Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Dämonische Reisen in alle Welt – Kapitel II, Teil 2

Johann Konrad Friederich
Dämonische Reisen in alle Welt
Nach einem französischen Manuskript bearbeitet, 1847.

Kapitel II, Teil 2

Beide machten sich sofort auf den Weg, und der Beamte begann, nachdem er seine reichlich fließenden Tränen getrocknet.

»Ich heiße Borda, bin Finanzrat mit einem jährlichen Gehalt von 1800 Gulden. Mit einiger Ökonomie hätte dieses mäßige Einkommen wohl hinreichen können, mich und die meinen anständig zu ernähren. Von meinen fünf Kindern sind zwei Töchter schon erwachsen, und der Älteste meiner Söhne studiert bereits auf der Hochschule zu Heidelberg. Die Bedürfnisse einer so zahlreichen Familie sind aber nicht gering, und dann wird auch von oben und namentlich in unseren kleinen Residenzen sehr darauf gesehen, dass man als Beamter auf einem gewissen Fuß lebe. Da gibt es 100 Gegenstände des Putzes und der Toilette, die man der Frau und den Töchtern nicht gut versagen kann. Sie würden sich sonst bei ihren Bekannten und Freundinnen zurückgesetzt fühlen, dürfen diesen nicht nachstehen. Man kann nicht umhin, Gesellschaft zu besuchen, Gesellschaften zu geben, sich in der Welt sehen zu lassen, in der Hoffnung, seine Kinder bälder zu versorgen. Dies alles verleitet zu Ausgaben, welche die Kräfte übersteigen. Wir sind ihrer an den Toren Frankreichs, dem Vaterland in der Mode und des Putzes, das uns unaufhörlich mit den Gegenständen, welche die Begierden der Frauen und die Verzweiflung der Männer erregen, aus erster Hand überschüttet. Dies und die Furcht, zu früh pensioniert zu werden, wenn man sich das Missfallen irgendeines Hochgestellten durch allzu große Sparsamkeit zuzieht, macht, dass gar manche Beamte zu Ausgaben verleitet werden, die nicht im Verhältnis mit ihren Einnahmen stehen. Es sind kaum zwei Jahre, das ich anfing, kleine Summen aus der mir anvertrauten Kasse zu entlehnen, die ich anfänglich, so oft wie ich mein Gehalt empfing, wieder einlegte. Bald aber wurden meine Schulden zu groß. Um das Defizit zu decken, nahm ich zunächst meine Zuflucht zu Juden, die mir Geld zu hohen Zinsen vorschossen. Aber auch diese wollten bezahlt sein, peinigten mich, und ich griff wieder in die Kasse. Das Defizit in derselben wurde immer größer, von allen Bekannten, an die ich mich wandte, die aber nur amis jusqu’a la bourse waren, abgewiesen, nahm ich jetzt meine Zuflucht zum Spiel, zu den fehlenden Tausend kamen nach wenigen Tagen noch Tausende hinzu, die ich nach und nach der Kasse entnahm. Heute Morgen verlor ich den Rest des Kassenbestandes und mit ihm jede Hoffnung. Entehrung und Tod waren, was mir übrig blieb. Da nahten Sie, großmütiger Mann, im Augenblick der Entscheidung, erhielten mir das Leben und retteten meine Ehre!« »Lassen wir das gut sein«, unterbrach Stürmer den Redner, indem er hinzusetzte: »Es wundert mich, dass der Großherzog, der doch den Ruf einer großen Menschenfreundlichkeit hat, ein so gefährliches und unmoralisches Institut wie diese Hasardspiele, duldet.

Personen, die Einfluss auf ihn haben, und aus leicht zu erratenden Ursachen die Spielbank in Schutz nehmen, wissen dem Regenten glauben zu machen, dass ohne diese leidige Anstalt Baden wenig mehr besucht werden und so das Interesse des Landes, wohl das Letzte, was sie berücksichtigen, gefährdet würde. Ich bin indessen überzeugt, dass das Verbot der Hasardspiele weit entfernt die Fremden vom Besuch Badens abzuhalten, manche rechtliche Familie anziehen würde, um der Genüsse eines Ortes teilhaftig zu werden, den Kunst und Natur so reich und der Gesundheit so zuträglich ausgestattet haben, und den sie jetzt, trotz seiner Schönheiten, meiden, die Gefahren der Spielbank für die ihren fürchtend. Glücksritter würde man dann wohl weniger hier sehen, aber gerade deren Wegbleiben wäre ein Glück. Ein guter Teil der Einwohner Badens ist auch der Meinung, dass das Aufhören der Hasardspiele ihrer Stadt eher Nutzen als Schaden bringen würde. So oft ein Fremder plötzlich verschwindet, Schulden hinterlässt, seinen Wirt nicht bezahlt, was hier täglich vorkommt, haben Bürger und Wirt nur der Bank diesen Verlust zu verdanken. Benazet und seine Spießgesellen verprassen die im Sommer hier erbeuteten Gelder im Winter in Frankreichs Hauptstadt in lustiger Gesellschaft. Aber selbst in den Kammern haben sich gewissenlose Abgeordnete gefunden, die diesen Schandfleck des Landes in Schutz nahmen. Es ist bekannt, dass der Spielpächter Benazet sich öffentlich rühmte, dass kein Organ der französischen Presse es wagen würde, ihn und seine Anstalt anzugreifen. Wie groß war daher dessen Zorn, als er erfuhr, dass mehrere deutsche Journale sich unterfangen hatten, einige fulminante Artikel gegen das geheiligte Institut der Hasardspiele Badens zu schleudern. Aber dass dies auch selbst in Deutschland nicht so ganz gefahrlos ist, bewies die bald darauf erfolgte plötzliche Ausweitung eines sich während der Saison in Baden aufhaltenden Schriftstellers, den man im Verdacht hatte, einige dieser Artikel gegen Benazet und Konsorten an die Kölner Zeitung gesandt zu haben.«

Unter diesen und ähnlichen Reden kamen die beiden neuen Bekannten in Baden am Kursaal an. Noch in einiger Entfernung von demselben vernahm man einen ungewöhnlichen Lärm. Den Finanzrat ergriff ein unwillkürlicher Schauder, als er in die Nähe der Spielsäle kam. Er schwur hoch und teuer, nie mehr einen Fuß in dieselben zu setzen. Er nahm Abschied von seinem Wohltäter, der ihm versprechen musste, ihn und die durch ihn gerettete Familie in Kurzem in ihrer Wohnung zu K… mit einem Besuch zu beehren, und empfahl sich sodann mit dankerfülltem Herzen.

Als Stürmer in den Spielsaal trat, seinen Gefährten aufzusuchen, fand er daselbst eine große Aufregung. Letzterer hatte während seiner Abwesenheit die Bank nicht weniger als viermal gesprengt, und nachdem die Spielpächter auch die zuletzt geholten Goldrollen noch eingebrockt hatten, erklärten sie das Spiel für geschlossen. Die Sache hatte großes Aufsehen unter den Anwesenden gemacht, die sich alle um den glücklichen Spieler drängten, den sie für einen reichen Russen hielten, und der sich nun Arm in Arm mit Stürmer entfernte, um ein Mittagsmahl an der table d’hôte des badischen Hofes einzunehmen.

Die Tafel war heute ungewöhnlich stark besetzt, da zu Ehren des großherzoglichen Geburtsfestes viele Beamte an desselben speisten und die Gesundheit des Landesfürsten in edlem Rheinwein und Champagner tranken.

Gegen das Ende der Tafel kamen einige dieser Herren auf den Einfall, dem Großherzog einen Toast ausbringen zu wollen, und begehrten deshalb Stille und das Wort. Sogleich ließ sich am anderen Ende des Tisches eine dagegen protestierende Opposition vernehmen, behauptend, dass niemand das Recht habe, an öffentlicher Wirtstafel Gesundheiten gegen den Willen anderer Gäste auszubringen. Die Sache gab zu einem heftigen Wortwechsel Anlass, die Toaste unterblieben, und die Beamten standen plötzlich vom Tisch auf und verließen sämtlich den Saal. »Eine glückliche Reise!« schallte ihnen lachend nach.

Kaum waren sie zur Tür hinaus, als einer der gebliebenen Gäste ein Vivat Itzstein und Hecker! brüllte.

»Das ist mir auch der Rechte«, brummte ein etwas ältlicher Mann, »der Itzstein ließ ja die Leute bis aufs Blut hauen, als er noch Amtmann war.«

»Es sind doch immer noch die Alten, die guten Deutschen«, sagte Michel lachend zu seinem Gefährten, stieß mit diesem an und rief laut aus: »Pereat die Bank!«

»Pereat!«, wiederholte Asmodi, ein Glas Champagner hinunterstürzend.

»Wir müssen diesen Nachmittag den Herren die zweite Lektion geben«, meinte Michel.

»Nach Belieben«, höhnte Asmodi.

Und beide verfügten sich nach gehaltenem Mahl wieder in die Spielsäle, wo sie das Spiel mit gleichem Glück, zum Erstaunen der Zuschauer und zur Verzweiflung Benazets und Konsorten, fortsetzten, bis es Letzterer abermals für geschlossen erklären musste.