mehr nach Norden hin.

»Die Navajo werden böse eins abkriegen«, kicherte der dicke Jobb, als er seiner Finni den Sattel aufschnallte.

Danit ritten die Gefährten nach Osten zum Pecos River entgegen, überquerten ihn beim Morgengrauen an einer seichten Stelle und erklommen, als die Sonne aufging, die Randhöhen der berüchtigten Llano Estacado, der ungeheuren Hochlandwüste, die ihren Namen »gepfählte Ebene« infolge der Holzstangen erhalten hat, die in diesem Sandmeer dem Wanderer die Richtung zur nächsten Wasserstelle anzeigen.

Hier, inmitten der wild zerklüfteten, steinigen Randberge, lagerten sie und schliefen abwechselnd bis zum Nachmittag. Daun erst brachen sie wieder auf und folgten einer Reihe von Stangen, die direkt nach Osten zu verlief.

Im Schritt ritten sie behaglich nebeneinander. Robb und Jobb rauchten ihre kurzen Holzpfeifen und ließen sich von Felsenherz erzählen, wie die Bonanza im Regental von zwei weißen Banditen geplündert worden war und wie die Goldsäcke durch einen Zufall im See versanken.

»Mein roter Bruder Chokariga und ich haben jene Stelle des Apachensees mit den Lassos auf ihre Tiefe gemessen«, fuhr der blonde Trapper jetzt fort. »Es ist unmöglich, das Gold etwa durch Tauchen heraufzuholen. Es muss sich dort im Seeboden eine Vertiefung befinden, und aller Voraussicht nach ist das Gold für alle Zeit verloren. Trotzdem wollte ich aber, nachdem ich mit dem Schwarzen Panther eine Zusammenkunft nach zwei Wochen am Nordrand der Llano verabredet hatte, mich davon überzeugen, ob etwa der Große Bär, der uns bis an den Pecos gehetzt uud dort erst unsere Spur verloren hatte, etwa auf den Gedanken kommen würde, den See abzulassen, was nicht allzu schwierig wäre, wenn man genügend Leute zur Verfügung hatte. So geschah es, dass ich mit euchch zusammentraf, als die Apachen mich zufällig entdeckt hatten und wieder hinter mir her waren.«

»Und jetzt reiten wir drei gemütlich.zu Vater Summer, übergeben ihm seiner Tochter Brief und …«

Jobb, der Geschwätzige, schwieg plötzlich und rief dann: »Verdammt – das da ist eine frische Fährte zweier Reiter!«

Er zeigte auf den Sandboden, wo die Spuren sich nur verschwommen abhoben.

»Stimmt!«, entgegnete darauf Felsenherz. »Die Fährte habe ich schon vor zehn Minuten bemerkt. Da, sie läuft als doppelter Strich von Nordwest her durch den Sand und biegt hier in die Richtung der Pfahlreihe ein. Es sind zwei beschlagene Pferde, die Reiter also wohl Weiße. Die Tiere sind ermüdet, mehr noch – erschöpft! Die Spuren haben …«

»Dort hinten – Rothäute!«, rief der magere Robb dazwischen.

Felsenherz und Jobb blickten nach links.

Von Nordwest her kamen etwa dreißig Indianer im Gänsemarsch auf der Fährte der beiden Reiter daher. Sie ritten Trab, waren noch etwa achthundert Meter entfernt, ließen jetzt aber ihre Mustangs in Galopp übergehen.

»Wieder Apachen!«, erklärte Felsenherz kurz. »Wahrscheinlich Mesealero, die dort in den Jicarilla-Bergen im Norden ihre Dörfer haben. Vorwärts! Die Bande darf uns nicht zu nahe auf den Leib rücken!

Sie verfolgen fraglos die beiden Reiter, die hier vor kaum einer Stunde mit ihren matten Pferden vorübergekommen sind.«

Die drei Trapper jagten weiter, immer die Pfahlreihe entlang und auf der Fährte der beiden von den Indsmen Verfolgten dahin.

Die Llano Estacado ist durchaus keine einheitliche Sandwüste, sondern wird vielfach von kahlen Höhenzügen durchschnitten, besitzt auch zahlreiche felsige Strecken mit tiefen Canyons, bietet aber doch in der Hauptsache das Bild einer öden, wenig fruchtbaren Sandsteppe dar, in der nur ungeheure Kakteenfelder neben spärlichen Gräsern gedeihen. Diese Kakteenfelder mit ihrem gelblichen Grün geben dieser Hochlandwüste ihr charakteristisches Gepräge. Nirgends anderswo in Nordamerika findet man solche endlosen Flächen, die mit Kakteen so dicht bewachsen sind, dass kein Reiter, kein Fußgänger sich in diese stachlige Masse hineinwagen dürfte, da die glasharten Stacheln leicht abbrechen und gefährliche, eiternde Wunden erzeugen.

Nachdem die drei Gefährten an einem solchen Kakteenfeld etwa eine Viertelstunde entlanggaloppiert waren, mussten sie eine Reihe felsiger Hügel passieren.

Hier nun, wo die Rothäute hinter ihnen in dem unübersichtlichen Gelände sie aus den Augen verloren hatten, sprang der blonde Trapper mit einem Mal aus dem Sattel.

»Wir müssen die Apachen aufhalten«, erklärte er, indem er den Braunen hinter ein paar hohe Felsen führte. »Jobb mag die Tiere bewachen. Wir beide, Robb, werden ein Stück zurückkriechen und den Apachen ein paar Kugeln zusenden. Wenn wir ihnen sechs Mustangs erschießen, werden sie wohl etwas vorsichtiger und langsamer uns folgen, sodass wir sie bis zum Anbruch der Dunkelheit los sind. Inzwischen dürften wir die beiden Reiter eingeholt haben.«

Er nahm seine beiden Gewehre und schritt davon. Robb ließ sich noch seines Bruders Büchse geben, damit er ebenfalls über zwei Flinten verfügte.

Felsenherz bog etwas nach rechts von der Fährte ab und begann jetzt auf allen vieren sich weiterzubewegen. Er wollte hinter ein kleines Kakteenfeld gelangen, an dessen anderer Seite die Apachen, der Spur folgend, vorüber mussten.

Jetzt hob der blonde Trapper, als er die Spitze eines Hügels erreicht hatte, etwas den Kopf und spähte nach den Rothäuten aus. Zu seinem Erstaunen waren die Apachen jedoch verschwunden.

Robb war bald neben ihn, suchte gleichfalls den Reitertrupp vergebens und meinte kopfschlackernd: »Gefällt mir nicht, die Geschichte! Nein – gefällt mir gar nicht! Da steckt irgendeine Teufelei dahinter! Die Bande wird doch klüger gewesen sein, als wir glaubten, und wird in einem Tal um diese Anhöhe herumreiten wollen, um einem Hinterhalt zu entgehen.«

Felsenherz’ scharfe Augen musterten angestrengt den westlichen Horizont.

»Hm – schau mal dorthin, Robb!«, sagte er dann. »Gerade nach Westen zu, woher wir gekommen sind! Siehst du dort den schwarzen Strich, der sich dauernd wie eine Schlange in Windungen vorwärtsschiebt?« »Verdammt, Landsmann, das sind Indianer, Reiter, eine schwere Menge, wohl gegen zweihundert, schätze ich!«

»Ja – Apachen werden es sein! Wahrscheinlich der Große Bär, der die Navajo dort jenseits des Pecos am See fraglos versprengt, Zuzug erhalten und dann unsere Fährten trotz all unserer Vorsicht doch gefunden hat. Wenn der Große Bär erst einmal auch nur die geringste Aussicht hat, mich zu fangen, lässt er es an der nötigen Ausdauer wahrlich nicht fehlen. Kehren wir zu Jobb zurück, sonst kommen die dreißig Mescalero uns noch in den Rücken.«

Fünf Minuten darauf sprengten die drei Gefährten im Galopp weiter.

Von den Mescalero war auch jetzt, als man die offene Steppe wieder erreicht hatte, nichts zu entdecken.

So ging es denn wieder eine Stunde lang immer auf der Fährte der beiden Reiter und den Pfählen nach Osten – immer tiefer in die Einöde der Llano hinein.

Die Sonne versank hinter dem fernen Felsengebirge. Die Dämmerung kam.

Da wurde Felsenherz unruhig, meinte zu den Trumms: »Ich begreife nicht, dass wir die beiden noch nicht eingeholt haben. Ihre Tiere waren doch so ermüdet. Und auch hier sieht man an den Spuren, dass ihre Pferde immer wieder stolperten und wiederholt stehen blieben.«

Die Stangenreihe ließ jetzt zwischen zwei Kakteenfelder hinein – Felder von einer solchen Ausdehnung, dass ihr Ende gar nicht zu überblicken war.

Es wurde nun auch rasch dunkel. In der Luft lastete eine drückende Schwüle.

»Es wird ein Gewitter geben«, sagte Jobb und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Eins von den verdammten Llano-Gewittern, bei denen nur selten Regen fällt.«

Felsenherz und Robb nickten nur. Auch die drei Trapper merkten, dass ihre Tiere allmählich durch das anstrengende Waten im Sand ermüdeten. Man ritt jetzt im Schritt. Die Gasse zwischen den gelbgrünen Feldern, die zuerst reichlich hundert Meter Breite gehabt hatte, wurde enger und enger.

Mit einem Mal hielt Felsenherz an und sprang aus dem Sattel, kniete an einer der Stangen nieder und untersuchte den Sand rund um die Stange.

»Freunde«, meinte er dann, sich aufrichtend, »wir sind in eine böse Patsche geraten. Die beiden Reiter haben die Stangen anders gesteckt, haben ihre Verfolger, die Mescalero, täuschen wollen und sie hier in diesen Engpass zwischen die stachligen Wände gelockt, der sicher eine Sackgasse ist. Sie haben dies sehr schlau angefangen, das muss man ihnen lassen! Hier an dieser Stange erkennt man genau, dass sie frisch in den Sand eingegraben worden ist. Kehren wir im Galopp um, bevor etwa die Mescalero uns den Rückweg versperren. Wir dürfen unsere Tiere nicht schonen.«

Robb war jetzt auch abgestiegen und schritt tief gebückt erst am linken, dann am rechten Rand des hier nur dreißig Meter breiten Zwischenraumes zwischen den Kakteenfeldern hin.

»He – Felsenherz, wenn du recht hättest, wenn dies eine Sackgasse wäre und die beiden Reiter die Richtung der Pfähle verändert hätten, dann müssten sie doch aus dieser Sackgasse wieder herausgeritten sent, dann müssten meine beiden leidlich zuverlässigen Sehorgane hier Spuren finden, die am Rand der Felder zurückführen, zumindest verwischte Spuren! Aber – davon ist keine Rede. Überzeuge dich selbst, Landsmann. Noch ist es hell genug dazu!«

Felsenherz wurde stutzig. »Robb, wenn keine Fährten da sind, dann …« Er suchte nun gleichfalls, vollendete nach Minuten den Satz. »… Dann reiten auch wir weiter! Und – es sind keine Spuren vorhanden! Und doch haben die Reiter die Pfähle anders gesteckt! Das verstehe ich nicht.«

Er nahm seinen Braunen am Zügel und ging auf der nach Osten laufenden Spur langsam weiter.

Die Kakteen selber bedeckten hier Hügel und Täler völlig gleichmäßig. Nirgends war eine freie Stelle außer dieser immer schmaler werdenden Gasse zu sehen. Nur einzelne Felspartien ragten über die gelbgrünen, unabsehbaren Flächen hinaus wie seltsame, düstere Inseln, unerreichbar für jeden Menschen, jedes Tier. Nur die spärlichen Vögel der Llano konnten diese Inseln der Stachelwildnis als Ruheplatz benutzen.

Noch eine Viertelstunde setzten die drei Trapper so den Weg fort. Dann hatte die Gasse wirklich ein Ende, erhob sich vor den dreien auch nach Osten zu dieselbe fast brusthohe Wand der ineinander gewachsenen Kakteenstauden.

Es war mittlerweile völlig finster geworden, es wetterleuchtete im Süden ununterbrochen. Das Gewitter zog herauf, und nur wenn der fahle Lichtschein den südlichen Himmel überflog, konnte man hier in der gefährlichen Sackgasse Einzelheiten erkennen.

»Verdammt!«, murmelte Jobb. »Da sitzen wir ja fein fest! Inzwischen werden die Mescalero uns vielleicht wirklich den Ausweg verlegt haben. Was nun?«

Felsenherz überlegte kurz, sagte dann: »Reitet zurück bis zu dem Dünenkamm, den wir soeben überschritten haben. Dort ist die Gasse kaum zehn Meter breit. Dort können wir uns die Mescalero vom Halse halten. Ich werde derweil trockene Kakteenzweige abschneiden und mir eine Art Fackel herstellen. Die Fährte der beiden Reiter muss doch irgendwo kehrtmachen. Sie können doch nicht durch die Luft davongeflogen sein!«

Jobb und Robb verschwanden.

Der blonde Trapper schnitt mühsam ein paar verdorrte Kakteenzweige ab. Das war wirklich eine schwere Arbeit. Diese Kakteenstauden sind ja so hart, dadd sie jedes Messer sehr bald stumpf machen.

Dann holte er sein Präriefeuerzeug hervor und versuchte sie in Brand zu fetzen. Es gelang auch. Nun kroch er mit dieser Fackel über den Sand hin, suchte und suchte, musste neue Zweige absäbeln, da die Fackel nicht lange vorhielt, suchte aufs Neue, stellte fest, dass die beiden Reiter an der letzten Stange tatsächlich umgekehrt und nach rechts an den Rand der Gasse hinübergegangen waren, nachdem sie die Hufe ihrer Pferde mit Decken umwickelt hatten.