Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Gold Band 2 – Kapitel 02.2

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 2
Der Alkalde
Teil 2

In der Grube arbeiteten drei junge Leute. Einer davon war auch noch emsig mit seiner Spitzhacke beschäftigt, der Zweite stocherte mit seinem Messer an der Seitenwand herum, ob er nicht noch ein anderes glänzendes Stück entdecken könne, und der Dritte stand aufrecht darin, sein Eigentum, das da oben von Hand zu Hand ging, im Auge zu behalten.

»Gebt es wieder herunter!«, rief er jetzt hinauf. »Ihr habt es lange genug betrachtet und greift mir sonst die Hälfte davon ab. Einen halben Dollar wird es jetzt schon leichter geworden sein.«

»Nur nicht so geizig, Bill«, rief ihm ein anderer lachend zu, »bei solch einem lump kommt es auch auf einen halben Dollar nicht an.«

»Holt lieber eure Spitzhacken und grabt«, sagte aber der in der Grube wieder. »Wer weiß, ob dies das größte Stück ist, was hier noch herausgehauen sein will!«

Die Aufforderung wirkte. Korbel reichte ihm das Gold wieder in die Grube hinab, und die meisten der Leute zerstreuten sich jetzt, teils gleich an die Arbeit zu gehen, teils auch nur – wenn sie erst noch andere Plätze auszubeuten hatten – ihren angemarkten claim von dem Alkalden registrieren zu lassen, und sich denselben dadurch gegen alle ferneren Ansprüche zu sichern.

Es war dies nämlich das Haupteinkommen des Alkalden aller solcher Minenplätze, der diese claims in ein besonderes Buch nach der Nummer registrierte und von jedem zwei Dollar ausgezahlt erhielt. Der Platz brauchte dann nur mit einem Holz, das die Nummer trug, versehen zu werden, und man konnte ihn Monate lang ungefährdet liegen lassen.

In der letzten Zeit waren nun diese Einkünfte sehr durstig ausgefallen, da die eigentliche Flat schon ihre Herren hatte, und an den verschiedenen Bergwassern ein solches Registrieren nicht stattfand.

Die Leute versuchten da heute hier, morgen da, und es fiel niemandem ein, einem anderen ins Gehege zu kommen. Gab es doch Raum überall genug. Hier dagegen war das etwas anderes, denn wo sich alles auf einen Punkt zusammendrängte, reichen Gewinn von einer solchen Stelle erhoffend, wurde eine Regelung und Sicherstellung der Plätze nötig. Niemandem hätte deshalb auch dieser neue Fund erwünschter sein können als gerade dem Alkalden, der mit dem Niederschreiben von ein paar Hundert Namen und Nummern in wenigen Stunden doppelt so viele Dollar verdiente.

Wie ein Lauffeuer breitete sich indessen das Gerücht über die ganze Flat, bis in die entferntesten Stellen aus, im roten Boden, wie jene Stelle dort genannt wurde, sei ein großer Klumpen Gold gefunden worden. Die Händler, denen hauptsächlich daran lag, dass recht viele Goldwäscher hier zuströmten, feuerten dabei ein paar Kanonenschläge ab, um damit anzudeuten, dass etwas Wichtiges vorgefallen wäre, und Fama setzte natürlich schon hinter die 2 Pfund eine 0. Solche Gerüchte waren ihnen stets von größtem Nutzen, denn sie brachten jene Einwanderer in die Plätze, und ihre Provisionen fanden dadurch rascheren Abgang. Dass ein paar fulminante Artikel über den neuen Fund in die San Francisco-Blätter kamen, dafür wurde ebenfalls augenblicklich gesorgt.

Kaum eine Stunde war vergangen, und der bis dahin so vernachlässigte rote Boden sah plötzlich, mit seinen nach allen Richtungen hin abgemarkten Vierecken, wie ein Schachbrett aus. Einige der Eifrigsten hieben schon wacker mit den schweren Spitzhacken ein und arbeiteten im Schweiß ihres Angesichts, so rasch wie möglich auf die goldhaltige Erde zu kommen, wo sie solche Stücke erwarten durften.

Im vollsten Widerspruch indessen mit der ganzen übrigen, rastlos geschäftigen und nur das praktische Leben erfassenden Welt um ihn her, stand der Justizrat, der sich so wenig um den Goldklumpen oder weitere Aussicht auf ähnlichen Erfolg bekümmerte, als ob er ruhig daheim in Europa in seiner Stube säße und die Geschichte nur eben in der Zeitung gelesen hätte.

Überhaupt nie daran gewöhnt, sich zu irgendeiner Sache rasch zu entschließen, glaubte er auch hier noch ebenfalls Zeit genug zu haben. Gold musste ja außerdem überall liegen, wozu also sich abhetzen und ohne Weiteres damit anzufangen. Das Wichtige für jetzt schien ihm im Gegenteil die Waschfrau aufzufinden, von der ihm Fischer gesagt hatte. Er packte deshalb, da nicht einmal Herr Hufner im Zelt geblieben war, ihn dabei zu unterstützen, seine schwarze Wäsche eigenhändig zusammen und in ein Bündel, zündete sich eine frische Pfeife an und schlenderte dann langsam in die Stadt hinab, das Bündel dabei soviel wie möglich mit seinem Rock bedeckend.

Tomlins – den Namen hatte er sich übrigens gemerkt. Nach Frau Tomlins fragte er jetzt unten ein paar ihm begegnende Amerikaner, die ihn jedoch anfangs nicht verstanden hatten. Erst als er ihnen die Wäsche zeigte und den Namen Tomlins wiederholte, begriffen sie, was er wollte. Die Waschfrau schien ausgebreitete Kundschaft zu haben. Sie wiesen ihn in ein kleines Zelt, das in der Reihe der Übrigen stand.

Dort trat denn auch der Justizrat ohne Weiteres ein, denn ein Anklopfen war nicht gut möglich, blieb aber im Eingang stehen, als er die erwartete Frau da nicht bemerkte. Nur ein alter Neger saß an einem mitten im Zelt angeschürten Feuer, über dem ein großer Topf an zwei eingerammten Pfosten hing, und briet sich Kartoffeln in der heißen Asche. So wenig nahm er übrigens von dem Justizrat Notiz, dass er bei dessen Eintritt und Gruß nicht einmal den Kopf hob, sondern nur einfach ein paar unverständliche Worte vor sich hinmurmelte und dann eine von den Kartoffeln heransnahm, an seinem Knie abwischte, auseinanderbrach, blies und verzehrte.

»Frau Tomlins nicht zu Hause?«, fagte der Justizrat.

»Hm?«, fragte der Neger, ohne aufzusehen.

»Frau Tomlins nicht zu Hause?«, wiederholte mit lauter, fast schreiender Stimme jetzt der Deutsche, denn er fing an zu glauben, dass der Schwarze vielleicht schwerhörig sein könne. Überdies wurde er ungeduldig.

»Me Tomlins!«, sagte da der Alte, indem er sich mit der halben dampfenden und gar nicht übel riechenden Kartoffel auf die eigene Brust deutete. »Me Tomlins – what you want.«

»Aber wo ist die Frau?«, fragte der Justizrat, dem es noch nicht einfiel, dass der Alte hier die bezeichnete Waschfrau selber sein könne. »Frau – woman?«

»Woman?«, wiederholte aber der Alte erstaunt, indem er zum ersten Mal zu dem Fremden aufsah. Es war fast, als ob ihm eine Art von Lächeln durch die dunklen, in tausend Falten gelegten Züge blitze. »Me no woman – me Tomlins – want washing?«

Das Wort washing kam dem Deutschen zu nahe, einen Zweifel an der Bedeutung des Wortes zu lassen, wenn es auch dem Justizrat noch nicht recht in den Kopf wollte, dass das die einzige »Waschfrau« sei, die er hier finden würde.

Der Alte löste aber darüber bald auch seine letzten Zweifel und ließ sich sogar herab, dem Fremden durch eine waschähnliche Bewegung seiner beiden Hände anzudeuten, was er meinte.

»Hm«, brummte da endlich der Justizrat vor sich hin, »verwünscht verkehrtes Land – denke, finde weiße Waschfrau – ist’s ein schwarzer Neger – hm – einerlei, wenn er nur gut wäscht.« Und dabei packte er seine mitgebrachten Hemden, sieben an der Zahl und alle von guter feiner Leinwand, aus und zeigte sie dem Schwarzen.

»Put them dare«, sagte aber dieser, ohne die Wäsche auch nur eines Blicks zu würdigen. Indem er mit der rechten Hand in die nächste Zeltecke deutete, wo schon ein ganzer Haufen anderer schwarzer Wäsche lag.

»Werft sie dahin, kommen alle die Woche dran.«

»Aber möchte sie sorgfältig behandelt haben«, sagte der Justizrat, dem dieses summarische Verfahren nicht recht gefiel.

»Put them dare«, war aber das Einzige, was er aus dem alten wortkargen Burschen herausbrachte, der, wie es schien, glaubte, sich schon viel zu lange mit seinem neuen Kunden eingelassen zu haben. Nach einigen vergeblichen Versuchen, ihm deutlicher zu machen, was er eigentlich wünsche, musste es der Justizrat endlich aufgeben. Er war nur wenigstens froh, seine Wäsche untergebracht und versorgt zu haben, schnürte sein geöffnetes Bündel deshalb wieder zusammen, legte es neben die übrige Wäsche in die Ecke und ging dann, mit seiner Morgenarbeit vollkommen zufrieden, in das Elsasser Zelt, sich an einem Glas Wein zu stärken und für weitere Anstrengungen vorzubereiten.